Protokoll der Sitzung vom 09.06.2004

Sie wissen, dass der Innenausschuss zum Schluss der Ausschussberatungen noch einmal tagen muss. Da werden noch nicht einmal die Protokolle der Sitzungen der vorberatenden Ausschüsse – die Sitzungen finden zum Teil sogar am gleichen Tag statt – vorliegen. Da von einem geordneten Verfahren zu reden, halte ich für sehr problematisch.

Wir hätten uns auch vorgestellt, dass Sie solche Anhörungen auch in anderen Bereichen machen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie offen herangegangen wären, wäre das eine oder andere verändert worden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Übliches Zerreden!)

Was hätte das dieser Verwaltungsreform denn ausgemacht?

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie wäre zerredet wor- den! – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Einfach ignorieren! – Un- ruhe)

Herr Haas, seien Sie doch einfach ruhig. Wenn Sie einmal aus dem Landtag ausscheiden, werden Sie eine Lücke hinterlassen, die Sie vollständig ersetzen wird.

(Unruhe bei der CDU)

Das ist so. Lassen Sie es bleiben!

(Abg. Alfred Haas CDU: Mit Beleidigungen sind Sie immer schnell zur Hand!)

Es geht darum: Warum ist es in diesem Landtag nicht möglich, solche Fachleute einzuladen? Warum ist es in diesem Landtag nicht möglich, zum Beispiel über Versorgungsämter und über die Auswirkungen der Reform auf die beschäftigten Frauen zu sprechen? Warum ist es nicht möglich, im Schulausschuss darüber zu diskutieren, dass es einen höchst intelligenten Vorschlag gibt? Jetzt lobe ich einmal Frau Schavan.

(Abg. Wintruff SPD: Natürlich!)

Sie hat gesagt: Lasst uns die Zahl der Schulämter reduzieren, die Verwaltung auf die Oberschulämter übertragen und pädagogische Zentren zur Förderung einer zunehmenden Freiheit der Schulen schaffen. Warum können wir hier im Landtag darüber nicht diskutieren?

(Beifall bei der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Ge- nau so steht es im Gesetzentwurf drin!)

Warum ist es nicht möglich gewesen, so vorzugehen? Dann hätten wir sagen können: Wir akzeptieren die Gesamthülle, obwohl wir dagegen sind, aber es war möglich, mit der Opposition, die als Erste die Idee einer Verwaltungsreform eingebracht hat,

(Abg. Drautz FDP/DVP: Stimmt doch überhaupt nicht!)

noch Veränderungen im Detail vorzunehmen, Herr Kollege. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Dass dies nicht möglich ist, nehmen wir Ihnen übel.

Ich glaube nicht, dass Sie selbst davon überzeugt sind. Ich kann bloß sagen, was uns der Beamtenbund erzählt hat: Bei den Diskussionen habe eine ganze Reihe von CDU-Abgeordneten dabeigesessen, die Bedenken gehabt und gesagt hätten, darüber müsse man noch einmal reden und so sei das nicht gemeint.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Im Wahlkreis!)

Kaum sind Sie aus Ihrem Wahlkreis wieder zurück in Stuttgart, haben Sie nach der langen Reise vergessen, was Sie auf dem Podium des Beamtenbundes versprochen und diskutiert haben.

(Zuruf von der CDU: Was denn? – Abg. Alfred Haas CDU: Nennen Sie mal ein Beispiel!)

Sie machen ja nicht einmal eine geheime Abstimmung. Stimmen Sie doch einmal geheim über die Verwaltungsreform ab! Bei einer geheimen Abstimmung hätten Sie nicht die Mehrheit, wenn es um den Forst und andere Dinge geht.

Deswegen sagen wir: Wir sind ausgeschlossen worden. Wir können hier zwar Reden halten, können in den Ausschüssen aber keine neuen Aspekte mehr einbringen. Wir können keine Sachverständigen anhören. Wenn wir das getan hätten, hätte der eine oder andere von Ihnen sicherlich gesagt: „Im Ergebnis ist das falsch; wir wollen das anders machen.“

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Nach meiner Meinung wäre es eine Sternstunde des Parlaments gewesen, wenn wir so vorgegangen wären.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehört aber eine Bereitschaft, wie sie der Minister heute deutlich gemacht hat. Es gibt zwar einen Unterschied zwischen einem zweistufigen und Ihrem Aufbau – den akzeptieren wir –, aber es muss doch innerhalb dieser Modelle möglich sein, Verbesserungen im laufenden Verfahren durchzusetzen. Diese Offenheit haben Sie, Herr Minister, gezeigt; eine solche Offenheit bringt die CDU-Fraktion uns bei der Mitarbeit jedoch nicht entgegen. Insofern können wir natürlich nur wieder Reden halten. In den Ausschüssen wird es jedoch nur noch einen Abklatsch geben, und die Verwaltungsreform wird fast genau so durchgeführt werden, wie sie Ende März vom Herrn Ministerpräsidenten hier verkündet worden ist.

Das Eigenartige an Ihrem Demokratieverständnis ist, dass die große Regierungspartei nicht ein selbstständiges Profil im Hinblick darauf entwickelt, was sie in diesem Land verändern will und was nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber das ist Ihr Problem; das müssen Sie in der

Diskussion über die Nachfolge von Herrn Teufel behandeln.

(Zuruf des Abg. Pauli CDU)

Das ist nicht unser Problem, sondern Ihr Problem.

Jetzt kommen wir doch einmal zu der Frage: Was passiert eigentlich? Sie lassen alles gleich. Sie lassen den gesamten Aufbau gleich, Herr Minister, und verschieben staatliche Sonderbehörden. Etwas anderes machen Sie nicht. Aber was ist denn das für eine Reform, wenn 18 Straßenbauämter in 44 Einheiten aufgeteilt werden? Ist es eine Reform, wenn 9 Gewerbeaufsichtsämter auf 44 Einheiten aufgeteilt werden?

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wo bleibt denn die Effizienzrendite, wenn 8 Versorgungsämter in 44 Einheiten aufgeteilt werden, wenn 19 Flurneuordnungsämter in 44 Einheiten aufgeteilt werden und wenn 30 Schulämter auf 35 Einheiten verteilt werden, weil sie nicht von den Stadtkreisen übernommen werden? Das ist Ihr Reformansatz!

(Abg. Alfred Haas CDU: Packungsbeilage lesen!)

Im Grunde genommen war Ihr Reformansatz ausschließlich die Effizienzrendite. Es ging am Anfang nur ums Geld. Lesen Sie einmal die Vorlage: Effizienzrendite von 20 %.

(Beifall bei der SPD)

Da ist nicht von Bürgernähe die Rede und auch nicht davon, einmal darüber nachzudenken, was „zukunftsorientiert“ heißt. Findet denn in der Zwischenzeit der Wettbewerb in den Regionen statt, oder findet er nur noch zwischen Städten und Kreisen statt? Ich habe nicht das Gefühl, dass die Menschen ein „Kreisgefühl“ hätten. Ich habe das Gefühl, dass sie gegenüber ihrer Stadt und möglicherweise auch gegenüber der Region ein Heimatgefühl haben. Aber zwischendrin gibt es nichts mehr.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Ach was, es gibt vielleicht gerade noch im Landkreis Biberach ein Kreisbewusstsein, weil dieser Landkreis eine Hymne hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Aber niemand sagt doch: „Ich bin ein Kreis Esslinger, und das ist ein Kreis Tübinger oder ein Kreis Kirchheimer.“

(Zurufe der Abg. Alfred Haas und Hillebrand CDU)

Ich glaube nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, dem Kreis Esslingen anzugehören. Aber darüber kann man ja reden.

Sie sagen, die regionalen Bezüge würden gestärkt. Sie werden sehen, genau das werden Sie eines Tages machen müssen. Leider haben Sie es jetzt nicht gemacht. Jetzt hätten wir diese Debatte darüber führen müssen, dass im europäischen Wettbewerb Regionen die eigentliche Größe sind und nicht die Landkreise. Deswegen erzählt uns ja der Herr Minister heute – wir werden das nachher sicherlich hören –, Kooperationen seien möglich. Ich war gestern in Karlsruhe,

und da sagte mir die dortige Gemeinderatsfraktion, der Landrat mache keine Kooperation zwischen KarlsruheStadt und Karlsruhe-Land. Er braucht sie ja auch nicht zu machen. Aber warum schreibt man denn nicht Verpflichtungen hierfür hinein, die notwendig wären? Sie wollen das nicht, weil Sie damit zugeben würden, dass die Einheiten falsch gewählt sind. Die Kreise sind nicht mehr die richtigen Einheiten für die Aufgaben, die Sie ihnen geben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Zum Thema „Beteiligung der Beschäftigten“: Die Beschäftigten sind überhaupt nicht beteiligt worden. Sie sind überhaupt nicht einbezogen worden. Der gesamte Sachverstand der Ministerien ist doch bei dem Entwurf der Verwaltungsreform nicht genutzt worden. Auch die Minister sind doch gar nicht gefragt worden. Sonst hätte es doch gar nicht sein können, dass Herr Verkehrsminister Müller 14 Tage – –