Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

zwei Kinder wie bei der Rechnung des Herrn Ministerpräsidenten – steuerfrei, während sie bei Ihrem Vorschlag ab 34 000 € Steuern bezahlt. Worin besteht denn dann für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Vorteil?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Deswegen brauchen Sie die 60 Milliarden € und die Besteuerung der kleinen Leute ab 34 000 € nicht, um irgendetwas zu verbreitern, sondern um den Spitzensteuersatz von 42 % auf 25 % zu reduzieren. Genau dafür brauchen Sie die Eigenheimzulage.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das haben Sie selber vorhin hier erklärt. Besser könnte ich es nicht machen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Wollen Sie Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit?)

Im Übrigen sollte die CDU einmal zur Kenntnis nehmen, dass ab 1. Januar 2005 jeder vierte deutsche Steuerpflichtige keine Steuern mehr zahlt. Deswegen haben wir ja Steuerausfälle in Baden-Württemberg.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Herr Zimmermann, beißen Sie nicht ins Mikrofon! Rechnen Sie nach. So ist das.

(Unruhe – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Sie können es auch nachlesen. Auf jeden Fall ist das die größte Steuerreform – egal, was Sie dazwischenbrüllen –, die es jemals gab.

Jetzt frage ich mich: Wo wollen Sie denn noch Steuern senken außer beim Spitzensteuersatz? Da sage ich: Das halten wir in unseren Haushalten nicht aus, Herr Ministerpräsident. Der Finanzminister ist ja heute nicht da.

(Abg. Schmiedel SPD: Wohlweislich!)

Er hat sich entschuldigt; das ist okay. Er befindet sich nicht auf der Flucht. Auf jeden Fall ist er nicht da. Ich sage noch einmal: Er hat uns hier bestätigt, was die Bund- und Länderbeamten mitgerechnet haben. Es wird in den nächsten Jahren, bis der Ausgleich mit den Streichungen, wie Sie gesagt haben, kommen wird, 95 Milliarden € Steuerausfälle geben. Da gibt es keinen Finanzminister der Länder und auch nicht den des Bundes, der sagen kann: Das können wir verkraften. Deswegen: Stampfen Sie diese Pläne ein! Ich will ja gar nicht von der Kopfprämie reden, die Sie dann auch noch über die Steuern finanzieren wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Darauf will ich gar nicht eingehen. Einigen Sie sich da einmal. Aber wenn Sie sich hier hinstellen und erzählen, Sie hätten die tollsten Beglückungen für die Bevölkerung, dann sage ich Ihnen: Für die Großen haben Sie sie, aber nicht für die kleinen Leute. Für die haben wir die Beglückungen jetzt schon gemacht.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Ab- geordneten der Grünen – Abg. Hofer FDP/DVP: Jetzt sind die Häuslesbauer zufrieden! Jetzt haben Sie es ihnen erklärt!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, unsere These zur Eigenheimzulage heißt: Mit ihr gehen insbesondere Mitnahmeeffekte für nicht gerade den ärmsten Teil der Bevölkerung einher. Das war, glaube ich, eine Formulierung von Ihnen, Herr Hofer. Das lehnen wir ab.

(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Einkommensgrenzen!)

Ich kann Ihnen das belegen. Die Eigenheimzulage macht größenordnungsmäßig etwa 10 % beim Bau eines Hauses aus. Wenn Sie die Wohnraumentwicklung betrachten, stellen Sie fest, dass wir pro Person jedes Jahr durchschnittlich etwa einen halben Quadratmeter Wohnraum hinzubekommen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Das heißt: Seit 20 Jahren steigt der Preis für die durchschnittliche Wohnfläche pro Person, den sich diese Person leistet, etwa um den Betrag, den die Eigenheimzulage ausmacht. Das ist genau der Punkt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wie groß ist denn Ihre Wohnung?)

So etwas muss der Staat nicht subventionieren. Wir können doch nicht behaupten, dass die Leute 1980 auf Bäumen, in Höhlen oder in Zelten gewohnt haben – diesen Eindruck haben Sie ja erweckt –;

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

die wohnten vielmehr in Wohnungen mit Standards, die ein normales Wohnen zuließen. Jeder, der ehrlich ist und sich nicht in die Tasche lügt und insbesondere auf dem Land durch Neubaugebiete geht, stellt fest, dass das, was ich sage, richtig ist und dass die Tendenz zu immer größerem Wohnraum geht, obwohl die Zahl der Singlehaushalte ständig zunimmt. Das ist eine Tatsache.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Man verreist heute auch mehr als früher!)

Ich sage das ja immer unter einer bestimmten Bedingung. Deswegen kann der Staat unter der Bedingung knapper Haushalte und der Erwartung, dass es nicht wieder grundlegend besser wird, so etwas nicht mehr fördern. Darum geht es. Ich kritisiere ja nicht, dass man das in der Vergangenheit gemacht hat, sondern ich kritisiere, dass Sie das in der Situation, die wir heute haben, weiterführen wollen.

Zweitens: Angesichts dessen, was Sie, Herr Ministerpräsident, über Ost und West gesagt haben, können Sie mich nur missverstanden haben – sonst fände ich es ungeheuer, was Sie da gesagt haben.

Es kann doch nicht Aufgabe einer Bundesregierung sein, die Ungleichheiten zwischen den alten und den neuen Bundesländern noch zu verstärken. Es kann doch nicht ein Ziel sein, die Wanderungsbewegungen aus dem Osten in den Südwesten, die erfolgen, weil die Leute hier bessere Aussichten auf Arbeitsplätze haben,

(Abg. Alfred Haas CDU: Hört, hört!)

noch staatlich zu unterstützen. Wenn die Leute aus dem Osten abwandern wollen, können wir sie nicht daran hindern. Der Nationalstaat – also die Bundesregierung – muss aber doch darauf achten, dass nicht noch Instrumente geschaffen werden, die die Abwanderung fördern, indem dort, wohin der Wanderungsdruck wegen der Arbeitsplätze entsteht, auch noch Wohnraum subventioniert wird, sodass die Menschen vollends aus dem Osten abwandern.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das sind doch auch Ar- beitnehmer!)

Das ist doch eine völlig aberwitzige Strategie. Niemand, der Verantwortung für ganz Deutschland und nicht nur für Baden-Württemberg trägt, darf so etwas machen. Das können Sie doch nicht ernsthaft behaupten. Jeder weiß – ob es um die Ansiedlung eines Betriebs geht oder um die Frage, ob ein Student in Leipzig oder in Heidelberg studiert –, dass es ein ganz entscheidendes Argument ist, welchen Preis jemand für seine Wohnung bezahlen muss. Das ist fast der einzige Standortvorteil, den die östlichen Bundesländer haben: Sie können den Leuten, die dort hinkommen, wirklich sehr preiswerten, billigen Wohnraum anbieten. Anders kommen wir doch nie in die Situation, dass sich dort einmal Betriebe ansiedeln, dass dort Arbeitsplätze entstehen, dass dort Leute studieren und diese Länder nicht ausbluten. Das können Sie doch gar nicht widerlegen.

Bei einer solchen Situation die mit der Gießkanne gewährte Eigenheimzulage abzuschaffen, ist also ein Gebot der praktischen Vernunft.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hofer FDP/DVP: Nein! Das sind ja Sandkastenspiele!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine verehrten Damen, meine Herren! Es sind ja Unterschiede zwischen Rot und Grün im Raum.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gott sei Dank!)

Die Grünen sind konsequent falsch und wollen auf null streichen, und die SPD Baden-Württembergs ist machtlos und unterliegt einer Illusion.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Sie sprechen hier von einer regionalen Eigenheimzulage für Baden-Württemberg, und Frau Vogt hockt in der Bundesregierung, die sie parallel in Berlin streicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Capezzuto SPD: Sie sitzt!)

Das heißt, wir haben doch eindeutig gemeinsam den sinnvollen Umbau vor.

(Abg. Gaßmann SPD: Sie wollen den Abbau! Sie wollen ab der nächsten Wahl streichen!)

Der Umbau kann so vor sich gehen, dass man sagt: Gebt den Ländern die Mittel, damit sie entscheiden können, was treffsicher und sinnvoll ist.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gut!)

Wenn uns der Bund die Mittel aus dem Bundeshaushalt gibt, beraten wir hier über die Eigenheimzulage BadenWürttembergs und können Mitnahmeeffekte streichen, aber die Eigenheimzulage treffsicher beibehalten. Dann kann der Osten machen, was er will. Aber die Bundesregierung, die Sie tragen, will mit der Streichung nur Haushaltslöcher stopfen und hat Regionales und Föderales überhaupt nicht im Sinn.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Capezzuto SPD: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Abg. Drexler SPD: Die wollen Sie doch auch streichen!)

Kollege Drexler, ich habe doch vor Ihren Bemühungen vollen Respekt. Sie waren vor einem Jahr nicht erfolglos. Sie waren auch jetzt aktiv. Aber das Ganze ist doch fünf vor zwölf.