Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ein zweiter Punkt: Der Verbraucher kauft eine Dose, weil es bequemer ist. Er kann sie ja irgendwo wegwerfen oder, wenn er etwas gesitteter ist, zum Müll geben. Was bedeutet es aber, wenn das Pfand kommt? Der Convenience-Vorteil ist weg, die Ex-und-Hopp-Mentalität, die bisher mit der Dose gefördert wurde, wird wieder umgekehrt. Auch das ist ein Punkt, der für das Dosenpfand spricht. Außerdem – Herr Kollege Dr. Caroli hat es erwähnt – wird die zunehmende Verschandelung der Landschaft und unserer Städte gestoppt, weil die Leute die Dosen nicht mehr wegwerfen, wenn sie dafür ihr Pfand zurückbekommen.

Es zeigt sich einfach: Ein Pfand stabilisiert den Mehrweganteil. Von der FDP/DVP kommt jetzt immer das Argument, das Pfand werde das Gegenteil bewirken. Als Herr Kollege Töpfer Ende der Achtzigerjahre auf die PET-Flasche ein Pfand eingeführt hat, ist der Anteil der PET-Flaschen in sich zusammengebrochen. Wir hatten nur noch 5 % bzw. 4 % in den Folgejahren. Das zeigt: Es hat sich in der Praxis der Bundesrepublik schon erwiesen, dass ein Pfand auf ein Einweggebinde den Mehrweganteil nach vorn bringt.

Nachdem ich gestern die Krokodilstränen gesehen habe, die der Herr Ministerpräsident wegen des Mittelstands vergossen hat,

(Lachen des Abg. Oelmayer GRÜNE)

kann ich nur sagen: Das ist pure Heuchelei, wenn man dann heute hingeht und einen solchen Antrag vorlegt, der gerade den Mittelstand schädigt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das, meine Damen und Herren, ist ein Antrag zur Unterstützung der großen Handelsketten und der großen Brauereien, die wir immer ertragen müssen, wenn wir eigentlich Fußball schauen wollen und stattdessen Bierwerbung sehen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Sie sind nicht glaubwürdig. Ich sage Ihnen: Wer aus parteistrategischen und -taktischen Gründen meint, er müsse die von Trittin geplante Novellierung verhindern, der handelt nicht im Interesse dieses Landes. Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie zu!

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich will noch etwas näher auf den hier vorliegenden Vorschlag eingehen, der im Wesentlichen dem entspricht, was Herr Kollege Müller vorgelegt hat. Wenn es nach ihm gin

ge, sollen zukünftig freiwillige Verpflichtungen – – Dazu muss man sagen: Seit zehn Jahren haben wir die freiwillige Verpflichtung, und sie hat nichts genutzt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber ohne Sanktionen! Es geht um die Sanktionen!)

Wie man dann auf die Idee kommen kann, wieder eine freiwillige Verpflichtung zu fordern, das geht mir nun wirklich nicht in den Kopf.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber das ist ja ein Unter- schied!)

Ja, natürlich, die Sanktionen. Lassen Sie mich einmal ausreden, Herr Kollege.

Wir haben jetzt eigentlich 72 % vorgeschrieben, die Realität sind aber 66 %. Was bedeutet jetzt also der Vorschlag? Das Umweltbundesamt und das Umweltministerium haben das einmal ausgerechnet. Der Vorschlag von Herrn Müller bedeutet bei diesem Status quo ein weiteres Absenken der Mehrwegquote auf 63 %.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: So ist es!)

Ich kann nur sagen: Ein solcher Vorschlag eines Umweltministers ist doch abenteuerlich! Von einem Umweltminister kann ich doch erwarten, dass er sich hinstellt und für die Belange der Umwelt einsetzt – aber nicht das Gegenteil fordert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Man braucht auch kein Prophet zu sein: Diejenigen, die damals gesagt haben: „Gut, machen wir halt einen grünen Punkt, aber dann wollen wir mindestens 72 % Mehrweganteil“, sind genau diejenigen, die heute 63 % fordern. Dieselben, Leute wie Herr Müller, werden in drei Jahren, wenn die Einweg- und Dosenlobby wieder kommt, sagen: „Dann machen wir das halt wieder nicht zur Pflicht, sondern senken die Quote nochmals ab.“ Irgendwann sind wir bei 50 oder noch weniger Prozent.

Ich kann nur sagen: Wenn jetzt das Pfand abgelehnt wird, ist das ein Zeichen für einen Dammbruch und wird der Industrie sagen: „Macht weiter so! Wir werden euch niemals irgendetwas in den Weg legen.“ Deswegen kann ich Ihnen nur sagen, Herr Minister: Ihr Vorschlag ist für mich ein Zeichen, dass Sie für dieses Amt eine Fehlbesetzung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Al- fred Haas CDU: Na, jetzt aber!)

Ja, das ist so. Wer ist denn so naiv, zu glauben, dass sich die Einweglobby mit 63 % zufrieden gibt? Das ist doch auch in anderen Ländern nicht der Fall. Warum sollte es gerade bei uns so sein? Herr Minister, Sie könnten einmal Nachhilfe beim Kollegen Vetter nehmen.

(Abg. Drexler SPD: Bei Töpfer auch!)

Er hat 1992, als er noch Minister war, Mehrwegquoten von 100 % bei Bier und von 100 % bei Mineralwasser gefordert. Das waren noch Ziele, die man sich als Umweltminis

ter setzen konnte. Sie kommen mit 63 %. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt möchte ich noch einen Punkt zu Ihrer persönlichen Integrität ansprechen. Sie gelten als jemand, der hier wirklich solide arbeitet, und die Leute können sich auf Ihr Wort verlassen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Also doch keine Fehlbeset- zung!)

Ja, das galt seither. Umweltpolitisch ist das wieder eine andere Diskussion.

(Abg. Dr. Birk CDU: Ja, ja!)

Am 25. Oktober 2000 haben Sie bei der Umweltministerkonferenz den Plänen von Trittin ebenfalls zugestimmt. Da frage ich mich: Was ist eigentlich seither passiert, dass Sie Ihre Position um 180 Grad gedreht haben?

(Abg. Drexler SPD: Eingeknickt!)

Das kann doch nur der Druck der Fundamentalopposition gegen Berlin sein, wie sie von Herrn Teufel immer betrieben wird. Aber Sachgründe können dafür nun wahrlich nicht ausschlaggebend sein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich frage mich auch, vor wem Sie da einknicken. Die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz tun dies vor der Dosenlobby, die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, vor Metro und vor Aldi usw. Dazu muss man sagen, Herr Kollege Drexler: Wenn die Herren Beck und Clement mitgestimmt hätten, könnten wir uns die heutige Debatte sparen. Das ist ja das Traurige daran. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(Abg. Drexler SPD: Die werden immer für andere verhaftet!)

Aber ich frage mich: Herr Müller, vor wem sind Sie eigentlich eingeknickt? Hier haben wir doch diese Lobby gar nicht. Im Gegenteil, der Mittelstand läuft Sturm gegen Ihre Pläne. Der unterstützt Trittin.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Welcher Mit- telstand? – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Der baden-württembergische!)

Sie haben wahrscheinlich keinen Kontakt zum Mittelstand.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau so ist es!)

Das kann ich mir gut vorstellen. – Wie sieht es mit dem Kontakt zur Bevölkerung aus? 75 % der Bevölkerung sagen, sie wollten dieses Dosenpfand. Die Menschen haben es satt, die Müllberge in den Städten und in der Landschaft zu sehen, die durch Dosen verursacht wurden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dann kommt ein Vorschlag der Industrie: Wir geben den Kommunen 250 Millionen DM, damit sie den Müll wegräumen können. So etwas ist ja nun wirklich pure Verschwendung von Volksvermögen und für mich nicht mehr nachvollziehbar.

Der Kollege Caroli hat schon darauf hingewiesen, was das beispielsweise für die Winzer bedeuten würde. Die müssten dann auch italienische und französische Einwegflaschen mitnehmen. Wenn die FDP das Pfand verhindert, werden wir sicher einmal einen Sonderzug mit leeren Dosen zum Kollegen Drautz nach Heilbronn organisieren. Das muss er uns dann schön bezahlen.

Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie im Interesse der Brauereien, der Winzer, der Einzelhändler in Baden-Württemberg später bei der namentlichen Abstimmung unserem Antrag zu. Sie tun damit etwas für die Umwelt und für unsere mittelständische Wirtschaft. Ich hoffe, Sie lassen sie nicht im Stich.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.