Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 67. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Urlaub für heute habe ich erteilt den Herren Abg. Braun und Seimetz sowie für den weiteren Verlauf der Sitzung nach Tagesordnungspunkt 1 den Herren Abg. Drexler und Kretschmann.
Dienstlich verhindert sind heute Herr Ministerpräsident Teufel, Herr Minister Dr. Schäuble, Herr Minister Köberle und – heute Nachmittag – Frau Ministerin Werwigk-Hertneck.
Meine Damen und Herren, mit Schreiben vom 30. März 2004 hat mir die Landeswahlleiterin mitgeteilt, dass das Mandat des verstorbenen Kollegen Max Nagel auf Herrn Roland Weiß aus Mannheim übergegangen ist. Herr Weiß hat die Wahl am 29. März 2004 angenommen und von diesem Tage an die rechtliche Stellung eines Abgeordneten erworben.
Herr Weiß, ich begrüße Sie sehr herzlich an diesem Tag hier bei uns und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Tätigkeit als Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der SPD für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (Anlage). Ich stelle fest, dass Sie diesen Umbesetzungen zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
a) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes – Drucksache 13/2793
b) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes – Drucksache 13/2837
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes durch die Landesregierung haben wir eine sehr intensive Diskussions- und Beratungsphase erlebt. Wir haben fraktionsintern sehr ausführlich beraten. Wir haben intensive Abstimmungsgespräche mit unserem Koalitionspartner, der FDP/DVP, vorgenommen, und insbesondere fand am 12. März eine gemeinsame Anhörung des Schulausschusses und des Ständigen Ausschusses in diesem Hause statt.
Ich möchte als Fazit daraus ziehen, dass im Zuge der Beratungen im Kollegenkreis ein sehr kollegialer und fairer Umgang im Dienste der Sache gepflegt wurde. Ich bedanke mich dafür bei allen Fraktionen. Ich glaube, diese sachliche und faire Beratung hat dem Ansehen dieses Hauses nur gut getan, meine Damen und Herren.
Wir haben bei der Anhörung einen sehr komplexen juristischen Sachverhalt erörtert. Darüber hinaus haben wir uns darauf verständigt, auch andere Sachverständige aus der Praxis zu hören. Eines ist sehr deutlich geworden: Wir werden auch nach noch so langen Diskussionen kaum einen Gesetzentwurf vorlegen können, der nicht nur für die Praxis taugt und unser Problem löst, sondern auch von jedem verfassungsrechtlichen Restrisiko frei ist.
Wir hatten als Gesetzgeber eine höchst schwierige Aufgabe zu lösen. Nicht umsonst hat einer der befragten Verfassungsrechtler festgestellt, es sei ein Novum, dass das Bundesverfassungsgericht einen Landtag beauftrage, ein Bundesgrundrecht auszulegen.
Lassen Sie mich auf einige wesentliche Punkte eingehen, die bei diesen Beratungen eine besondere Rolle gespielt haben.
In Absatz 2 Satz 3 von § 38 des Schulgesetzes nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung wird der Erziehungsauftrag im Sinne der Landesverfassung hervorgehoben. Die befragten Verfassungsrechtler waren zwar unterschiedlicher Meinung, ob dieser Satz im Schulgesetz zwingend notwendig ist. Es wurde uns jedoch bestätigt, dass er jedenfalls verfassungskonform ist oder im Zweifelsfall verfassungskonform ausgelegt werden könne.
Selbst Professor Jestaedt hat in der Anhörung auf Nachfrage festgestellt, dass dieser Satz nach seiner Auffassung zumindest unschädlich sei und als nicht verfassungswidrig
ausgelegt werden könne. Er persönlich hat zwar die Aufnahme dieses Satzes abgelehnt, aber alle Verfassungsrechtler waren sich einig darüber, dass es eine politische Entscheidung ist, ob man diesen Bezug zur Landesverfassung herstellen und in das Schulgesetz aufnehmen will. Damit sind wir als Landesgesetzgeber präzise bei diesem Satz gefordert.
Wir stehen zu dieser Hervorhebung des in unserer Landesverfassung verankerten Erziehungsauftrags, der auch weiterhin die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen an unseren Schulen ermöglicht. Aufgrund der Empfehlungen der Verfassungsrechtler haben wir sprachlich klargestellt, dass uns insbesondere die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags im Sinne der Landesverfassung wichtig ist und nicht jegliche Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen.
Die Modifizierung ist keine wesentliche Änderung, wird jedoch aufgrund ihrer Klarstellungsfunktion von uns begrüßt. Wir hoffen, dass die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs damit noch sicherer ist.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist durchaus kontrovers diskutiert worden, wie man denn mit dem Tragen einer Ordenstracht umgeht, präzise dem Tragen der Ordenstracht einer Nonne in der Schule. Klar muss ich in diesem Zusammenhang sagen, dass sich das Bundesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, zu diesem Thema nicht geäußert hat. Es hat sich zur Frage geäußert, ob das Tragen eines Kopftuchs an unserer Schule zulässig ist, aber nicht zur Frage, ob das Tragen einer Ordenstracht einer Nonne in unserer Schule verboten werden kann. Aus diesem Grund sehen wir keine Veranlassung, einer Nonne, die seit Jahren an einer öffentlichen Schule unterrichtet, das Tragen ihrer Ordenstracht im Unterricht zu verbieten.
Abgesehen davon, dass ich Herrn Professor Kirchhof beipflichte, der ebenfalls das Tragen einer Ordenstracht verfassungsrechtlich für zulässig hält – Herr Kirchhof hat dies am Beispiel des Stadtwappens von München erläutert, das ebenfalls einen Mönch mit Kutte zeigt –, möchte ich mich dagegen wehren, die Ordenstracht einer Nonne mit einem Kopftuch zu vergleichen. Insbesondere der Experte der Kirchen hat uns in der öffentlichen Anhörung dargelegt, dass eine Ordenstracht einen ganz anderen Charakter hat als ein Kopftuch. Die Ordenstracht stellt eine Selbstverpflichtung dar, die eine Ordensfrau durch ihr freiwilliges Gelübde eingeht, und kann daher für andere Frauen und Schülerinnen keinen normativen auffordernden Charakter haben. Damit, meine Damen und Herren, liegt ein qualitativer Unterschied zwischen dem Tragen eines Kopftuchs und dem Tragen einer Ordenstracht vor.
Ich möchte auf einen weiteren Knackpunkt eingehen, der bei den Beratungen eine besondere Rolle gespielt hat, und zwar die Frage, ob wir eine generelle Regelung zum Verbot eines Kopftuchs an unseren Schulen ergreifen oder ob wir dieses, so, wie es der Gesetzentwurf der Grünen ursprüng
lich vorgesehen hat, der Schule bzw. der Schulverwaltung überlassen. Hierzu haben wir natürlich auch Professor Kirchhof befragt, der aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Folgendes präzise zitiert hat:
hat nicht die Exekutive zu entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten Landesgesetzgeber.
... verfügt nur der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können.
Dieses ist deutlich, meine Damen und Herren, und wir nehmen diese Herausforderung an. Aus diesem Grund unterstützen auch wir den Gesetzentwurf der Landesregierung.
Die Aussage des Vertreters der Schulleiterinnen und Schulleiter bei der öffentlichen Anhörung war ebenfalls sehr eindeutig. Es war der Ruf nach klaren Rahmenvorgaben und der Wunsch, Grundsatzdiskussionen nicht der Schule zu überlassen. Die Erwartungen der Schulleiterinnen und Schulleiter hat ihr Sprecher in der Anhörung wie folgt zusammengefasst:
Wir erwarten, dass der Staat sich zu verbindlichen Werten bekennt und auch bereit ist, sie durchzusetzen.... Wir erwarten auch, dass wir deutlich Grenzen setzen, wo durch falsche Botschaften unsere Werteordnung untergraben wird.... Wir müssen bereit sein, der Schule wieder das Gefühl zu geben, dass... eine klare Werteorientierung unsere Erziehungsaufgaben bestimmt.
Wir erwarten von der Politik und damit auch vom Gesetzgeber klare Entscheidungen, die sich nicht an der möglichen Reaktion einzelner Gruppen... ausrichten.
Diese klare Entscheidung möchten wir mit den Sätzen 1 und 2 des § 38 Abs. 2 treffen. Wir möchten den Schulen und der Schulverwaltung eine eindeutige Vorgabe machen und keine Grundsatzdiskussion in die Schule verlagern.
Meine Damen und Herren, ich darf Bezug nehmen auf die Berichterstattung in der Presse über einen Vorgang an einer Urbacher Schule. Dort hat, wie wir wissen, eine kopftuchtragende Lehrerin die Einstellung in den Schuldienst beantragt und hat das Tragen der Kopfbekleidung mit religiösen Argumenten begründet. Daraufhin gab es massive Proteste von Lehrern und Eltern. Das Kultusministerium wurde um Schlichtung gebeten; die Schlichtungsversuche blieben aber leider ohne Erfolg – und dies, obwohl die Lehrerin ihr Kopftuch gar nicht einmal in typisch streng islamischer Weise trug und obwohl sie vorab versichert hatte, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und dass sie ihr
Kopftuch aus rein religiösen Gründen trage und keinesfalls Schüler missionieren wolle. Dennoch ist bei Eltern und Lehrern der Eindruck entstanden, dass die Lehrerin nicht die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern wahrt, dass sie den politischen, weltanschaulichen und religiösen Schulfrieden gefährdet und dass sie nicht für die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt.
Interessant dabei ist, dass die gegenteiligen Beteuerungen der Lehrerin auf die Eltern anscheinend nicht glaubwürdig wirkten, sondern wie gezielt gelernte und eingeübte Argumente. Im Übrigen glaube ich, dass dadurch nicht nur der Schulfrieden gestört wurde, sondern dass die betreffende Lehrerin dadurch auch in ihrem persönlichen Ansehen beschädigt wurde.
Meine Damen und Herren, solche Situationen darf es in Baden-Württemberg in Zukunft nicht mehr geben.
Aus diesem Grund halten wir die Sätze 1 und 2 mit ihrer klaren Aussage, die auch schon auf äußere Bekundungen abstellt, für absolut notwendig.
Die Reaktionen der Eltern und des Kollegiums in Urbach werden verständlich, wenn man noch einmal auf die Aussagen des Experten bei der öffentlichen Anhörung des Schulausschusses und des Ständigen Ausschusses zurückgreift. Herr Mack von der Vereinigung von Schulleiterinnen und Schulleitern erklärte uns:
Die Botschaft einer Lehrerin mit Kopftuch signalisiert... auch... für die Erziehungsberechtigten zunächst einmal, dass auch Grundwerte des islamischen Gedankenguts in der Schule offiziell vermittelt werden könnten, in welcher Ausprägung auch immer. Durch das Kopftuch entsteht zwangsläufig bei Eltern und Schülerinnen und Schülern eine Polarisierung in der Akzeptanz der Lehrkraft.