Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

Erstens: Sie haben uns als Opposition wegen der Sachlichkeit unserer Anträge gelobt und uns gleichzeitig wegen der angeblich unsachlichen Kommentierung insbesondere der Vorfälle in Mannheim gescholten.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das ist Erziehung!)

Ich muss sagen: Die zweite Hälfte Ihrer Kommentierung ist mir lieber. Das zeigt doch, dass wir uns auch in der Sache durchaus positiv streiten können.

Aber einen Satz noch zu Mannheim. Uns ging es nicht darum, die Justizvollzugsanstalt Mannheim in ein schlechtes Licht zu rücken oder gegen einzelne Bedienstete dort Vorwürfe zu erheben. Uns geht es vielmehr darum, wie das Justizministerium mit diesen Vorfällen umgeht. Da haben wir in der letzten Zeit eine sehr dürftige Kommentierung erlebt. Es war eher ein Herunterspielen der Problematik. Wir haben eine Anfrage zu diesem Ausbruch in Mannheim eingebracht. In deren Beantwortung wurde uns in vielen Punkten erklärt, welche Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt wurden. Uns ist aber nach diesem Katalog von Sicherheitsmaßnahmen, der da aufgeführt wurde, unverständlich, wie es dann überhaupt zu diesem Ausbruch kommen konnte. Sie werden verstehen, dass man es einer Öffentlichkeit schon plausibel machen muss, wie ein Strafgefangener in 18 Stunden eine 80 Zentimeter dicke Wand so malträtieren kann, dass immerhin ein Ausbruch möglich ist. Da herrscht aus unserer Sicht noch Aufklärungs- und Aufarbeitungsbedarf. Wir werden die Debatte sicher noch zu führen haben.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber der ist ja schon zum dritten Mal ausgebrochen! Das ist ja ein Profi! Den halten Private auch nicht zurück!)

Warten wir es ab. Wir werden die Diskussion ja noch bekommen.

Zweite Bemerkung: Zum Gerichtsvollzieherwesen, Herr Minister, haben Sie auf die anderen Länder verwiesen, die das zum Teil in erheblichem Umfang privat organisiert haben. Das mag sein. Aber Sie haben in einem Nebensatz auch angesprochen, dass man dort auch eine sehr starke Einbeziehung der Notare in die private Vollstreckung hat, sei es konkret bei bestimmten Maßnahmen oder bei der Aufsicht. Das sind natürlich ganz andere Systeme. Ich warne davor, ein Element eines ausländischen Systems herauszugreifen und dann kritiklos auf unsere Verhältnisse zu übertragen.

Wenn Sie sagen, im Rahmen der Zwangsvollstreckung seien schon jetzt viele Private tätig, erwidere ich: Inkassofirmen, natürlich. Aber das Gewaltmonopol liegt noch immer beim Staat. So soll es auch bleiben. Mir ist wesentlich wohler dabei, wenn von staatlich bediensteten Beamten und nicht von Privatfirmen Wohnungen durchsucht, Beschlagnahmungen vorgenommen, Kinder entzogen werden oder in Grundrechte eingegriffen wird.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das kann ein Anwalt auch machen!)

Was in diesem Zusammenhang die Privatisierung der Gefängnisse angeht, weiß man auch, dass es mit einer Privatisierung im Grunde nur vorangehen kann, wenn man die Funktionsbereiche Küche, Zulieferung und was weiß ich noch alles räumlich so trennen kann, dass kein Sicherheitsproblem besteht. Wir haben aber in Baden-Württemberg sehr viele alte Haftanstalten. Das wird wohl nur bei neuen Haftanstalten überhaupt möglich sein.

Dritte Bemerkung: Zu den Notaren wollen wir halt schon wissen, was Sie vorhaben. Auf der einen Seite gibt es ein Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des württembergischen Notariats, aber andererseits doch auch ein Signal in die Vollprivatisierung. Ich weiß natürlich, dass der Druck durch die europäische Rechtsprechung groß ist und zunimmt und dass die Europäische Kommission auch in diese Richtung tendiert. Aber es ist schon die Frage, ob man dann in dieser Weise reagiert oder ob man sich nicht auf notwendige Regelungen beschränkt.

Immerhin haben Sie sich klar dazu geäußert, dass sich das Land die Ausfälle der Einnahmen aus der Notariatstätigkeit nicht erlauben kann. Bei Ihrer Amtsvorgängerin hat es vor einigen Monaten noch wesentlich anders geklungen. Aber da werden wir natürlich noch einen Diskussionsprozess haben. Das wird sicher schwierig sein, zumal auch die Interessen der badischen und der württembergischen Notare nicht unbedingt gleich gerichtet sind. Das muss man offen sagen.

Insofern werden wir die Diskussionen auf allen drei Feldern noch führen. Insbesondere zu Mannheim erwarten wir dann natürlich noch mehr Aufklärung als das, was bisher geschehen ist.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Berichtsanträge der Fraktion der SPD, Drucksachen 13/2184 und 13/2185, sind durch die Aussprache erledigt.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD – Unterstützung der Resolution des SWR-Rundfunkrates vom 24. September 2004 durch die Landesregierung – Drucksache 13/3595

dringlich gemäß § 57 Abs. 3 GeschO

und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3612.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags Drucksache 13/3595 fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Ich erteile das Wort Frau Abg. Kipfer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rundfunkrat des SWR hat am 24. September 2004 einstimmig die Landesregierung aufgefordert, sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz, die übermorgen stattfinden soll, dafür einzusetzen – ich sage das einmal in meinen Worten in einem kurzen Begriff –, sich an Recht und Gesetz zu halten.

(Abg. Ursula Lazarus CDU: Genau das hat er nicht gesagt!)

Wir beantragen, dass die Landesregierung sich daran hält.

Der Rundfunkrat hat dieses erstens in Sorge um den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks getan und zweitens in Sorge um das bisher unangefochten neutrale System der Gebührenfindung im Hinblick auch auf in Brüssel anhängige Verfahren und nicht zuletzt auch in Sorge um die programmlichen Folgen der zu erwartenden finanziellen Einschnitte im SWR selber.

Nun hat – das will ich einflechten – Intendant Voß bereits die Abwicklung von Orchestern in die Öffentlichkeit hineingetragen. Ich möchte die Landesregierung in diesem Zusammenhang an das erinnern, was sie in ihrer Stellungnahme zu meinem Antrag über die kulturwirtschaftlichen Auswirkungen des SWR, Drucksache 13/3101, ausgeführt hat. Ich zitiere:

Der SWR ist der größte Kulturveranstalter im Land. Die Landesregierung ist daher darauf bedacht, bei den erforderlichen Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Handlungsfähigkeit des SWR in seinem kulturellen Engagement zu erhalten.

So viel dazu.

Es gibt ein gesetzlich eindeutig fixiertes dreistufiges Verfahren der Rundfunkgebührenfestsetzung – Sie kennen das –: Die Anstalten melden den Bedarf an. Die KEF prüft auf Plausibilität, aber besonders auch auf Wirtschaftlichkeit. Sie erfüllt ihren Auftrag nicht etwa als Handlanger der Rundfunkanstalten, sondern unabhängig und mit einem erheblich spitzen Griffel. Nun ist sie zu diesem Vorschlag der Gebührenerhöhung um 1,09 € gekommen. Das ist ein Verfahren, das vom Bundesverfassungsgericht so vorgeschrieben wurde, um Programmneutralität und Politikferne der Gebührenfindung zu garantieren. Drittens haben dann die Länder in der Tat die Aufgabe, die Höhe der Rundfunkgebühr festzusetzen.

Der Gesetzgeber kann von der Empfehlung der KEF abweichen. Er hat diese Abweichung zu begründen, und zwar nachprüfbar zu begründen. Dies können nur Gründe sein, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben. Zitat des Bundesverfassungsgerichts:

Im Wesentlichen werden sich die Abweichungsgründe in Gesichtspunkten des Informationszugangs und der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer erschöpfen.

Eine seriöse Diskussion, die sich nicht medienpolitischen Zielen unterwirft, entzündet sich nun an dem Begriff der „angemessenen Belastung“. Im Entwurf der sechs Ministerpräsidenten, die sich kürzlich auf eine Gebührenerhöhung um 86 Cent geeinigt haben, wird dies wie folgt begründet. Ich zitiere aus der Zeitung „epd medien“:

Die nunmehr von der KEF vorgelegte Gebührenempfehlung fällt in das Umfeld einer deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage, die große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringt.

Es ist höchst fraglich, ob diese allgemeine Erklärung verfassungsrechtlich Bestand hat, weil sie nicht nachprüfbar ist.

(Minister Dr. Christoph Palmer unterhält sich mit Minister Mappus.)

Ich wäre dankbar, Herr Minister, wenn Sie mir zuhören würden, denn dann können Sie entsprechend antworten.

(Beifall bei der SPD – Unruhe)

Nicht zulässig ist laut Bundesverfassungsgericht, dass die Gebührenfestsetzung zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik namentlich im dualen System benutzt wird, also eine Verquickung der Gebührenentscheidung mit Fragen der Struktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Hier ist der Sündenfall bereits passiert mit dem berühmten Papier der drei Ministerpräsidenten von Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Es ist im Übrigen höchst befremdlich – das sage ich hier ganz deutlich –, wie locker sich Ministerpräsident Steinbrück über gesetzliche Vorgaben hinwegsetzt.

(Unruhe)

Er wird mit der Bemerkung zitiert:

Es gibt Leute in Deutschland, denen formale Verfahrensfragen wichtiger sind als die wirklichen Sachfragen.

„epd medien“ vom 29. September.

Ich frage Sie: Wer denn sonst, wenn nicht die Ministerpräsidenten, sollte sich strikt an Gesetze und bindende Vorgaben des Verfassungsgerichts halten?

(Beifall bei der SPD)

Die KEF selbst hat in ihrem Brief an Ministerpräsident Beck vom 23. September auf die verfassungsmäßig bedenkliche Neuberechnung der Gebühr hingewiesen. Sie bezweifelt die Berechnung der einzelnen Einsparpotenziale und meint, diese seien nicht nachvollziehbar. Insbesondere bezweifelt sie die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von Rechteverkäufen beim Sport; denn dies – so die KEF – sei ein Eingriff in die Programmautonomie der Anstalten.

Nun hat die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag vorgelegt. Der zeugt nun wirklich von schlechtem Gewissen und Ratlosigkeit und ist insofern völlig untauglich, das Problem zu lösen.

(Beifall der Abg. Ruth Weckenmann SPD – Abg. Theurer FDP/DVP: Ein Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP!)

Denn darin steht, die Landesregierung möge sich in der Ministerpräsidentenkonferenz für eine maßvolle Erhöhung der Rundfunkgebühr, wenn möglich unterhalb der von der KEF empfohlenen 1,09 €, einsetzen. Das müsste mindestens „wenn verfassungsrechtlich möglich“ heißen.

(Abg. Birzele SPD: Herr Theurer! Die FDP/DVP ist doch die Verfassungspartei! – Gegenruf des Abg. Walter GRÜNE: Das ist schon lange her! Frieder, wo hast du aufgehört, mitzudenken? – Un- ruhe)