Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Die Botschaft einer Lehrerin mit Kopftuch signalisiert... auch... für die Erziehungsberechtigten zunächst einmal, dass auch Grundwerte des islamischen Gedankenguts in der Schule offiziell vermittelt werden könnten, in welcher Ausprägung auch immer. Durch das Kopftuch entsteht zwangsläufig bei Eltern und Schülerinnen und Schülern eine Polarisierung in der Akzeptanz der Lehrkraft.

Dabei war für mich die Aussage von Herrn Mack besonders aufschlussreich, auch bei selbst kopftuchtragenden muslimischen Schülerinnen werde eine Lehrerin mit Kopftuch sehr kritisch eingeschätzt.

Ich darf als weitere Expertin Frau Ates aus Berlin zitieren, die selbst bekennende Muslimin ist. Sie hat uns deutlich gemacht, dass auch unter Muslimen das Kopftuch nicht einfach ein Stück Stoff ist, das man aus persönlichen und religiösen Gründen trägt, sondern dass das Kopftuch für eine große Zahl der Muslime für die Ungleichbehandlung von Mann und Frau steht. Sie hat uns glaubhaft darlegen können, dass auch jüngere Kinder dies in ihren Familien mitbekommen und dass ein solcher Eindruck durch die Schule verstärkt werden könnte.

Wir sind mit Frau Ates der Meinung, dass die Kinder diesen Hintergrund mit einer kopftuchtragenden Lehrerin verbinden, unabhängig davon, was sich im Kopf der Lehrerin abspielt. Allein die Tatsache, dass sie mit dem Kopftuch vor den Kindern steht, hat Einfluss. Ich denke, wir sollten die Warnung ernst nehmen, dass durch die Zulassung einer

Lehrerin mit Kopftuch fundamentalistische Strömungen hoffähig gemacht werden können.

Folgende Beispiele hat Frau Ates aufgeführt, die meines Erachtens sehr beeindruckend sind: Viele muslimische Frauen und Mädchen tragen auch dort ein Kopftuch, wo es der Islam explizit nicht vorschreibt, nämlich in Fraueneinrichtungen, wo Männer gar keinen Zutritt haben. In Berlin sind mittlerweile auch sechs-, sieben- oder achtjährige Mädchen mit Kopftuch zu sehen, obwohl sie es aufgrund ihres jugendlichen Alters laut Koran gar nicht tragen müssten.

Daraus ergibt sich meines Erachtens eindeutig, dass das Kopftuch als politisches Symbol verwendet wird und für Werte steht, die wir nicht teilen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Ates hat es wörtlich so ausgedrückt:

Das Kopftuch dient der Unterordnung der Frau unter die Männer und nicht als Unterordnung unter Gott.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir möchten verhindern, dass muslimische Mädchen von ihren männlichen Altersgenossen als „unrein“ abgestempelt werden und dass dies durch eine kopftuchtragende Lehrerin unterstützt wird, selbst wenn diese Lehrerin persönlich keinen Missionierungszweck verfolgt, so, wie dies beispielsweise die Lehrerin in Urbach, wo vor Ort Probleme entstanden sind, durchaus glaubhaft versichern konnte.

Deshalb wird die CDU-Landtagsfraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen.

Wie in den letzten Tagen mehrfach erwähnt, ist man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand. Bei dieser Änderung des Schulgesetzes passt dieser Vergleich natürlich besonders. Wir haben die Bedenken und die Anregungen der Juristen sehr intensiv geprüft. Wir haben aber von Anfang an auch Wert darauf gelegt, dieses Gesetz nicht nur vor dem fachjuristischen Hintergrund zu prüfen; dies ist vor dem Hintergrund, dass das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben muss, natürlich außerordentlich wichtig. Vielmehr war für uns auch wichtig, von Anfang an auch die Problemlage einzubeziehen, die im Fall einer Einzelfallregelung für die einzelne Schule vor Ort entstehen könnte.

Wir tragen den Änderungsvorschlag bezüglich der Neuformulierung von § 38 Abs. 2 Satz 3 des Schulgesetzes mit, den sowohl der Ständige Ausschuss als auch der Schulausschuss gemacht haben. Wir sind zuversichtlich, meine Damen und Herren – zumal ja auch andere Bundesländer in Deutschland einen ähnlichen Weg wie Baden-Württemberg gehen –, dass dieses Gesetz in der nun vorliegenden Fassung eine große Chance hat, vor dem Bundesverfassungsgericht zu bestehen.

In diesem Sinne signalisieren wir Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wintruff.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Ersten Beratung der beiden Gesetzentwürfe zur Änderung des Schulgesetzes in der Plenarsitzung am 4. Februar 2004 und der Überweisung dieser Initiativen zur federführenden Beratung an den Schulausschuss sowie zur Mitberatung an den Ständigen Ausschuss fand am 12. März 2004 eine gemeinsame öffentliche Anhörung beider Ausschüsse statt.

Mit der Anhörung von vier Verfassungsrechtlern, einer Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin muslimischen Glaubens, einem Vertreter aus der Lehrerschaft und einem Vertreter der Kirchen hatten die Abgeordneten eine gute Gelegenheit, sich in der hochkomplexen Materie weiter sachkundig zu machen und sich eine Meinung zu bilden.

Dabei dürfte für alle eines ziemlich klar geworden sein: Den Streit um die Bewertung des Kopftuchs einer muslimischen Lehrerin im öffentlichen Schuldienst wird es in unserer Gesellschaft weiterhin geben. Diese gesellschaftspolitische Auseinandersetzung gab es auch unter den bei der Anhörung anwesenden sechs Juristen; sie war nicht auflösbar. Deshalb ist zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Entscheidung so oder so noch einmal überprüfen wird.

In dem Abwägungsprozess zwischen der staatlichen Neutralitätspflicht von Lehrerinnen und Lehrern und ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit blieb es auch bei den Verfassungsjuristen bei unterschiedlichen Bewertungen der Gesetzentwürfe. Auch eine eigene Formulierung eines Gesetzestextes mit der Gewähr einer Verfassungsfestigkeit bei einer zu erwartenden Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht konnte letztlich keiner der Verfassungsexperten abgeben.

Dennoch spielte die Formulierung von § 38 Abs. 2 Satz 3 im Regierungsentwurf immer wieder eine hervorgehobene Rolle, weil der entsprechenden Aussage von Kritikern eine nicht erlaubte Privilegierung des Christentums unterstellt wurde. Obwohl von zwei Verfassungsexperten die Verfassungswidrigkeit von Satz 3 verneint wurde, hielt man eine Präzisierung und Neuformulierung dieses Satzes für angebracht und hilfreich.

Dem Formulierungsvorschlag des Landtagsvizepräsidenten Frieder Birzele in der Anhörung mit einem eindeutigeren Bezug des Erziehungsauftrags auf die Landesverfassung folgten beide Landtagsausschüsse mehrheitlich durch Zustimmung zu einem gemeinsamen Änderungsantrag von CDU, FDP/DVP und SPD sowie dem nun vorliegenden angepassten Gesetzentwurf der Landesregierung.

Eindringlich wurde den Abgeordneten nochmals die Ausgangslage erläutert, nach der das Land nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts frei entscheiden kann, ob es überhaupt ein Kopftuchverbot will oder nicht.

Wenn man sich, wie hier im vorliegenden Fall des Landes Baden-Württemberg, entscheidet, das Problem zu regeln, dann verlangt das Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesregelung des Parlaments. An dessen Stelle können weder

die Exekutive noch Gremien wie beispielsweise eine Schulkonferenz treten. Dem Parlament eines jeden Landes wird abverlangt, die inhaltlichen Fragen zu entscheiden und klare Werteentscheidungen zu treffen. Diese inhaltlich wertenden Entscheidungen erfordern von jedem Parlamentarier ein eindeutiges Bekenntnis zu dem Ergebnis, zu dem er selbst im Abwägungsprozess gekommen ist. Wir glauben, dass diese geforderte eindeutige Willensbekundung am besten im vorliegenden Regierungsentwurf zum Ausdruck kommt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Abg. Wacker CDU: Sehr gut!)

Deshalb halten wir auch die von Professor Jestaedt angedachte Einzelfallentscheidung mit einer Ausnahmeregelung, also ein grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, weder für praktikabel noch für gerechter in seiner Auswirkung. Dies käme in vielen Fällen trotz Verbots einer Zulassung durch die Hintertür gleich.

(Abg. Behringer CDU: Richtig!)

Das ist auch der Grund, weshalb wir die von den Grünen angedachte Verständigung auf einen gemeinsamen Gesetesvorschlag für einen Scheinkompromiss halten und ihm nicht zustimmen.

Wenn im Falle des Erlaubnisvorbehalts eine Behörde über die Ausnahmeregelung zu einer Zulassung kommen würde, wäre der wesentliche Inhalt des Gesetzestexts einer gewissen Beliebigkeit unterworfen, und die mit Sicherheit sich anschließenden Probleme wären auch nicht gelöst. Mit welchen Vorgaben sollte etwa der Beweis der Störung des Schulfriedens geführt werden? Welche Gleichbehandlung wäre noch gegeben, wenn es in verschiedenen Schulen zu völlig unterschiedlichen Polarisierungen käme und es dadurch möglich würde, dass dieselbe Lehrerin in der einen Schule mit Kopftuch unterrichten darf und in der anderen nicht?

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Probleme und Unsicherheiten – und selbst Professor Jestaedt hat diese Unsicherheiten ausdrücklich eingeräumt – können so unseres Erachtens nicht vernünftig und gerecht gelöst werden. Konflikte würden den Schulfrieden auf Dauer stören und gefährden.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie Abgeord- neten der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: So ist es! – Abg. Behringer CDU: Genau so ist es!)

Deshalb soll es dabei bleiben: In einer demokratischen Schule muss durch eine Amtswalterin die Neutralitätspflicht zweifelsfrei gewahrt bleiben,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Mack CDU: So ist es!)

eine mögliche pädagogische Beeinflussung muss ausgeschlossen bleiben, und die gesellschaftliche und die soziale Integration der Kinder müssen Vorrang behalten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Frau Rechtsanwältin Ates hat in der Anhörung noch einmal eindringlich auf die gespaltene Symbolik des Tragens eines Kopftuchs hingewiesen. Auch nach ihrer Meinung kann nicht objektiv herausgefunden werden, ob die Trägerin nur ihre religiöse Überzeugung praktiziert oder ob sie sich dem Druck islamistischer Gruppen und dem von ihnen propagierten menschenverachtenden Frauenbild unterwirft. Wir teilen ihre Meinung, dass eine jahrzehntelange falsche Integrationspolitik in Deutschland zu einer Parallelgesellschaft geführt hat, die anstelle von Integration den Rückzug aus der Gesellschaft und eine stärker werdende Abgrenzung Realität hat werden lassen.

(Beifall bei der SPD)

Immer mehr kopftuchtragende Mädchen und Frauen in Schulen und in der Öffentlichkeit sind ein Zeichen dafür, dass das Kopftuch in den letzten Jahren weitaus mehr als politisches Symbol eingesetzt wird, weniger als religiöses Symbol. So Frau Ates sinngemäß in der Anhörung.

Ich glaube, dass die Frauenrechtlerin Ates aufgrund ihrer jahrzehntelangen eigenen Erfahrungen weiß, wovon sie spricht, wenn sie das Kopftuch als viel mehr als nur als ein Stück Stoff bezeichnet. Im Islam gibt es keine Religionsfreiheit. Das Kopftuch stehe für die Geschlechtertrennung, es diene der Unterordnung der Frau unter die Männer und stehe für die Ungleichbehandlung von Mann und Frau.

Bis heute unterliegen Kinder noch immer einer wachsenden Beeinflussung und Indoktrination, die in Koranschulen, Privatschulen und Moscheen an sie weitergegeben wird. Noch gibt es eine überwiegende Zahl von muslimischen Eltern, die das Kopftuch ablehnen. Wenn aber in der Schule eine Lehrerin mit Kopftuch vor ihnen steht, dann werden sie eine Verbindung zwischen dem Kopftuch und dieser Frau herstellen und ihren Einfluss verspüren. Lehrerinnen haben eine Vorbildfunktion, die selbst von betroffenen Eltern nicht kontrolliert und überwacht werden kann, wie es eine Abgeordnete und junge Mutter während der Anhörung sinngemäß ausdrückte.

Wir haben uns in den Schulen in den letzten Jahren leider blind verhalten und nichts dagegen unternommen, wenn muslimische Kinder von Klassenfahrten, dem Sport- und Schwimmunterricht oder Klassenpartys ferngehalten wurden. Doch nun würde sich diese Frage erst recht stellen, da wir nicht wissen, wie eine Lehrerin mit Kopftuch darüber denkt und welchen Einfluss sie zusätzlich auf die Kinder und Eltern ausübt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)

Der pädagogische Erziehungsauftrag und das Neutralitätsgebot, der Gleichheitsgrundsatz unseres Grundgesetzes und die allgemeinen Menschenrechte fordern von uns, alles aus unseren Schulen herauszuhalten, was als Ausdruck von Intoleranz und Frauenfeindlichkeit gewertet werden muss. Das Kopftuch der Frauen steht im Islam als Symbol einer religiösen Haltung mit politischer Intention.

(Zuruf von der CDU: So ist es! – Abg. Kretsch- mann GRÜNE: „Den Islam“ gibt es so wenig wie „das Christentum“!)

Demgegenüber Toleranz zu zeigen hieße, Intoleranz zu fördern. Nach unserer Landesverfassung haben wir die Verpflichtung, in unseren Schulen unsere Jugend zur Friedensliebe, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit sowie zu freiheitlich-demokratischer Gesinnung zu erziehen. Meine Damen und Herren, deshalb halten wir im Sinne des Gesetzentwurfs der Landesregierung das Tragen eines Kopftuchs mit der Ausübung des Lehrerberufs an öffentlichen Schulen für unvereinbar.

Ich danke Ihnen.