Protokoll der Sitzung vom 09.06.2004

Zum Thema „Beteiligung der Beschäftigten“: Die Beschäftigten sind überhaupt nicht beteiligt worden. Sie sind überhaupt nicht einbezogen worden. Der gesamte Sachverstand der Ministerien ist doch bei dem Entwurf der Verwaltungsreform nicht genutzt worden. Auch die Minister sind doch gar nicht gefragt worden. Sonst hätte es doch gar nicht sein können, dass Herr Verkehrsminister Müller 14 Tage – –

(Zuruf von der SPD: Da rechts sitzt er!)

Wo? Ach, er sitzt hier als Abgeordneter. Er hat sein Amt offenbar schon aufgegeben. Gut.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Minister Müller hat 14 Tage vor Einbringung der Verwaltungsreform durch den Ministerpräsidenten auf eine Anfrage von uns erklärt, es sei ein völliger Unsinn, die Straßenbauverwaltungen in die Landkreise einzugliedern.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

14 Tage später ist das Ihr Reformmodell.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Die Beschäftigten sind alle nicht beteiligt worden und die Minister im Übrigen auch nicht.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Frau Schavan ist auch schon gegangen!)

Deshalb frage ich mich, warum wir denn so hoch qualifizierte und hoch bezahlte Spezialisten haben, wenn man sie nicht einbezieht. Herr Minister, ich habe Ihrer Rede entnommen, die Beschäftigten seien beteiligt worden. Dies wird nun im Grunde genommen von allen bestritten. Im Übrigen ist das ein großes Manko. Aus der Erfahrung in Industriebetrieben wissen Sie ja, dass es ganz wichtig ist, die Beschäftigten auf diesem Weg mitzunehmen und sie nicht vor den Kopf zu stoßen.

Kommen wir einmal zur Frage des Landesgleichberechtigungsgesetzes. Ich nehme hier nur einige Dinge vorweg, weil Herr Stickelberger nachher dazu noch etwas sagen wird. Die Frauen sind die großen Verlierer dieser Reform,

(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Abg. Hil- lebrand CDU)

und zwar deswegen, weil – darüber kann man streiten, wie man will – etwa 100 Frauenbeauftragte nach der Verwaltungsreform nicht mehr weiterarbeiten können, weil ihre Stellen abgeschafft werden, da die Landkreise diese Stellen

nicht haben und im Wesentlichen auch gar nicht haben wollen. Nun hat man ein Gesetz eingeführt, wonach das ja irgendjemand richtig stellen muss. Es ist aber nicht genau geordnet. Es ist tatsächlich so, dass die Frauenbeauftragten nicht übernommen werden.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein!)

Es ist so; Sie brauchen nicht „Nein“ zu sagen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das steht doch deutlich drin!)

Nein, es steht eben nicht deutlich drin. Es steht nicht deutlich drin, dass die Landkreise Frauenbeauftragte beschäftigen müssen. Im Übrigen berufe ich mich da auf zwei CDUKolleginnen. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Inge Gräßle hat genau den Umstand, dass der Ersatz für die Frauenvertretungen des LGBG in dieser Vorschrift nicht enthalten ist, wie folgt gerügt: Sie hat das öffentlich als den größten Rückbau in Sachen Frauenförderung bezeichnet, den es in der Bundesrepublik Deutschland je gegeben habe.

(Oh-Rufe von der SPD – Beifall bei der SPD – Zu- ruf des Abg. Capezzuto SPD)

Ich sage es noch einmal: Sie nannte es den größten Rückbau in Sachen Frauenförderung. Das stand im „Südkurier“ vom 8. Dezember des vergangenen Jahres.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Wir hätten zum Beispiel Frau Dr. Gräßle dann auch als Sachverständige im zuständigen Ausschuss gehört. Wir sind ja gar nicht so. Aber das alles gestatten Sie uns ja nicht.

(Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Die Vorsitzende der Frauenunion – ich habe gehört, das sei die aufsteigende Politikerin der CDU –, Annette WidmannMauz,

(Abg. Capezzuto SPD: Hoi!)

hat die Forderung aufgestellt, dass das Landesgleichberechtigungsgesetz auf den kommunalen Bereich ausgeweitet werden müsse

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl!)

und gleichermaßen für alle Bediensteten gelten müsse, sowohl für diejenigen, die vor der Reform im Landesdienst gestanden hätten, als auch für jene, die schon in den Kommunen tätig seien.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gute Frau! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich sage das nur, damit Sie einmal aus Ihren eigenen Reihen hören, wie diese Politikerinnen das gesehen haben. Auch darüber werden wir diskutieren. Wir werden natürlich auch Anträge dazu stellen, denn wir sind ja der Meinung, dass solche engagierten Frauen auch im Landtag ihr Recht bekommen müssen, wenn sie solche Forderungen aufstellen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das ist sicher nicht das wichtigste Reformthema! – Zuruf des Abg. Hille- brand CDU)

Nein, nein. Ich bin schon bei dem Reformgesetz. Ich sage nur, dass man über all das hätte reden und diskutieren können. Über all das können wir mit Ihnen nicht diskutieren, weil wir diejenigen Leute, die Sachverstand und sehr viel Ahnung von diesen Dingen haben, nicht in den Ausschüssen anhören können. Da muss ich Ihnen schon sagen, Herr Scheuermann: Das betrifft uns schon, weil man es in einem Parlament üblicherweise einer Opposition zugesteht, bei einem solchen Reformwerk, das Sie offensichtlich als das größte Reformwerk aller Zeiten betrachten, Sachverständige anhören zu können. Wir sind schon der Meinung, dass man dazu auch Sachverständige anhören können muss.

(Abg. Heinz CDU: Das haben Sie doch gemacht! Jede Menge! Also komm!)

Ja, Entschuldigung! Wir haben das gemacht. Aber da waren Sie nicht dabei. Deswegen reden Sie so über diese Reform, weil Sie die Sachverständigen nicht angehört haben, Herr Kollege. Das ist das Problem.

(Abg. Heinz CDU: Dann sagen Sie doch im Aus- schuss, was die Ihnen gesagt haben! Wo ist da das Problem? – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Kommen wir doch jetzt einmal auf die Frage nach den Kosten. Wir haben dazu eine Anfrage gestellt. Das war auch eine ganz tolle Sache. Wir stellen Anfragen an die Landesregierung und wollen wissen, was die Einführung der Verwaltungsreform kostet. Eigentlich müsste man das ja wissen. Eigentlich muss man doch, wenn man eine Reform macht, wissen, was die Reform kostet, Herr Ministerpräsident. Die Antwort war, zurzeit seien es 44 Millionen €. Alle anderen Fragen, die wir gestellt haben, konnten nicht beantwortet werden.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Nehmen wir jetzt einmal diese 44 Millionen €. Sie werden Ihre Einsparpotenziale bis zum Jahr 2010 nehmen müssen, bis Sie diese 44 Millionen € hereingeholt haben. Vorher wird überhaupt nichts eingespart, weil diese Reform jetzt diesen Betrag kostet.

(Abg. Alfred Haas CDU: Herr Schäuble hat etwas anderes gesagt!)

Es gibt realistische Schätzungen dazu, nach denen man sagen muss, dass diese Reform, wenn man alles zusammenrechnet, über 100 Millionen € kosten wird. Da können Sie lange warten, bis Sie hier etwas einspielen, wenn Sie die Reform dann so gemacht haben, wie Sie sie jetzt machen wollen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Zweitens: NSI. Dazu will ich sagen: Es ist für uns nach wie vor unvorstellbar, was Sie hier mit NSI angestellt haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Milliardengrab!)

Jetzt sagt Herr Oettinger in allen Pressemitteilungen, bei NSI könne man einsparen. Wir haben im letzten Jahr einen Antrag hierzu gestellt. Den haben Sie abgelehnt. Im Frühjahr haben wir erneut einen Antrag hierzu gestellt. Den haben Sie auch abgelehnt. Jetzt kommen Sie selbst damit an, weil Sie sehen, dass da Hunderte von Millionen Euro hinausgeschmissen worden sind. Sie haben hier den größten Murks dieses Landes Baden-Württemberg beschlossen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Zuschüsse an Bahnhofsmissionen streichen Sie, aber Hunderte von Millionen schmeißen Sie für NSI hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition. Und obwohl wir Anträge dazu stellten und sagten: „Stoppt dieses Projekt! Denkt einmal darüber nach, ob das vernünftig ist“, wurde das Projekt in purer Treue beschlossen, und jetzt kommt der Fraktionsvorsitzende der CDU und sagt, man müsse darüber nachdenken, bei NSI könne man Geld einsparen. Jetzt ist das Geld draußen. Es ist draußen!

(Abg. Capezzuto SPD: Weg! Ausgegeben! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Sie haben Tausende von Beamten auf NSI geschult, die ihr Wissen in den Landratsämtern überhaupt nicht anwenden können, weil die Landratsämter diese NSI nicht übernehmen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Gehen Sie einmal in die Behörden! Da stehen vollständig verpackte Computer herum mit all den Dingen, die nicht benützt werden können. Gehen Sie doch einmal hinein in die Landesverwaltung, und sehen Sie sich an, was hier hinausgeschmissen wird, während wir uns dauernd über Sparpakete unterhalten müssen!