Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Es gab auch eine Initiative von den Roten und von den Grünen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Eben!)

Natürlich! Ich sage das doch. – Das hat dazu geführt, dass wir jetzt überplanmäßig 600 000 € bekommen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Das sind Montags- und Dienstagsentscheidungen!)

Das ist eine große Initiative. Dazu bedarf es bei uns keines Machtworts, sondern das ist in der Tat einfach auch eine vernünftige Entscheidung des Parlaments. Ich bedanke mich beim Parlament, dass Sie heute mithelfen werden, dass wir diesen Haushaltsansatz zum freiwilligen sozialen Jahr aufstocken können. Aber eine Kürzung hat hier nie in Rede gestanden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das kommt darauf an! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir haben sogar et- was zusätzlich getan und nicht gekürzt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen Schwerpunkte im Bereich der Politik für ältere Menschen setzen. Da spreche ich die Pflegeheimförderung an. Pflegeund Altenhilfe stellen uns, auch aufgrund der demographischen Entwicklung, in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen. Ich gehe davon aus, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in unserem Land bis in zehn Jahren von derzeit 210 000 um knapp ein Drittel zunehmen wird. Deswegen werden wir zukünftig mehr stationäre Pflegeangebote brauchen und müssen diese ausbauen. Dazu gehört eine möglichst wohnortnahe Versorgungsstruktur.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Das geht nicht ohne eine zusätzliche Förderung des Landes, Herr Noll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es geht nicht ohne eine Förderung des Landes, wenn man wohnortnahe Versorgung will. Da kann Ihnen die Evangelische Heimstiftung noch so viele Briefe schreiben. Sie ist übrigens die einzige Institution, die auf genau diesem Dampfer fährt. Alle anderen sagen, wir hätten Recht, wenn wir auch weiterhin Objektförderung betreiben. Deswegen meine ich: Wir müssen auch weiterhin daran arbeiten. Wir bräuchten da eigentlich noch mehr Geld.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es! – Abg. Behringer CDU: Wer braucht kein Geld?)

Wir haben die Fördermittel vor zwei Jahren auf jetzt 60 Millionen € aufgestockt. Diesen Betrag könnten wir halten. Aber nachdem ein relativ großer Antragstau entstanden ist, werden wir die Fördermodalitäten verändern, um eben gerade keinen Antragstau auflaufen zu lassen. Wenn wir die Fördertatbestände einschränken, wenn wir den Eigenanteil der Träger auf 10 % festlegen und die Förderquote auf 45 % absenken, können wir das Fördervolumen, das jetzt insgesamt 150 Millionen € beträgt, mit 60 Millionen € Landesmitteln auf dann ca. 240 Millionen € aufstocken.

Ich komme zum nächsten Punkt, den Pflegeberufen. Wenn wir schon mehr Pflegebedürftige bekommen, brauchen wir in diesem Bereich auch mehr Personal. Wir brauchen die helfenden Hände – ehrenamtliche Kräfte, aber natürlich auch Profis.

Deswegen haben wir ja vor drei Jahren eine mehrjährige Werbe- und Imagekampagne für Pflegeberufe ins Leben gerufen. Sie wissen, wir haben vor zwei Jahren in diesem Haus darüber diskutiert, dass die Zahl junger Menschen, die einen Pflegeberuf ergreifen, einen Tiefpunkt erreicht hatte. Wir verzeichnen jetzt im dritten Jahr in Folge einen Höchststand an den Schulen für Pflegeberufe – im dritten Jahr in Folge!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Gott sei Dank!)

(Minister Dr. Repnik)

Das hat mit Sicherheit auch etwas mit der aktuellen Ausbildungsplatzsituation zu tun. Aber das ist auch ein Ergebnis von mehr als 80 000 Besuchen des Internetportals, von einer Vielzahl von Beratungen über die kostenlose Telefonhotline der Kampagne. Ich hoffe, dass sich dies so fortsetzt, dass wir auch künftig genügend Ausbildungsplätze für die Pflege haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Häusern, die ihrer Ausbildungsverantwortung gerecht werden und die erforderliche Zahl an Ausbildungsplätzen zur Verfügung stellen.

Meine Damen, meine Herren, das Land hatte im Jahresdurchschnitt 2003 mit knapp 337 000 Arbeitslosen und einer Arbeitslosenquote von 6,2 % erneut die niedrigste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer. Das ist gut so, aber das kann uns natürlich nicht befriedigen.

Wir hoffen für das Jahr 2004 auf eine leichte Entspannung am Arbeitsmarkt. Dennoch macht es uns Sorge, dass gerade die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt und dass vor allem unter den Langzeitarbeitslosen sehr viele eben nicht ausgebildet sind. Deswegen müssen wir hoffen, dass junge Menschen ausgebildet werden. Deswegen haben wir von allen Arbeitsmarktprogrammen eines belassen, nämlich das berufspraktische Jahr für junge Leute – unter dem Motto „Nonstop vom Praktikum zum Beruf“ –, weil es mit relativ wenigen Mitteln und vielen Teilnehmern eine Vermittlungsquote von 80 % aufweist.

Es wird immer gesagt, das Land Baden-Württemberg habe in den letzten zwei Jahren das Volumen des Langzeitarbeitslosenprogramms von 17 Millionen € auf inzwischen 600 000 oder 800 000 € gekürzt. Warum? Weil man sparen muss.

Verantwortlich für den Arbeitsmarkt sind der Bund und die Bundesagentur für Arbeit. Im Jahr 2003 stehen allein in Baden-Württemberg 630 Millionen € an normalen Eingliederungsmitteln zur Verfügung, weitere 530 Millionen € für Rehabilitation, Förderung der Selbstständigkeit und Ausbildung sowie 58,9 Millionen € für das Jugendsofortprogramm.

Das sind insgesamt über 1,2 Milliarden €. Da können Sie doch nicht sagen, dass die 17 Millionen €, die wir zur Verfügung gestellt haben, „das Ding noch fett machen“. Hinzu kommt, dass wir über die ESF-Mittel – das sind jährlich 30 Millionen bis 35 Millionen € – genau diese Programme fördern können. Warum sollen wir dann, wenn schon so viel Geld gegeben wird und wenn wir gemerkt haben, dass viele dieser Programme in der Tat nicht effizient waren, dafür noch diese Mittel einsetzen, zumal das Geld knapp ist?

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir werden uns bemühen, dass die EU-Mittel weiterhin gegenfinanziert werden können. Dies wird im sozialen Bereich leichter sein als im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums, weil dort eben keine Komplementärfinanzierer zur Verfügung stehen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu dem Punkt „bürgerschaftliches Engagement“. Dazu ist heute viel Falsches gesagt worden. So wurde behauptet, man würde das Ehrenamt zerstören. Wir sind ein Ehrenamtsland. In Baden-Württemberg arbeiten über 4 Millionen im Ehrenamt. Die zuständige SPD-Bundesministerin hat letztes Jahr gesagt, in Baden-Württemberg werde am meisten für das Ehrenamt getan. Wir führen das auch so weiter. Aber wir fördern Ehrenamtliche nicht, damit sie eben auch bezahlt werden, sondern wir fördern die Anerkennungs- und Würdigungskultur. Wir bilden sie aus. Wir führen Mentorenprogramme durch. Wir bringen junge Leute dazu – übrigens auch über die Landesstiftung –, sich in diesem Bereich zu qualifizieren und fortzubilden. Denn „einmal ehrenamtlich“ heißt in vielen Bereichen in der Tat „immer ehrenamtlich“.

(Beifall bei der CDU)

Viele sagen mir auch: „Einmal Zivi, immer Zivi.“ Auch darüber sollten wir einmal nachdenken, Herr Kollege Noll. Das tun wir aber nicht hier und heute und nicht mit Schaum vor dem Mund. Wir sollten aber Vor- und Nachteile auch eines so genannten Pflichtjahres einmal ganz in Ruhe besprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu einer guten Politik gehören gute Lebensbedingungen für Familien. Sie fördern die Entwicklung von Kindern, erleichtern das Zusammenleben von Eltern und sparen der Gemeinschaft Kosten. So einfach ist das.

(Beifall bei der CDU)

In der Jugendhilfe und in vielen anderen Bereichen wird immer deutlicher, dass die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern die wichtigsten Investitionsvorhaben einer Gesellschaft sind. Wer heute nicht in diese Bereiche investiert, wird morgen die Defizite ernten. Steigende Kosten zur Reparatur von Defiziten können wir uns aber alle schon längst nicht mehr leisten. Deswegen haben wir in BadenWürttemberg das Projekt „Zukunftswerkstatt Familien“, und das ist von zentraler Bedeutung.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Familien-TÜV!)

Wir wollen nämlich unter Einbeziehung aller Beteiligten im Land so gut wie möglich die Situation von Familien verbessern. Wir haben uns verpflichtet, zukünftig alle neuen Vorhaben, Gesetze und Verordnungen auf ihre Familienfreundlichkeit zu überprüfen. Alles, was im Land Baden-Württemberg an Gesetzen gemacht wird, wird auf Familienfreundlichkeit überprüft.

(Beifall bei der CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Gilt das auch für die Verwaltungsreform?)

Wir haben schon mehrere Werkstücke in Arbeit und auf den Weg gebracht. Ich erinnere an das Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“. Ich nehme an, Frau Wonnay wird dazu etwas sagen. Es wird ihr immer zu wenig sein.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es!)

Ich erinnere an das Mehrlingsgeburtenprogramm. Ich erinnere an die Initiativen zur familienorientierten Personalpoli

(Minister Dr. Repnik)

tik und zur Elternbildung, und ich erinnere auch an das Landeserziehungsgeld. Landeserziehungsgeld ist ein Stück Zukunft, weil Kinderlosigkeit Zukunftslosigkeit ist. Ich glaube nicht, Frau Lösch, dass wir eine Ideologie haben, wenn wir das Landeserziehungsgeld direkt an die Eltern geben, sondern eher, dass Sie da eine Ideologie haben, indem Sie das Motto „Der Staat wird alles besser richten“ vertreten. Baden-Württemberg ist das einzige Land in der Bundesrepublik, in dem mehr Kinder geboren werden, als Menschen sterben.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Wir wollen auch, dass die Kinder nicht nur geboren werden, sondern auch gut aufwachsen können.

(Abg. Schneider CDU unterhält sich laut mit Abg. Dr. Reinhart CDU. – Abg. Wieser CDU: Der Ab- geordnete Landrat ist unruhig da hinten! – Abg. Fi- scher SPD: Nicht nur heute!)

Deswegen bauen wir ein bedarfsgerechtes Angebot für die Kinderbetreuung aus, und zwar mit dem Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“, um dem neuen Kindergartengesetz, dessen Umsetzung im Augenblick noch ein wenig Schwierigkeiten bereitet, wie alle Umsetzungen manchmal Schwierigkeiten machen, Rechnung zu tragen. Aber an 40 oder 60 Eingaben können Sie nicht die Behauptung festmachen, dass in 1 111 Gemeinden alles falsch laufe. Deswegen werden nach dem Inkrafttreten des neuen Kindergartengesetzes die Akteure, die die Rahmenbedingungen unterschrieben haben, spätestens Ende März zu einem Gespräch – dazu habe ich schon eingeladen – zusammenkommen,

(Beifall bei der CDU)

bei dem man gemeinsam mit den Kommunen, den Landesverbänden und den freien Trägern sowie den Kirchen bespricht, was schief läuft und warum es schief läuft. Wir setzen das Vertrauen voraus. Deshalb müssen wir da und dort vielleicht auch noch nacharbeiten.

(Abg. Wieser CDU: Nachsteuern!)

Aber wir haben die gemeindliche Bedarfsplanung, und jetzt ist es vielleicht auch wichtig, festzustellen: Mit der Förderung der Kleinkindbetreuung ist es schon jetzt gelungen, landesweit das Betreuungsangebot für Kleinkinder in Kindergärten und Kinderkrippen um 20 % auf mehr als 11 000 Plätze auszuweiten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Lasotta CDU: Sehr gut!)