damit wir über entsprechende Bundesratsinitiativen in diese Richtung gehen können und das Gerichtsvollzieherwesen privatisieren können, um es effizienter und effektiver zu gestalten, wie es viele andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bereits erfolgreich praktizieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei solchen Debatten, die Anträge zum Gegenstand haben, die über ein Jahr alt sind, ist es immer ganz sinnvoll, sich auch mit der Historie zu befassen. Die Historie in diesem Landtag ist relativ rasch zu beschreiben, insbesondere was den Justizbereich und dessen Spitze anbelangt, nämlich den Minister bzw. die Ministerin. Damit will ich kurz beginnen.
Am 26. November des vergangenen Jahres – also vor noch nicht einmal einem Jahr – hat sich die Koalition aus CDU und FDP/DVP auf eine umfassende Justizreform geeinigt. Ich betone ausdrücklich: „umfassende“. Das besagt ein Protokoll bzw. eine Pressemitteilung der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, wenn man nun den Maßstab „umfassend“ an das anlegt – ich fange jetzt einmal hinten an –, was bisher herausgekommen ist, dann muss man sagen: Das ist nicht einmal, wie es damals auch in der Presse bezeichnet wurde, eine „Bonsai-Reform“, sondern es ist, wie ich es schon damals genannt habe, eine „Nichtreform“. Es hat sich nämlich überhaupt nichts getan. Sie haben weder in den Kernbereichen der Justiz Dinge angedacht, was Standorte, was Strukturen betrifft, noch haben Sie in den Privatisierungsbereichen – mit Ausnahme der Bewährungshilfe – Privatisierungsvorhaben durchsetzen können.
Meine Damen und Herren von den die Regierung tragenden Fraktionen, es war damals schon absehbar, dass Sie für all diese Privatisierungsmaßnahmen, auch für die beiden, die heute hier zur Debatte stehen, nämlich das Notariatswesen und das Gerichtsvollzieherwesen, auch bundesgesetzliche Regelungen brauchen. Was man nun der Landesregierung, denke ich, und auch dem Ministerium vorwerfen kann und muss, insbesondere als jemand, der aus täglicher Praxis weiß, was das für die Betroffenen, über die da immer diskutiert wird, nämlich über die Notare, auch über die Amtsnotare und die Gerichtsvollzieher, bedeutet, ist, dass hier über Privatisierung diskutiert wird, obwohl formal im Moment gar keine Privatisierungsmöglichkeit besteht. Das schafft Unsicherheit bei den Betroffenen, bei den Beschäftigten. Das demotiviert, weil einfach nicht zu erkennen ist, wohin der Zug gehen soll. Das ist ein ganz konkreter und, ich denke, auch stichhaltiger Vorwurf, den man dieser Landesregierung und insbesondere auch der früheren Justizministerin machen muss, weil natürlich die Aufgabe des Ministeriums in diesem Bereich auch darin besteht – Kollege Stickelberger hat es ja angedeutet –, aufzuzeigen, wohin denn die Reformen gehen sollen.
Insofern – an dieser Stelle sei mir der kurze Rückblick gestattet – sind davon nur die Bewährungshilfe übrig geblieben und die jetzt angedachten Projekte, bei denen man auf Österreich zurückgreifen muss mit der Begründung, dass es den bisherigen Trägern der Bewährungshilfe in BadenWürttemberg nicht in dem erforderlichen Umfang gelungen sei, ehrenamtliche Kräfte zu organisieren. Das ist ja ein lächerliches Argument. Wie soll es Auswärtigen besser gelingen, wie soll es Österreichern besser gelingen als Menschen, die hier seit vielen Jahren in der Bewährungshilfe tätig sind? Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Das wird
meines Erachtens auch dadurch belegt, dass Sie sehen werden, wenn das Projekt läuft, dass Sie nicht in größerem Umfang im ehrenamtlichen Bereich organisieren und motivieren können, als das bei den bisherigen Trägern der Fall ist. Das, was Sie getan haben und was Sie jetzt nach Ihrer eigenen Vorgabe hätten tun können, haben Sie mangelhaft gemacht. Insofern muss man sagen: Die Justizreform ist nicht nur nicht umfassend durchgeführt worden, sondern sie ist zum heutigen Zeitpunkt am Punkt null angekommen.
Zum Notariatswesen: Seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten diskutieren wir dieses Thema im Landtag. Es wäre doch sinnvoll, dass eine, wo auch immer angesiedelte und von wem auch immer besetzte Arbeitsgruppe – ich lasse das bewusst offen – zunächst einmal eine umfassende Reform vorbereitet, die rechtlichen Vorgaben prüft und dann einen Weg vorgibt, wie diese Reform umgesetzt werden kann. Bei jeder Gelegenheit diskutieren wir darüber, dass es beamtete Notare nur noch in Baden-Württemberg gibt. Soll denn das heißen, dass die ihre Arbeit schlecht machen? Soll denn das heißen – da stimme ich dem Kollegen Pauli zu –, dass Private einfach deswegen alles besser machen, weil sie Private sind? Ich glaube, dem ist nicht so.
Wenn wir in diesem Bereich überhaupt vorankommen wollen, Kollege Moser, dann bedarf es einer grundlegenden Analyse. Es bedarf eines Weges, wie wir diese Privatisierung im Notariatswesen umsetzen wollen. Dann kann vielleicht das Ziel erreicht werden, Herr Justizminister, das Ihre Vorgängerin in der Stellungnahme zu einem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zum Ausdruck gebracht hat. Der eigentliche Nutzen, den Sie mit dieser Privatisierung verfolgen, liegt nicht darin, dass wir jetzt Einnahmeausfälle beim Staatshaushaltsplan zwischen 30 und 50 Millionen € verkraften müssen. So genau weiß man die Zahl nie, weil die Haushaltsrechnungen offensichtlich noch nach alten Modellen funktionieren. Wir haben jetzt Einnahmeausfälle, aber das, was perspektivisch kommt, ist der Wegfall der Pensionsausgaben. Das ist eigentlich die Intention Ihrer Privatisierungsvorhaben. Aber wenn Sie das so angehen, wie Sie das bisher gemacht haben – eher uneinig innerhalb der Fraktionen dieses Hauses, eher uneinig auch innerhalb der Regierung –, dann werden Sie dieses Ziel nicht umsetzen können, und dann haben Sie auch nicht die Schlagkraft Richtung Berlin dafür, dass die notwendigen Reformen dort nicht nur angedacht, sondern auch durchgesetzt werden.
Zum Gerichtsvollzieherwesen möchte ich unterstützen, was Herr Kollege Stickelberger vorgetragen hat. Das Öffnen von Wohnungen, das Eindringen in Wohnungen – wenn ich das so beschreiben darf –, das Betreten von Wohnungen und viele andere Dinge, die Gerichtsvollziehern zugeordnet sind, sind Grundrechtseingriffe; darüber braucht man mit einem Justizminister im Land Baden-Württemberg sicherlich nicht zu diskutieren. Darüber, ob diese Grundrechtseingriffe privatisierbar sind, hätte ich gerne nicht nur eine umfassende Debatte in diesem Haus, sondern auch eine umfassende und gründliche Prüfung. Die Prüfungsergebnisse lassen nun nicht nur Wochen oder Monate, sondern schon Jah
Hier haben Sie es relativ einfach. Sie haben dargestellt, inwieweit das Gerichtsvollzieherwesen mit verbeamteten Gerichtsvollziehern Ausgaben verursacht und welche Einnahmen erzielt werden. Es wird mehr ausgegeben, als eingenommen wird. Wenn man dann noch die Pensionsausgaben hinzurechnet, kann man – das ist keine Frage – eine Privatisierung schon andenken. Aber sie muss mit unserer rechtsstaatlichen Ordnung und unserer Verfassung vereinbar sein. Solange Sie keine Belege dafür liefern, dass Grundrechtseingriffe durch „beliehene Private“ – so wurde das beantwortet – – Man vergleiche das mit dem TÜV oder ähnlichen Institutionen. Dort mag das ja vielleicht noch angehen; aber bei Grundrechtseingriffen, die zum Beispiel die Unverletzlichkeit der Wohnung betreffen, halte ich das derzeit für unzulässig und auch für unmöglich, unabhängig davon, dass sich einzelne Gerichtsvollzieher vielleicht einen materiellen Vorteil davon erwarten, wenn sie selbstständig und privatisiert tätig sind. Aber das Gerichtsvollzieherwesen sehe ich doch im Kernbereich der staatlichen Aufgaben. Deswegen glaube ich, dass eine Privatisierung hier nicht so mir nichts, dir nichts angedacht werden kann oder gar als ein Beispiel der umfassenden Justizreform umgesetzt werden sollte.
Meine Damen und Herren, die Fraktion GRÜNE in diesem Haus ist immer bereit, Debatten über Reformvorhaben zu führen.
Wir sind aber auch der Meinung, Herr Kollege Theurer, dass der Kernbereich der Justiz – das will ich zum Schluss sagen –, dass Gerichtsstandorte und Gerichtsorganisation ebenso auf den Prüfstand gehören,
wie es bei anderen Institutionen in der großen Verwaltungsreform der Fall war, die wir, wie Sie wissen, nicht mitgetragen haben.
Dann, Herr Kollege Theurer, wird es auch um andere Fragen gehen. Wir halten eine Justiz, die meinetwegen mit weniger als 108 Amtsgerichten auskommt, für genauso effizient oder gar für effizienter und kompetenter, weil wir dann den Sachverstand konzentrieren können und letztendlich sogar kostengünstiger arbeiten werden. Aber solche Modellvorhaben bzw. Reformprojekte werden bei Ihnen – aus welchen Gründen auch immer – fundamental geblockt. Dazu hätte ich von unserem jetzt wieder neuen Justizminister gerne einen kleinen Wink, in welcher Richtung er im Kernbereich der Justiz gedenkt, Reformvorhaben durchzusetzen.
(Abg. Theurer FDP/DVP: Viel wichtiger ist aber doch, dass die Fachgerichte zusammengenommen werden!)
Meine Damen und Herren, auf der Zuhörertribüne hat inzwischen der neue türkische Generalkonsul Nejat Akcal Platz genommen, der heute dem Landtag seinen Antrittsbesuch abstattet.
Am 1. September 2004 hat Herr Generalkonsul Akcal die Leitung des türkischen Generalkonsulats in Stuttgart übernommen.
Herr Generalkonsul, ich heiße Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg herzlich willkommen und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Amtszeit in unserem Land. Viel Erfolg für die Zukunft!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind einige Punkte angesprochen worden, die auch über den Tagesordnungspunkt hinausgehen. Sie gestatten, dass ich auf einen Teil davon eingehe, wenn auch nicht auf alles.
Lieber Herr Stickelberger, Ihre beiden Anträge sind sachlich wirklich in Ordnung. So stellt man sich Oppositionsarbeit vor. Nicht so war es bei dem, was Sie zu Mannheim gesagt haben, zumal übrigens gleichzeitig Ihr Pressesprecher heute Nachmittag herumlief und sagte, ich würde die Ausbrüche dort vertuschen.
Manchmal wünsche ich mir, dass solche Vorwürfe – ähnlich dem, was erforderlich ist, wenn sie in der Justiz erhoben werden –, in irgendeiner Weise fundiert werden müssen. Gott sei Dank sind Sie aus Ihrer Sicht offensichtlich dieser Pflicht enthoben. Deswegen kann man herumlaufen und solche Sachen sagen.
Ja. – Ich möchte, weil Sie Mannheim in einen Zusammenhang mit Privatisierungen gestellt haben, vorweg ein paar Sätze zu Mannheim und zu den Stichworten Sicherheit und Privatisierung sagen.
Erstens bitte ich Sie, der Anstalt in Mannheim gerecht zu werden. Wir hatten in diesem Jahr eine Häufung von Vorfällen, die wir natürlich mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, untersucht haben. Sie müssen aber auch sehen, dass es davor vier Jahre ohne jeden Vorfall ähnlicher Art gab, von denen heute kein Mensch mehr redet. Manchmal gilt
Dort, wo jemandem ein Vorwurf zu machen ist, werden wir diesen Vorwurf erheben. Dort, wo wir etwas verbessern können, werden wir es verbessern bzw. haben es teilweise schon verbessert. Aber man sollte sich nicht in den Chor derer einreihen, die da sagen, Mannheim sei das Problem, obwohl sie genau wissen, dass das sehr unterschiedliche Vorgänge sind, die dann auf einmal in eine Reihe gestellt werden. Ein Ausbruch, den auch wir sehr ernst nehmen, der Fall Axane, wird in eine Reihe gestellt mit einem Suizid. Ich meine, so etwas ist immer bedauerlich. Aber als wir die modernste Anstalt Frankreichs besucht haben, die Anstalt in Avignon, die nach modernsten Gesichtspunkten gebaut wurde, haben die uns gesagt, dass sie im ersten Jahr des Betriebs fünf Suizide hatten. Ich hoffe, dass es dort nicht so weitergeht, sage ich mal am Rande.
Manchmal gibt es eine Häufung negativer Ereignisse. Aber klar ist, dass die von Grund auf aufgearbeitet werden und auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Dies alles haben Sie in einen Zusammenhang mit der Privatisierung gestellt. Ich habe gerade vom Beispiel Frankreich gesprochen und werde es vielleicht auch nachher bei den Gerichtsvollziehern noch einmal tun. In Frankreich gibt es 22 Anstalten, die teilprivatisiert wurden und die mindestens den Sicherheitsstandard unserer Anstalten haben. Wenn Sie diese Anstalten anschauen, haben Sie zunächst einmal dominierend den Eindruck der funktionierenden Sicherheit, und das, obwohl sie von Privaten mitbetrieben werden.
Ich würde übrigens noch einen Schritt weiter gehen. Manche Befürworter der Teilprivatisierung – ich habe das kürzlich in einer interessanten Unterlage aus Hessen gelesen – halten es für einen Vorteil, dass man zusätzlich eine private Firma hineinlässt, weil sich das Personal dann gegenseitig ein bisschen auf die Finger schaut. Das ist doch klar. Das braucht überhaupt kein Nachteil zu sein. Ganz im Gegenteil: Wenn Sie zusätzlich eine private Firma drin haben, die ja selbst das höchste Interesse daran hat, dass nichts passiert, schaut man sich gegenseitig auf die Finger; jedenfalls sind Sicherheitsdefizite durch Privatisierungen sicher ein Märchen.
Im Übrigen ist die Privatisierung im Vollzug eine etwas andere Baustelle, die ich Ihnen aber bei anderer Gelegenheit gern näher erläutere.