Protokoll der Sitzung vom 10.03.2004

Wir sollten darüber diskutieren, ob es nicht Sinn macht, den öffentlichen und den nichtöffentlichen Datenschutz hier in Baden-Württemberg zusammenzufassen.

(Abg. Blenke CDU: Alle Jahre wieder!)

Die verfassungsrechtlichen Bedenken können wir dort diskutieren, ebenso alle anderen Themenbereiche. Stimmen Sie dem zu! Denn damit begeben Sie sich nun überhaupt keiner wie auch immer gearteten politischen Position.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Oelmayer, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Deswegen glaube ich, dass eine Expertenanhörung zu diesem Themenbereich einfach angesagt wäre.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich verlasse

(Abg. Pauli CDU: Ungern!)

das Rednerpult in der Hoffnung, dass Sie, wie bereits in einer anderen Situation heute in diesem Haus, über Ihren Schatten springen und der beantragten Expertenanhörung zustimmen werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Schäuble.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nicht nur, weil es üblich ist, sondern auch, weil es angemessen ist, möchte ich, Herr Landesbeauftragter für den Datenschutz, mit einem Dank an Sie und an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beginnen. Ich glaube, dieser Dank und diese Anerkennung, aber auch dieser Respekt sind deshalb ganz besonders angemessen, weil wir von einem Datenschutzbericht zum nächsten immer wieder feststellen können und dürfen, wie gut die Arbeit ist, die in Ihrer Behörde geleistet wird. Denn dass die Zahl der Verstöße gegen den Datenschutz im öffentlichen Bereich im Laufe der Jahre kontinuierlich zurückgeht – in diesem Jahr waren es, Herr Kollege Oelmayer, nur noch neun Beanstandungen –, ist sicherlich nicht allein dem gewachsenen Bewusstsein und dem Sach- und Fachverstand in den vielen Landesbehörden zu verdanken, sondern auch der Sensibilisierung bei unseren Landesbediensteten. Dass diese Sensibilisierung stattgefunden hat, ist, glaube ich, vorrangig das Verdienst Ihrer Institution, Herr Datenschutzbeauftragter. Deshalb herzlichen Dank!

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Wir haben gemäß der Ankündigung von Herrn Datenschutzbeauftragten Zimmermann, dessen zweiter Bericht ja jetzt vorliegt, auch feststellen dürfen, dass sich das Beratungsengagement seiner Dienststelle noch verstärkt hat. Diese verstärkte Beratungstätigkeit war auch schon ein Markenzeichen Ihres Vorgängers, Herrn Schneider, ist es aber insbesondere jetzt auch bei Ihnen, Herr Zimmermann, geworden. Das ist auch wichtig. Dieses Angebot führt ja in der Praxis immer wieder zu guten Ergebnissen, zum Beispiel beim Lagebildinformationssystem der Polizei, bei dem schönen Thema NSI, beim Thema E-Bürgerdienste, also beim E-Bürgerdienste-Portal usw. usf.

Die praktizierte Kooperation zwischen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und der Verwaltung fördert eben – und das ist das Entscheidende – die Akzeptanz des Datenschutzes in der Verwaltung. Ich habe bereits darauf hingewiesen: Es geht jetzt immer noch – aber immerhin nur noch – um neun Beanstandungen.

Wenn es so ist – um es präzise zu formulieren –, dass das Problem des Datenschutzes im öffentlichen Bereich nicht unterschätzt, aber auch nicht überschätzt werden darf, dann liegt es nahe, dass wir nun natürlich auch über das Thema Datenschutz im privaten Bereich sprechen. Deshalb führen wir, Herr Kollege Oelmayer, nun nicht erst seit einem Jahr, sondern bei jeder Vorlage eines Datenschutzberichts in den vergangenen Jahren erneut diese Diskussion. Die Argumente dazu sind meines Erachtens inzwischen ausgetauscht.

Ich nehme das, was sich bei der Diskussion im parlamentarischen Raum entwickelt hat, zur Kenntnis, bitte aber um Verständnis dafür, dass wir im Innenministerium bei unserer Auffassung bleiben, keine Zusammenlegung von privatem und öffentlichem Datenschutz vorschlagen zu können. Wir sind nicht aufgrund einer ideologischen Verkrustung dieser Auffassung, sondern deshalb, weil wir die unterschiedlichen Argumente einschließlich der möglichen Effizienzrenditen sorgsam geprüft haben. An dieser Auffassung wird sich auch nichts ändern.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass dieses Thema im Ständigen Ausschuss sehr intensiv diskutiert worden ist. Ich habe ferner den Antrag der Grünen zur Kenntnis genommen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Aber wie im Ständigen Ausschuss auch diskutiert worden ist, ist diese wohl deshalb zumindest in dieser Phase entbehrlich, weil auch in anderen Ländern entsprechende Überlegungen einschließlich Diskussionen und Anhörungen stattgefunden haben. Meine Damen und Herren, wir müssen nicht überall das Rad neu erfinden, sondern können uns auch auf die Erfahrungen und Argumente in anderen Bundesländern stützen. Deshalb bin ich auch dankbar, wenn sich das hohe Haus dazu entschließt, jedenfalls in diesem Stadium auf eine solche Anhörung zu verzichten.

Ich darf noch zwei oder drei Einzelbeispiele aufgreifen, die im Datenschutzbericht, aber vor allem in der jetzt geführten Diskussion einen gewissen Raum eingenommen haben.

Herr Kollege Oelmayer, wie oft haben wir uns schon über Sinn und Unsinn der Rasterfahndung unterhalten! Ich bleibe dabei: Im Ergebnis ist bei dieser groß angelegten Rasterfahndung infolge des 11. September nicht allzu viel herausgekommen. Aber das wenige, das herauskam, war trotzdem wichtig. Vor allem einen Gesichtspunkt möchte ich diesem hohen Hause noch einmal nahe legen: Wir alle in der Bundesrepublik Deutschland, der Bund und die Länder, waren nach dem 11. September nicht in der Lage, dieses neue Dunkelfeld in seinem Ausmaß einigermaßen präzise zu überschauen. Deshalb haben wir in der damaligen schwierigen Situation – man könnte auch sagen: Notsituation – auf das wenige zurückgegriffen, aber auch zurückgreifen müssen, das uns zur Verfügung stand. Dazu gehörte eben auch die Rasterfahndung.

(Beifall des Abg. Blenke CDU)

Ich räume gerne ein, dass wir die Rasterfahndung, wenn wir das Wissen, das wir heute haben, damals hätten zugrunde legen können, anders angelegt hätten. Aber nach dem unmittelbaren Erleben des 11. September hatten wir eigentlich nur die wenigen Kenntnisse aus den Verbrechen von Atta und Konsorten aus Hamburg. Daran hat sich ja die Rasterfahndung auch ausgerichtet. Wir würden sie heute, wenn sie noch einmal durchgeführt würde, auch anhand anderer Kriterien, über die wir inzwischen Kenntnis erlangt haben, ausrichten. Gleichwohl ist das entscheidende Argument: Man musste damals aus der damaligen Sicht heraus auf das wenige zurückgreifen, das uns überhaupt zur Verfügung stand.

Das Zweite ist: Wenn man sich bundesweit unter Einbeziehung der Länder zu einer solchen Maßnahme entschließt, ist es, glaube ich, auch nicht zu verantworten, dass sich einzelne Länder davon wieder ausklammern. Es war im Gegenteil so, dass damals noch rot oder rot-grün regierte Länder erst einmal in ihrem Polizeigesetz die Grundlage geschaffen haben, um eine Rasterfahndung durchführen zu können. Damals wurde im Grunde genommen ein Geleitzug in allen Ländern und auch in Berlin aufgebaut, und diesem Geleitzug konnte man sich, glaube ich, vernünftigerweise auch in Baden-Württemberg nicht entziehen. Das wäre auch falsch gewesen, auch wenn ich im Nachhinein immer wieder eingeräumt habe, dass die Ergebnisse – ich will es so formulieren – einigermaßen überschaubar sind.

(Minister Dr. Schäuble)

Bei der Videoüberwachung sehe ich persönlich die Dinge etwas anders als der verehrte Herr Datenschutzbeauftragte. Wir haben eine klare Rechtsprechung und inzwischen auch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Wir haben auch bei der Gesetzesfassung schon immer auf den Datenschutzbeauftragten – damals noch auf den Vorgänger – gehört, wie dies abzufassen sei, nämlich dass nur bei Kriminalitätsschwerpunkten in einer Stadt eine solche Videoüberwachung stattfinden darf. Aber ich muss einfach sagen: Aus unserer Sicht ist auch bei einer selbstkritischen Bewertung das Beispiel Singen mit diesen strengen Kriterien vereinbar.

Wie dem auch sei: Man sieht ja anhand der Beispiele, die ich gebracht habe, dass es eigentlich nur um Nuancen geht. Deshalb kann ich es am Schluss wie folgt auf den Punkt bringen: Wir sind im Datenschutz im öffentlichen Bereich auch dank des Datenschutzbeauftragten sowie seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weit gekommen. Dafür sind wir dankbar. Dies lohnt auch die Einrichtung des Datenschutzbeauftragten. Wir sind umgekehrt der Auffassung, dass öffentlicher und privater Datenschutz aus den bekannten Gründen – die Argumente wurden schon oft öffentlich ausgetauscht – getrennt bleiben sollen. In diesem Sinne darf ich noch einmal bitten, bei der bisherigen Linie zu bleiben.

Ich möchte zum Schluss noch einmal meinen Dank an Sie, Herr Zimmermann, sowie an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erneuern. Der Datenschutzbeauftragte ist wirklich eine Institution, die sehr gut und hilfreich für uns alle arbeitet. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen deshalb zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/2990, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse nun über die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 13/2957, abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei wenigen Enthaltungen ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen.

Damit ist Punkt 9 der Tagesordnung erledigt.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.

Die nächste Sitzung findet morgen, Donnerstag, 11. März 2004, um 9:30 Uhr statt.

Ich danke Ihnen für die zügige Mitarbeit und schließe die Sitzung.

Schluss: 16:36 Uhr

Vorschlag

der Fraktion der CDU

Umbesetzung im Innenausschuss

Ausschuss Funktion scheidet aus tritt ein

Innenausschuss stellvertretendes Mitglied Dr. Birk Mack

10. 03. 2004

Günther H. Oettinger und Fraktion

Anlage