Protokoll der Sitzung vom 14.07.2004

Daher müssen wir uns auch vor niemandem verstecken. Wir haben die Förderung der Forschungsentwicklung in der Vergangenheit jährlich um eine Million aufgestockt. Selbstverständlich wollen wir auch in künftigen Haushalten dabei einen Schwerpunkt setzen.

Das nächste Thema: Privatisierung. Das schließt genau an das andere an. Herr Ministerpräsident, wir haben, glaube ich, gemeinsam nach Verabschiedung der Verwaltungsreform ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass wir nicht am Ende einer Entwicklung stehen, sondern dass wir mit dieser Verwaltungsreform trotz aller Schwierigkeiten, die bei der Durchsetzung zweifellos vorhanden waren, erst einmal die Grundlage für eine Aufgabenkritik geschaffen haben. Bei dieser Aufgabenkritik können wir uns als Land natürlich nicht aus der Verantwortung stehlen, aber sie muss subsidiär erfolgen, dezentral auf der Ebene, wo die Leute am besten wissen, wie man Aufgaben der Daseinsvorsorge in die privatwirtschaftliche Erledigung geben kann. Dass wir uns darüber unterhalten, lohnt sich.

Ich möchte anknüpfen an das vom Kollegen Oettinger genannte Beispiel Gesundheitswesen. Das Wirtschaftsministerium hat – dafür bin ich Walter Döring sehr dankbar – das Thema Gesundheitswesen als die Megabranche der Zukunft auch für Baden-Württemberg mit Berufspotenzial, mit Arbeitsplatzpotenzial aufgegriffen,

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

übrigens auch für Umsteiger. Es muss nicht jeder, der irgendwann einmal im produzierenden Gewerbe war, bis zum Ende seines Lebens in diesem bleiben. Warum soll Weiterqualifizierung immer nur mit dem fünften oder sechsten Computerkurs möglich sein? Man kann durchaus auch einmal darüber nachdenken, ob man neben dem angesprochenen ehrenamtlichen Engagement stärker bereit ist, vorhandene Chancen zu nutzen. Allerdings müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.

(Abg. Fischer SPD: Herr Noll, das hört sich wun- derbar an! Aber wissen Sie, wie das in der Praxis aussieht?)

Das hört sich wunderbar an. Wir werden es konkret machen bei dem angesprochenen Thema „Universitätsklinika, Krankenhauswesen“. Wir sind uns völlig einig, dass eine ideologische Debatte, die da lautet „Privatisierung ja oder nein“, wie sie jahrelang hier geführt worden ist, vielleicht

mit ein Grund ist, Herr Kollege Oettinger, warum bei diesen Fragen teilweise ein Bogen um Baden-Württemberg gemacht wird.

(Abg. Zeller SPD: Was wollen Sie machen? Sagen Sie es doch!)

Wir sollten völlig unideologisch dafür sorgen, dass wir erkennbar nicht mehr passende Strukturen ändern. Beispiel: Universitätsklinika, egal in welcher Trägerschaft. Darüber muss man sich unterhalten. Die Tatsache, dass manche erfolgreicher sind, hängt nicht damit zusammen, dass der Träger privat ist, sondern dass er eben mehr Flexibilität hat. Da müssen wir schauen, ob wir das hinbekommen. In einem zweiten Schritt kommt dann die Frage: Was muss noch staatlich sein, was kann künftig privat erledigt werden?

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Er sagt immer bloß „müsste“, „könnte“! – Abg. Drex- ler SPD: Werden Sie doch mal konkret! Was wol- len Sie denn machen bei den Universitätskliniken? – Abg. Zeller SPD: Alles Floskeln!)

Ich denke, ich bin konkreter, als es jeder von Ihnen war.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Wir haben die Arbeitsfelder ganz klar umschrieben.

Nächstes Thema: Subventionsabbau. Noch einmal: Haushaltskonsolidierung heißt kritisch an alles herangehen, was Subvention ist.

(Abg. Zeller SPD: Also jetzt konkret! – Abg. Drex- ler SPD: Auf geht’s! – Zurufe von der SPD und den Grünen: Messe!)

Gut, dass Sie mich an die Messe erinnern. Ich hätte es fast vergessen: Zur Wirtschaftspolitik gehört natürlich auch eine Infrastrukturpolitik. Im Gegensatz zu Ihnen stehen wir zu „Stuttgart 21“, weil Verkehr ein zentrales Infrastrukturthema sein wird, das natürlich auch den Wirtschaftsminister nicht ruhen lassen kann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen)

Bei den Grünen respektiere ich, dass sie auf allen Ebenen weder „Stuttgart 21“ noch die Messe wollen. Das ist wenigstens ehrlich.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist blödes Geschwätz!)

Aber bei den anderen Damen und Herren, bei Ihnen, Herr Schmiedel, akzeptiere ich nicht, dass Sie mit gespaltener Zunge reden.

(Abg. Schmiedel SPD: So ein Quatsch!)

Das Thema Verkehrsinfrastruktur wird uns also auch beschäftigen.

Jetzt möchte ich mich dem Thema Subventionen zuwenden, und zwar Subventionen im weitesten Sinne. Subventionen kann man ja sehr eng als direkte Zahlungen definieren, aber man kann sie auch sehr weit fassen. Wir wollen uns jetzt nicht mit Definitionen herumschlagen. Ich sage einmal als

Vorspann: Eine Vorgabe, dass die Subventionen insgesamt jährlich um – ich sage jetzt einmal eine Zahl – 20 % zurückgefahren werden müssen, ist ein ehrgeiziges Ziel. Aber es ist ein Ziel, das zu erreichen ist, weil jede Subvention aus liberaler Sicht begrenzt und degressiv gestaltet sein muss.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Warum? Die Subvention bestraft den, der sie nicht bekommt – das sind meistens mehr als die, die sie bekommen –, doppelt: Er bezahlt die Subvention mit, und sein Wettbewerber wird durch die Subvention gestärkt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abg. Dr. Noll.

Danke, Frau Präsidentin.

Jetzt sind wir bei einem weit gefassten Subventionsbegriff.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Welche wollen Sie streichen?)

Ich komme schon noch dazu. – Wenn wir jetzt Prioritäten setzen müssen – –

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Nein, ich möchte diesen Gedanken ausführen. Wahrscheinlich beantworte ich die Frage damit.

Ich möchte jetzt genau dieses Reizwort „Lernmittelfreiheit“ nehmen. Ich sehe dies unter dem Begriff Subvention. Das ist keine klassische Subvention, sondern das ist eine Form der Unterstützung.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist ein Verfas- sungsgrundsatz!)

Ja, das ist ein Verfassungsgrundsatz. Aber Subventionen sind auch dann Subventionen, wenn sie gesetzlich legitimiert sind. Dann muss man eben Gesetze oder Verfassungen ändern.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das ist doch ein Auftrag und keine Subvention! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE – Gegenruf der Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP)

Hören Sie doch bitte erst einmal zu! Sind wir uns einig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dann, wenn die Mittel knapp werden – in der Sozialpolitik, in der Bildungspolitik, in der Wirtschaftspolitik –, das Gießkannenprinzip out sein muss?

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Das Gießkannenprinzip muss out sein. Wir müssen dann konzentriert dort fördern, wo es zielführend, wo es erfolgreich ist, und fragen:

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wo gibt es Mitnahmeeffekte?

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Da bin ich bereit, an vielen Stellen mit den Kollegen in der Koalition, aber auch mit Ihnen offen darüber zu diskutieren. Ich führe es am Beispiel Lernmittelfreiheit noch konkreter aus: Natürlich müssen wir, wie bei Studiengebühren, darauf achten, dass keine soziale Benachteiligung entsteht.

Nun kann man, wie Sie alle wissen, so etwas regeln.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Bürokratisch! – Zu- rufe der Abg. Brigitte Lösch und Boris Palmer GRÜNE)

Danke für das Stichwort. Dennoch muss ich im Hinterkopf haben: Wenn die Regelung allzu bürokratisch wird, macht dies den anderen Effekt möglicherweise zunichte. Aber Sie dürfen doch nicht von vornherein schon wieder Gräben aufmachen und sagen: „Um Gottes willen, die wollen Bildung nach dem Geldbeutel machen.“ Nein, das wollen wir eben nicht,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Doch, das wollt ihr! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

sondern wir wollen gezielt fördern und dort, wo es Mitnahmeeffekte gibt, versuchen umzuschichten.