Stefan Mappus

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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschreitung des Grenzwerts für Feinstaub – in der Fachsprache PM10 genannt – in mehreren Städten der Republik, darunter auch in Stuttgart, hat in den letzten Tagen und Wochen hohe Wellen geschlagen, um nicht zu sagen, im wahrsten Sinne des Wortes eine Menge Staub aufgewirbelt.
Aber, meine Damen und Herren, ich habe wirklich selten ein Thema erlebt, bei dem in so unverantwortlicher Art und Weise Argumente durcheinander geworfen wurden und schlicht und ergreifend Panik verursacht wurde. Deshalb bin ich nicht undankbar, dass wir heute hier über dieses Thema diskutieren können. Ich hoffe, dass wir mit der heutigen Diskussion wieder etwas mehr Versachlichung in das ganze Thema hineinbekommen.
Zunächst einmal zu einigen Fakten. Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen hatte man manchmal das Gefühl, man könne sich in Baden-Württemberg jetzt nur noch mit einer Gasmaske einigermaßen schadfrei unter die Bevölkerung begeben. So wurde das Thema diskutiert. Ich kann nur sagen: Die Luftqualität wurde in den letzten zehn Jahren deutlich besser.
Ein Beispiel: Die Stickstoffoxide haben seit 1994 um 26 % abgenommen, im Verkehr um 36 %. Der Feinstaub hat im gleichen Zeitraum um 23 % abgenommen, im Verkehrsbereich sogar um 43 %. Aber – ich will es nicht verharmlosen – der Rückgang der Emissionen reicht nicht aus, um den seit dem 1. Januar 2005 geltenden neuen Emissionsgrenzwert der EU-Richtlinie für Feinstaub einhalten zu können. Dies ist Fakt; das stimmt. Der alte Emissionsgrenzwert für Staub war überall im Land weit unterschritten. Wir haben es also – ich sage es noch einmal – nicht mit einer Verschlechterung der Luft zu tun, sondern mit drastisch verschärften Grenzwerten, die wir einhalten wollen. Ich gehöre nicht zu denen, die der Meinung sind, man müsse jetzt die Grenzwerte ändern – um das auch glasklar zu sagen. Diese sind in Ordnung. Aber man muss wissen, über welche Fakten man redet.
Jetzt, meine Damen und Herren, zunächst einmal zu der Frage: Was sind eigentlich die Quellen des Feinstaubs? Darum muss es ja gehen, wenn wir politisch darüber diskutieren wollen, wie wir den Feinstaub bekämpfen.
Die Überschreitungspunkte liegen alle unmittelbar und direkt an stark befahrenen Straßen. Der Verkehrsanteil der Emissionen beim Feinstaub ist daher hoch, aber auch nicht so hoch, wie man eigentlich meinen könnte. Ich möchte das anhand von Zahlen am Beispiel der Feinstaubkonzentration am Stuttgarter Arnulf-Klett-Platz schildern.
Meine Damen und Herren, der Straßenverkehr am ArnulfKlett-Platz selbst verursacht 25 % des Feinstaubs. Wir haben dann noch einen Eintrag aus anderen Gebieten Stuttgarts mit einem Anteil von 15 %. Das heißt, der Straßenverkehr insgesamt verursacht an dieser Stelle 40 % des Feinstaubs. Davon wiederum kommen 40 % an Emissionen direkt aus dem Auspuff, was sich mit moderner Abgastechnologie – Stichwort Filter – heutzutage im wahrsten Sinne des Wortes herausfiltern lässt. Oder andersherum gesagt: 16 % der Gesamtstaubbelastung kommen aus Emissionen aus dem Auspuff. Der Rest sind Abrieb der Straßen, Aufwirbelung auf den Straßen, Abrieb an Bremsen und Kupplung im Fahrzeug und Immissionen aus anderen Gebieten Stuttgarts. Andersherum gesagt: Wenn wir über Nacht alle Pkw und alle Lkw mit Rußpartikelfiltern ausrüsten könnten, hätten wir exakt 16 % des Problems gelöst und 84 % nicht gelöst – um einmal klar zu sagen, über welche Größenordnung wir insgesamt reden.
Deshalb halte ich es einfach für Panikmache, wenn man so tut, als ob man jetzt nur die Automobilindustrie, die angeblich alles verschlafen hat, endlich mal auf Trab bringen
müsse, und schon sei das Problem gelöst. Das entspricht nicht den Fakten, meine Damen und Herren.
Wir sollten auch darüber reden, was denn sonst Quelle von Feinstäuben ist. Sonstige Beiträge wie die von Industrie, Gewerbe und Kleinfeuerungen machen gerade einmal 18 % aus. Ein großer Anteil entstammt dem großräumigen Hintergrund, unter anderem durch Ferntransporte, Aufwirbelungen usw. – ich habe es angeführt –: 42 %. Fazit: Diese 42 % wiederum enthalten natürlich einen geringen Verkehrsanteil von vielleicht 5 bis 10 %, sind aber durch lokale und regionale Maßnahmen gerade nicht zu beeinflussen.
Meine Damen und Herren, am Stuttgarter Neckartor wurde der neue Tagesmittelwert für Feinstaub bis Anfang April bereits 53-mal überschritten. Ich habe gelesen, man hätte die Bekanntgabe der Ergebnisse über Wochen hinweg verzögert. Im Nachhinein zurückgerechnet, wären wir die Ersten gewesen, bei denen der Grenzwert 35-mal überschritten wurde. Letzteres stimmt. Aber verzögert wurde überhaupt nichts. Im Gegenteil, wir haben das EU-Referenzverfahren angewendet, das sehr viel präziser ist als zum Beispiel das Verfahren in Bayern, allerdings einen Nachteil hat: Weil es mechanisch implementiert ist, bekommt man die Werte erst nach zwei Wochen. Aber es ist das von der Europäischen Union selbst vorgeschlagene Referenzverfahren. Insofern wäre es absurd, uns vorzuwerfen, wir hätten irgendetwas verzögert oder zu verschleiern versucht.
In der Tat waren wir in Stuttgart die Ersten. Aber, meine Damen und Herren, das ist auch kein großes Wunder. Wenn man es so macht wie in Köln, dass man auf dem Sportplatz außerhalb der Stadt misst und nicht in der Stadt
das ist leider kein Witz, sondern eine Tatsache –, dann kommt nichts Negatives heraus. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Landesregierung verantwortlich, nicht nur in Baden-Württemberg. Wir haben dort eine grüne Umweltministerin namens Höhn, das gute Gewissen der Grünen bundesweit im Bereich der Umweltpolitik.
Wenn ich natürlich gar nicht messe oder irgendwo, wo nichts Negatives herauskommen kann, dann ist klar, dass andere mit negativen Meldungen zuerst dran sind.
Ich kann nur sagen: Mein Rechtsverständnis sieht immer noch so aus, dass ich Ordnung und Gesetze einhalte und Messgeräte nicht dort aufstelle, wo nichts passieren kann. Dementsprechend waren wir in der Tat mit Bayern zusammen Spitze, allerdings auch Spitze im Einhalten von Rechtsnormen. Ich glaube, dass das in einem Rechtsstaat nichts Negatives ist.
Das Kernproblem bei der Feinstaubdiskussion, meine Damen und Herren, ist: Die hohen Schadstoffwerte treten nicht in der Fläche, sondern nur sehr kleinräumig, straßennah, an
besonderen Belastungspunkten des Verkehrs auf. Deshalb ist in Stuttgart exakt 1 % der Bevölkerung hiervon betroffen. 1 % ist natürlich 1 % zu viel, aber 99 % sind nicht betroffen. Das darf man bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen.
Ich bin dankbar, dass Sie das ansprechen. Woher kommen die Toten? Meine Damen und Herren, da sagt jemand im Fernsehen – 22:30 Uhr, Tagesthemen –: „Wir haben zwischen 15 000 und 65 000 Tote durch Feinstaub.“ Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Also eine „bescheidene“ Differenz von 50 000 Toten, mehrere 100 % Differenz! Andere Bundesländer und Baden-Württemberg haben sich über Wochen hinweg darum bemüht, die vermeintlich wissenschaftlich fundierte Untersuchung zu bekommen, aus der diese Werte stammen. Meine Damen und Herren, es gibt sie nicht. Sie ist von anderen Ländern und von uns nicht zu bekommen. Es gibt keine solche wissenschaftliche Untersuchung. Ich muss sagen: Ich halte es schon für makaber, wenn ein Arzt im Fernsehen unter Missbrauch des hohen Ansehens von Ärzten sagt, dass es zwischen 15 000 und 65 000 Tote durch Feinstaub gibt, obwohl das nicht belegbar ist.
Darum sollten Sie diese Frage lieber nicht stellen, Herr Palmer. Ich halte es für Panikmache, davon zu reden, es gäbe 65 000 Tote, wenn man das Problem des Feinstaubs nicht lösen würde. So kann man keine seriöse Politik machen, meine Damen und Herren.
Jetzt komme ich zu einem ganz spannenden Thema. Da wird geäußert, so nach dem Motto „die Landesregierung hat wieder einmal geschlafen“, die Entwicklung hätte man viel früher in den Griff bekommen können.
Gehen wir einfach einmal den chronologischen Ablauf des Ganzen durch. Meine Damen und Herren, die EU-Richtlinie ist viele Jahre alt. Die spannende Frage ist aber, wann sie in nationales Recht umgesetzt wurde. Obwohl sie in den Neunzigerjahren auf EU-Ebene erlassen wurde, wurde sie erstaunlicherweise tatsächlich erst Ende 2002 in nationales Recht umgesetzt. Lieber Herr Palmer, bevor Sie uns kritisieren, gehen Sie einmal zu Ihrem Freund Trittin – ich halte mich jetzt zurück, sonst werde ich wieder mit vermeintlichen Prädikaten belegt – und fragen ihn einmal, warum sage und schreibe vier Jahre, nachdem Trittin das Amt übernommen hat – –
Entschuldigen Sie, 1998! Ich bedauere es ja auch, dass es schon 1998 war, aber es ist so.
1998 bis 2002 sind vier Jahre. Fragen Sie einmal, warum der Mann vier Jahre gebraucht hat, um eine EU-Verordnung in nationales Recht umzusetzen.
Nicht aufregen! Es ist ungesund, wenn man sich so aufregt.
Herr Palmer, nicht nur Feinstaub ist gesundheitsschädlich, sondern auch andere Dinge sind es.
Meine Damen und Herren, 2002 ist das Ganze in nationales Recht umgesetzt worden. Wir haben daraufhin sofort im Laufe des Jahres 2003 die Messplanungen und die Vorarbeiten für die Messungen nach den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt, und wir haben mit den Messungen selbst begonnen. Wir haben sie im Jahr 2004 fortgeführt. Wir haben unmittelbar danach mit der Aufstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Pläne begonnen. Andere Bundesländer messen bis zum heutigen Tag nicht überall gemäß den Richtlinien. Vielmehr hat der Bundesrat – übrigens auf Initiative Baden-Württembergs – bereits Ende 2003 und nochmals im Juni 2004 darauf hingewiesen, dass die neuen Grenzwerte, insbesondere für PM10, an den Hauptverkehrsachsen nicht eingehalten werden können, und den Bund aufgefordert, schnellstmöglich auf die Schaffung von entsprechend anspruchsvollen Grenzwerten für die Partikelminderung bei Dieselfahrzeugen hinzuwirken sowie entsprechende wirtschaftliche Anreize für eine rasche Aus- und Nachrüstung mit Rußpartikelfiltern zu schaffen.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, hat noch im Sommer 2004 erklärt – ich zitiere –: „Das ist nicht notwendig.“
So viel zu der Frage, wer bei der Diskussion geschlafen hat.
Meine Damen und Herren, seit August 2004 wissen wir sicher, dass der Tagesgrenzwert für Feinstaub nicht überall eingehalten werden kann. Es gehört auch zur Wahrheit, dass wir bis 2004 das Problem mit den Messwerten so nicht hatten. Seit 2003 hat sich abgezeichnet, dass es ein Problem werden könnte. Seit 2004 haben wir es. Vorher hatten wir es nicht, im Übrigen auch nicht bei diesem Grenzwert. Seitdem arbeiten die Regierungspräsidien an der Erarbeitung von Maßnahmenplänen. Die Regierungspräsidien erarbeiten für acht Kommunen Aktionspläne zur Feinstaubminderung und Luftreinhaltepläne zur Reduzierung der Stickstoffdioxidbelastung, weil wir dort bekanntermaßen ab dem 1. Januar 2010 auch Grenzwerte haben werden, und zwar ziemlich strenge. Wir arbeiten bereits heute daran, dass sie eingehalten werden können.
Jetzt zu den Maßnahmen, meine Damen und Herren. Darum muss es in der politischen Diskussion ja eigentlich gehen.
Zunächst: Es gibt für uns bei diesem Thema keine Tabus. Die Regierungspräsidien prüfen ohne Tabu alle denkbaren Maßnahmen. Zunächst einmal wird geprüft.
Der Zeitplan für die Luftreinhalte- und Aktionsplanung sieht wie folgt aus: Bis zum Sommer werden die Pläne für
die Öffentlichkeitsbeteiligung vorgelegt. Bis Ende dieses Jahres werden die Planungen abgeschlossen sein.
Jetzt gibt es drei unterschiedliche theoretisch denkbare Strategien:
Erstens: Scharfe Eingriffe in den Verkehr mit dem Ziel, die Verkehrsmengen auf den wichtigsten Hauptachsen zu halbieren. Es wäre mindestens eine Halbierung notwendig, um das Problem durch die Verkehrsmenge zu beeinflussen. Die Ergebnisse, die Konsequenzen wären für uns alle klar: erhebliche negative wirtschaftliche Folgen. Ich glaube, das können wir in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ganz bestimmt nicht brauchen.
Zweite theoretische Möglichkeit: eine Verkehrsumlenkung. Wir könnten die Verkehre quasi durch die Stadt verteilen – durch Tonnagebeschränkungen und anderes mehr. Das wäre aber ein völliger Wandel in der Strategie. Wir hatten bisher das Anliegen verfolgt, Verkehre zu bündeln, auf Hauptverkehrsachsen möglichst schnell und problemlos durch Kommunen hindurchzuführen.
Ich würde es für fatal halten, wenn wir jetzt sagen würden: „Wir haben auf Hauptverkehrsachsen nur noch die Hälfte der Verkehre. Dafür leiten wir die andere Hälfte durch Wohngebiete oder andere Gebiete.“ Ich glaube, das wäre – da sind wir uns wahrscheinlich einig – die falsche Strategie.
Deshalb, meine Damen und Herren, sieht unsere Strategie so aus, dass wir ein Bündel angemessener Maßnahmen umsetzen wollen und eine rasche Verbesserung der Abgasreinigungstechnik unter anderem durch die zügige Einführung von Partikelfiltern für Dieselfahrzeuge ansteuern. Das heißt, wir wollen eine flächendeckende Minderung der Belastung. An einzelnen Hauptverkehrsachsen sind bis dahin für einige Zeit allerdings – es wäre unehrlich, das nicht zu sagen – weitere Grenzwertüberschreitungen nicht ohne weiteres auszuschließen.
In der Gesamtabwägung plädiere ich dafür, dass wir diesen dritten Weg gemeinsam gehen. Aber das Land wird es mit Sicherheit allein nicht schaffen, dass die neuen Grenzwerte eingehalten werden. Wir brauchen Maßnahmen auf allen Ebenen: auf der Ebene der Europäischen Union, auf der Ebene des Bundes, natürlich im Land, aber auch auf der Ebene der Kommunen. All diese Ebenen müssen in ihrem jeweiligen Bereich die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
Dazu gehört zum einen die Förderung der Aus- und Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Partikelfiltern. Meine Damen und Herren, der Bund muss endlich einen akzeptablen Gesetzentwurf zur Änderung des Kfz-Steuergesetzes vorlegen.
Wir brauchen zum anderen vor allem eine Priorität für die Nachrüstung von Altfahrzeugen. Eine Marktuntersuchung von Roland Berger hat bestätigt, was auf der Hand liegt: Ohne Anreize läuft bei der Nachrüstung nichts. Wir brauchen die steuerliche Förderung, und wir brauchen die Aus
sicht auf Benutzervorteile – dass also Fahrzeuge mit Rußfilter von Fahrverboten ausgenommen werden. Das ist der logische Umkehrschluss.
Das Programm muss aber aufkommensneutral sein. Es kann nicht sein, dass Herr Trittin sagt: „Wir stecken aus der Ökosteuer zwar 19 Milliarden € ein“ – so viel ist es inzwischen, pro Jahr wohlgemerkt; der Begriff Ökosteuer sagt ja einiges
über den eigentlich notwendigen Verwendungszweck des Geldes aus –, „aber die Maßnahmen, die wir erreichen wollen, sollen die Länder über die Kfz-Steuer zahlen.“ Meine Damen und Herren, so sieht seriöse Politik aus meiner Sicht der Dinge mit Sicherheit nicht aus.
Deshalb wollen wir ein aufkommensneutrales Programm: Diejenigen, die nicht mitmachen, werden mit einem Malus belegt, diejenigen, die schnell mitmachen, mit einem umso größeren Bonus.
Die Bundesregierung macht es sich nach unserer Sicht der Dinge zu leicht, wenn sie einfach alles in Richtung der Länder abschiebt.
Zweitens: Wir brauchen eine Förderung der Aus- und Nachrüstung von Diesel-Lkw und -Bussen mit Partikelfiltern. Meine Damen und Herren, Lkw emittieren im Schnitt fünfmal so viele Partikel wie Pkw. Das muss man wissen. Vor allem steigen die Lkw-Verkehre ständig an, und insbesondere die ausländischen Fahrzeuge auf unseren Straßen sind bei diesem Thema – um es vorsichtig auszudrücken – nicht ganz so hilfreich. Dabei wird klar, dass wir uns diesem Thema mehr denn je widmen müssen.
Drittens: Wir brauchen eine noch stärkere Mautspreizung – es gibt sie ja bereits, aber sie muss noch verstärkt werden – zur Förderung umweltfreundlicher schwerer Lkw. Wir brauchen gleichzeitig wirtschaftliche Anreize zur Anschaffung von Neufahrzeugen mit Partikelfiltern.
In- und ausländische Lkw müssen gleichbehandelt werden. Gleichzeitig muss der Bund aber alle Vorkehrungen gegen Verkehrsverlagerungen mautpflichtiger Lkw treffen, insbesondere auf hoch belasteten Straßen in Städten – ein Problem, das im Moment zunehmend auftritt und wofür wir schnellstmöglich Abhilfe brauchen, zumal das Problem vorhersehbar war.
Viertens: Der Bund muss jetzt endlich die rechtlichen Voraussetzungen für Verkehrsbeschränkungen – mit Benutzervorteilen für schadstoffarme Fahrzeuge – schaffen. Wir brauchen eine Kennzeichnungspflicht für schadstoffarme Fahrzeuge und ein entsprechendes Verkehrszeichen, weil es keinen Sinn macht, steuerliche Anreize für diese Fahrzeuge zu schaffen, wenn man nachher nicht überprüfen kann, ob das auch eingehalten wird oder nicht. Das bedarf einer Bundesverordnung. Ich glaube, diese kann relativ rasch erzielt werden. Wir brauchen das Ganze schnell.
Fünftens: Notwendig sind außerdem neue EU-weite, strenge Emissionsgrenzwerte für alle Dieselfahrzeuge, also Pkw und Lkw, die nur mit Partikelfilter eingehalten werden können. Dies sollte sich auch auf Stickstoffoxide beziehen. Vor allem brauchen wir, wie gesagt, eine Gleichberechtigung von Lkw und Pkw, die wir im Moment noch nicht haben.
Meine Damen und Herren, das Land wird auf regionaler und lokaler Ebene sinnvolle Maßnahmen entschieden umsetzen. Dabei ist der Beitrag der betroffenen Kommunen aber unverzichtbar. Auch dies wollen wir beschleunigen. Deshalb haben wir ein Förderprogramm für den ÖPNV aufgelegt. Wir wollen die Nachrüstung alter und die Ausrüstung neuer ÖPNV-Busse mit bestmöglicher Technik, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Ein Tabu, das ich nicht nur ansprechen möchte, sondern bei dem ich auch der Meinung bin, dass wir da heranmüssen – die Verkehrsministerkonferenz hat das Ganze übrigens einstimmig, ohne jegliche Gegenstimmen so beschlossen –: Wir brauchen schnellstens die Möglichkeit, ganz alte Dieselfahrzeuge – die wir „Stinker“ nennen, Euro 0 oder älter – für bestimmte Gebiete aus dem Verkehr zu ziehen.
Diese Möglichkeit brauchen wir. Wir brauchen sie mit einer gewissen Vorwarnzeit. Nach unserer Sicht der Dinge – aber darüber kann man reden; das wird auch nicht allein in Baden-Württemberg machbar sein; wir brauchen dazu eine breite Mehrheit im Bundesrat – könnte das bedeuten: Euro 0 oder älter ab dem 1. Januar 2008, Euro 1 oder älter ab dem 1. Januar 2010, Euro 2 oder älter ab dem 1. Januar 2012. Entsprechende Fahrverbote müssen flächendeckend möglich sein, weil wir das Thema ansonsten nicht in den Griff bekommen können.
Meine Damen und Herren, diese frühzeitige Ankündigung der Fahrverbote lässt allen Betroffenen Zeit, sich darauf einzurichten und möglicherweise auch stark emittierende Fahrzeuge durch neue, abgasarme oder zumindest abgasärmere Fahrzeuge zu ersetzen.
Eines will ich nicht, und das ist mit mir auch nicht zu machen, meine Damen und Herren: was unter dem Begriff „kurzzeitige Fahrverbote“ an Tagen mit hoher Feinstaubbelastung eine gewisse Zeit lang medial kolportiert wurde, nach dem Motto: „Wir messen morgens mal, und wenn der Grenzwert überschritten wird, dann stoppen wir die Fahrzeuge – so quasi am Ortseingang von Stuttgart oder wo auch immer.“
Meine Damen und Herren, in der Umsetzung ist das ein Irrsinn und rechtlich hochgradig fragwürdig. Das ist also einfach nicht umsetzbar.
Ein kurzzeitiges sozusagen immissionsabhängiges Fahrverbot ist mit uns nicht zu machen, ein längerfristig generell angekündigtes Fahrverbot, bezogen auf den Fahrzeugtyp, hingegen sehr wohl. Das ist ein enormer Unterschied. Deshalb wollte ich das in aller Offenheit ansprechen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Auch die Kommunen können und müssen selbst handeln. Sie haben mit § 45 der Straßenverkehrsordnung ein eigenes Instrument, um selbstständig bestimmte verkehrsleitende Maßnahmen zum Schutz vor Lärm und Abgasen anzuordnen. Zu denken ist hier insbesondere an Verkehrslenkung und Verkehrsverflüssigung. Das allein wird das Problem nicht lösen, aber ich sprach vorhin ganz bewusst davon, dass wir eine Multikausalität haben. Das heißt, dass wir viele einzelne Maßnahmen ergreifen müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Dazu gehört übrigens, so komisch es sich anhört, auch das verstärkte Straßenreinigen. Das bringt etwa 5 % bis 7 % Minderung, wenn man es entsprechend macht. Das sind Maßnahmen, die auch die Kommunen ergreifen können.
Meine Damen und Herren, die festgestellten Überschreitungen des Feinstaubgrenzwerts haben nicht nur mächtig Staub aufgewirbelt, sondern zwingen auch dazu, neue, teilweise auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen; aber für Hektik und Panikmache besteht keinerlei Anlass. Wir lassen uns auch nicht zu kurzfristigem Aktionismus hinreißen, sondern werden auf der Grundlage von Fakten und profunden Ursachenanalysen die notwendigen und vor allem die nachhaltig wirkenden Maßnahmen ergreifen. Hier wäre ich nicht nur für einen breiten Konsens in diesem Hause dankbar, sondern vor allem auch dafür, dass man, Herr Kollege Palmer, verantwortungsvoll mit dem Thema umgeht.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es war durchaus bemerkenswert, was teilweise gesagt wurde. Besonders interessant fand ich einiges, was zum Umweltbereich gesagt wurde. Herr Caroli, ich weiß ja nicht, welcher parlamentarischer Berater Ihnen das aufgeschrieben hat, was Sie hier vorgetragen haben. An Ihrer Stelle würde ich diesem Berater dringend den Rat geben, künftig etwas früher vom Fasching heimzukommen, bevor er eine Rede schreibt. Denn entweder hatte er keine Ahnung vom Thema oder aber ein sehr hohes Maß an Restalkohol, als er das zusammenschrieb, was Sie vorgetragen haben.
Meine Damen und Herren,
wir wollen mit dem Entwurf des Einzelplans 10 unseren Beitrag zur Zukunftssicherung dieses Landes leisten, indem wir in finanziell schwierigen Zeiten – dass sich das auch im Einzelplan 10 bemerkbar macht, bestreitet niemand – Schwerpunkte zur Gestaltung der Ressortpolitik setzen.
Deshalb zunächst zu den Fragen: Wo stehen wir in der Umwelt- und Verkehrspolitik? Wie gehen wir mit den Einsparzwängen, die es unbestrittenermaßen gibt, um?
Meine Damen und Herren, wir haben auch den Zwang zur Haushaltskonsolidierung. Die von uns gezogenen Konsequenzen können aus Ihrer Sicht wohl so schlimm nicht sein, weil ich in den letzten Tagen immer gehört habe, wir sollten mehr sparen. Dass wir dies im erforderlichen Maß auch im Ressort des Umwelt- und Verkehrsministeriums tun müssen, ist in überhaupt keiner Weise zu leugnen.
Lassen Sie mich deshalb zunächst zum Umweltbereich und danach zum Verkehrsbereich schildern, wie die entsprechenden Leitlinien aussehen.
Meine Damen und Herren, im Umweltbereich zeigt eine Auswertung wichtiger Leitparameter aus Baden-Württemberg, Deutschland und ausgewählten europäischen Nach
barländern, dass Baden-Württemberg mit der Schweiz und Österreich zusammen die günstigsten Relationen von Umweltbelastungen je Einwohner, auch bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, aufweist. Die Umweltdaten und die im Übrigen bundesweit erste umweltökonomische Gesamtbetrachtung zeigen, dass wir in den letzten zehn Jahren deutliche Fortschritte in der Effizienz der Naturnutzung erreichen konnten und außerdem deutliche positive Entwicklungen in den Bereichen Luftqualität und Qualität der Fließgewässer haben.
Auch im Verkehrsbereich können wir auf einem guten Stand aufbauen. Ich nenne zum Beispiel den Schienenpersonennahverkehr. Meine Damen und Herren, wir haben, seitdem das Land Baden-Württemberg dafür zuständig ist, das Verkehrsangebot in unserem Land um 48 % ausgeweitet, und zwar mit genau dem gleichen Geld, das wir vom Bund bekommen haben.
Das ist im Übrigen bundesweit der Spitzenplatz. Wir sind bundesweit Nummer 1 in der Ausweitung des Angebots im öffentlichen Personennahverkehr. In den letzten fünf Jahren haben wir für die ÖPNV-Infrastrukturförderung rund 820 Millionen € und für die Fahrzeugförderung etwa 570 Millionen € ausgegeben. Damit konnte der drängende Nachholbedarf zu einem guten Teil abgebaut werden. Mit diesem erreichten Niveau können wir uns deutschlandweit mit Sicherheit mehr als gut sehen lassen, auch wenn ich nicht bestreite, dass noch eine ganze Menge zu tun ist.
Die Landesstraßenbaupolitik ist seit Jahren durch Konstanz gekennzeichnet. Gerade beim Ausbau und bei der Erhaltung der Landesstraßen hat das Land in den letzten Jahren Vorbildliches geleistet. Von 1996 bis zum Jahr 2003 hat sich das Ausgabevolumen für Bau und Erhalt von Landesstraßen von rund 40 Millionen € auf rund 114 Millionen € erhöht, also nahezu verdreifacht, meine Damen und Herren. Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen des Bundes. Wir hatten für den Bundesfernstraßenbau Anfang der Neunzigerjahre, vor 15 Jahren, 600 Millionen DM zur Verfügung, also etwa 300 Millionen €. Im letzten Jahr waren es noch 175 Millionen €, in diesem Jahr sind es 165 Millionen €, im nächsten Jahr werden es 85 Millionen € sein, ein Jahr später 65 Millionen €. Das heißt, wir haben 18 Jahre später in etwa ein Viertel dessen, was wir 18 Jahre zuvor hatten. Herr Palmer, es ist schon verdammt mutig, wenn ausgerechnet Sie als Vertreter dieser Regierungskonstellation sich hier hinstellen und uns kritisieren, während diese die Mittel um 75 % zusammengestrichen hat. Das muss ich schon einmal sagen.
Unser Ziel ist die Fortsetzung unserer erfolgreichen Politik unter den gegebenen harten Sparzwängen. Zukunftsgestaltung unter dem Diktat der Sparhaushalte heißt für uns eine sachgerechte Verteilung der knappen Mittel. Wir müssen bisherige Schwächen im System ausmerzen. Die gibt es oh
ne Frage. Wir brauchen aber auch die Konzentration auf Kernbereiche und vor allem eine Effizienzsteigerung. Das heißt, wir betreiben auch weiterhin eine intelligente Verkehrspolitik. Wir stellen heute die Weichen, dass BadenWürttemberg auch zukünftig ein attraktiver Standort bleibt.
Meine Damen und Herren, was prägt den Einzelplan 10 konkret? Der Haushalt des Umwelt- und Verkehrsministeriums hat in beiden Haushaltsjahren ein Volumen von jeweils knapp 2 Milliarden €. Davon betreffen knapp 1,7 Milliarden € Sachausgaben. Zur Konsolidierung des Gesamthaushaltsplans hat das Umwelt- und Verkehrsministerium mit 109 Millionen € im Jahr 2005 und 115 Millionen € im Jahr 2006 beigetragen.
Nun zu den Schwerpunkten in diesem Einzelplan.
Zunächst zum Thema Umwelt. Meine Damen und Herren, Klimaschutz ist aus meiner Sicht der Dinge die zentrale Aufgabe in der Umweltpolitik. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass vor zwei Tagen das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten ist, das eine Reduzierung der Treibhausgase in den Industrieländern bis zum Jahr 2012 vorsieht. Aber das genügt noch nicht. Wir brauchen neue Verhandlungen für ein Kyoto II, damit auch die USA und andere wichtige Emittenten wie China und Indien stärker in die Verantwortung einbezogen werden. Nur dann können dauerhaft Erfolge im Klimaschutz erreicht werden.
Die Landesregierung nimmt den Klimaschutz sehr ernst. Sie hat deshalb trotz der äußerst angespannten Haushaltslage kaum – im Vergleich zu anderen Bereichen weit unterdurchschnittlich – Kürzungen vorgenommen. Im Gegenteil, auf Antrag der Regierungsfraktionen werden wir für die Jahre 2005 und 2006 jeweils 1 Million € zur Förderung der oberflächennahen Geothermie zur Verfügung stellen.
Damit können wir gezielt neue Wärmepumpen, gekoppelt mit Erdwärmesonden in Ein- und Zweifamilienhäusern fördern und die kostengünstigen Potenziale in Baden-Württemberg noch besser erschließen, als es bisher der Fall war.
Darüber hinaus wird die Landesregierung gezielt Einzelprojekte zur Tiefengeothermie unterstützen, die in BadenWürttemberg auf lange Sicht zu einer sehr wichtigen erneuerbaren Energiequelle werden kann.
Wir führen auch das erfolgreiche Förderprogramm „Klimaschutz-Plus“ weiter, mit dem effiziente Maßnahmen zur CO2-Minderung in Kommunen sowie in kleineren und mittleren Unternehmen gefördert werden. Bislang wurden Zuschüsse in Höhe von 25 Millionen € gewährt und damit Investitionen im Umfang von mehr als 150 Millionen € ausgelöst.
Handlungsbedarf besteht aber auch in Bereichen, die wir in der Tat nicht direkt beeinflussen können. Aber, meine Damen und Herren, es ist ja vielleicht noch nicht verboten, aus Sicht der Landespolitik auch auf benachbarte Felder hinzuweisen, die einen direkt betreffen und bei denen dringender Handlungsbedarf gegeben ist.
Ich sage Ihnen sehr gerne, was wir tun, Herr Kollege Palmer.
Sie können ganz konkret einmal eine Zahl haben. Der Kollege Caroli hat vorhin so vehement kritisiert, dass wir bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes meilenweit hinten lägen, dass alle anderen besser seien als wir und wie schlimm es aussähe. Meine Herrn Kollegen, die Wahrheit ist konkret.
Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie es wirklich aussieht. Im Bundesschnitt liegt der CO2-Ausstoß pro Bürger bei 10,2 Tonnen pro Jahr. In Nordrhein-Westfalen liegt er bei über 14 Tonnen pro Jahr.
In Baden-Württemberg liegt er bei 7,4 Tonnen pro Jahr. Damit ist Baden-Württemberg das zweitbeste Land in ganz Deutschland. Und Sie stellen sich hierher und sagen, wir hätten keine Erfolge bei der CO2-Bekämpfung!
Jawohl, jetzt ist der Stahl schuld, wenn die Bilanz in Nordrhein-Westfalen so schlecht aussieht. Gut, wir können andere Länder nennen.
Immer, gerne.
Wie? Ich habe den Anfang der Frage nicht ganz verstanden.
Also, lieber Herr Kollege Winkler, arg viel mehr Eigentore auf einen Schuss kann man nicht produzieren.
Wer hat denn die Große Wasserkraft, also die effizientesten Anlagen mit einer Leistung von über 5 Megawatt, beim Erneuerbare-Energien-Gesetz aus der Förderung herausgenommen?
Das war die Bundesregierung, die von Ihnen gestellt wird. Als wir über den Bundesrat gemeinsam mit anderen Ländern Anträge gestellt haben, wurde dieser Bereich hereingenommen. Jetzt ist er dabei und wird gefördert.
Nein. Jetzt lassen Sie mich bitte einmal weitermachen.
Nordrhein-Westfalen wurde angeführt. Sie sagen, der Stahl sei daran schuld, dass die Energiebilanz so schlecht ist. Ein anderes Beispiel: Niedersachsen. Wenn ich es richtig sehe, wird in Niedersachsen relativ wenig Stahl gekocht. Trotzdem ist die Bilanz deutlich überdurchschnittlich schlecht. In Baden-Württemberg, meine Damen und Herren – jetzt kommen wir einmal zu der Analyse, warum das so ist – –
Das ist eine Analyse des Öko-Instituts in Freiburg, das Ihnen mit Sicherheit näher steht als uns. Darin können Sie das entsprechend nachlesen.
Kommen wir zu Analyse, weshalb das so ist. Das muss man in aller Offenheit sagen. Baden-Württemberg hat deshalb eine so günstige Bilanz,
weil der Anteil der Kernkraft – emissionsfrei – bei uns weit überdurchschnittlich hoch ist. Das ist wahr und nicht zu bestreiten.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir den Klimaschutz auf die Fahnen schreibe –
und vielleicht sind wir uns einig, dass das eines der drängendsten Probleme gerade für die Zukunft ist –, dann kann es doch nicht wahr sein, dass ich sage: „Ich schalte jetzt einfach mal Atomkraftwerke ab. Wie ich die Energie alternativ erzeuge, schauen wir danach mal. In der Zwischenzeit nehme ich einfach in Kauf, dass der Schadstoffausstoß steil nach oben geht.“ Wenn das Ihre Politik ist – meine ist es nicht, in aller Offenheit.
Zu Philippsburg, Herr Palmer, komme ich noch ausführlicher, als Ihnen recht sein wird. Das verspreche ich Ihnen.
Zunächst zum Thema Billigflieger. Meine Damen und Herren, es ist für uns alle zunächst eine angenehme Angelegenheit, wenn wir für 16 € – plus drastischer Gebühren, das sollte man immer noch dazusagen – nach Italien oder sonst wo hinfliegen können.
Das ist auf den ersten Blick eine hochinteressante Geschichte. Aber, meine Damen und Herren, umweltpolitisch sind die Billigflieger eine Katastrophe.
Deshalb müssen wir uns von den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen her schon einmal fragen: Ist das, was die Bundesregierung steuerpolitisch alles macht oder vor allem alles nicht macht, in Ordnung? Erstes Beispiel: Der öffentliche Personennahverkehr ist mit dem verminderten Mehrwertsteuersatz von 7 % belegt, der Fernverkehr liegt bei 16 %. Rahmenbedingung: miserabel.
Kerosin ist steuerfrei. Es ist keine Frage, dass es keine Lösung wäre, wenn Deutschland allein etwas macht – unbestritten. Aber, meine Damen und Herren, welche Initiative gibt es europaweit? Von dieser Bundesregierung gibt es keine Initiative für eine europaweite Regelung.
Wir lesen aber in diesen Tagen in den Medien, dass andere europäische Verkehrsminister von sich aus eine Initiative anstoßen, dass das Kerosin in Zukunft auch besteuert wird. Aber die deutschen Truppen – Umweltminister, Wirtschaftsminister und andere mehr – tun nichts.
Deshalb, meine Damen und Herren, kann ich, wenn ich diese Rahmenbedingungen betrachte, nur sagen: Herr Palmer, Sie sollten mehrere Dezibel zurückschalten, wenn Sie an diesem Pult stehen, wenn es um umweltpolitische Themenstellungen geht. Machen Sie dort die Hausaufgaben, wo Sie die Verantwortung tragen, und kritisieren Sie nicht ständig diejenigen, die weit besser sind als diejenigen, die Sie vertreten.
Jetzt zur Kernkraft. Ich empfehle bei dem Thema Kernenergie ein etwas höheres Maß an Sensibilität, und zwar aus vielerlei Gründen.
Ich habe im Zweifel Verständnis dafür, wenn jemanden beim Thema Atomkraft ein gewisses Gefühl der Unsicherheit beschleicht, allein schon deshalb, weil diese Energieform aufgrund ihrer Komplexität so intransparent wie wohl kaum eine andere Energieform ist. Das ist unbestritten. Aber wenn man aus etwas aussteigt, meine Damen und Herren – darüber kann man ja reden –, dann sollte man irgendwann auch einmal sagen, wo man einsteigt.
Wer aus der Kernenergie aussteigt, muss zugeben, dass sie niemals – das bestreitet übrigens der grünste Grüne in der Zwischenzeit nicht mehr – zu 100 % durch erneuerbare Energien kompensierbar ist. Sie müssen ganz konkret zugeben, dass Sie nach dem Ausstieg einen Großteil mit fossilen Brennstoffen substituieren werden.
Meine Damen und Herren, das ist in der heutigen Zeit verantwortungslos.
Jetzt zum Thema „Sicherheit der Kernkraftwerke“. Konjugieren wir das einmal durch. Vor kurzem war die internationale Atomaufsicht aus Wien in Philippsburg – Topnoten, aber aus Ihrer Sicht wahrscheinlich alle unfähig.
Dann darf ich Ihnen Folgendes sagen – das war übrigens das weitere Eigentor, lieber Herr Palmer –: Wir haben – ich möchte jetzt auch einmal lobend erwähnen, dass ich da ein Stück weit die Früchte ernten darf, die mein Vorgänger im Amt
in puncto Einführung eines Sicherheitsmanagements – –
Herr Palmer, machen Sie einmal kurz Pause.
Ich habe in der Tat – um da weiterzumachen – als zuständiger Ressortminister den Vorteil, dass wir bei der Atomaufsicht nach 2001 ein Sicherheitsmanagementsystem in baden-württembergischen Kernkraftwerken implementiert haben, wie es kein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Tatsache ist auch, dass wir über das, was Sie angesprochen haben, seit Sommer letzten Jahres ständig in Kontakt mit der obersten Atomaufsichtsbehörde sind. Das ist bekanntermaßen das Bundesumweltministerium. Alles, was wir wussten, wurde sofort in Form von Pressemitteilungen ins Internet gestellt.
Alles, was wir wussten, wurde im Verhältnis 1 : 1 direkt an das Bundesumweltministerium gefaxt, mündlich übermittelt, in regelmäßigen Besprechungen behandelt.
Jetzt sage ich Ihnen Folgendes, meine Damen und Herren: In dieser Woche, ganz konkret vorgestern, fand in Bonn die letzte Besprechung mit der zuständigen Abteilung der obersten Atomaufsichtsbehörde im Bundesumweltministerium statt. Wir haben dort mehrmals nachgefragt: „Weisen Sie uns an, dass wir die Atomanlagen aufgrund vermeintlich katastrophaler Sicherheitsmängel herunterfahren müssen?“ Denn das war die Forderung, die Sie ja ständig in den Medien erhoben haben. Wir haben die Frage der obersten Atomaufsichtsbehörde gestellt. Die explizite Antwort war: „Nein, wir weisen Sie nicht an.“
Lieber Herr Palmer, Sie stellen sich hier hin und sagen gerade im O-Ton, hier würden Tschernobyl-Verhältnisse herrschen.
Gleichzeitig sagt die oberste Atomaufsichtsbehörde, der Bundesumweltminister:
„Es gibt keinerlei Grund für eine Anweisung, die Atomanlagen herunterzufahren.“ Was denn jetzt? Sie spielen mit den Ängsten der Menschen. Das ist das eigentlich Fatale in diesem Land. Darum geht es.
Im Übrigen ist eines interessant: Der gleiche Typus von Anlage steht zum Beispiel in Schleswig-Holstein – Druck
wasserreaktor, grüner Umweltminister. Meine Damen und Herren, da sieht man nichts, da hört man nichts, da liest man nichts. Wenn man mit den Kollegen redet, erfährt man, dass dort die gleichen Probleme bestehen, weil es sich um den gleichen Reaktor
und den gleichen Hersteller handelt.
Jetzt muss ich schon einmal fragen, meine Damen und Herren: Was ist das für ein Stil? Ständig lesen wir Äußerungen der obersten Atomaufsichtsbehörde zuerst in der Zeitung, bevor wir sie erfahren. Ständig bekommen wir mit, dass es ein riesiger Unterschied ist, ob ein Land von der CDU oder von Rot-Grün regiert wird, obwohl die Verhältnisse exakt die gleichen sind,
obwohl die Anlagen die gleichen sind, obwohl der Hersteller der gleiche ist. Meine Damen und Herren, das hat mit verantwortungsvoller oberster Atomaufsicht herzlich wenig zu tun. Das ist grüne Ideologie. Das Einzige, was Sie wollen, ist, die Kernkraft so madig zu machen, dass sie nach Möglichkeit keinerlei öffentliche Akzeptanz mehr erfährt. Ich sage Ihnen: Mit dieser Landesregierung und mit mir werden Sie dieses Ziel in Baden-Württemberg niemals erreichen. Das verspreche ich Ihnen.
Jetzt zur Ehrenrettung der EnBW: Ich habe keine Beißhemmung, weiß Gott nicht; das darf ich Ihnen sagen. Wir waren im letzten Sommer das bislang einzige Bundesland, das ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen einen Betreiber eingeleitet hat,
weil dort objektiv ein Problem bestand, das in geringem Maß sicherheitsrelevant war, wo aber die Verhältnisse nicht in Ordnung waren.
Ich sage wiederum: Solange ich die Atomaufsicht im Land leite, wird es niemals einen Sicherheitsrabatt geben. Aber umgekehrt wird es auch nicht den Fall geben, dass man einen Betreiber, der sich korrekt verhalten hat, so vorführt, wie Sie es tun. Es ist ein Unding, was Sie an Behauptungen in den Raum stellen.
Im Übrigen ist eines bemerkenswert: Bisher war es so, dass Sie zwei Tage lang die Sau durchs Dorf getrieben haben, und dann haben Sie den Rücktritt des zuständigen Ministers gefordert. Die einzige Innovation, die Sie jetzt auf den Punkt bringen, ist, dass Sie gestern als Erstes den Rücktritt des Ministers gefordert haben, bevor Sie sich danach einmal gemütlich mit den Inhalten beschäftigen.
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Sie, lieber Herr Palmer, outen sich im Moment selbst bezüglich dessen, was Sie eigentlich vorhaben.
Die EnBW hat sich nach allem, was wir wissen, objektiv und subjektiv korrekt verhalten. Die EnBW kann uns nach unserem gegenwärtigen Wissensstand nachweisen, dass sie subjektiv alle Daten hatte und sie auch veröffentlicht hatte.
Im Übrigen ist es unwahr, wenn Sie behaupten, dass aufgrund von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft genau das ins Rollen gekommen sei, wovon Sie gesprochen haben. Es ist im Verhältnis 1 : 1 nachweisbar, dass wir dies im Dialog mit der Atomaufsicht gemacht haben. Die EnBW hat nach unserer Kenntnis der Dinge bis zum heutigen Tag nicht gegen das Betriebshandbuch verstoßen. Sie hat nicht gegen entsprechende Verordnungen verstoßen. Insofern ist es ungehörig, dass Sie ständig ein Unternehmen dieses Landes so an den Pranger stellen, obwohl Sie keine Ahnung haben.
Herr Palmer, es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die EnBW in diesem konkreten Fall unkorrekt verhalten hätte. Wenn sie sich unkorrekt verhält, können Sie davon ausgehen, dass die Atomaufsicht in diesem Land mit Sicherheit sofort reagieren wird.
Nein, ich möchte bitte weitermachen, weil das eine oder andere noch zu sagen ist.
Meine Damen und Herren,
nun zu einem weiteren Punkt, der für uns sehr wichtig ist: zum Hochwasserschutz. Die Einsparzwänge führen dazu, dass auch im Bereich des Hochwasserschutzes die Investitionsmittel für Gewässer I. Ordnung und für Bundeswasserstraßen in den folgenden beiden Jahren nicht mehr gänzlich von Kürzungen verschont werden können. Zusammen mit den KUF-Mitteln für Gewässer II. Ordnung sowie den Mitteln des Bundes aus den Gemeinschaftsaufgaben und den ergänzenden Bundesmitteln beim IRP steht dem Land trotzdem die bemerkenswerte Summe von jährlich über 70 Millionen € für Investitionen in den Hochwasserschutz zur Verfügung.
Durch Prioritätensetzungen und zeitliche Streckungen können mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auch in den kommenden beiden Jahren die Dammsanierungsmaßnahmen an den Gewässern I. Ordnung weitergeführt werden. Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern der II. Ordnung können nach wie vor bedarfsgerecht gefördert werden. Im Rahmen des IRP wird außerdem der Polder Söllingen/ Greffern planmäßig im Jahre 2005 fertig gestellt werden. Mit dem Bau des Polders Rheinschanzinsel wird in diesem Jahr begonnen.
Bei der Luftreinhaltung konzentriert sich die aktuelle Diskussion wegen Überschreitungen bei den Schadstoffen Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid auf die Erstellung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen. Das ist eine wichtige Aufgabe im Hinblick auf die Umsetzung von EUQualitätsvorgaben. Da haben wir Hausaufgaben zu machen, aktuell vor allem beim PM10.
Aber, meine Damen und Herren, dies darf den Blick nicht darauf verstellen, dass wir bei der Luftreinhaltung – einschließlich PM10 – viel erreicht haben: eine Minderung der Feinstaubemissionen in den letzten zehn Jahren um 23 % und eine Minderung der vom Verkehr stammenden Emissionen sogar um 43 %. Baden-Württemberg liegt im deutschlandweiten und im internationalen Vergleich auch auf diesem Gebiet in der Spitzengruppe.
Die Probleme sind aber – das macht die Vehemenz aus – lokal sehr begrenzt. Es geht um wenige Straßen, wo aus Gründen des Verkehrsflusses, der Verkehrssicherheit, des Lärmschutzes und der Luftreinhaltung der Verkehr gebündelt wird; dennoch müssen wir die Probleme angehen.
Aber, meine Damen und Herren, auch hier ist bemerkenswert, was vom Bund kommt. Ich hätte eigentlich erwartet, dass bei einem grünen Bundesumweltminister moderne Technologien, die zur Reduktion von Emissionen dienen, so schnell wie möglich eingeführt werden;
Stichworte: Stickstoff, Rußfilter. Es gibt den Rußfilter in Frankreich, in Spanien, so ziemlich überall,
in manchen Ländern per Zwang. Nur in Deutschland lässt sich ausgerechnet der Bundesumweltminister von geschickten Verhandlern aus der Automobilbranche das Ganze abhandeln.
Wir führen dies frühestens ab dem Jahr 2008 ein.
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Dort die Einführung zu verschieben und sich dann hier hinzustellen und sich über die Emissionen zu beschweren,
das ist genauso verlogen wie alles andere, was Sie vorhin zum Thema Umweltpolitik geäußert haben. Gehen Sie nach Berlin! Machen Sie, Herr Palmer, Ihre nächste Sommerfahrradtour nicht quer durch Baden-Württemberg, sondern nach Berlin, und sorgen Sie dafür, dass das Gesetz geändert wird. Dann werden wir große Vorteile haben.
Meine Damen und Herren, ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt und das ich deshalb im umweltpolitischen Bereich noch ansprechen will, ist der Flächenverbrauch. Genau genommen ist der Begriff „Verbrauch“ nicht ganz richtig, weil man Fläche ex definitione nicht verbrauchen kann. Aber es wird unzweifelhaft zu viel Fläche in Anspruch genommen. Im Moment haben wir die Situation, dass wir pro Tag netto 10,2 Hektar Fläche zusätzlich verbauen. Dies ist in der Tat ein Problem, das wir verstärkt angehen müssen.
Ich möchte dazu zwei Dinge feststellen: Erstens machen wir das weder par ordre du mufti noch gegen die Kommunen, sondern mit den Kommunen. Zweitens ist es entgegen dem, was vorhin gesagt wurde, kein Finanzproblem, meine Damen und Herren. Dabei geht es ausnahmsweise nicht ums Geld,
sondern um die Frage, ob man vor Ort die Möglichkeit sieht und bereit ist, Konzepte entsprechend umzusetzen. Zum Beispiel macht es mit Blick auf die demografische Entwicklung wenig Sinn, immer mehr Menschen in den Außenbereichen anzusiedeln, während sie später aus Gründen der besseren Versorgungsstruktur eigentlich im Innenbereich leben sollten. Das sind Dinge, die wir gemeinsam mit den Kommunen angehen. Da bitte ich um Unterstützung. Das ist nicht in erster Linie ein fiskalisches Problem, sondern ein politisches Problem, bei dem wir die Unterstützung aller politischen Körperschaften brauchen.
Jetzt, meine Damen und Herren, zur Verkehrspolitik. Was sich da in den letzten Tagen tut, ist besonders bemerkenswert. Deshalb möchte ich mit Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Stuttgart–Wendlingen–Ulm beginnen.
Meine Damen und Herren, heute Morgen habe ich in der Zeitung gelesen, O-Ton Kretschmann – ich zitiere –: „Die verbuddeln wegen fünf Minuten Fahrzeitgewinn 4,6 Milliarden €.“
Das ist eine tolle Aussage. Sie stimmt aber in gar nichts. Deshalb will ich Ihnen in Kürze noch einmal darzulegen versuchen – das wird wahrscheinlich wieder einmal vergebliche Liebesmühe sein, aber ich will es trotzdem versuchen –, warum Stuttgart 21 und die Schnellbahntrasse Stuttgart– Wendlingen–Ulm
für uns die beiden Seiten ein und derselben Medaille sind und beide dringend notwendig sind.
Zunächst einmal, meine Damen und Herren, gehe ich davon aus, dass Sie wenigstens ab und zu noch Vertragswerke einhalten wollen. Im Vertrag von La Rochelle ist die Schnellbahntrasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm in exakter Linienführung enthalten. Das heißt, wenn Sie als Bundesregierung diesen Vertrag ausnahmsweise einmal nicht brechen wollen – im Gegensatz zum Beispiel zu dem, was man auf der Schnellbahntrasse zwischen Karlsruhe und Basel tut;
da wird alles gebrochen, was geltende Abmachungen angeht –, dann kann die Linienführung kein Problem sein. Auch die Kosten können dann übrigens kein Problem sein, weil da sowohl die Streckenführung als auch der Preis, als auch die zeitliche Fixierung drinstehen.
Jetzt zum Thema Stuttgart 21, meine Damen und Herren. Erstens einmal: Die fünf Minuten sind Quatsch. Stuttgart 21 – um zwei Beispiele zu nennen – verkürzt die Fahrzeiten zum Beispiel auf der Strecke von Stuttgart nach Ulm von 54 auf 26 Minuten.
Selbst wenn man keine Ahnung von Mathematik hat, kommt man relativ schnell darauf, dass das etwas mehr als fünf Minuten sind.
Wenn Sie zum Beispiel von Pforzheim – wenn ich einmal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis schildern darf – mit der Bahn zum Stuttgarter Flughafen wollen, beträgt die heutige Fahrzeit eine Stunde und 42 Minuten. Nach dem Bau von Stuttgart 21 beträgt sie aufgrund des Durchgangsbahnhofs, Herr Palmer, 36 Minuten.
Ich könnte Ihnen en masse Beispiele aufzeigen, warum es für das ganze Land Baden-Württemberg
von zentraler Bedeutung ist, dass wir Stuttgart 21 u n d die Schnellbahntrasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm bauen.
Jetzt nenne ich einen zentralen Faktor: Bauträger von Stuttgart 21 und der Trasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm ist nicht das Land Baden-Württemberg, sondern das ist die Deutsche Bahn AG. Wenn Sie das also uns nicht glauben, empfehle ich Ihnen das Gespräch mit der Deutschen Bahn AG.
Mehdorn sagt klipp und klar: „Ich baue entweder beides oder nichts.“
Wenn Sie das wissen, dann würde ich Ihnen einmal dringend empfehlen, über Folgendes nachzudenken: Wenn Mehdorn beides nicht baut, dann stellt sich relativ kurzfristig die Frage: Wo führt das deutsche Hochgeschwindigkeitsnetz denn dann entlang? Die Antwort ist ziemlich einfach:
Sie gehen in Kehl über die Grenze. Dann fahren Sie nach Karlsruhe. Aber dann biegen Sie nicht nach Stuttgart ab, sondern Sie fahren in nördlicher Richtung nach Mannheim, biegen kurz nach der baden-württembergischen Grenze in Richtung Osten ab und schwenken auf bayerischem Staatsgebiet auf die dort vorhandene Schnellbahntrasse in Richtung München ein.
Ich kann nur sagen: Wer will, dass sich alle bayerischen Politiker auf die Schenkel klatschen, der muss das verfolgen.
Dann führt das Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Bahn AG im wahrsten Sinne des Wortes an Baden-Württemberg vorbei.
Wenn Sie das wollen, dann vertreten Sie weiterhin das, was Sie hier vortragen. Wenn Sie das nicht wollen, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als dass Sie mit der Deutschen Bahn AG, die beides will, mit dem Verband Region Stuttgart, der beides will, mit der Stadt Stuttgart, die beides will, mit dem Land Baden-Württemberg, das beides will, und mit weiten Bereichen aller in Baden-Württemberg politisch Verantwortung Tragenden zusammen
Stuttgart–Wendlingen–Ulm u n d Stuttgart 21 so schnell wie möglich umsetzen. Dann können Sie das verhindern, was der verkehrspolitische Super-GAU für Baden-Württemberg wäre.
Im Übrigen, um das auch noch loszuwerden – weil Sie immer davon reden, die Kosten galoppierten davon und wir hätten in puncto Finanzierung nichts vorgesehen –, zum Zweiten: Ich empfehle einen Blick in die mittelfristige Finanzplanung. Da steht alles drin: 2007 50 Millionen €, 2008 80 Millionen €. Die Zahlen sind da.
Das Geld steht dann im kommenden Doppelhaushalt 2007/ 2008, Herr Palmer. Im Moment beschließen wir den Doppelhaushalt 2005/2006; da steht es logischerweise nicht drin.
Zum Thema Kostenentwicklung: Stuttgart 21 beinhaltet, preisbereinigt auf Basis der Zahlen von 1998, keine Preissteigerung. Preisbereinigt gibt es bei Stuttgart 21 – Stand heute – keinen Cent Preissteigerung. Bei der Strecke Stuttgart–Wendlingen–Ulm ist es anders; das habe ich nie bestritten. Aber klar ist auch: Wenn Sie sich quer durch die Schwäbische Alb buddeln, ist unschwer zu erraten, dass an der einen oder anderen Stelle ein Problem auftaucht, das das Projekt nicht billiger macht. Wenn wir uns aber einig sind, dass wir Stuttgart–Wendlingen–Ulm dringend brauchen, dann möchte ich schon einmal fragen: Wie kommen Sie denn auf die Filder hoch,
wenn Sie Stuttgart 21 nicht machen, aber Stuttgart–Wendlingen–Ulm verwirklichen wollen? Ich kann nur sagen – –
Doch, die Strecke kenne ich. Aber bei dieser Strecke weiß ich auch: Erstens liegt dort keine einzige Schiene für das, was die Bahn als Alternative hätte; zweitens müssten Sie etwa 15 Häuser abreißen; drittens brauchten Sie ein Planfeststellungsverfahren, das mit Sicherheit viele Jahre, wenn nicht sogar länger als ein Jahrzehnt dauert.
Ich kann nur sagen: Wer Stuttgart 21 nicht will, der soll bitte auch den Menschen, die dort wohnen, reinen Wein einschenken und sagen, was an Alternativen auf sie zukäme. Wenn Sie den Mut dazu haben, sage ich: Hut ab!
Weil wir gerade beim Geld sind, nun zum Thema „Finanzierung der Verkehrswege“. Wir halten die Lkw-Maut für richtig. Der Verhandlungsführer der Länder war mein Amtsvorgänger Ulrich Müller. Richtig ist aber auch, dass wir Ende März eine Untersuchung dazu auf dem Tisch werden liegen haben, wie die Ausweichverkehre laufen. Denn klar ist: Es gibt auch einige, die ziemlich kreativ sind, wenn es darum geht, die Lkw-Maut nicht bezahlen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass wir Ende März gemeinsam mit dem Bund – übrigens haben wir im Gegensatz zu Ihnen, die Sie ständig auf uns draufhauen, das Thema gemeinsam mit dem Bund geregelt; wir halten es für richtig, also machen wir es auch gemeinsam, fernab von irgendwelchen ideologischen Scheuklappen – dafür sorgen, dass wir diese Ausweichverkehre irgendwie in den Griff bekommen werden.
Aber klar ist auch eines, Herr Kollege Palmer: Wenn Sie hier so groß die Muskeln spielen lassen,
dann gehen Sie doch einfach einmal nach Berlin.
Denn das, was jetzt läuft, sieht wie folgt aus: Im Gesetz zur Regelung der Lkw-Maut steht explizit, dass die Gelder aus der Lkw-Maut zusätzlich zu den Haushaltsmitteln für den Verkehr benötigt werden und dort eingesetzt werden müssen.
Tatsache ist aber, dass im Bundeshaushalt in exakt derselben Höhe, in der die Einnahmen durch die Lkw-Maut fließen sollen, der normale Haushaltsansatz nach unten gefahren wurde. Das heißt, wir haben nach der Maut so viel Geld wie vor der Maut.
Das ist so unseriös, dass es knallt. Deshalb, Herr Palmer: Wenn Sie so gern auf den Tisch hauen, dann sind Sie hier auf der falschen Baustelle. Sie müssen stattdessen zum Bundesverkehrsministerium nach Berlin. Sorgen Sie dafür, dass das Geld zusätzlich kommt, dann können wir die Verkehrswege in Baden-Württemberg – auch die Schiene, auch die Flüsse – de luxe ausbauen.
Das muss nicht sein, Herr Palmer; das nicht unbedingt.
Gehen Sie dorthin und sorgen Sie dafür, dass das Geld, das aus dem Verkehr kommt, auch in den Verkehr fließt. Dann hätten wir viel gewonnen, und wir brauchten uns hier über vieles nicht weiter zu unterhalten.
Nun zum Thema „Zukünftige Finanzierung der Verkehrswege“. Dass die jetzige Finanzierung nicht ausreicht, weiß jeder. Es wäre aber auch nicht ganz seriös, zu sagen: Wenn die Regierung wechselt, haben wir über Nacht ein paar Milliarden Euro mehr. Aber, meine Damen und Herren, wer zugeben muss, dass die jetzige Finanzierung nicht ausreicht, der muss doch eigentlich auch bereit sein, zu sagen: Wir setzen uns einmal zusammen und prüfen alle Optionen, die es bezüglich der zukünftigen Finanzierung von Verkehrswegen geben könnte.
Der zukünftige Ministerpräsident hat einen Punkt angesprochen, den ich für exakt den richtigen Weg halte: Wir müssen uns darüber unterhalten, ob wir die haushaltsgestützte Verkehrswegefinanzierung auf eine nutzerbezogene Finanzierung umstellen. Allerdings müsste das unter zwei Prä
missen geschehen, ohne die mit uns nichts zu machen ist, nämlich erstens: Wer eine Pkw-Maut ins Auge fasst, muss bereit sein, die Kfz-Steuer abzuschaffen.
Die Kfz-Steuer macht in doppelter Hinsicht keinen Sinn. Zum einen ist es völlig unlogisch, den Hubraum zu besteuern; das ist ökologisch voll daneben. Zum anderen beschäftigen wir, meine Damen und Herren, bundesweit 1 200 Beamte damit, nichts anderes zu machen als die Kfz-Steuer zu erheben. Das ginge auch etwas effizienter.
Aber der zweite Punkt – und das ist der entscheidende – ist: Das Geld, das aus einer wie auch immer gearteten Nutzerfinanzierung im Pkw-Sektor kommt, muss auch zu 100 % in den weiteren Ausbau der Verkehrswege fließen.
Unter diesen Prämissen – aber nur unter diesen Prämissen – kann man mit uns diskutieren. Ansonsten kann man mit uns nicht diskutieren. Wer das aber nicht will, der soll bitte wenigstens sagen, wie er in Zukunft Verkehrswege besser finanziert. Was Sie machen, ist: das eine ablehnen, das andere nicht verbessern, weiterhin in den Verkehrsinfarkt. Das ist exakt das, was wir mit Sicherheit nicht mitmachen, meine Damen und Herren.
Jetzt noch ein Wort zum ÖPNV. Ich habe es vorher angeschnitten: Seit wir zuständig sind, haben wir 47 % mehr Netz. Seit wir zuständig sind, haben wir 50 % mehr Passagiere. Seit dem letzten Jahr haben wir ein Controlling, wie es dies in der Bundesrepublik sonst nirgends gibt. Wir können exakt sagen: Auf welcher Strecke steigen wie viele Leute ein? Wo steigen sie aus? Wie viele fahren mit? Wie viel beträgt der Zuschuss? Was kostet die Aktion? Was kostet der Zuschuss pro Passagier?
Das ist exakt das, was wir mit diesem Controllingsystem feststellen können.
Nur, meine Damen und Herren: Wer ein Controllingsystem hat, der sollte auch bereit sein, die Zahlen entsprechend zu nutzen.
Deshalb ist die Aufgabe, die wir haben, und die Umsetzung ganz einfach. Dort, wo wir, wie zum Beispiel im letzten Sommer in einigen Gebieten in Baden-Württemberg analysiert wurde, pro Personenkilometer einen Zuschuss von mehr als 10 € haben, muss es doch möglich sein, zu sagen: Wenn ein Angebot über Jahre hinweg nicht greift, dann nehmen wir das Angebot dort etwas zurück, um irgendwo anders, wo wir mit dem gleichen Geld wesentlich mehr erreichen können, auch deutlich mehr bewegen zu können. Das muss doch erlaubt sein. Wir machen das. Das ist das Geld des Steuerzahlers. Wir werden das auch in den kommenden Jahren machen.
Deshalb, lieber Herr Palmer, sage ich Ihnen: Wenn Sie intelligenterweise am Ende der Ferienzeit vier Mitarbeiter aus dem Landtag hinstellen und uns dann ein paar Zahlen um die Ohren hauen, kann es doch nicht Ihr Ernst sein, dass das eine seriöse Zählweise ist,
um uns dann vorzuhalten, dass unsere Politik nicht greife.
Wir können Jahr für Jahr aufgrund der Erhebungen eines von uns beauftragten Unternehmens ganz genau sagen, wo die Züge fahren, wie sie fahren, wie hoch der Zuschuss ist, wie die Struktur aussieht. Wir ziehen daraus die Konsequenzen. Wir werden das auch in den nächsten Jahren machen. Ich bitte hier um Unterstützung, damit wir einen innovativen und zukunftsfähigen ÖPNV bekommen. Den können wir nur dann bekommen, wenn wir das Geld dort investieren, wo wir am effizientesten mit dem Mitteleinsatz die meisten Menschen für den ÖPNV gewinnen können und gewinnen werden. Das ist die Gestaltung nachhaltiger Politik. Bitte unterstützen Sie uns. Wir werden das weiterhin machen. Wir wollen eine zukunftsgerichtete Mobilität hier im Mobilitätsland Nummer 1 der Bundesrepublik Deutschland, in Baden-Württemberg.
Abschließend möchte ich mich bei all jenen bedanken, die konstruktiv an dem Haushalt im Umwelt- und Verkehrssektor mitarbeiten. Ich möchte hinzufügen, dass wir für konstruktive Vorschläge immer sehr offen sind. Ich bin auch dankbar für Änderungsanträge, die das eine oder andere sicherlich auch noch voranbringen. Wir unterstützen das gerne. Wir wollen, dass der ÖPNV, die Straße, die Luftverkehrswege, alles im Mobilitätsbereich, aber auch die Umweltpolitik weitere Schritte nach vorne machen und dass wir weiterhin die Nummer 1 in diesem Sektor in der Bundesrepublik Deutschland bleiben können.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kürzlich wurde der Begriff Hartz IV zum Wort des Jahres gekürt. Wenn ich ein Unwort des Jahres wählen dürfte, dann wäre es – ich glaube, wir wären uns da vielleicht sogar einig – wahrscheinlich das Wort Dosenpfand.
Ich persönlich kann es allmählich, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, und ich glaube, es geht Ihnen allen genauso.