Wir sind wie die SPD, Herr Kollege Wintruff, der Meinung, dass das Kopftuch eben nicht als Zeichen falscher Toleranz in der Schule geduldet werden soll, und wir halten auch Ihre Aussage für richtig, dass man nicht in den Menschen hineinschauen kann. Was folgt daraus?
Herr Kretschmann, Sie haben auf Anfrage der Kollegin Weckenmann gesagt: „Da kann man dann doch Gespräche führen.“ Da kriegen Sie doch eine Diskussion – erinnern Sie sich einmal – wie bei den ganzen Kriegsdienstverweigereranhörungen und -debatten.
Das Kopftuch ist doch nicht eine Frage des äußeren Kleidungsstücks, sondern auch eine Frage der Einstellung. Deshalb kann man das gerade nicht an jeder Schule auf den
Einzelfall herunterzonen, sondern wir brauchen, wie der Kollege Wintruff zu Recht gesagt hat, eine gleichermaßen gültige Regelung für alle. Genau deshalb brauchen wir eine Regelung, die bestimmt, welche äußeren Bekundungen möglich sind und welche nicht.
Meine Damen, meine Herren, wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen, der notwendig geworden ist und von unserer Fraktion mitgetragen wird.
Halten wir uns einmal die Überschriften vor Augen, die gerade beim Kopftuch auch die politische Symbolhaftigkeit unterstreichen. Ich will diese abschließend nur kursorisch zitieren: Die „Welt“, Dezember, Überschrift: „Das Kopftuch ist als Zeichen der Ungleichberechtigung der Frau zu sehen“. Die „Welt“ am 31. Januar, Überschrift: „Das Kopftuch steht für Islamismus“. „Süddeutsche Zeitung“ am 24. Oktober: „Der Islam als bloßer Vorwand“. „Berliner Zeitung“ vom 6. Oktober mit der Überschrift: „Eine Lehrerin mit Kopftuch vertieft die Trennung“.
Ich glaube, wir brauchen keine weiteren Überschriften zu zitieren. Diese Überschriften treffen die Problematik und die weit reichenden Kontroversen bei diesem Thema, weshalb wir es für richtig erachten, dass ein solcher Gesetzentwurf eingebracht wird.
Deshalb möchten wir als CDU-Fraktion der Regierung danken, dass so schnell und so rasch gehandelt wurde. Wir sind überzeugt davon, dass es auch inhaltlich die richtige Entscheidung ist, das Kopftuch im Unterricht nicht zuzulassen. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manche in der Öffentlichkeit fragen sich: Lohnt es sich, in dieses Thema so viel Energie und Zeit zu investieren? Es handelt sich doch in Baden-Württemberg oder in der Bundesrepublik nur um wenige Kopftuchträgerinnen, die Lehrerinnen sind. Die Zahl dürfte insgesamt unter 50 liegen.
Ich meine, es lohnt sich, weil damit in dieser Diskussion zwei große Bereiche angesprochen werden, die nicht intensiv genug diskutiert werden können. Es handelt sich um den Bereich der Integration und um den der Werteordnung unseres Grundgesetzes mit den besonderen Verhaltenspflichten von öffentlich Bediensteten.
Wir müssen leider feststellen, dass die Integration der Migrantinnen und Migranten in der Bundesrepublik nicht ausreichend gelungen ist. Wir haben uns zu lange der Erkenntnis verschlossen, dass die Bundesrepublik faktisch ein Einwanderungsland ist. Wir fordern von den Migrantinnen und Migranten Integrationsbereitschaft. Wir fordern, dass sie alles unternehmen, um sich in unsere Gesellschaft einzugliedern. Gleichzeitig müssen wir aber unsererseits die Gesellschaft integrationsbereit gestalten. Wir müssen Angebote unterbreiten. Wir dürfen nicht nur fordern, wir müssen auch fördern.
Deshalb ist es notwendig, möglichst bald das Integrationsund Zuwanderungsbegrenzungsgesetz auf Bundesebene zu verabschieden.
Nicht nur auf Bundesebene sind Aufgaben zu erledigen, sondern selbstverständlich auch innerhalb des Landes. Wer wollte dies bestreiten?
Erschreckend ist doch, wie wenig wir darüber wissen, was nachmittags und an Wochenenden in Koranschulen tatsächlich gelehrt wird.
Bedauerlich ist doch, dass wir in Baden-Württemberg keinen islamischen Religionsunterricht, ja nicht einmal einen Islamkundeunterricht als Angebot für die muslimischen Schülerinnen und Schüler haben, die deshalb auf Koranschulen angewiesen sind, wenn sie in ihrem Glauben erzogen werden wollen. Das sind Koranschulen, bei denen wir doch größte Bedenken haben.
Erschreckend ist doch – Herr Kollege Wintruff hat darauf hingewiesen –, dass viele muslimische Schülerinnen von ihren Eltern von schulischen Veranstaltungen, beispielsweise dem Turnunterricht, ausgeschlossen werden. Wir meinen, dass die Landesregierung und wir alle gefordert sind, auch in diesen Bereichen das Notwendige zu tun.
Wir haben einen säkularen Staat mit der Garantie unveräußerlicher Menschenrechte. Wir haben als Folge der Aufklärung und der Entwicklung der Menschenrechte die Überzeugung gewonnen – wie auch der Bundespräsident in seiner schon von Frau Ministerin Schavan zitierten Rede ausgeführt hat –,
dass Religion und staatliche Ordnung unterschieden werden müssen, dass Glaubensüberzeugungen und Organisation des Gemeinwesens voneinander zu trennen sind.
Das Verhältnis von Staat und Kirche ist in Europa unterschiedlich geregelt – von den skandinavischen Staatskirchen bis hin zum laizistischen Staatsverständnis Frankreichs. Wir haben eine Mittelposition inne, die Frau Ministerin Schavan zu Recht als „offene Neutralität“ beschrieben hat und die Bischof Huber als „aufgeklärte Säkularität“ bezeichnet.
Wir wollen nicht, dass die Gesellschaft ein religionsfreier Raum ist. Wir wollen, dass sich Kirchen und Religionsgemeinschaften in öffentliche Angelegenheiten einmischen und mitwirken.
Unser säkularer Staat wird inhaltlich bestimmt durch die Garantie unveräußerlicher Menschenrechte. Dazu zählt die Religionsfreiheit, und dazu zählt – in diesem Zusammenhang besonders zu erwähnen – gerade auch die Gleichstellung von Frau und Mann, wobei wir durchaus selbstkritisch sagen sollten, dass die Gleichstellung noch immer nicht so verwirklicht ist, wie es richtigerweise sein sollte.
Es handelt sich dabei nicht nur um ein Problem von islamischen Religionszugehörigen, sondern es handelt sich um ein Problem unserer gesamten Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, zu der entscheidenden Frage, die sich weltweit stellt, zitiere ich noch einmal den Bundespräsidenten:
Die entscheidende Frage, die alle Staaten der Welt beantworten müssen, eine Frage, die weit über den Religionsdialog hinausgeht, sie heißt: Wie haltet ihr es mit den Menschenrechten, mit Toleranz, mit der Gleichstellung von Mann und Frau, mit der Freiheit in Gewissens- und Glaubensfragen?
Meine Damen und Herren, unsere öffentlich Bediensteten haben das Recht – darauf hat Herr Kollege Kretschmann zu Recht hingewiesen – eines diskriminierungsfreien Zugangs zu öffentlichen Ämtern. Die öffentlich Bediensteten und insbesondere die Lehrkräfte haben aber auch besondere Verpflichtungen. Wir alle hier im Hause sind übereinstimmend der Auffassung – das ist zum Beispiel auch in unserem Landesbeamtengesetz niedergelegt –, dass Beamtinnen und Beamte sich vorbehaltlos zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen müssen und für deren Erhaltung einzutreten haben. Damit ist eine klare Absage an theokratische Staatsformen verbunden.
Es wird ein klares Bekenntnis und ein entsprechendes Handeln für die Gleichstellung von Mann und Frau eingefordert.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – und so durch das Gericht ja auch angelegt – ist zunächst politisch die Frage zu entscheiden, ob wir der Auffassung sind, dass es hingenommen werden kann, dass Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten, oder ob wir der Meinung sind, Unterricht von Lehrerinnen mit Kopftuch sollte nicht erfolgen.
Über diese Vorfrage kann man unterschiedlicher Meinung sein. In unserer Gesellschaft wird auch höchst kontrovers darüber diskutiert. In allen Parteien gibt es dazu unterschiedliche Meinungen.
Es gibt auch in den Kirchen unterschiedliche Meinungen. Die katholische Kirche hat sich, wenn ich das richtig sehe,
zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung bisher offiziell gar nicht geäußert. In der evangelischen Kirche – auch in Baden-Württemberg – gibt es unterschiedliche Meinungen.
Es gibt eine Meinung der Kirchenleitungen, aber es gibt – ich selbst habe das bei vielen Diskussionen erlebt – auch sehr unterschiedliche Meinungen bei Pfarrern.
Es ist gut, dass wir einen solch intensiven Diskussionsprozess führen, weil er uns die Gesamtproblematik aufzeigt, vor der wir stehen. Ich will als Ergebnis noch einmal wiederholen – Frau Ministerin Schavan hat ja unseren früheren Fraktionsvorsitzenden Ulrich Maurer ausführlich zitiert –, was unsere Auffassung ist: Lehrerinnen sollten nicht mit Kopftuch unterrichten, weil dies nach unserer Überzeugung die Integration gerade der muslimischen Kinder – und um die geht es hier insbesondere – in unsere Gesellschaft nicht fördert, sondern erschwert.
Wir – ich betone: alle in diesem Hause – sagen nicht, dass alle muslimischen Kopftuchträgerinnen Fundamentalistinnen seien,
theokratische Staatsformen durchsetzen wollten, die Gleichheit von Mann und Frau missachteten. Ich betone das deshalb, weil die frühere Ausländerbeauftragte von Berlin, Frau John, am Sonntag bei einer Diskussion in der Katholischen Akademie Hohenheim zu Recht darauf hingewiesen hat, dass diese Diskussion, wenn wir sie nicht sorgfältig führen, auch die negative Auswirkung hat, dass Schülerinnen, die aus persönlicher Überzeugung Kopftuch tragen, Schwierigkeiten haben, eine Lehrstelle zu finden, wenn in der Öffentlichkeit durch die Diskussion der Eindruck hervorgerufen würde, alle Trägerinnen eines Kopftuchs seien dem Fundamentalismus zuzurechnen.