Protokoll der Sitzung vom 18.07.2001

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Nachtrag 2001 gilt, wenn er im September beschlossen wird, ein gutes Vierteljahr. Das heißt, die Auseinandersetzung, die wir heute führen, ist vor allem ein Vorspiel auf die Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren, die gekennzeichnet sein werden einerseits von dem zarten Versuch des Finanzministers, den Sparkurs schon jetzt einzuschlagen und Kurs auf die Nullverschuldung zu nehmen, und andererseits der großen Versuchung der Landesregierung, politische Gefälligkeiten durch den neuen Dukatenesel Landesstiftung im Land zu verteilen.

Sie kommen auch in diesem Jahr 2001 finanzpolitisch nur deshalb über die Runden, weil Sie Haushaltsüberschüsse

aus den Vorjahren angesammelt haben. Im Jahr 1999 war das vor allem der günstigen Steuerentwicklung zu verdanken, im Jahr 2000 vor allem den niedrigen Kapitalmarktzinsen und den Einsparungen im Personalhaushalt, die die Bundesregierung gegen Ihren Willen durchgesetzt hat; Stichwort: verzögerte Besoldungsanpassung. Diese beiden Faktoren aus dem Jahr 2000 wirken im Jahr 2001 nach, sodass auch in diesem laufenden Haushaltsjahr wieder mit Haushaltsüberschüssen zu rechnen ist.

Auf der anderen Seite – da war der Ausflug des Finanzministers in die Bundespolitik durchaus kennzeichnend – fordern Sie, weitere Risikomaßnahmen in den Bundeshaushalt einzustellen. Wenn man zusammenzählt, was Ihr Regierungschef – und Sie haben es unwidersprochen stehen lassen – alles an vorgezogenen Steuerreformschritten sowie der Abschaffung der Ökosteuer, Einführung des Familiengeldes in den nächsten Jahren durchführen will, kommen wir zu einem Steuerausfall von 130 Milliarden DM, die, auf das Land heruntergebrochen, etwa 3 Milliarden DM bis 3,5 Milliarden DM Mindereinnahmen bedeuteten. Dann zu sagen, Sie hielten Kurs auf Konsolidierung, halte ich für eine sehr schwache Argumentation. Ich wundere mich auch, dass Sie kein Wort über die bundespolitischen Vorstellungen Ihrer eigenen Partei verloren haben, Herr Finanzminister.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wahrscheinlich sind Sie klammheimlich froh, dass es nie so kommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Man mag von einer Konjunkturdelle reden, Tatsache ist aber auch, dass sich Deutschland in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion durch den Stabilitätspakt gebunden hat, damals von der alten Bundesregierung beschlossen, und zwar mit der Verpflichtung, das Finanzierungsdefizit bis zum Jahr 2003 auf maximal 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen. Wenn Sie wollen, dass wir im Geleitzug der Budgetdisziplin in Europa hinten mit Portugal und Italien zusammenkommen, können Sie das machen; wir stehen dafür, dass Konsolidierung eine langfristige, nachhaltige Aufgabe ist, die nicht kurzatmiges, hektisches Handeln, weder auf Landesebene noch auf Bundesebene, verträgt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Die Bundesregierung hat die Konsolidierungspolitik bisher erfolgreich durchgehalten. Sie hat im Bundeshaushalt strukturell 30 Milliarden DM eingespart, was die Voraussetzung dafür war, dass man die Steuerreform in den drei Schritten bis 2005 mit einer Gesamtentlastung von am Ende 60 Milliarden DM durchsetzen kann.

Ich wundere mich auch, dass Sie wieder versuchen, diesen großen Erfolg, der es erlaubt hat, den Reformstau in Deutschland aufzulösen, der keineswegs einen neuen Reformstau eingeleitet hat, klein zu reden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Reichardt CDU: Blo- ckade! Alles vergessen! Lafontaine vergessen!)

Ihre ganzen Forderungen – Scheinselbstständigkeit, 630DM-Gesetz – hören wir immer wieder. Ich sage Ihnen aber eines wegen der beschränkten Redezeit ganz einfach: Quark wird breit getreten auch nicht stark.

(Beifall bei der SPD)

Am Beispiel der Steuerreform will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Mär von der geringen Entlastung des Mittelstands einfach nicht stimmt. Wir haben verschiedentlich darauf hingewiesen, dass aufgrund der strukturellen Unterschiede im Steuertarif zwischen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer mittelständische Unternehmen zu über 95 % entlastet werden. Nur die Personengesellschaften, die sehr hohe Jahresgewinne haben, werden, wenn sie weit über 200 000 DM Jahresgewinn haben, etwas mehr belastet. Der entscheidende Punkt ist aber doch der, dass wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die im Normalfall deutlich geringere Jahresgewinne erzielen, genauso massiv entlasten wie natürlich die Großkonzerne, weil die Wirtschaft beides braucht.

(Beifall bei der SPD)

Ein letztes Detail will ich Ihnen auch nicht durchgehen lassen, nämlich den Verweis auf den Unternehmerlohn. Der Unternehmerlohn ist sowohl beim Einzelunternehmer wie bei den dem Körperschaftsteuerrecht unterliegenden Gesellschaften auf der Kostenseite gleichmäßig zu veranschlagen. Das heißt, steuerlich macht es keinen Unterschied, ob man beim Einzelunternehmer den Unternehmerlohn abziehen muss oder beispielsweise bei einer GmbH das Geschäftsführergehalt.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Steuerliche Behandlung! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Ruhe! Hör doch zu!)

Diese strukturellen Unterschiede können Sie nicht als Argument verwenden, um eine unterschiedliche Belastung von Mittelstand und Großunternehmen nachzuweisen.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist: Das Wirtschaftswachstum wird selbst nach den reduzierten Prognosen voraussichtlich immer noch dem Durchschnitt der Neunzigerjahre entsprechen. Das heißt, wir haben zwar kein herausragendes, aber ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Für hektische Maßnahmen auf Bundes- oder Landesebene besteht kein Anlass. Wir wollen die Konsolidierungsdämme, die wir in Europa errichtet haben, nicht leichtfertig wieder einreißen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Zum Landeshaushalt: Sie veranschlagen die erste Tranche Ihres Zukunftsprogramms, die eine Ausschüttung aus der Landesstiftung darstellt. Damit geben Sie Vermögen des Landes weg. Eine nachhaltige und seriöse Haushaltspolitik des Landes sollte Erlöse aus Landesvermögen wieder in Landesvermögen anlegen, indem zum Beispiel negatives Landesvermögen, nämlich Schulden, getilgt wird.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Zwei Jahre her! – Ge- genruf des Abg. Drexler SPD: Trotzdem ein Feh- ler! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Sie hätten die Chance gehabt, durch Abwarten der Eichel’schen Steuerreform die Erlöse weitgehend steuerfrei erhalten und in den Schuldenabbau stecken zu können. Sie haben das aus Wahlkampfinteresse und um einen Dukatenesel zu schaffen leichtfertig nicht getan

(Abg. Drexler SPD: Sehr gut!)

und dazu noch die Anteile an der BW-Bank und an der GVS ebenfalls in die Landesstiftung gesteckt. Damit haben Sie sich gemeinnützigkeitsrechtlich endgültig verstrickt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, das ist fahrlässige Politik. Sie hätten die Chance gehabt, mit der Schuldentilgung Jahr für Jahr Schuldzinsen einzusparen und damit haushaltspolitische Spielräume zu gewinnen, um vordringliche landespolitische Pflichtaufgaben – wohlgemerkt: Pflichtaufgaben, nicht Küraufgaben – zu tätigen, zum Beispiel im Bereich der Unterrichtsversorgung und im Schulbereich.

(Beifall bei der SPD – Abg. Zeller SPD: Sehr rich- tig! Sehr gut!)

Nun ist die Landesstiftung da. Wir werden eingehend prüfen, inwiefern die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen, die für sich sicherlich sinnvoll und politisch vertretbar sind, dem strengen Maßstab der Gemeinnützigkeit genügen. Insbesondere für die Förderung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die eigentlich eine originäre Landesaufgabe ist,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: So ist es!)

habe ich Zweifel, ob die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht gefährdet ist. Das würde natürlich das ganze Konstrukt zum Wanken bringen. Passen Sie also mit Ihrem neuen Dukatenesel auf, Herr Finanzminister!

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Ja, ja! Da lacht er nur! Das ist wie in der Schwetzinger Sparkasse!)

Ein weiteres wichtiges Element dieses Nachtragshaushalts ist die stille Einlage bei der Landesbank. Zwei Anmerkungen dazu: Erstens machen wir die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Schulden nicht mit. Schulden sind Schulden, egal, wofür das Geld ausgegeben wird.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das sagen Sie ein- mal einem Unternehmer!)

Wenn das Land Straßen oder Brücken baut, dann sagen Sie auch nicht, das seien gute oder schlechte Schulden, obwohl das auch Zukunftsinvestitionen sind.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Sind wir jetzt eigentlich in der Schule?)

Zu Recht macht auch der Rechnungshof diese irreführende Unterscheidung nicht mit.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Etwas anderes ist, dass wir sagen: Wirtschaftspolitisch macht diese Einlage Sinn, weil wir als Fraktion der SPD natürlich auch ein Interesse haben, unsere Landesbank im Wettbewerb zu stärken.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja was jetzt? – Gegen- ruf des Abg. Drexler SPD: Sie haben nicht zuge- hört! Das ist wie bei Zahnärzten immer! Da hören Sie nicht zu!)

Allerdings fordern wir von der Landesregierung ein, ein bankenpolitisches Konzept vorzulegen. Denn eines kann ja auch nicht sein: dass man die Landesbank finanziell aufrüstet, damit sie weiterhin irgendwelche privatwirtschaftlichen Bankinstitute im Land aufkaufen kann, und dann die Konkurrenz bei der Kreditvergabe und damit auch einen wichtigen Faktor für den Mittelstand in unserem Lande weiterhin beschränkt. Dies wäre ein schlechtes Signal. Deshalb muss die stille Einlage mit einem bankenpolitischen Konzept verbunden werden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Wir befürchten Schlimmes; denn schon bei der Fusion zur Landesbank haben Sie das privatwirtschaftliche Bankenlager in Baden-Württemberg geschwächt. Wir fordern Sie nachdrücklich auf, der Kritik, die auch aus der Wirtschaft kommt – zum Beispiel von der IHK Region Stuttgart –, Rechnung zu tragen und ein bankenpolitisches Konzept vorzulegen, das das privatwirtschaftliche Bankenlager in Baden-Württemberg stärkt. Ansonsten habe ich den Verdacht, dass der Stamokap-Flügel von links nach rechts hinüber gewandert ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen – Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Wir als Fraktion der SPD werden für den Nachtragshaushalt zwei notwendige Akzente setzen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass wir jetzt, zu diesem Zeitpunkt, Weichenstellungen vornehmen wollen, die nicht erst im Doppelhaushalt erfolgen können.

Zum einen betrifft das den Bereich Schule. Sie alle wissen, das Schuljahr beginnt im laufenden Jahr und nicht zum Ende des Jahres. Deshalb wollen wir wegen der äußerst schwierigen Unterrichtssituation schon jetzt 1 100 zusätzliche Lehrerstellen schaffen und Ihnen damit auf die Sprünge helfen, damit Sie Ihr Wahlversprechen einlösen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden weiterhin entsprechend dem Vorschlag der kommunalen Landesverbände auch mehr Mittel für die Schülerbeförderung einstellen, und zwar zu Beginn des neuen Schuljahrs. Schüler und Eltern brauchen Verbesserungen schon zum neuen Schuljahr; sie wollen nicht auf das nächste Jahr warten.

(Beifall bei der SPD)