Meine sehr verehrten Damen und Herren, Politik für ältere Menschen findet besonders in der Pflegeheimförderung ihren Niederschlag. In Baden-Württemberg hat diese Politik zu einer modernen und leistungsfähigen Pflegeinfrastruktur
geführt, die allerdings weitergeführt werden muss. Das Landespflegegesetz hat uns ermöglicht, 275 Förderprojekte mit einem Investitionsvolumen von über 900 Millionen € auf den Weg zu bringen. Mit diesem gut investierten Geld sind bestehende Pflegeeinrichtungen modernisiert und neue Pflegeplätze geschaffen worden. Wir müssen uns aber alle im Klaren sein – das gilt für das ganze Haus –, dass angesichts des demografischen und sozialen Wandels weitere Anstrengungen notwendig sind.
Im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen halte ich auch in den kommenden Jahren eine zielgerichtete Infrastrukturförderung für unverzichtbar. Die wichtigsten Ziele dabei sind der weitere Ausbau wohnortnaher Versorgungsstrukturen, der Ausgleich regionaler Versorgungsdefizite und die Umsetzung demenzspezifischer Versorgungskonzepte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wohnortnahe Verfügbarkeit der Pflegeangebote entspricht den Bedürfnissen und Erwartungen der Bevölkerung. Den pflegebedürftigen Menschen wird damit der Verbleib in ihrem vertrauten Lebensumfeld ermöglicht, soziale Kontakte und Bindungen an die Familie können aufrechterhalten werden. Wohnortnahe Versorgung bedeutet zudem eine bessere Einbindung der Pflegeeinrichtungen in die Gemeinde. Insbesondere die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement – wir werden ohne dieses auf Dauer nicht mehr auskommen – kommt in ortsnahen Pflegeheimen zum Tragen. Wir wollen den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen und die gemeinde- und stadtteilbezogenen Pflegeeinrichtungen weiterhin gezielt fördern. Sie sind zwar kleiner und auch etwas teurer, aber sie sind bürgernäher und patientenfreundlicher.
Neben der Förderung neuer Pflegeeinrichtungen müssen wir auch dafür sorgen, dass die bestehenden Pflegeheime auch künftig eine zeitgemäße und in die Zukunft gerichtete Pflege anbieten können. Nur so kann ihre Leistungsfähigkeit erhalten und die Lebensqualität in den Pflegeeinrichtungen gesichert und verbessert werden.
Gleichzeitig mit der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen müssen wir uns auf eine starke Zunahme demenzieller Erkrankungen einstellen. In Baden-Württemberg liegt die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen derzeit bei etwa 30 000; diese Zahl wird weiter ansteigen. Demenzerkrankungen sind bereits heute der mit Abstand häufigste Grund für den Heimeintritt. Ein wichtiger Förderschwerpunkt bezieht sich daher auf die gezielte Weiterentwicklung demenzspezifischer Bau- und Raumkonzepte. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Schaffung von entsprechenden Wohngruppen für diese Menschen.
Meine Damen und Herren, angesichts des stark steigenden Bedarfs wäre eigentlich eine erhebliche Aufstockung der Fördermittel im Pflegeheimbau notwendig.
Wir konnten den Haushaltsansatz für die Pflegeheimförderung allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz
im Jahr 2002 um rund 37 % und im Jahr 2003 um rund 45 % aufstocken. Sie hatten immer gesagt: „Das schafft der Repnik nie!“
(Abg. Reichardt CDU: Das war mir immer klar, dass er das schafft! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Selbstverständlich schafft er das!)
Eine weitere Mittelaufstockung ist bei der derzeitigen Haushaltssituation nicht erreichbar, weder auf Landesebene noch auf kommunaler Ebene. Auch dabei wird mir wahrscheinlich hier in diesem Haus niemand widersprechen.
Nicht nur ausnahmsweise, Frau Lösch. Wir sind im Sozialbereich so oft einer Meinung, dass Sie nicht „ausnahmsweise“ sagen müssen. Bitte streichen Sie im Protokoll das „ausnahmsweise“ der Frau Lösch; sie hat das nicht so gemeint.
Wenn wir also den bereits bestehenden Förderstau abbauen wollen – wir haben einen Förderstau von ca. zwei bis drei Jahren – und seinem weiteren Anstieg entgegenwirken wollen, bleibt nur eine Alternative: die Änderung der Fördermodalitäten. Mit dem jetzt vorgelegten Gesetz zur Neuordnung der Pflegeheimförderung schaffen wir die rechtlichen Voraussetzungen für solche Änderungen, die wir sehr bald auf den Weg bringen wollen.
Durch die geänderten Förderbestimmungen wird mit den verfügbaren Mitteln eine Ausweitung des förderbaren Investitionsvolumens erreicht. Das Gesamtvolumen von Land, Kommunen und natürlich den Trägern eines Förderprogramms steigt damit um 60 % von heute 150 Millionen € auf künftig 240 Millionen €. Das bedeutet, dass bei der Aufstockung der Förderprogramme eine deutlich höhere Projektzahl berücksichtigt und damit eine raschere Umsetzung der Fördervorhaben erreicht werden kann.
Im Wesentlichen sind folgende Änderungen der Förderbestimmungen des Landespflegegesetzes und der Pflegeheimförderung vorgesehen:
Erstens: Die Förderquote für den Dauerpflegebereich von 60 % wird auf 45 % abgesenkt. Für die Kurzzeit- und Tagespflege bleiben die erhöhten Förderquoten von 80 %
bzw. 90 % unverändert erhalten. Wie schon bisher wird auch weiterhin die Förderung zu zwei Dritteln vom Land, also 30 %, und zu einem Drittel von den Kommunen, also 15 %, getragen. Wir wollen ganz bewusst die Kommunen weiterhin mit im Boot haben, weil es sich hier ja um eine kommunale Daseinsvorsorge handelt.
Zweitens: Weiterhin ist vorgesehen, dass die Fördertatbestände und die Sonderregelungen eingeschränkt werden. So sollen beispielsweise die Inventarkosten künftig nicht mehr gefördert werden. Durch diese Einschränkung wird eine Ausweitung des Förderprogramms und gleichzeitig eine Verfahrensvereinfachung erreicht. Es muss ja auch einmal ein bisschen dereguliert werden. Die Inventarkosten können im Rahmen einer weitgehend pauschalierten Förderung kaum angemessen berücksichtigt werden. Bei Sanierungsvorhaben entfällt die schwierige Abgrenzung zwischen Erstausstattung und Ersatzbeschaffung.
Drittens: Bei Neubauvorhaben soll künftig die förderbare Höchstplatzzahl in der Regel auf 100 Plätze begrenzt werden – Stichwort wohnortnahe und deswegen kleinere Häuser. Dies entspricht dem Ziel, möglichst wohnortnahe Versorgungsstrukturen mit überschaubaren Einrichtungsgrößen zu schaffen. Die Einschränkung gilt nicht für Fördervorhaben, für die bereits eine Förderempfehlung vorliegt. Solche Ausnahmen gibt es auch im Bereich von Großstädten, weil man da und dort wohl andere Möglichkeiten vorfinden wird.
Viertens: Die Förderung setzt künftig voraus, dass der Träger grundsätzlich einen Eigenmittelanteil in Höhe von 10 % einbringt. Dies scheint mir wichtig, damit in diesen Bereich in der Tat nur seriöse Träger hineingehen. Sofern jedoch die förderbaren Kostenobergrenzen unterschritten werden, verringert sich der erforderliche Eigenmittelanteil entsprechend. Damit schaffen wir einen zusätzlichen Anreiz zum kostensparenden Bauen. Ich meine auch, dies wird notwendig sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Ausweitung des Investitionsvolumens der Förderprogramme bei gleich bleibendem Fördervolumen bedingt zwangsläufig eine Einschränkung der Förderleistung bei den einzelnen Förderprojekten. Dies hat Auswirkungen auf die Finanzierung und die Refinanzierung der Pflegeheiminvestitionen. Mit der reduzierten Förderleistung steigt der Fremdkapitalanteil. In der Folge – das muss gesagt werden – ergeben sich höhere Investitionskostenanteile bei den Pflegesätzen. Der Pflegesatz wird damit natürlich auch etwas teurer werden. Aber er ist immer noch günstiger, als wenn alles privat finanziert wird. Ich möchte diese Tatsache keineswegs verhehlen. In der gesamten vorausgegangenen Diskussion um die Neuordnung der Pflegeheimförderung wurde dies auch immer offen thematisiert.
Das Ziel war und ist es, den Abbau des Förder- und Investitionsstaus mit der geringstmöglichen finanziellen Zusatzbelastung der Pflegebedürftigen zu erreichen. Aus diesem Grunde wurde die zeitweilig erwogene Umstellung der Förderung auf Darlehen auch wieder verworfen. Mit der modifizierten Investitionskostenförderung kann trotz Streckung der Fördermittel die finanzielle Entlastungswirkung noch am ehesten erhalten werden.
Im Übrigen stehen den etwas ansteigenden Heimentgelten insbesondere folgende Vorteile gegenüber: Die zusätzlich notwendigen Pflegeheimplätze sind rascher verfügbar. Die Lebensumstände in den älteren, sanierungsbedürftigen Häusern können zeitnah verbessert werden. Der wohnortnahe Ausbau der Pflegeinfrastruktur kann konsequent fortgesetzt werden.
Ohne die jetzt vorgenommene Modifizierung der Pflegeheimförderung müssten wir in Kauf nehmen, dass es bei der Umsetzung dringend notwendiger Investitionsmaßnahmen zu erheblichen Verzögerungen kommt. Angesichts des stark steigenden Bedarfs an stationären Pflegeleistungen ist dies jedoch nicht verantwortbar. Unter den gegebenen Umständen ist die Neuordnung der Pflegeheimförderung ein notwendiger Schritt. Die pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg sollen auch künftig auf eine verlässliche, qualitativ gute, möglichst ortsnahe und bezahlbare Versorgung vertrauen können. Bitte gehen wir gemeinsam diesen Schritt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt, habe ich nicht davon geträumt, dass wir in so kurzer Zeit eine von so großem Konsens getragene Novellierung des Landespflegegesetzes – sprich der Pflegeheimförderung – auf den Tisch legen können. Wir haben sehr intensiv und sehr lange – über mehrere Jahre hinweg, kann man schon sagen – über die Frage „Objektförderung oder Subjektförderung?“ diskutiert. Schon in der Zeit, als Friedhelm Repnik sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion war, haben wir dieses Thema sehr aufwendig bearbeitet. Auch danach hat er als Minister zusammen mit uns im Arbeitskreis diese Frage sehr intensiv beackert.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, bei der Objektförderung zu bleiben. Ich will gleich hinzufügen: Wir müssen auch bei der Objektförderung bleiben. Zwei Bundesländer haben versucht, auf die Subjektförderung umzusteigen, und sind auf die Bundesgesetzgebung, nämlich auf § 9 des Sozialgesetzbuchs XI, hingewiesen worden. Darin steht nämlich, dass neben der Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur auch die Förderung eine Rolle spielen muss.
Insoweit sind wir verpflichtet, eine Objektförderung vorzuhalten. Über die Höhe kann man sich sehr wohl unterhalten.
Sehr interessant ist, dass wir auch mit den Trägern sehr schnell darin einig waren. Die Träger wünschen eine Fortführung der Objektförderung, und zwar fast ausschließlich. Natürlich hätten die privaten Träger gerne völlig auf eine Objektförderung verzichtet.
Nicht nur Private, aber überwiegend waren es die Privaten. – Insoweit war man sich auch in der Diskussion einig, dass es jetzt vorrangig einmal darum geht, die prognostizierten zusätzlich erforderlichen 10 000 Plätze zu schaffen und sich dann erneut über die Frage zu unterhalten: Bleiben wir bei diesem Fördervolumen, oder bleiben wir überhaupt beim Umfang der Objektförderung, oder wird das Bundesgesetz zwischenzeitlich geändert?