Insofern wäre es vielleicht sinnvoll, wenn Sie auf diesen Ebenen einmal diskutieren würden und nicht im Landtag von Baden-Württemberg. Sie sind hier auf der falschen Baustelle.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sie hätten ja frühzeitig einmal die Gegenposition beziehen kön- nen! Warum haben Sie das nicht gemacht?)
Der zweite Punkt ist: Herr Palmer, das ist jetzt ein klassisches Eigentor. Wenn Sie nämlich dazwischenrufen: „Der hat nicht mal seinen Verkehrsminister gefragt!“, dann wäre es vielleicht einmal sinnvoll, in dieser Koalition zu diskutieren, wie man miteinander umgeht.
Ich sage Ihnen nur: Im baden-württembergischen Kabinett läuft das nicht so. Da wird mit den Ministern geredet und nicht über sie. So einfach ist das.
(Beifall bei der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Der Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen ist von der SPD!)
Meine Damen und Herren, dass wir alle keinen Kahlschlag im Schienenverkehr in Baden-Württemberg wollen, dass wir diesen verhindern möchten, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig. Aber klar ist auch, Herr Palmer, dass die Hilfe etwas spät kommt. Denn im Gegensatz zu den Grünen haben wir nicht nur früh erkannt, sondern auch früh artikuliert, welche Risiken mit dem Koch-Steinbrück-Papier zum so genannten Subventionsabbau – ich komme gleich noch darauf – verbunden sind. Der Ministerpräsident hat verschiedentlich öffentlich artikuliert, dass wir nichts, aber auch gar nichts von diesen Vorschlägen halten. Es ist schön, wenn der Landtag das unterstützt. Aber die Landesregierung vertritt das schon seit dem Moment des Erscheinens des Koch-Steinbrück-Papiers. Insofern sind Sie da ein bisschen spät dran.
Im Übrigen, meine Damen und Herren: Seien wir ehrlich: Das Kardinalproblem in Berlin ist doch eigentlich etwas ganz anderes. Das Kardinalproblem besteht darin, dass wir dort einen Bundesverkehrsminister haben, den man offensichtlich in den eigenen Reihen nicht so wahnsinnig ernst nimmt.
Denn jedes Mal, wenn irgendwoher Kürzungsvorschläge kommen, ist der Verkehrshaushalt die Abbruchbaustelle innerhalb des Bundeshaushalts. Man sollte vielleicht auch einmal darüber diskutieren, ob es da nicht noch andere Möglichkeiten gibt.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Göschel SPD: Sagen Sie mal was zum Landesstra- ßenbau! – Zuruf des Abg. Fischer SPD)
Meine Damen und Herren, nach unserer Überzeugung haben weder die Investitionsmittel des Bundes für die Schiene noch die Regionalisierungsmittel irgendetwas mit Subventionen zu tun. Es sind ex definitione keine Subventionen.
Im Übrigen geht es hier unseres Erachtens auch um die politische Glaubwürdigkeit. Damals wurde vereinbart – übrigens durch die Verhandlungsführer Teufel und Eichel; das nur einmal nebenbei –, dass die Regionalisierung stattfindet und dass die Mittel 1 : 1 auf die Länder übertragen werden und dann logischerweise auch die Aufgabe übertragen wird. Das, was jetzt läuft, bedeutet doch nichts anderes, als dass die Aufgabe bei den Ländern bleibt, die Mittel dafür aber gekürzt werden sollen. Das ist politisch mit Sicherheit nicht glaubwürdig.
Der gleiche Verhandlungspartner – deswegen habe ich es angeführt – namens Eichel, damals Ministerpräsident, der heute Bundesfinanzminister ist, vertritt heute eine völlig andere Auffassung über das, was er damals selber ausverhandelt hat. Das ist auch eine Tatsache, die man bei dieser Gelegenheit einmal beleuchten sollte.
Meine Damen und Herren, die Regionalisierungsmittel dienen der Finanzierung einer öffentlichen Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge. Ein Abbau dieser Mittel führt im Endeffekt zu einem schrittweisen Rückzug des Staates aus einer ihm obliegenden Aufgabe. Deshalb ist das mit uns nicht zu machen.
Jetzt gibt es aber ein anderes kleines Problem. Allmählich fragt man sich, was denn eigentlich stimmt. Gestern noch hatten wir die Information, dass die Regionalisierungsmittel, GVFG-Mittel und BEV-Mittel einmalig für ein Jahr um 2 % gekürzt werden. Ab 2005 werden diese 2 % praktisch wieder draufgesattelt, und darauf baut die Dynamisierung auf. Das war die Information gestern und noch heute Morgen.
Jetzt lese ich Ihnen einmal aus der Protokollerklärung der Bundesregierung den entscheidenden Satz vor. Ich zitiere:
Ab 2004! Das Wörtchen „ab“ macht eigentlich nur Sinn, wenn die Kürzung über 2004 hinausgeht. Sonst würde es heißen „im Jahr 2004“. Das heißt auf gut Deutsch, wir haben auf Zeit und Ewigkeit 2 % weniger, meine Damen und Herren.
Das ist die politische Realität. Das halte ich – ich sage das in aller Offenheit – für ein Unding, zumal vor dem Hintergrund dessen, was wir sonst immer diskutieren. Ich kann Sie nur bitten, in Berlin – da haben wir im Moment relativ wenig Einflussmöglichkeiten –
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist doch zustim- mungspflichtig! Dann haben Sie schlecht verhan- delt!)
Sie brauchen sich nicht hinter der Zustimmungspflichtigkeit zu verstecken, Herr Palmer. – Entschuldigung, das ist wirklich pervers. Da sitzen Grüne in der Bundesregierung, haben nichts zu sagen, marschieren in die Länder und sagen: Ihr müsst aber über den Bundesrat verhindern, was die Grünen nicht verhindert haben. Das ist doch unseriös.
Im Übrigen machen Sie es sich ziemlich einfach. Denn klar ist auch – das steht auch in dem Antrag –, was im Vermittlungsausschuss herausgekommen ist. Jedem von uns in diesem Haus wird irgendetwas an dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht gefallen. Sie wissen doch ganz genau, dass es völlig irreal ist, das Ergebnis an einer einzigen Stelle wieder zu kippen.
Es ist auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit und der Verringerung von Politikverdrossenheit in diesem Land, ob dieser Kompromiss trägt oder ob man ihn an einzelnen Stellen wieder aufknöpfen möchte.
Das wissen Sie ganz genau. Deshalb ist es schlicht und ergreifend nicht in Ordnung, wie Sie hier argumentieren.
Damit wir das Ganze einmal mit konkreten Zahlen unterfüttern: Die Kürzung von 2 % bedeutet nur im Bereich der Regionalisierungsmittel – – Übrigens bin ich ohnehin gespannt, wie Sie das Bundeseisenbahnvermögen entsprechend reduzieren wollen. Dort sind die Pensionslasten für die Beamten geparkt, die Sie praktisch privatisiert haben. Kriegen die Beamten jetzt keine Pensionen mehr, oder wird alles gekürzt? Ich bin gespannt, wie das umsetzbar ist.
Diese 16 Millionen €, meine Damen und Herren, werden ihre Spuren hinterlassen. Im Klartext heißt das: Wir werden entweder im Bereich der Qualität, zum Beispiel was die Fahrzeugausrüstung angeht, oder im Bereich der Strecken Kürzungen vornehmen müssen. Es ist nicht mehr anders zu machen.
Herr Palmer, nachdem Sie immer von einer „Sparkasse“ gesprochen haben, die wir angelegt hätten, werden Sie sehr schnell, spätestens nach dem Rechnungsabschluss für das Jahr 2003 sehen, dass die Überschussmittel rapide abneh
men. Allerspätestens in zwei Jahren gehen wir in den Minusbereich, wenn wir nicht entsprechende Kürzungsmaßnahmen einführen. Verschiedene angedachte und im Zweifel zugesagte Projekte werden so jetzt nicht mehr möglich sein. Das ist die Folge dieser Beschlüsse in Berlin.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Deswegen haben wir das jetzt beantragt! Dann hätten Sie mal anders ver- handeln müssen!)
Jetzt zum Thema „Verschieben innerhalb des Haushalts“. Jetzt geistert die Nachricht durch die Gegend, der Bundeskanzler habe zugelassen, dass man das Ganze innerhalb des Verkehrsetats verschieben könne. Das ist das Thema Straße, das Sie vorhin angesprochen haben.
Einmal abgesehen davon, Herr Palmer, dass der Koalitionsvertrag, den Sie in Berlin abgeschlossen haben, auch in diesem Bereich wie an vielen Stellen nicht eingehalten wurde und wird – sonst wäre diese Formulierung überhaupt nicht möglich gewesen –, ist eines die Konsequenz: Nehmen wir einmal an, die Regionalisierungsmittel oder generell die Mittel für die Infrastruktur der Bahn werden nicht so stark gekürzt. Dafür gehen wir in den Straßenbau. Das hat folgende Konsequenz: Die Maut gibt es im Moment ohnehin nicht. Weil man aber davon ausgegangen ist, dass es die Maut gibt, hat man die jetzigen Haushaltsmittel schon runtergefahren und gekürzt. Das heißt, die ohnehin schon gekürzten Haushaltsmittel werden nochmals gekürzt.
Wenn das kommt, werden wir in Baden-Württemberg entweder bereits bestehende Baustellen künstlich verlängern müssen, oder es wird in dem einen oder anderen Fall sogar darum gehen, Baustellen einzustellen,
von neuen Projekten ganz zu schweigen, von den berühmten Weltmeisterschaftsstrecken, die in der Sommerpause durch einzelne Abgeordnete der SPD großspurig angekündigt worden sind,
die mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht gebaut werden, ganz abgesehen. Wenn Sie das jetzt in den Straßenbauetat verschieben wollen, auch in Baden-Württemberg, ohne dass wir etwas ändern könnten – das wissen Sie –, wird das zu drastischen Konsequenzen führen. Das ist die Wahrheit. Deswegen müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen. Wenn Sie dann im Rahmen eines Vor-Ort-Projekts zum Beispiel in Bauschlott in der Nähe von Pforzheim aufkreuzen und ankündigen, die Ortsumgehung wäre ökologisch nicht sinnvoll, man brauche dort einen Tunnel – Klammer auf: Mehrkosten in Höhe von 400 %, Klammer zu –,
dann kann ich nur sagen: Sie müssen sich allmählich einmal überlegen, was Sie wollen und wie Sie Verkehrspolitik im Bund und in Baden-Württemberg machen wollen, und Sie
müssen vor allem einmal eine auch nur ansatzweise seriöse Finanzierung auf den Tisch legen. Da sind Sie gefragt und nicht wir.