Fangen wir mit den Gerichtsvollziehern an: Die Gerichtsvollzieher – das ist klar – haben im Rechtsstaat eine wichtige Funktion. Denn wenn Sie ein Urteil haben, es aber nicht durchsetzen können, ist dieses Urteil nichts wert.
Wenn Sie eine Forderung haben und am Ende nicht bezahlt wird, nützt Ihnen diese Forderung nicht viel. Um die Forderung bezahlt zu bekommen, gibt es heute natürlich unterschiedliche Wege, die übrigens nahezu alle privat sind: Ich kann das mit der Anwaltschaft machen, wo man das jetzt so
schön „Forderungsmanagement“ nennt. Ich kann mich an ein Inkassounternehmen wenden. Da gibt es sicher seriöse Unternehmen. Ich kann am Schluss auch auf eine Anzeige „Inkassobüro Moskau“ reagieren, was ich nicht empfehlen würde, was es aber auch gibt.
Aber was mir schon zu denken gibt, ist die Umsetzung von Zivilurteilen in die Realität, die schon jetzt in weitem Umfang in privaten Bahnen stattfindet.
Dann haben wir noch, sage ich einmal, unseren guten alten Gerichtsvollzieher, bei dem wir in der Vergangenheit beispielsweise durch den Einbau von Leistungselementen alles getan haben und auch als Land immer eine Vorreiterrolle gehabt haben, damit er leistungsfähig bleibt. Ich kann Ihnen eigentlich den lückenlosen Beweis liefern: Wir haben die unternehmerische Position, die unternehmerischen Möglichkeiten, Leistungsanreize, verbesserte Ausbildung und all die Themen, die die Gerichtsvollzieher betreffen – und das wird Ihnen jeder Betroffene und jeder Verband bestätigen –, in vorderster Reihe bundesweit vertreten. Wir sind immer von den anderen gebremst worden, egal, ob es um das Thema Ausbildung oder um das Thema Leistungsanreize ging.
Jetzt geht es um das Thema Privatisierung. Das betrifft ja nicht nur den Bund, sondern die Forderungen des Landesverbands nach Privatisierung gehen noch deutlich über die des Bundesverbands hinaus. Tatsache ist, dass die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher immer anspruchsvoller wird. Darum ist für mich übrigens auch folgerichtig, dass in den Nachbarländern Frankreich und Belgien – in Frankreich haben wir uns dies auch gerade angeschaut – die Betroffenen Juristen sind. Sie sind in einer ähnlichen Position wie Notare, übrigens mit glänzenden Ergebnissen. Sie treiben ein Vielfaches der in Deutschland eingetriebenen Beträge ein – wobei ich fairerweise die Zahlen nicht nennen will; denn es gibt einige Unterschiede in den rechtlichen Grundlagen und vor allen Dingen in den Aufgabenbereichen. Aber in nackten Zahlen dargestellt, treiben die französischen Gerichtsvollzieher ein Vielfaches von dem ein, was die deutschen als Ergebnis erreichen.
Nun sage ich hier doch ganz einfach: Es wäre natürlich im Sinne der Wirtschaft und im Sinne all derer, die eine berechtigte Forderung haben, dass man auch bei uns ähnlich erfolgreiche Wege sucht, die die unternehmerische Position des Gerichtsvollziehers stärken und ihn, soweit es eben geht, in diese unternehmerische Freiheit entlassen.
Jetzt gibt es zwei Hindernisse – ich gebe Ihnen Recht: bis dahin ist es ein dorniger Weg –, die ich nur stichwortartig nennen kann.
Das erste Hindernis ist finanzieller Art. Im Moment ist das ein großer Zuschussbetrieb, und da muss man sich überlegen, wie man so etwas kostendeckend machen kann. Der erste Weg, es kostendeckend zu machen, wird für mich im
mer über die Aufgabenanreicherung laufen. Das bedeutet, den Gerichtsvollziehern zusätzliche Aufgaben zu geben, für die man auch gerne bezahlt. Was die Gerichtsvollzieher bei uns zum Beispiel noch gar nicht machen, ist, bevor es zum eigentlichen Streit um die Titulierung einer Forderung kommt, zu versuchen, den Betroffenen einmal gütlich zur Zahlung zu bewegen. Das ist in den Nachbarländern gang und gäbe, und zwar mit beträchtlichem Erfolg.
Auf diesem Gebiet der Umsetzung von Forderungen, von Zivilurteilen tummeln sich im Moment einige. Da kann man natürlich auch die Gerichtsvollzieher in diesem Bereich tätig werden lassen.
Außerdem gibt es noch ein rechtliches Hindernis, und dieses rechtliche Hindernis steht in der Verfassung. Da steht tatsächlich archaisch der „Beamtenvorbehalt“. Bei uns muss alles, was mit hoheitlichen Tätigkeiten zu tun hat, in der Regel – so heißt es übrigens; manche lassen das ja auch weg, aber es heißt tatsächlich „in der Regel“ – von Beamten erledigt werden.
Wenn ich dann noch hingehe und – so, wie man das natürlich gerade in Ihren Parteien ganz gerne tut – den hoheitlichen Bereich entsprechend ausdehne, dann habe ich einen so sperrigen Beamtenvorbehalt, dass ich natürlich nicht mehr viel an Privatisierung machen kann. Aber das ist ja das, was Sie meist auch wollen. Deswegen wird ja dieser Artikel 33 Abs. 4 gerne funktionalisiert. Wahrscheinlich führt der saubere Weg der Entlassung der Gerichtsvollzieher in die Freiheit tatsächlich über eine Modifikation beim Beamtenvorbehalt. Aber dann sollte man das endlich auch einmal machen, weil dieses Hindernis auch in vielen anderen Bereichen, wo es um Privatisierung geht, eine Rolle spielt.
Wir haben bei den Gerichtsvollziehern einen Weg beschritten, für den wir die Unterstützung der Betroffenen haben; das muss man noch einmal ganz klar sagen. Das wird ein langer Weg; das sehe ich auch so. Da gibt es eine Menge Hindernisse links und rechts am Wegesrand. Aber wir haben diesen Weg begonnen, auch ein bisschen getreu dem alten chinesischen Sprichwort, wonach eben auch eine Reise von 1 000 Meilen mit dem ersten Schritt beginnt. Es ist eine Reise, die uns auf den richtigen Weg führt, und darauf kommt es für mich an. Wir haben in Baden-Württemberg bei der Privatisierung immer solche Initiativfunktionen gehabt. Dann hat es nach einer Weile doch einen Rutsch ge
tan, und man hat gesagt: „Jetzt machen wir es alle.“ Das wollen wir auch auf diesem Gebiet erreichen.
Ja, sagen wir einmal, bei allem, was wir in letzter Zeit getan haben, zum Beispiel bei Veräußerungen von Beteiligungen. Ich gebe zu, die Bayern waren etwas schneller. Aber bei allem, was in den letzten Jahren Privatisierung geheißen hat, ist es doch inzwischen so, dass uns mittlerweile auch andere, zum Teil auch SPD-regierte Länder, folgen. Wir haben zum Beispiel die Privatisierung der Vollzugsanstalten – ein Stichwort, das zuvor genannt wurde – vor einigen Jahren auf die Bahn gebracht. Anschließend hat Hessen ähnliche Initiativen ergriffen, und jetzt – man höre und staune, und deswegen rate ich auch zur Vorsicht in dieser Richtung – findet das aktuell größte Projekt der Privatisierung einer Vollzugsanstalt im nordrhein-westfälischen Ratingen statt.
Das ist ein typisches Beispiel für eine Debatte, die wir schon in früherer Zeit in Gang gesetzt haben – nur, weil Sie nach Beispielen fragen.
Zweites Stichwort: Notare. Ich will es nicht zu lang machen, aber natürlich auch wenige Sätze zum Thema Notare sagen. Meine Damen und Herren, die Notare im Staatsdienst in Baden-Württemberg erbringen eine Leistung, die genauso gut privat erbracht werden kann. Da sage ich jetzt nichts Sensationelles, denn in allen anderen europäischen Ländern wird sie mittlerweile ausschließlich privat erbracht. Das heißt eigentlich – das darf ich einmal einflechten – für einen Liberalen, wenn sie privat erbracht werden kann, dass sie dann auch privat erbracht werden muss.
Aber ich räume ein, was die Diskussion der Vergangenheit angeht – auch im Hinblick auf unseren Koalitionspartner, mit dem wir bei allem, was wir tun, auf einer Linie agieren –, dass es zwei Argumente gibt, die gegen eine sofortige und vollständige Privatisierung bei den Notaren sprechen.
Das erste ist ein ganz pragmatisches, nämlich das Einnahmeargument. Wir haben immer noch deutliche Einnahmen aus dem Notariat, und im Moment kann sich kein Land und kein Staat der Welt wirklich erlauben, auf vorhandene Einnahmen zu verzichten.
Der zweite Einwand – das muss man auch einmal sagen – ist der, dass wir im württembergischen Rechtsgebiet ein System haben, das ich ohne Not überhaupt nie infrage stellen würde. Das sage ich genauso deutlich auch als Liberaler, denn im Sinne der Kundenzufriedenheit gibt es überhaupt nichts Schöneres, als dass ich zum Anwaltsnotar, zum Nur-Notar und auch noch zum Bezirksnotar gehen kann. Wenn ich nicht müsste, würde ich auch persönlich – das gebe ich zu – an diesem württembergischen System über
Das sind die beiden Einwände. Der Einwand Nummer 1, das Einnahmeargument, wird allerdings fast von Monat zu Monat kraftloser, muss man sagen. Darunter leidet übrigens auch das Argument Nummer 2, das württembergische System; denn die EU hat uns aufs Korn genommen. Das muss man ganz klar sagen. Wir sind mittlerweile die Einzigen. Jetzt haben sie sich auf uns eingeschossen, wenn man es so ausdrücken darf. Ich muss sagen: Gerade wenn ich daran denke, dass man in Württemberg nicht viel daran zu reparieren hätte, denke ich schon ein bisschen darüber nach, ob das eigentlich Sinn macht: Die EU wird auf der einen Seite immer größer, und die Verhältnisse werden damit immer ein Stück weit unterschiedlicher. Das ist zu akzeptieren. Aber gleichzeitig wird in manchen Bereichen der Eingriff immer rigoroser. Wir werden wirklich bis ins Letzte mit unserem Notariatssystem und unseren Gebühren verfolgt, Entscheidung um Entscheidung, Urteil um Urteil, und das wird so weitergehen. Da darf man sich keinen Illusionen hingeben.
Sie wissen, der Richtung nach wehrt sich die EU dagegen, dass Gebühren, die die Notare heute in Teilbereichen erfassen, zum Staat gelangen. Dieser Bereich, von dem der Staat nicht profitieren darf, wird immer weiter definiert.
Was das von Ihnen angesprochene Landesjustizkostengesetz angeht, hat uns die EU im Hintergrund auch schon bedeutet, dass sie eigentlich überhaupt nichts anderes als die Einführung eines freien Notariats für die richtige Antwort hält. Die bedeuten uns jetzt schon: Wir können eigentlich auf den Tisch legen, was wir wollen. Das Einzige, wie wir nach deren Meinung auf die bisherige Rechtsprechung reagieren können, wäre die Einführung eines freien Notariats. Darum müssen wir uns mit diesen Gegebenheiten auseinander setzen.
Das geht schon, wenn man die Instrumente hat, um am Tag X – der wird kommen – schrittweise in ein ganz freies Notariat zu kommen. So ist es heute. Es wird ein Tag X kommen, an dem der Marsch ins freie Notariat beginnen wird. Darum sind mir und uns diese 25 freien Notare in Baden auch sehr wichtig, weil wir dann in Baden wenigstens schon ein freiberufliches Instrument haben, das man dann entsprechend ausdehnen kann. Machen wir uns nichts vor: Wenn das Einnahmeargument weg ist, wird dieses System der Zukunft leistungsfähig sein. Das zeigen natürlich alle Beispiele aus den europäischen Nachbarländern.
Sie wollten von mir wissen, wie die Richtung ist, wie der Stand ist. Ich hoffe, dass ich das ausreichend dargelegt habe. Alles, was wir tun, tun wir, um die Effizienz der baden-württembergischen Justiz zu steigern. Sie haben am Ende auf die Sparzwänge hingewiesen, Herr Stickelberger. Ich gebe Ihnen Recht, das, was wir im Moment verkraften müssen, ist mühsam zu verkraften; aber wir sind, was Effizienz und Leistungsfähigkeit angeht, mit der baden-württembergischen Justiz seit Jahren im Ranking ganz vorn. So soll es auch bleiben. Dazu tun wir das Notwendige. Dazu gehört
allerdings auch, den Staat auf seine Kernaufgaben zu beschränken und die dann besonders gut zu erledigen. Das ist unser Ziel. Dafür bitte ich Sie um Unterstützung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister! Gestatten Sie mir drei Bemerkungen.
Erstens: Sie haben uns als Opposition wegen der Sachlichkeit unserer Anträge gelobt und uns gleichzeitig wegen der angeblich unsachlichen Kommentierung insbesondere der Vorfälle in Mannheim gescholten.