Protokoll der Sitzung vom 05.02.2004

(Die Rednerin hält ein Schaubild mit dem Titel „In Wirklichkeit zu erwartende Nettokreditaufnahme“ hoch. – Abg. Dr. Birk CDU: Aber hinter der Grafik sieht man Sie nicht mehr!)

Ich brauche es nicht so sehr in diese Richtung zu zeigen, sondern zeige es in diese Richtung. Die Grafik zeigt:

(Abg. Dr. Birk CDU: Schöne schwarze Balken!)

Im Jahr 2005 über 3 Milliarden € Defizit. Im Jahr 2006 sind es 3,2 Milliarden €. 2007 sind es noch einmal 3,2 Milliarden €.

(Abg. Dr. Birk CDU: Schöne schwarze Balken!)

Der schwarze Balken ist die geplante Neuverschuldung. Die sinkt natürlich. Aber in gleichem Maße steigt die Deckungslücke. Da müssen Sie uns schon einmal sagen, wie Sie im Jahr 2008 bei null ankommen wollen. In der mittelfristigen Finanzplanung, meine Damen und Herren, steht keine Strategie. Ich weiß nicht, wie Sie da überhaupt noch ruhig schlafen können.

(Abg. Dr. Birk CDU: Wir hoffen, dass S i e ei- nen guten Schlaf haben!)

Es kann sein, dass ich Sie mit diesen Zahlen langweile, weil ich sie ja immer wieder anbringe. Aber ich werde diese Zahlen so lange wiederholen, bis sie bei Ihnen da oben angekommen sind und sich auch in Ihrer Politik auswirken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, was kann man tun? Ich möchte Ihnen einfach einmal vier Punkte nennen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Jetzt sind wir ge- spannt!)

Der erste Punkt: Es ist nötig, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Wir müssen Verständnis für die Einschnitte wecken. Das kann man nur, wenn man offen mit der Situation umgeht. Das bedeutet in Ihrem Fall, zu sagen: „Finanzpolitisch sind wir nicht Spitze, sondern wir stehen am Rande eines Abgrunds.“ Machen Sie das den Leuten draußen endlich klar!

Zweiter Punkt: Wir brauchen mehr Transparenz, wir brauchen Klarheit und Wahrheit in diesem Haushalt.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ursula Hauß- mann SPD –Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja! So ist es!)

Das bedeutet ein Ende der Schattenhaushalte und ein Ende der Schattenschulden, meine Damen und Herren. Was ist ein klassischer Schattenhaushalt? Die Landesstiftung.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist eine alte Ka- melle!)

Ich erwähne es immer wieder, weil es immer drängender wird, die Landesstiftung aufzulösen und in den Landeshaushalt einzubringen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Dann müssten wir Steu- ern zahlen!)

Das Zweite beim Stichwort Transparenz sind natürlich die Pensionen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! So ist es! Und die Zinsen!)

Kollege Kleinmann, Sie haben es angesprochen. Die Grünen-Fraktion ist bisher die einzige, die den Barwert unserer Pensionsverpflichtungen ausgerechnet hat. Wir kommen auf 70 Milliarden €; das ist das Doppelte unseres aktuellen Schuldenstands, meine Damen und Herren. Was machen Sie von der Regierung? Sie blenden das völlig aus. Es erfolgt keine Ausweisung dieser künftigen Verpflichtungen im Haushalt,

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

es werden kaum Rücklagen gebildet, und es gibt keine Strategie, meine Damen und Herren.

Ganz im Gegenteil: Mit Ihren Kürzungen bei den Beamten, Kollege Scheffold, und der Umlage des Weihnachtsgelds auf eine monatliche Zahlung und der damit einhergehenden Dynamisierung und Ruhegehaltsfähigkeit verschärfen Sie das Problem in Zukunft und belasten kommende Haushalte. Das ist unverantwortlich!

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

Meine Damen und Herren, auch ich habe in diesem Fall keine Patentlösung. Das kann ich hier ja offen sagen. Aber man muss sich endlich einmal diesem Problem stellen und mit Diskussionen beginnen. Andere Bundesländer handhaben das schon entsprechend.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Na, na!)

Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren,

(Abg. Hoffmann CDU: Wie hoch ist dort die Ver- schuldung?)

bildet seit 1996 für jeden neu eingestellten Beamten eine Rückstellung. Im Schnitt sind das 28 % des Bruttogehalts der Staatsdiener. Dieses Geld wird in einen Pensionsfonds eingezahlt. Das ist ein Beispiel für eine nachhaltige Finanzpolitik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hoffmann CDU: Wie hoch ist da die Verschuldung? – Gegenruf des Abg. Dr. Birk CDU: Weiß sie nicht!)

Dritter Punkt: Schwerpunkte in der Politik setzen. Wir haben in diesem Haushalt ganz klar unsere Schwerpunkte formuliert. Ein Schwerpunkt ist, dass wir nicht auf Kosten der Kommunen sparen. Sie versuchen, Ihren Haushalt auf Kosten der Kommunen zu sanieren. Wir machen hier nicht mit; wir wollen keine Kürzungen auf Kosten der Kommunen.

CDU und FDP/DVP reden es ja immer schön – sie haben es auch hier wieder getan – und sagen, die Kürzungen seien einvernehmlich beschlossen worden.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Vereinbarungen mit den Kommunen! Vereinbarungen sind das, Frau Kolle- gin!)

Ich habe den Bericht der Finanzverteilungskommission gelesen. Darin ist viel Kritik enthalten, meine Damen und Herren.

Wie sieht es denn in der Realität aus? Ich will Ihnen einmal etwas aus einer Vorlage vom letzten Dienstag des Gemeinderats von Bietigheim-Bissingen, dem ich angehöre, vorlesen:

(Abg. Dr. Birk CDU: Wahlkampfwerbung!)

Zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht fest,

da geht es um die Musikschule –

dass die Einnahmen des Musikschuletats wegen Kürzungen des Landeszuschusses um weitere 15 000 € geringer ausfallen werden. Dies bedingt eine noch stärkere Anhebung der Gebühren als vorgesehen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Dederer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Rückert?

Gerne.

Bitte schön, Herr Rückert.

Frau Kollegin, wenn Sie Mitglied des Gemeinderats der Stadt Bietigheim-Bissingen sind, dann kennen Sie sich auch mit der Verschuldung dort aus. Sagen Sie einmal, wie die Verschuldung der Stadt Bietigheim-Bissingen im Vergleich zu der des Landes ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Herr Staatssekretär, das ist jetzt ein gutes Stichwort. Vielen Dank! Wir sind Mitte dieses Jahres schuldenfrei; aber wir haben dieses Jahr aus dem Vermögenshaushalt eine Zuführung in den Verwaltungshaushalt in Höhe von 2,5 Millionen €. Wir haben Gott sei Dank diese Rücklagen. Wir müssen dieses schlechte Jahr ausgleichen. Aber wir haben diese Auswirkungen hier bei uns und können sie nicht auffangen. Den meisten Kommunen geht es schlechter als Bietigheim-Bissingen. Das muss Ihnen doch zu denken geben, meine Damen und Herren.

(Abg. Wieser CDU: Euch geht es doch nicht schlecht!)

Wie sieht es denn hier aus? Wir sind gezwungen, die Gebühren für die Musikschulen zu erhöhen. Das wird zu Abmeldungen führen. Das geht alles auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Auf dem Rücken der Kinder wird das ausgetragen.

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP: Oh! – Abg. Wieser CDU: Bei der Musikschule? Jetzt aber holen Sie doch einmal Luft! Um Gottes wil- len! Da könnte ich Ihnen zehn Beispiele aus der Sozialpolitik sagen! Jetzt hört es aber langsam auf!)

Da kann ich nur sagen: Bravo, das ist die familienfreundliche Politik der CDU!