Eine Regierung und Regierungsfraktionen sind nicht zuerst dafür da, Fragen zu stellen, sondern dafür, Antworten auf Probleme zu geben,
Nun möchte ich meine Frage an Sie wiederholen: Ist es so, dass die staatliche Rentenversicherung im Normalfall nicht mehr ausreicht, um den Lebensstandard einer Familie – in vielen Fällen das Existenzminimum – zu sichern, oder ist es nicht so? Ist es richtig – Sie haben das vorhin als ordnungspolitisch falsch bezeichnet –, dass der Staat seit einigen Jahren Anreize für private Vorsorge gibt? In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage: Ist es richtig oder ist es falsch, wenn die Politik den Wunsch der Bürger bei der privaten Vorsorge berücksichtigt, nach dem die Eigentumsbildung die Priorität Nummer 1 hat? Ist das richtig, oder ist das nicht richtig?
Das Zweite: Wir brauchen nicht das Wohneigentum von Menschen zu fördern, die ein hohes Einkommen haben. Dafür gibt es ja Einkommensgrenzen. Es ist eine zielgenaue Förderung möglich; darauf haben mehrere meiner Vorredner hingewiesen. Aber es ist richtig, denjenigen zu helfen, die aus eigener Kraft kein Wohneigentum bilden können. Dies ist doch ordnungspolitisch vernünftig. Wir stehen an der Seite der Arbeitnehmer, wir stehen an der Seite der Familien mit Kindern, an der Seite der jungen Familien, die aus eigener Kraft nicht zu Wohneigentum kommen.
Da kommen Sie, Herr Kretschmann, und stellen fest, die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland sei völlig einseitig. Ich kann nur sagen: Die Personengruppen, denen unsere erste Sorge gelten muss, sind nicht an den Vermögen beteiligt, die Sie angesprochen haben.
Deren einziges Vermögen ist ihre Wohnung oder ihr Eigenheim. Genau zu diesem Vermögen wollen wir ihnen verhelfen.
Ein weiterer Punkt: Sie haben in einer kleinen Andeutung vom ländlichen Raum gesprochen. Ich glaube, dass dem ländlichen Raum in den nächsten Jahren, wenn die Einwohnerzahlen zurückgehen, eine Hauptsorge gelten muss. Dann müssen wir wenigstens die Rahmenbedingungen für den ländlichen Raum so gestalten, dass er seine Vorteile aus
spielen kann. Zu den Vorteilen des ländlichen Raums gehört, dass es die Baulandpreise einem Bürger mit Normaleinkommen noch gestatten, zu einem eigenen Haus zu kommen.
Warum gehen die Leute aus den Großstädten in die Randzonen, warum gehen sie aus den Randzonen in einen noch weiter entfernten Gürtel? Weil sie dort noch zu einem Eigenheim kommen können.
Wollen Sie ihnen das versagen, oder wollen Sie den Bürgern und den betroffenen Gemeinden helfen? Wir wollen das Letztere, kann ich nur sagen.
Herr Kollege Kretschmann, Sie sprechen ferner wörtlich von einem Unsinn, dass man in einem Teil Deutschlands Plattensiedlungen abreiße und in einem anderen Teil Deutschlands noch Eigenheime baue. Wollen Sie deswegen, weil man im Osten Plattenbauten abreißen muss, verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs hier ein Haus oder eine Eigentumswohnung erwerben?
Dann sagen Sie, bei uns werde zu teuer gebaut und in Holland baue man Häuser ohne Keller. Wollen Sie den Bürgern unseres Landes vorschreiben, wie sie bauen sollen? Wollen Sie ihnen vorschreiben, dass sie ohne Keller bauen müssen, oder ist es nicht unsere Aufgabe, den Bürgern die Freiheit ihrer Entscheidung zu lassen, die sie treffen wollen?
Ich kann nur sagen: Diese Debatte hat wie selten eine Debatte gezeigt, welches in diesem Haus die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der CDU und der FDP/DVP und welches die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der SPD und der Grünen sind.
Ich kann nur sagen: Wir wollen die Menschen nicht bevormunden, sondern wir wollen ihnen Freiheit bei ihren Entscheidungen lassen.
Wir wollen, gerade weil es an Wirtschaftswachstum und an Arbeitsplätzen fehlt, alle Investitionen begünstigen: die Investitionen der Wirtschaft und die Investitionen der Bürger. Denn Investitionen sind genau das, was wir brauchen. Sie sind das Arbeitnehmerfreundlichste, was man sich vorstellen kann,
Ich habe manchmal den Verdacht, Herr Ministerpräsident, dass Sie diese Debatte so in die Länge ziehen, damit wir heute nicht mehr zum Tagesordnungspunkt 2 kommen.
Wir haben deutlich gemacht, dass sich der Bund sowohl beim Abriss als auch bei der Eigenheimzulage, die BadenWürttemberg zugute kommt, engagieren muss, weil wir hier zurzeit und wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren jährlich noch 40 000 bis 50 000 Neubauten brauchen.
(Abg. Oettinger CDU: Was macht Frau Vogt? Was macht die Kollegin Vogt? – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Wo steht Ihre Landesvorsitzende?)
Das nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Ich kann nur immer sagen: Sie stellen hier falsche Behauptungen auf. Ich sage noch einmal: Ich finde es fatal, was Sie hier tun. Ein Ministerpräsident, der das eigene Landeswohnungsbauprogramm in den letzten Jahren um 92 % gekürzt hat, stellt sich hier hin und riskiert eine große Lippe.
Das ist ungeheuerlich. Sprechen Sie doch einmal über Ihr Landeswohnungsbauprogramm. Reden Sie doch nicht über Berlin. Sie sind doch Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Sagen Sie, was Sie gemacht haben. – Wie lange, das werden wir ja dann noch sehen. – Aber auf jeden Fall: Was haben Sie denn gemacht? Sie haben systematisch den Wohnungsbau in Baden-Württemberg um über 92 % reduziert. Das ist die Tatsache. Diese muss man noch einmal sagen.
Jetzt zur Steuer. Herr Ministerpräsident, da haben Sie uns ja eine Steilvorlage gegeben. Nach Ihrer Berechnung, der Berechnung von Herrn Kirchhof, bekommt eine Familie mit zwei Kindern mit 34 000 € Einkommen eine Steuerfreiheit,
und für den Betrag ab 34 000 € bis zu den nächsten Tausendern gilt ein Steuersatz von 15 %. Jetzt sage ich Ihnen – ich habe mich vorhin um 1 000 € verschätzt –: Ab 1. Januar 2005 ist eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttogehalt von genau 37 540 € jährlich
zwei Kinder wie bei der Rechnung des Herrn Ministerpräsidenten – steuerfrei, während sie bei Ihrem Vorschlag ab 34 000 € Steuern bezahlt. Worin besteht denn dann für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Vorteil?