Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir diese kleinen Amtsgerichte – mindestens 40 an der Zahl, nämlich all die
jenigen Amtsgerichte, die weniger als drei Richterstellen auszuweisen haben – zusammenfassen müssen.
(Beifall des Abg. Kretschmann GRÜNE – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Was heißt zusammenfas- sen? Schließen?)
Meines Erachtens ist es Aufgabe des Justizministers, darzutun, an welchen Standorten die dann frei werdenden Richterstellen angesiedelt werden können.
Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, im Übrigen in Anlehnung an die vom scheidenden Herrn Ministerpräsidenten initiierte Verwaltungsstrukturreform, bei der das Ganze auf 44 Stadt- und Landkreise heruntergebrochen wurde. Dies war eine Maßgabe für unseren Vorschlag, pro Landkreis und Stadtkreis ein Amtsgericht vorzuhalten. Über diesen Vorschlag lässt sich diskutieren. Das ist quasi ein Zentrum des Reformvorhabens über Standortmaßnahmen und der Reformvorhaben im Bereich der Justiz hier im Land.
Weitere Vorschläge will ich jetzt nicht erwähnen, weil meine Redezeit nicht so umfassend ist wie die Redezeit, die nachher der Minister zur Verfügung hat. Ich wollte damit aber einfach für unsere Fraktion deutlich gemacht haben, Herr Justizminister, dass der Kernbereich der Justiz nicht immer außen vor bleiben kann und Sie sich nicht nur in Berlin um so genannte große Justizreformen kümmern sollten. Es wäre wichtig, dass Sie als Landesjustizminister sich auch hier im Land um Änderungen und Reformen der Strukturen kümmern. Das wäre Ihr Job, und den sollten Sie tun.
(Beifall der Abg. Kretschmann GRÜNE und Gus- tav-Adolf Haas SPD – Abg. Seimetz CDU: Einsa- mer Beifall des Abg. Kretschmann! – Abg. Blenke CDU: Der Gustav-Adolf hat euch ausgeholfen!)
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es in der Aktuellen Debatte eine zweite Runde gibt. Wenn sich die Regierung an die für die Fraktionen vorgegebenen Redezeiten hält, dann wird es in der Redezeit einen Gleichstand geben.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das wäre das erste Mal im Land Baden-Württemberg! – Abg. Drexler SPD: Das wäre eine Sensation! Das wäre schon eine Revolution, wenn sich diese Regierung an eine Zeit halten würde, egal, an welche! – Oh-Rufe von der CDU)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, die heutige Aktuelle Debatte findet unter zwei Gesichtspunkten zu einem geeigneten Zeitpunkt statt, um über das Thema Justizreform zu sprechen. Zum einen können wir eine erste Bewertung der Schritte vornehmen, die wir im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg auf den Weg gebracht haben. Sie wissen, Ministerpräsident Teufel hat im Frühjahr vergangenen Jahres die damalige Justizministerin beauftragt, im Zuge der großen Verwaltungsreform entsprechende Vorschläge für die Justiz zu er
arbeiten – Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen im November letzten Jahres und Umsetzung im Verwaltungsstruktur-Reformgesetz. Da können wir eine erste Bewertung vornehmen.
Zweitens haben wir das Eckpunktepapier, das die Justizminister am 25. November in Berlin verabschiedet haben.
Zunächst einmal können wir die Feststellung treffen, dass wir mit der Justizreform in Baden-Württemberg zeitlich gut liegen, dass wir sie im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht haben. Wir freuen uns – Herr Kollege Theurer ist kurz darauf eingegangen –, dass wir in diesem Eckpunktepapier inhaltlich Rückendeckung vor allem auch in den Diskussionen bekommen haben, etwa beim Thema „Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens“, aber auch bei der Zusammenlegung von Fachgerichtsbarkeiten, insbesondere der Sozial- und der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Wenn man also in eine vertiefte, weiter gehende Diskussion der Justizreform einsteigt, dann könnte man einwenden – und es ist wichtig, dass das hier zum Ausdruck kommt –: Aber die Justiz in Baden-Württemberg arbeitet doch gut. Ich denke, Kollege Theurer, Kollege Oelmayer, Kollege Stickelberger, das können wir der baden-württembergischen Justiz wirklich bestätigen. Wir haben den geringsten Anteil an Richtern, bezogen auf die Bevölkerung, und in der Regel die kürzeste Verfahrensdauer.
Das wäre also nicht der Anlass; das wollen wir einfach feststellen. Aber es gibt objektive Entwicklungen, die eben auch dazu zwingen, darüber hinauszugehen, auch wenn unsere Justiz gut arbeitet. Das ist zum einen die zunehmende Zahl an Prozessen, das ist zum anderen die nicht unbeträchtliche Zahl an Gesetzen, die in den vergangenen 10 bis 20 Jahren eher zu- als abgenommen hat. Wir haben einen starken EU-Bezug,
müssen EU-Regelungen auf die Basis umsetzen. Das macht einfach viel mehr Arbeit, und das zwingt dazu – das ist ein Kern des Eckpunktepapiers –, das Thema Instanzenzug, Rechtsmittelinstanzen im Rahmen dieser Justizreform anzugehen.
Was nutzt es – um ein Beispiel zu nennen –, wenn ein Unternehmer bei einem Schuldner unstreitig eine Forderung hat, aber zwei Jahre auf sein Geld warten muss, weil dieser Schuldner bewusst die Rechtsmittelinstanzen ausschöpft, vielleicht auch, weil er sich dadurch faktisch einen Kredit einräumen kann? Es gibt viele Beispiele mehr. Es ist ein zentraler Ansatz der Justizreform – wir haben einen gewachsenen Instanzenzug –, hier anzusetzen, allerdings mit der notwendigen Sorgfalt. Es darf nicht so sein, dass dann, wenn wir auf zwei Instanzen gehen, die erste Instanz so auf
gebläht wird, dass sich unter dem Strich letztlich kein Effekt einstellt. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, der in die Diskussion eingebracht wird.
Deswegen begrüßt die CDU-Fraktion diese Entwicklung. Wir danken dem Justizminister, dass er zu denjenigen gehört, die dieses Reformprojekt gerade im Rahmen des Eckpunktepapiers voranbringen, dass er an der Spitze aktiv ist. Wir bitten alle Fraktionen im Hause, konstruktiv an diesem Prozess mitzuarbeiten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Theurer, Sie haben die Vorreiterrolle der FDP bei der Reformdiskussion im Justizbereich erwähnt. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie im letzten Jahr in der Koalition von dieser Vorreiterrolle mehr Gebrauch gemacht hätten.
Der Kollege Oelmayer hat es beschrieben. Der Berg kreißte und gebar damals nur eine Maus. Dafür kann der jetzige Justizminister nichts; das fällt in den Verantwortungsbereich seiner Vorgängerin. Aber das geht bei Ihnen mitunter so schnell, dass man leicht einmal ins Trudeln kommt.
Ich hätte mir auch gewünscht, Herr Theurer, das Sie die Aktuelle Debatte zum Anlass genommen hätten, auf aktuelle Ereignisse in Baden-Württemberg einzugehen, nämlich Probleme, die in Baden-Württemberg entstanden sind, auch hier zu lösen, zum Beispiel, Herr Minister, die Überbelegung unserer Gefängnisse anzugehen, für ausreichend Haftplätze zu sorgen, die Sicherheit in unseren Gefängnissen zu erhöhen – ein dringendes Problem, das die Bürger in unserem Land beschäftigt.
Ich lasse mich da nicht auf die Fährte führen: Das sind ja nur einige Einzelfälle. Sie haben jetzt sogar einen staatlichen Aufpasser nach Mannheim geschickt, um den Gefängnisleiter an die Kandare zu nehmen, damit dort die Sicherheit wieder hergestellt wird.
Es gäbe also in Baden-Württemberg an sich genug Aktuelles zu leisten. Da, Herr Minister, sind Sie in der Pflicht. Natürlich ist es schön, in Berlin Initiativen zu diskutieren und Eckpunktepapiere zu verabschieden.
Da besteht nun dringender Handlungsbedarf. Wir sind gespannt, wie Ihre Vorschläge dazu bei der gesonderten Debatte, die wir noch führen, sind.
Zwei Themen wurden angesprochen. Das erste Thema war die Deregulierung in der Gerichtsverfassung und im Prozessrecht, Herr Theurer, Herr Kollege Dr. Schüle. Man kann durchaus darüber diskutieren, ob man die erste Instanz als reine Tatsacheninstanz gestaltet und sich mit einer weiteren Instanz begnügt. Eine solche Gestaltung würde sicher der Verfahrensökonomie dienen. Gleichwohl sollten wir uns davor hüten – auch das ist angeklungen –, „Justizgewährung nach Kassenlage“ zu machen. Es kann nicht angehen, rechtspolitische Initiativen nur unter dem Gesichtspunkt der Finanzen zu diskutieren. Hier stehen sehr gewichtige Rechtsgüter auf dem Spiel, und ihnen müssen wir Rechnung tragen.
Aber natürlich sollte man schon überlegen, wie man die Erstinstanz dann ausgestaltet. Man muss aufpassen – das ist angeklungen; Herr Dr. Schüle, ich bin Ihnen für den Hinweis dankbar –, dass man die Erstinstanz nicht überfrachtet. Andernfalls würde der Entlastungseffekt, den man sich davon verspricht, möglicherweise nicht eintreten. Die Rechte der Prozessbeteiligten, der Anwaltschaft müssen gewahrt sein. Die Diskussion über dieses Thema ist ja nicht neu.
Ob man im Strafrecht ein ähnliches Verfahren einschlagen kann, wird sich zeigen. Da wird man im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Anforderungen zu differenzierten Lösungen kommen müssen. Mit uns kann man darüber sprechen. Es handelt sich um ein Eckpunktepapier, das in die Diskussion gebracht wurde. Das ist okay. Wir sollten die Diskussion darüber auch hier im Land vertiefen.
Der zweite Punkt, der ja auch in Berlin sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist: Was kann man machen, um die Justiz von Aufgaben zu entlasten? Dazu muss ich Ihnen klar sagen: Wir sind skeptisch, ob man die Bewährungshilfe in der Form, wie Sie sie jetzt eingeleitet haben, organisieren kann, wonach ein österreichischer Verein oder eine österreichische Firma Bewährungshilfe in Baden-Württemberg betreibt. Wir sind erst recht dagegen, wenn es um die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens geht. Die Gerichtsvollziehertätigkeit ist eine Kernaufgabe des Staates und gehört nicht in private Hände.
Herr Minister, nicht umsonst hat Ihr nordrhein-westfälischer Kollege eine sehr plakative Formulierung gewählt: Wir wollen in diesem Bereich keine schwarzen Sheriffs.
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Rote wollen wir auch nicht! – Gegenruf des Abg. Oelmayer GRÜNE: Gelbe schon gar nicht!)
In Bezug auf die Notariatsreform – auch dazu gibt es Privatisierungsvorstellungen, die von der FDP ausgingen und die schließlich ihren Niederschlag in der schon zitierten Koalitionsvereinbarung gefunden haben – frage ich Sie: Wie geht es weiter? Sie haben die Diskussion zwar angestoßen, aber sie ist nicht beendet. Der Bundesrat hat noch nicht entschieden. Das Thema steht auch nicht auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Vermittlungsausschusses. Es bleibt abzuwarten, ob diese Vorstellungen in Berlin überhaupt so durchgehen. Das heißt, Sie haben bisher keine tragfähige Rechtsgrundlage für eine Privatisierung des Notariatswesens im badischen Landesteil. Gleichwohl wissen Sie, dass am 1. Januar 2005 das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz in Kraft tritt, in dem diese Privatisierung in dem einschlägigen Artikel vorgesehen ist. Die bundesgesetzliche Ermächtigung hierzu fehlt. Wir haben deshalb einen Antrag auf den Tisch gelegt, durch den die Landesregierung aufgefordert werden soll, diesen Artikel per Gesetz wieder zu streichen, weil Ihnen die bundesrechtliche Grundlage für die Privatisierung fehlt.
Wir fordern Sie in diesem Zusammenhang auf: Sorgen Sie zunächst insoweit für ordnungsgemäße Zustände, und konzentrieren Sie sich vor allem auf die Aufgaben, die in Baden-Württemberg anstehen.