Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

ja insbesondere Baden-Württemberg profitiert. Das, Herr Ministerpräsident, wagen Sie da noch in einer Fernsehsendung groß als Ihren Erfolg herauszustellen

(Abg. Dr. Caroli SPD: Unerhört, so etwas! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Unglaublich!)

und gegen die Windkraft aufzurechnen, aber im eigenen Haushalt werden die winzigen Ansätze noch heruntergefahren. Das ist kein Ausweis für eine Politik, die auf ökologischem Gebiet die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder im Auge hat.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt komme ich zur Landesstiftung. Die Perversion dieser Konstruktion zeigt sich jetzt wieder einmal so deutlich wie nie zuvor. Wir müssen in jedem Bereich, den wir verantworten, alles herunterfahren. Ich habe ja gesagt: Wir Grü

nen stellen keine Erhöhungsanträge, weil wir die Verschuldungssituation ernst nehmen. Es ist fast kein Gestaltungsspielraum mehr vorhanden, über den das Parlament überhaupt noch verfügen könnte. Wir können nur noch Lasten, aber keine Güter mehr verteilen. Daneben gibt es eine Landesstiftung, die einfach wie aus dem Füllhorn Wünsche befriedigen kann. Das ist eine völlig absurde Situation.

Herr Ministerpräsident, es ist doch unsinnig, dass wir beide in der Föderalismuskommission um mehr Kompetenzen für die Länderparlamente kämpfen sollen, wenn Sie selbst mit solchen Konstruktionen dieses Landesparlament schwächen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Die Größenordnung der Mittel, die die Landesstiftung ohne parlamentarische Kontrolle ausgibt, ohne dass die Öffentlichkeit das nachvollziehen kann – das findet ja nichtöffentlich statt –, ist ein Vielfaches dessen, was wir in den letzten Haushalten überhaupt an freier Spitze verschoben haben. Ich finde, dass dies angesichts der dramatischen Haushaltssituation endlich aufhören muss. Sie müssen die Landesstiftung wieder in den Haushalt zurückführen. Dorthin gehört dieses Geld. Es muss für die Schuldentilgung eingesetzt werden, damit wir mehr Handlungsspielräume haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich habe gesagt: Oberste Priorität für dieses Land muss die Bildung haben. Das ist ja nicht nur wichtig für die Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen, sondern auch von elementarer Wichtigkeit für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Baden-Württemberg. Was macht die Regierung? Sie unterläuft den Solidarpakt mit den Universitäten durch Stellenkürzungen, der eigentlich dadurch abgedeckt werden sollte. Außerdem kürzt sie über den Solidarpakt hinaus noch Sachmittel. Gleichzeitig lassen Sie aber Effizienzpotenziale ungenutzt. Beispiele: Die Externalisierung der internen Verwaltungsfachhochschulen würde im Jahr über 36 Millionen € freisetzen. Es ist nicht zu verstehen, warum unsere Verwaltungsanwärter während ihrer Ausbildung bereits Anwärterbezüge erhalten. Sie sollten wie jeder andere Student behandelt werden, wie dies bereits in anderen Bundesländern praktiziert wird. Also auch hier werden Sie der Aufgabe, die richtigen Prioritäten zu setzen, nicht gerecht.

(Beifall bei den Grünen)

Sie verweigern sich aus parteipolitischen und ideologischen Gründen der Verbesserung des Angebots an Ganztagsschulen im Sinne eines großen Sprungs nach vorne, der hier notwendig ist.

Wir sagen: Die Ausweitung des Angebots an Ganztagsschulen können wir durch Effizienzsteigerungen in der Schulverwaltung und bei den Kleinsthauptschulen finanzieren. Also müssen wir dies jetzt machen. Denn Bildung hat Priorität. Hier darf nicht gespart werden, auch nicht bei der Wissenschaft.

In einer Situation, in der die Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen, darf man auch nicht so drastisch in die kommunalen Finanzmittel eingreifen, wie Sie das tun. Ich

erinnere daran, was Sie sich bei der Gemeindesteuerreform im Bund geleistet haben: Sie haben ein Jahr lang Verhandlungen in dieser Kommission blockiert mit einem Modell, das außer Ihnen selbst niemand wollte, auch nicht Ihre kommunale Basis. Und im Vermittlungsausschuss haben Sie jeden vernünftigen Reformansatz, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer zu erweitern, die Bemessungsgrundlage zu erweitern und den Bezieherkreis zu erweitern, blockiert.

Dann haben Sie durchgesetzt, dass die Gewerbesteuerumlage gesenkt wurde. Das ist natürlich richtig. Aber was hat das mit einer Reform zu tun? Nichts!

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gar nichts!)

Damit bekommen die Kommunen doch nur mehr Geld auf Kosten des Landes und des Bundes.

Sie wollen den Leuten doch Folgendes erzählen: Die Kommunen brauchen mehr Geld, aber man darf es von niemandem holen. Ja, wie soll denn das funktionieren? Das ist kein ehrlicher Umgang. Wenn wir sagen, die Kommunen sollten mehr Geld bekommen, dann muss dieses Geld von jemandem kommen. Dann muss es jemandem aus der Tasche gezogen werden; das ist nun einmal so. Und dazu war die reformierte Gewerbesteuer der richtige Ansatz, der auch von Ihrer kommunalen Basis vertreten wurde. Argumente wie zum Beispiel das Argument mit den Freiberuflern können nun schon einmal gar nicht überzeugen, denn in Ihrem eigenen Modell würden die Freiberufler ja genauso herangezogen wie in dem Modell der reformierten Gewerbesteuer.

Also, was Sie da gemacht haben, war Blockade reinster Art.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nur! – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Sie waren auch schon mal bes- ser!)

Und jetzt haben wir eine Situation, in der aufgrund der Senkung der Gewerbesteuerumlage die Landeshaushalte zusätzlich belastet werden, ebenso wie der Bundeshaushalt. Und was machen Sie? Jetzt greifen Sie aufgrund dieser Lage den Kommunen weiter dramatisch in die Tasche. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Es ist doch eher schwachsinnig,

(Beifall bei den Grünen)

irgendetwas zu blockieren, weil es den eigenen Haushalt trifft, und dann im eigenen Haushalt den Kommunen mit 205 Millionen € drastisch ans Fell zu gehen. Im Flüchtlingsaufnahmegesetz sind weitere Belastungen vorgesehen, die auf die Kommunen zukommen. Diese Politik, die Sie gegen die Kommunen machen, machen wir nicht mit. Wir werden diese Anträge strikt ablehnen, und wir werden zeigen, dass wir die Maßnahmen gegenfinanzieren können. Das heißt, dass man auch in einer so dramatischen Haushaltssituation in der Lage sein wird, den Kommunen nicht in diesem Ausmaß an die Finanzen zu gehen und trotzdem die Priorität für die Bildung aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei den Grünen)

Ich finde es auch ziemlich weit hergeholt, dass Sie in der Debatte jetzt anführen, der Bund habe versucht, das Vorzie

hen der Steuerreform durch zu hohe Schulden zu finanzieren. Sie waren es, die es abgelehnt haben, mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz die großen Subventionsblöcke zu streichen. Das hätte dazu gedient, die vorgezogene Steuerreform mit weniger Schulden zu finanzieren. Das waren genau Sie, die das verhindert haben. Jetzt wird von Ihnen die Methode „Haltet den Dieb“ angewandt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Schließlich, glaube ich, darf man in einer solchen Situation auch die Einnahmeseite nicht vernachlässigen, Herr Finanzminister. Das Land muss mehr dafür tun, dass die Steuern, die festgelegt wurden, auch erhoben werden. Denn schließlich unterstehen die Finanzämter der Landeshoheit, wie Sie ja wohl wissen. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass allein bei den Veranlagungsstellen jährlich Mindereinnahmen von rund 360 Millionen € anfallen, weil die Anträge nicht gründlich bearbeitet werden. Dafür, dass sich dies ändert, sind Sie zuständig. Sie müssen das notwendige Personal dafür bereitstellen, weil sich das logischerweise rechnet.

Dasselbe haben wir beim Umsatzsteuerbetrug. Er wird inzwischen auf jährlich 18 Milliarden € geschätzt. Wenn wir auch nur ein Drittel davon durch verstärkte Prüfung erheben könnten, würde das für das Land Mehreinnahmen in Höhe von immerhin 400 Millionen € ausmachen. Wenn sich das Land in einer konzertierten Aktion, in einer länderübergreifenden Aktion, dafür einsetzt, dass diese Kontrollen verbessert werden, wenn das also alle Länder machen, dann wird sich das auch rechnen.

Schließlich schlagen wir weiter vor, dass der Wasserpfennig moderat angehoben wird. Das macht für einen Privathaushalt 3,50 € pro Jahr aus. Wir können damit die Hochwasserschutzmaßnahmen im Land auf eine nachhaltige Finanzbasis stellen, und wir können verhindern, dass der Kommunale Umweltfonds im kommunalen Finanzausgleich mit 37 Millionen € belastet wird. Das halten wir für eine moderate Maßnahme, die dazu dient, dass unsere Kommunen entlastet werden und die notwendigen Investitionen tätigen können, insbesondere im Bereich der Altlastensanierung und damit gegen weiteren Landverbrauch.

Lassen Sie mich das zum Schluss

(Beifall des Abg. Haller SPD)

noch einmal bewerten:

Die Beschreibung der Lage durch Sie ist durchaus gut und ehrlich. Das ist auch keine große Leistung, da man offensichtlich nicht mehr um den heißen Brei herumreden kann, wenn einem der heiße Brei schon ins Gesicht geflogen ist. Aber die Analyse der Ursachen ist mangelhaft: immer zu viel Blick nach Berlin, statt sich um den eigenen Haushalt zu kümmern.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Lösungsvorschläge, etwa bei den Pensionslasten, wie wir zu einer Nettonullverschuldung kommen sollen, fehlen komplett. Offensichtlich hat Sie das dauernde Schielen nach

Berlin so viel Zeit gekostet, dass Sie dazu nicht mehr gekommen sind.

(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Die Nettonullverschuldung bis 2008, Herr Finanzminister, ist eine reine Nullnummer. Sie haben durch nichts ausweisen können, wie Sie dieses Ziel erreichen werden. Lösungsansätze hierzu fehlen gänzlich.

Sie haben hier 50 Jahre lang regiert. Sie sind für die Haushaltslage verantwortlich. Hören Sie auf, wegzuschauen und das Problem einfach auf unsere Kinder und die Kommunen zu verlagern.

Wir sollten vor dieser schwierigen Aufgabe nicht zurückschrecken. Wir müssen mittelfristig eine Lücke von 3 Milliarden € schließen. Wenn wir das auf drei Teilbereiche aufgeteilt machen – ein Drittel der Lücke schließen wir durch strukturelle Maßnahmen bei den Personalausgaben; das sind etwa 10 % der Personalausgaben; ein Drittel der Lücke schließen wir durch strukturelle Maßnahmen, die keine Auswirkungen auf den Personalbereich haben, und ein weiteres Drittel durch das Streichen von Einzelmaßnahmen, die die Lasten für die Zukunft mindern –, dann ist das, glaube ich, mittelfristig gesehen zwar ein hartes Programm, aber ein Programm, dem wir uns stellen.

Wir werden an der Lösung dieser schwierigen Aufgabe konstruktiv mitarbeiten, und wir werden bis zum nächsten Haushalt die Vorschläge machen, die deutlich machen, wie wir mittelfristig aus der Schuldenfalle herauskommen und wie wir dieses Land zugunsten unserer Kinder und Kindeskinder und der Politikerinnen und Politiker, die nach uns kommen, sanieren können.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte vor einer Woche 40 Minuten Zeit, meine Vorstellungen vorzutragen. Sie haben heute im Durchschnitt länger gebraucht als 40 Minuten. Ich werde mich aber heute bemühen, möglichst nur noch Reaktionen auf das vorzubringen, was hier vorgetragen worden ist.

Wir haben jetzt zwei Oppositionsreden gehört, die von verschiedenen Kulturen der Opposition zeugen. Deswegen muss ich im Einzelnen und verschieden auf sie eingehen.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Drexler, haben Sie gesagt, wir hätten zwei Fehler gemacht: Wir hätten erstens zu wenig gespart und zweitens zu wenig ausgegeben.

(Abg. Drexler SPD: Investitionen!)