sondern die gesellschaftlichen Realitäten zur Kenntnis nehmen und sich schon jetzt und nicht erst in der Zukunft für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen.
Das hat nichts mit Schnellschüssen zu tun. Das hat vielmehr etwas damit zu tun, dass Familienpolitik nicht als Zukunftswerkstatt abgearbeitet werden darf.
Der designierte Ministerpräsident Oettinger hat sich auf die Fahnen geschrieben, nicht nur die Kindergartenpflicht einzuführen, sondern auch die Kleinkindbetreuung im Land voranzubringen. Aber wie das gehen soll, hat er nicht verraten.
Glauben Sie allen Ernstes, dass er mit 7 Millionen € an Landesmitteln den Kommunen dabei weiterhelfen kann, ein annähernd bedarfsgerechtes Angebot an Kleinkindbetreuung zu schaffen? Nein. Selbst der Kollege Noll glaubt das nicht.
All diejenigen, die sich für eine Verbesserung der Kleinkindbetreuung aussprechen, aber bisher nicht aufgezeigt haben, wie das finanziert werden soll, fordere ich auf, unserem Antrag zur stufenweisen Umwidmung des Landeserziehungsgelds zugunsten der Kleinkindbetreuung zuzustimmen.
Danke schön. – 7 Millionen € sind zu wenig für den Ausbau der Kleinkindbetreuung. Deshalb brauchen wir dringend Geld, das wir für die Kleinkindbetreuung ausgeben. Wir möchten das Landeserziehungsgeld stufenweise umwidmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute gehört, das würde alles nicht gehen. Das halte ich für Humbug. Denn es ist ganz klar, dass die von Verpflichtungsermächtigungen freien Mittel aus dem Landeserziehungsgeld umgewidmet werden können. Wenn man dies will, kann man es machen. Wenn der politische Wille nicht da ist, geht es natürlich nicht. Wie viele Landesprogramme sind kurzfristig schon gestoppt worden? Ich glaube also, es handelt sich vielmehr um eine Frage des Wollens.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu dem Argument, das wir von der Kollegin Wonnay und vom Kollegen Haas
gehört haben, die Streichung treffe die Ärmsten. Das Landeserziehungsgeld ist nie, aber auch gar nie als Einkommensersatz für einkommensschwache Menschen gedacht gewesen.
Auch sozial schwache Familien werden von Kinderbetreuungseinrichtungen profitieren, weil sie dann überhaupt die Möglichkeit zu einem angemessenen Zusatzerwerb haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der DGB, der bekanntermaßen ja die sozial schwachen Familien im Auge hat, und übrigens auch der Landesfrauenrat befürworten eine Umwidmung der Gelder.
Noch eine Bemerkung zum Gerechtigkeitsbegriff. Ich meine, unser Gerechtigkeitsbegriff umfasst mehr als Verteilungsgerechtigkeit. Er hat etwas mit Teilhabe und Chancengleichheit zu tun.
Ich fordere vor allem auch die Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP auf, unserem Antrag zuzustimmen – hat doch Ihr Spitzenkandidat, Dr. Ulrich Goll, noch am selben Tag, an dem auch die FDP/DVP unseren Antrag im Finanzausschuss abgelehnt hat, in der Presse verkündet, wir müssten Frauen eine echte Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf ermöglichen.
(Abg. Capezzuto SPD: Jetzet, Herr Goll! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da sind wir auch da- für!)
Für eine bessere Kinderbetreuung müsse das Landeserziehungsgeld umgewidmet werden. Das sagen Sie nicht zum ersten Mal, sondern seit Monaten und Jahren.
Wieso ist das dann ein Schnellschuss? Was wollen Sie denn? Jetzt hätten Sie die Möglichkeit, tatsächlich einmal das zu tun, von dem Sie immer reden. Dies wäre eine einmalige Chance.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie werden sehen, wir werden es hinkriegen! – Zurufe der Abg. Capezzu- to SPD und Heiderose Berroth FDP/DVP)
Ein Wort zur Kinderpolitik. Der zukünftige Ministerpräsident Oettinger scheint ein ausgewiesener Kinder- und Familienpolitiker zu sein. Ein Wort zur Kindergartenpflicht.
(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Alfred Haas CDU: Er hat wenigstens persön- liche Erfahrung! – Gegenruf der Abg. Ruth We- ckenmann SPD: Also, Herr Haas, tiefer geht es nicht mehr! – Abg. Capezzuto SPD: Setzen Sie sich erst einmal vernünftig hin, Herr Kollege Haas! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Die Analyse von Herrn Oettinger ist richtig. Man muss nur feststellen, dass es die falsche Antwort auf ein richtig beschriebenes Problem ist. Mangelnde Schulfähigkeit weisen nicht nur die Kinder auf, die nicht im Kindergarten waren, sondern vor allem die Kinder, die einen Kindergarten besucht haben.
Das heißt, eine Kindergartenpflicht bei gleich bleibend schlechten Bedingungen brächte überhaupt keine Verbesserung. Ein Zwangsaufenthalt hilft also den Kindern wenig, solange die Einrichtung nicht über eine ausreichende pädagogische Qualität verfügt. Das heißt, wir brauchen eine Verbesserung bei der Sprachförderung, zum Beispiel eine Sprachförderung ab dem ersten Tag, gut ausgebildete Erzieherinnen
und eine bessere Weiter- und Fortbildung für Erzieherinnen; das alles hat Herr Oettinger angesprochen. Was Herr Oettinger nicht angesprochen hat, ist die Finanzierung. Irgendein nettes „Projektle“ über die Landesstiftung anzubieten reicht nicht aus. Daher ist alles, was ich bisher vonseiten der CDU und von Herrn Oettinger gehört habe, nicht mehr als pure Effekthascherei – nichts anderes.
Ein weiterer Bereich, den ich ansprechen möchte, betrifft das Thema Frauenpolitik und die Kürzungen bei den Frauenhäusern. Ich habe mir gestern überlegt, ob es Frauenpolitik überhaupt noch gibt.
Ich habe in den letzten Monaten von der frauenpolitischen Seite überhaupt nichts gehört. Ich habe von unserer Sozialministerin zum Thema Frauenpolitik nicht ein Wort gehört. Ich habe auch von der Staatssekretärin schon lange nichts mehr gehört. Ich habe zum Bereich Frauenpolitik nur etwas über Kürzungen gehört, etwa bei den Kontaktstellen „Frau und Beruf“. Diese Kürzungen wurden jetzt zurückgenommen, aber die Kürzungen bei den Frauenhäusern sind geblieben.
Ich möchte jetzt nicht auf das Gleichstellungsgesetz zu sprechen kommen, auf das wir schon seit vier Jahren warten. Wir haben noch ein Jahr Zeit, dann ist die Legislaturperiode um. Vielleicht kriegt man dieses frauenpolitische Thema in dieser Legislaturperiode noch hin.
Heftig kritisieren möchte ich die vorgeschlagenen Kürzungen bei den Frauenhäusern. Im Jahre 2003 suchten 5 722 Frauen und Kinder in Baden-Württemberg Schutz in einem der 43 Frauenhäuser. Dies zeigt, dass der Bedarf an Frauenhausplätzen trotz des Platzverweisverfahrens, das wir ha
ben, unvermindert hoch ist. Die Landesregierung reduziert nun die Förderung der Investitionskosten um 20 % und die der laufenden Kosten der Frauenhäuser noch mehr. Sie wissen, dass es nach wie vor keine landesweit einheitliche Frauenhausfinanzierung gibt und dass die Kommunen zum Teil mit einer Verrechnung in Form von Tagessätzen und Einzelfallberechnungen beginnen. Das heißt, den Frauenhäusern geht die gesamte Planungssicherheit verloren. Das wird durch die vorgeschlagenen Kürzungen des Landes noch verstärkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns darin einig sind, dass Frauenhäuser eine gesellschaftliche Aufgabe sind, die auch vom Land so gesehen wird, dürfen wir nicht auf Kosten von Gewaltopfern sparen.