Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Palmer.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Oi! – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Zimmermann, ich werde nicht über Lastentransport mit Fahrrädern sprechen, obwohl Sie sich bei den Kollegen, die in China gewesen sind, durchaus über die Möglichkeiten des Kohletransports mit Fahrrädern kundig machen könnten; da ist einiges drin. Der Umweltund Verkehrsausschuss ist darüber informiert.

(Zurufe der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP und Röhm CDU – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ohne Dampfer!)

Meine Damen und Herren, im Unterschied zum Kollegen Kurz bin ich nicht der Auffassung, dass es Grund zur Dankbarkeit für diese Debatte und den vorliegenden Antrag gibt. Denn wenn Sie die bisherigen Reden verfolgt haben, werden Sie festgestellt haben: Es gibt nicht ein einziges landespolitisches Handlungsfeld,

(Abg. Dr. Caroli SPD: So ist es!)

über das wir hier diskutieren könnten. Ich bin der Meinung, dass dieses Parlament nicht zum Palavern da ist, sondern dazu, über reale Handlungsoptionen der Landesregierung und des Landesparlaments zu sprechen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wenn Sie dazu Vorschläge haben, würde ich darauf gerne eingehen. Wenn es aber nur dazu dient, über die Steuerpolitik und die Investitionspolitik der Bundesregierung herzufallen, was Sie wieder gemacht haben, halte ich das schlicht für eine Zeitverschwendung in diesem hohen Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Kurz CDU meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Herr Präsident, Herr Kollege Kurz möchte eine Zwischenfrage stellen.

(Heiterkeit)

Herr Abg. Palmer hat die Zwischenfrage schon genehmigt. – Herr Kurz, bitte schön.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Herr Kollege Palmer, aus Ihrer Aussage schließe ich, dass Sie insbesondere den Verkehrsweg Wasserstraße für unsere Industrie hier im Ballungsbereich Stuttgart, aber auch insgesamt in Baden-Württemberg für nicht notwendig erachten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sieht so aus!)

Das war jetzt natürlich ein logischer Fehlschluss, Herr Kurz. Ich habe nicht gesagt, Bundeswasserstraßen seien nicht notwendig. Ich habe nur gesagt, dafür sei der Bund zuständig und der solle das bitte schön regeln. Wir können darüber nichts beschließen.

Aber zu den drei Themen, zu denen man hier etwas sagen kann, werde ich das in aller Kürze tun.

Erstens: Schleusenverlängerung, Schleusenausbau. Frau Kollegin Berroth, Sie sollten halt einmal kurz dazusagen, wie viele Hundert Millionen Euro ein solcher Schleusenausbau kostet und was er dann tatsächlich an volkswirtschaftlichem Gewinn bringt. Dann stellt man fest, es lohnt sich nicht.

(Abg. Dr. Caroli SPD: So ist es!)

Sie sind doch sonst immer die Partei, die auf Wirtschaftlichkeit achtet.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Sie rechnet ja auch dau- ernd!)

Warum spielt das eigentlich keine Rolle mehr, wenn es darum geht, Lobbyverband für diese oder jene Industriegruppe zu sein? Das ist mir völlig unverständlich.

Wenn Sie schon auf Schleusenausbau drängen: Wir könnten uns ja vielleicht darauf verständigen, gegenüber dem Bund einmal an einer Stelle zu intervenieren. Das wäre ja eine vernünftige Schlussfolgerung aus einer solchen Debatte. Dann sollten aber nicht alle Neckarschleusen von Mannheim bis Plochingen ausgebaut werden.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Vielmehr sollte die einzige Neckarschleuse, die derzeit nur auf 106-Meter-Standard ist, nämlich die Schleuse bei Benningen, auf 110 Meter verlängert werden, damit alle Schiffe der 110-Meter-Klasse den Neckar befahren können. Wir haben nur eine Schleuse, die zu kurz ist, um 110 Meter lange Schiffe zu bewältigen. Damit könnte man den Neckar für eine Schiffsgeneration mit einer Länge von 110 Metern ausbauen. Das wäre ein pragmatischer Weg. Aber über solche Lösungen unterhalten Sie sich nicht. Denn dann könnten Sie ja nicht auf Berlin schimpfen, sondern müssten sich selbst ein paar Gedanken machen, und das ist Ihnen zu anstrengend.

(Beifall der Abg. Dr. Witzel und Brigitte Lösch GRÜNE – Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/ DVP)

Zweiter Punkt: Steuervergünstigung. Ich habe noch im Ohr – da sind auch die Herren gefragt, die sich hier jetzt so hinfläzen –, wie die CDU vor einem Dreivierteljahr auf einem Parteitag über die Irrungen und Wirrungen des Steuerrechts

hergefallen ist. Da wurde betont, wie kompliziert das alles sei, dass wir endlich diese unsäglichen Ausnahmen abschaffen müssten und ein einfaches Steuerrecht benötigten. Jetzt sagen Sie, wieder im Verein mit der FDP, die schon immer für Stufentarife und für ein einfaches Steuerrecht war: „Da haben wir aber wieder eine Kleingruppe, von der der Rest der Menschheit gar nicht weiß, dass sie ein Steuervergünstigungsproblem hat. Die muss jetzt wieder eine Steuervergünstigung bekommen.“ Das passt nicht zusammen,

(Abg. Göschel SPD: Das passt auf keinen Bierde- ckel! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

so wenig wie ein 110 Meter langes Schiff in eine 105 Meter lange Schleuse passt.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Der dritte Punkt, über den man vielleicht noch ernsthaft miteinander reden kann: Sie sollten auch einmal darüber nachdenken, dass die Bundeswasserstraße Neckar nicht nur einen wirtschaftlichen Effekt hat, der zweifellos positiv ist. Sie hat auch einen negativen Effekt; denn dass der Neckar eine Bundeswasserstraße ist, ist der Grund, dass er in Stuttgart praktisch nicht besichtigungsfähig ist, dass man ihn nicht erleben kann, dass es dort keine Naherholungsqualität gibt. Wenn Sie lesen, was jetzt durch den Architekten Grub allmählich angestoßen wird, die Debatte darüber,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

wie man die Stadt wieder an den Fluss holen kann, dann müssen Sie sagen, dass die Bundeswasserstraße eher ein Problem als ein Segen ist. Es geht darum – darüber könnte man diskutieren –, Lösungen und Wege zu finden, wie man den Schifffahrtsbetrieb auf dem Neckar erhalten und gleichzeitig den Neckar als Naherholungsgebiet gewinnen kann. Da wären wir im Land vielleicht auch gefordert, indem wir der Region Stuttgart Kompetenzen geben, sie vielleicht sogar mit einer eigenen Steuerquelle ausstatten. Darüber könnten Sie sich Gedanken machen. Aber hören Sie auf, uns mit diesem Geschimpfe auf Berlin zu belästigen.

(Beifall der Abg. Dr. Witzel und Brigitte Lösch GRÜNE sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Hillebrand.

(Abg. Zeller SPD: Das ist die Premiere, oder wie?)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, bin ich dankbar dafür, dass die Kollegin Berroth, nicht zuletzt aufgrund in früher Jugend gemachter persönlicher Erfahrungen auf einem Binnenschiff,

(Abg. Dr. Caroli SPD: Oi! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Woher wissen Sie das?)

ein Thema aufgegriffen hat, das zum einen eine zutiefst menschliche,

(Abg. Dr. Caroli SPD: Was hat sie denn auf dem Schiff gemacht?)

(Staatssekretär Hillebrand)

zum anderen aber auch eine wirtschaftliche Dimension hat, die aber in der öffentlichen politischen Auseinandersetzung eher ein Schattendasein führt.

Ich sage dies völlig wertfrei und ohne Kritik: Nur wenigen in diesem hohen Haus ist es vergönnt, die Probleme der Binnenschifffahrt und der in diesem Gewerbe tätigen Familien aus eigener Anschauung zu kennen. Wer war schon einmal vor Ort auf einem Binnenschiff

(Abg. Stickelberger SPD: Ich!)

wie etwa unser früherer Umwelt- und Verkehrsminister, der Kollege Ulrich Müller? Wer hat sich die Sorgen und Nöte der Partikuliere plastisch vor Augen geführt? Für die Zuhörer darf ich vielleicht sagen: Partikuliere sind die Schiffseigner in der Regel eines Lastschiffs. Man könnte es auch anders ausdrücken: die Ich-AGs der Binnenschifffahrt.

Der Tenor bzw. die Conclusio aus dem bisher Gehörten ist: Das deutsche Binnenschifffahrtsgewerbe ist gekennzeichnet durch eine zu geringe Eigenkapitalausstattung und durch einen sich in den nächsten Jahren zunehmend verschärfenden Nachwuchsmangel.

Beides hat natürlich Ursachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die nicht nur konjunkturell bedingt oder gar hausgemacht sind, sondern auch in den politischen Rahmenbedingungen liegen. Für diese politischen Rahmenbedingungen, Frau Schmidt-Kühner, gibt es natürlich auch politisch Verantwortliche. Diese, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, gilt es – insofern hat der Kollege Boris Palmer natürlich Recht – heute zu benennen. Die politisch Verantwortlichen für diesen Bereich sind eindeutig beim Bund anzusiedeln. Der Bund ist nach dem Grundgesetz zuständig für die Bundeswasserstraßen und für die Konditionen, zu denen diese genutzt werden können.

Lassen Sie mich aber jetzt noch ein paar landespolitische Fakten ansprechen. Was den Güterumschlag in den insgesamt 27 bundesdeutschen Binnenhäfen anlangt, belegen die baden-württembergischen Häfen mit Platz 5 (Mannheim), Platz 6 (Karlsruhe), Platz 8 (Heilbronn) und Platz 16 (Kehl) durchaus respektable Plätze in der vorderen Hälfte der Tabelle des Statistischen Bundesamts. Die exakten Zahlen, liebe Frau Berroth, haben mir bis gestern auch nicht vorgelegen, aber ich habe sie gestern erhalten,