Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ursula Hauß- mann SPD)

Nächster Punkt: Aufgabenkritik in der gesamten Wirtschaftsförderung. Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg muss wettbewerbsfähig bleiben. Das ist die Grundlage auch für das Steueraufkommen und für die Aufgabenerfüllung durch das Land. Nur meinen wir, dass sich die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit in zwei verschiedenen volkswirtschaftlichen Ebenen entscheidet: In der einen, bezogen auf das einzelne Unternehmen, geht es um den wettbewerblichen und in der anderen, der staatlichen Ebene, um den vorwettbewerblichen Bereich. Zum ersten Bereich gehören Verkauf, Marketing, Produktentwicklung zur Serienreife, alles, was mit Produktion und Verkauf zu tun hat. Zum zweiten Bereich gehören Grundlagenforschung, Bildung, Qualifizierung, kurz gesagt: Schulen, Hochschulen, Forschung, lebenslanges Lernen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja! So ist es auch richtig!)

Wir sind der Ansicht, dass sich der Staat aus dem ersten Bereich zurückziehen muss, und wir sind der Auffassung, dass wir unsere Anstrengungen im zweiten Bereich, nämlich der Bildung, deutlich verstärken müssen.

Herr Baumann, der Präsident der IHK Stuttgart, hat es dieser Tage deutlich gesagt. Ich zitiere wörtlich:

Die Unternehmen erwarten von der Politik neue Ansätze zur individuellen Förderung der Schüler und zur Lehrerweiterbildung.

Das kann ich nur unterstreichen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja, also!)

Wir sollten uns ernsthaft die Frage stellen, ob nicht im Interesse einer verbesserten Effizienz der Wirtschaftsförderung im gerade genannten Sinn das Wirtschaftsministerium aufgelöst werden sollte. Sein Etat umfasst gerade noch ein Fünfundsechzigstel des Landeshaushalts.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Wie bitte? – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Es gibt aber noch kleinere Ministerien! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Das Landwirtschaftsministerium!)

Es ist völlig absurd, dafür ein eigenes Ministerium zu haben. Die Wirtschaftsförderung ist bei der L-Bank in guten und besten Händen, und das, was man bei Betriebsjubiläen machen muss – Reden hören, Kontakte im Ausland knüpfen und Ähnliches –, könnte ein ehrenamtlich tätiger Staatsrat aus der Wirtschaft genauso gut machen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Aber nicht so ein Staatsrat mit Äpfeln! – Abg. Schmid SPD: Das macht Herr Döring nebenbei! – Heiter- keit bei der SPD)

Es gibt aber auch große Posten: Der Landesanteil von 250 Millionen € auf einen Schlag für den Bau der neuen Messe ist die zehntgrößte Subvention des Landes Baden-Württemberg. Messen zu bauen gehört nicht zu den Kernaufgaben des Landes, und was wir im deutschen Messewesen haben, ist ein ruinöser Subventionswettlauf: immer größer, immer teurer.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Der Industrieökonom Robert von Weizsäcker hat kürzlich in einem Beitrag in der FAZ die Fakten benannt:

Seit 1998 ist die vermietete Ausstellungsfläche in Deutschland um 6 % zurückgegangen. Gleichzeitig wurden die Hallenkapazitäten um 13 % ausgebaut. Im Jahr 2002 wurden in Deutschland 109 Messen angekündigt. Jede fünfte wurde schon vor Beginn wieder abgesagt.

Ich sage Ihnen: Wir werden unter enormen Druck kommen und noch mehr als bisher die Defizite und Folgekosten zu tragen haben. Die Schuldzinsen haben wir schon. Das Gleiche gilt übrigens für die Stadt Stuttgart. Sie tragen dafür die Verantwortung, dass Sie ein neues Subventionsloch mit diesen Folgekosten aufmachen, das die zukünftigen Haushalte wieder enorm belasten wird.

(Beifall bei den Grünen)

Ich komme aus aktuellem Anlass zum Thema Energiepolitik.

(Abg. Drexler SPD: Oje!)

Wir haben die betreffenden Fragen mit den OEW ja schon diskutiert. Ich stelle an Sie als Vertreter der Union jetzt einfach die Frage: Wollen wir eine Energiepolitik in diesem Land machen, die sich um die Monopole kümmert – um die vier Monopolunternehmen, von denen eines die EnBW ist; wir wissen, dass die Erwartungen, die wir in Bezug auf einen liberalisierten Strommarkt hatten, nicht erfüllt worden sind: die EnBW erhöht wieder die Preise –, wollen wir uns um die Monopole kümmern – hier geht es schließlich um sehr viel Geld, um Beträge von einer halben Milliarde –, oder wollen wir ein strategisches Bündnis mit unseren Städten und Gemeinden schließen, mit ihren Stadtwerken und dem Mittelstand? Das ist die Entscheidung, um die es hier geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wollen wir Geld in die EnBW stecken – Herr Ministerpräsident, Sie haben ja hier treffend gesagt: „Was weg ist, ist weg“ –, machen wir weiter diese Luftnummer, oder gehen wir in das strategische Bündnis mit den Kommunen? Was meint Oettinger dazu?

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Es gibt hervorragende Beispiele für eine dezentrale mittelständische Energiewirtschaft, etwa das der Stadtwerke Schwäbisch Hall, die heute über 50 % des Stroms und der Wärme, die in der Stadt verbraucht werden, aus zehn KraftWärme-Kopplungsanlagen liefern. In Baden-Württemberg gibt es fast 80 Städte dieser Größenordnung, dazu kommen die Großstädte. Was wir brauchen, ist eine strategische Kooperation mit den Kommunen und ihren Stadtwerken, um eine kommunale und mittelständische Energieversorgung aufzubauen.

(Beifall bei den Grünen)

Die Stadtwerke Schwäbisch Hall haben übrigens der EnBW angeboten, auf dem Gelände in Obrigheim ein GuD-Kraftwerk mit einer Leistung von 400 Megawatt zu errichten. Die EnBW hat das abgelehnt –

(Abg. Sakellariou SPD: Unglaublich!)

so viel zum Erhalt des Energiestandorts Baden-Württemberg mit der Politik, die Sie gemacht haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Darum, Herr Oettinger,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Der ist doch immer noch nicht da!)

müssen wir uns kümmern und nicht um die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Wir müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine kommunale mittelständische Energieversorgung verbessern, etwa beim Anschluss- und Benutzungszwang für die Kommunen. Das kostet kein Geld. Dazu müssen wir nur die Gemeindeordnung ändern, damit eine solche Versorgung den Kommunen auch dann möglich ist, wenn sie von überörtlichem Interesse ist – und das trifft ja auf den Klimaschutz nun wirklich zu.

(Beifall bei den Grünen)

Ich komme zu weiteren Strukturänderungen und möchte einmal drei Modernisierungslücken nennen. Bayern hat durch frühzeitigen Personalabbau und dadurch, dass es die Einnahmen aus Barverkäufen in die Schuldentilgung gesteckt hat, heute lediglich eine halb so hohe Pro-Kopf-Verschuldung wie Baden-Württemberg. Das geht – Stichwort Landesstiftung – noch einmal an Ihre Adresse.

Ein anderes Beispiel: Das Land Schleswig-Holstein hat die Kulturförderung konzeptionell neu geordnet. Dort wird nicht mehr mit der Gießkanne gearbeitet, sondern es gibt ganz klare Schwerpunktsetzungen. Darauf warten wir hier seit langem.

(Beifall bei den Grünen)

Auch da ist ein Neustart überfällig, Herr Oettinger.

Das Land Hessen ist uns bei bestimmten Reformvorhaben in der Verwaltung gute fünf Jahre voraus. Ich nenne das Stichwort „Reform der Hochbauverwaltung“. In diesem Bereich hat Hessen 20 % der Stellen eingespart. Auf BadenWürttemberg übertragen wären das fast 500 Stellen. Sie haben es letzte Woche im Plenum abgelehnt, dass auch der neue Landesbetrieb „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ eine Effizienzrendite von 20 % erbringen muss, wie Sie sie den Kommunen im Rahmen des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes aufs Auge gedrückt haben. So machen Sie Politik, um den Haushalt zu sanieren. Ihre Devise ist: einfach weggucken und weitermachen wie bisher. Sie trauen es sich nicht zu, die Effizienzrendite, die Sie anderen zumuten, in der eigenen Verwaltung zu erbringen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Drexler SPD – Abg. Hauk CDU: Das ist doch gar nicht wahr! Herr Kretschmann, in den letzten zehn Jahren ha- ben wir doch bereits 20 % erbracht! Das haben wir doch schon!)

So ist es haargenau: Sie haben unseren Antrag abgelehnt.

Was natürlich nicht geht, ist, durch Haushaltskürzungen nach dem Rasenmäherprinzip Strukturen zu zerschlagen, so, wie Sie es dauernd machen.

(Abg. Drexler SPD: 8 000 €!)

Mit Kürzungen von Klein- und Kleinstbeträgen wird die Arbeitsfähigkeit von Initiativen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern gefährdet. Was Sie hier machen, ist doch angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel vollkommen verantwortungslos. Wir brauchen Werte für den Werktag und nicht nur Werte für den Feiertag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es hat doch keinen Sinn, ständig das Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu loben, gleichzeitig aber mit jedem neuen Haushalt die Grundfinanzierung um weitere 10 % zu kürzen – so lange, bis die Strukturen kaputtgehen. Ein Beispiel ist der Landesfrauenrat, wo Sie durch Kürzungen von Kleinstbeträgen in der Größenordnung von 8 500 € – das muss man sich einmal vorstellen – eine ehrenamtliche Struktur kaputtmachen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Abwarten! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Warum machen Sie es denn erst?)

Ähnliches haben wir bei Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich, und die Schulsozialarbeit ist davon ganz zentral betroffen.

Bei der Streichung der Förderung der Übungsleiter der Sportvereine müssen Sie jetzt schon zurückrudern.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Warten Sie doch mal ab! – Abg. Drexler SPD: Rudern gehört auch zum Sport!)

Ich sage Ihnen: Da stimmen die Strukturen nicht. Warum stimmen sie nicht? Sie kürzen bei Institutionen und Projek