Protokoll der Sitzung vom 28.07.2004

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 74. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Kübler und Schuhmacher erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Dr. Repnik.

Dienstlich verhindert sind Herr Minister Mappus und – heute Vormittag – Herr Minister Professor Dr. Frankenberg.

Meine Damen und Herren, die Frau Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 23. Juli 2004 mitgeteilt, dass das Mandat der ausgeschiedenen Kollegin Dr. Gräßle auf Herrn Bernd Hitzler übergegangen ist. Herr Hitzler hat die Wahl am 23. Juli 2004 angenommen und daher mit Wirkung von diesem Tag an die rechtliche Stellung eines Abgeordneten des 13. Landtags von Baden-Württemberg erworben.

Herr Kollege Hitzler, ich darf Sie sehr herzlich in diesem Hause willkommen heißen und Ihnen für Ihre Tätigkeit als Abgeordneter viel Erfolg wünschen.

(Beifall im ganzen Haus – Abg. Hitzler CDU: Dan- ke!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wolfgang Staiger hat heute Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall im ganzen Haus)

Auf Ihren Tischen finden Sie Vorschläge der Fraktion der CDU für Umbesetzungen im Präsidium und im Ausschuss nach Artikel 62 der Verfassung (Anlage). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Antrag der Landesregierung vom 20. Juli 2004 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 13/3401

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung der Landesregierung vom 27. Juli 2004 – Bericht über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 2003/2004 – Drucksache 13/3430

Überweisung an den Ständigen Ausschuss mit der Ermächtigung, hierzu bei Bedarf Stellungnahmen anderer Fachausschüsse einzuholen

Weiter möchte ich bekannt geben, dass Anträge zur Geschäftsordnung vorliegen.

Zunächst teilt die SPD-Fraktion mit, dass der unter Punkt 3 aufgenommene

Dringliche Antrag der Fraktion der SPD – Entlassung von Frau Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck – Drucksache 13/3407

zurückgezogen wird, sodass dieser Punkt der Tagesordnung entfällt.

Auf Wunsch des Ministerpräsidenten und im Einvernehmen mit den Fraktionen wird als neuer Punkt 1 der Tagesordnung aufgenommen:

a) Zustimmung des Landtags zur Berufung von Herrn Professor Dr. Ulrich Goll zum Justizminister

b) Vereidigung des Justizministers

Die SPD-Fraktion hat beantragt, hierzu eine Aussprache durchzuführen.

Außerdem haben wir über einen Antrag der Fraktion GRÜNE zu entscheiden. Anstelle der unter Punkt 2 vorgesehenen Großen Anfrage soll auf Antrag der Fraktion GRÜNE eine Aktuelle Debatte zum Thema „Forderungen nach Neuwahlen in Baden-Württemberg“ durchgeführt werden. Wir müssen hierüber entscheiden.

Im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte erteile ich Herrn Abg. Drexler das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen den Antrag, dass das Parlament vor Ernennung des neuen Justizministers über die künftige Regierung debattieren darf. Wir bitten den Landtag, uns für diese Aussprache eine Redezeit zu genehmigen. Wir sind der Auffassung, dass eine Redezeit von zehn Minuten, gestaffelt, notwendig wäre.

Wir haben jetzt gehört, dass sowohl FDP/DVP als auch CDU dieses Recht bestreiten und uns kein Rederecht ein

räumen wollen. Wir halten das für einen einmaligen Vorgang, weil bisher im Parlament von Baden-Württemberg vor der Vereidigung eines neuen Ministers immer eine Aussprache erfolgt ist – nach der Geschäftsordnung besteht darauf ein Recht –, wenn die Opposition es gewünscht hat. So war es 1983 bei der Bestellung des Justizministers Dr. Eyrich zum Innenminister, und so war es am 11. November 1998, als Teile der Regierung neu bestellt wurden. Dieses Recht war immer unbestritten. Deswegen beantragen wir auch eine Redezeit und nicht das Recht, denn das Recht ist eigentlich unbestritten.

Wir wissen auch gar nicht, was Sie eigentlich verhindern wollen. Es muss doch klar sein, dass das Parlament darüber befindet. Vor 14 Tagen war das Parlament mit Ihrer Mehrheit der Auffassung, dass die Frau Justizministerin weiterhin im Amt bleiben kann. Vor 14 Tagen war klar, dass die Frau Justizministerin nach Ihrer Meinung nichts Unrechtes getan hatte. Die FDP/DVP ist heute noch dieser Meinung, dass die Frau Justizministerin nichts Unrechtes getan hätte. Da muss man doch im Parlament darüber diskutieren, warum sie eigentlich zurückgetreten ist.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Parlament ist der Ort, zu fragen, warum der Ministerpräsident erklärt hat, er wisse eigentlich überhaupt nichts; er lese nur Zeitungen. Wenn er baden-württembergische Zeitungen gelesen hätte, wäre ihm klar gewesen, was die Frau Justizministerin gemacht hat. Offensichtlich liest er nur norddeutsche Zeitungen.

(Abg. Capezzuto SPD: Bayerische!)

Zum Schluss hat er im Prinzip noch gesagt, er stelle überhaupt kein Fehlverhalten fest, und das noch am 21. Juli. Warum hat er dann die Frau Justizministerin entlassen? Das muss doch im Parlament diskutiert werden.

Wir wollen darüber diskutieren, warum innerhalb von fünf Wochen zwei Minister zurückgetreten sind. Dafür ist doch das Parlament der richtige Ort. Wir wollen darüber reden, warum die FDP/DVP jetzt einen Politrentner wieder als Justizminister bringt.

(Oh-Rufe von der CDU – Widerspruch und Lachen bei der FDP/DVP)

Natürlich, darüber wollen wir reden.

Wir wollen darüber reden, warum der Ministerpräsident eine unselige Debatte über Neuwahlen losgetreten hat, die er drei Tage später wieder eingesammelt hat. Das muss doch im Parlament debattiert werden, bevor ein neuer Minister ernannt wird.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir wollen im Übrigen auch darüber diskutieren, warum der Ministerpräsident an seinen Ministern festhält, bis es nicht mehr geht, ohne, obwohl er Ministerpräsident ist, einmal einzugreifen und zu sagen: „So geht es nicht.“

Über all dies muss im Grunde genommen diskutiert werden. Wir wollen auch darüber diskutieren – ich schaue dabei die FDP/DVP an; Herr Theurer ist nicht da –, dass Sie bei dem,

was wir Herrn Döring am 30. Juni vorgeworfen haben, nämlich er leiste mangelnde Aufklärungsarbeit, alle der Meinung waren, es sei nicht so, und dass jetzt plötzlich Herr Theurer dies Herrn Döring vorwirft. Als wir Herrn Döring früher vorgeworfen haben, er sage in diesem Parlament nicht die ganze Wahrheit, hat die FDP/DVP behauptet, er sage die Wahrheit. Wenn er heute die Wahrheit sagt, wollen Sie ihn aus der Fraktion hinausschmeißen. Ich verstehe überhaupt nicht, was die FDP/DVP hier macht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir wollen darüber reden, dass der Ministerpräsident aus purem Eigennutz mit dem Instrument der Neuwahlen spielt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wer?)

Der Ministerpräsident.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ach so! Ich dachte, Sie!)

Er spielt aus purem Eigennutz mit dem Instrument der Neuwahlen und schiebt nachher den schwarzen Peter allein seinem ungeliebten Kronprinzen zu. Darüber muss im Parlament diskutiert werden. Wenn tagelang außerhalb des Parlaments über Neuwahlen diskutiert wird, muss klargestellt werden, dass eigentlich das Parlament der Ort dafür ist.

Jetzt ist die Frage: Warum wollen Sie darüber nicht debattieren lassen?

(Zuruf von der CDU)

Nein, wir machen hier eine Geschäftsordnungsdebatte, Herr Kollege,