Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

Das Wort erhält Frau Abg. Haußmann.

Lieber Herr Kollege Hoffmann, zu Ihrem wortstarken, lautstarken Beitrag fällt mir nur ein: Da läuft sich einer warm und will sich als künftiger Sozialminister profilieren.

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Jesses Gott! Das ist aber schief gegangen! – Abg. Hauk CDU: Ihre Argumente waren auch schon bes- ser!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den Haushalt eingehe, ein paar Worte zur aktuellen Diskussion über die Einkommen der Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Wir leben ja in einer Zeit, in der Durchschnittsverdiener zum Teil empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Wir müssen zur Finanzierung des Gesundheitswesens die Zuzahlung und die Eigenbeteiligung der Patienten erheblich ausweiten. In einer solchen Zeit kann ich von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – und das ist die KV – erwarten, dass sie mit dem Thema Funktionärseinkünfte sehr sensibel umgeht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Von der zuständigen Sozialministerin erwarte ich mehr als das Verschanzen hinter formalen Rechtspositionen, Frau Gönner.

(Abg. Fleischer CDU: Über welches Geld reden Sie?)

Die Rolle der Sozialministerin in dieser Gehaltsaffäre kann nur mit den Worten beschrieben werden: „Halb zog man sie, halb sank sie hin.“ Selbst in der Ärzteschaft regt sich ja mittlerweile Protest, und zwar mehr Protest als im Sozialministerium.

(Abg. Fleischer CDU: Nur dort!)

Ich will dazu nur zitieren, was heute mehrere Ärzte in der „Bild“-Zeitung von sich geben.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Döpper CDU: Die lesen Sie also?)

Ich werde nachher auch noch ein anderes Presseorgan zitieren.

In der „Bild“-Zeitung von heute wird ein Arzt folgendermaßen zitiert:

Sich selbst so hohe Gehälter zu genehmigen ist unanständig.

(Abg. Fischer SPD: Jawohl!)

Und dass eine Sozialministerin nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, damit diese Gehälter verhindert werden, ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Bei der dpa ist nachzulesen:

Der Präsident des Patientenverbandes

Zimmermann –

in Marburg schäumt vor Wut über die „Raffkes“... Dem Sozialministerium wünscht Zimmermann mehr Mut. Sollte Frau Gönner vor einer Klage der KV eingeknickt sein, sei das nicht nachvollziehbar.

So der Präsident Zimmermann. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Ken- nen Sie eigentlich die Zuständigkeiten? – Abg. Al- fred Haas CDU: Wer ist denn zuständig?)

Nun zum Doppelhaushalt 2005/2006. Meine Damen und Herren, da setzt die Landesregierung ihren falschen und für dieses Land verhängnisvollen sozialpolitischen Kurs fort, sich aus der Förderung von sozialen Hilfs- und Beratungsangeboten immer weiter zurückzuziehen. Aktuelle Beispiele in diesem Haushalt sind die Kürzung der Fördermittel für Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger, die Streichung der Mittel für die Sonderpflegedienste und der komplette Ausstieg des Landes aus der Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen. Gerade noch einmal abgewendet werden konnte die konzeptionslose Rasenmäherkürzung der Förderung von Sozialverbänden, beim Landesfrauenrat und von Selbsthilfegruppen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die ist doch weg!)

Mit diesen Kürzungen – ich sage es noch einmal ganz klar – setzt die Landesregierung ihren Kahlschlag bei der Landesförderung unserer sozialen Infrastruktur weiter fort. Betroffen sind inzwischen nahezu alle Bereiche der sozialen Infrastruktur in Baden-Württemberg.

Trauriges aktuelles Beispiel ist der Ausstieg des Landes aus der Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen. Die Schulsozialarbeit – darauf weisen die Kommunen völlig zu Recht immer wieder hin – gehört zum Bildungsauftrag der Schule und muss deshalb weiter vom Land gefördert werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Nachzulesen ist dies auch in einem aktuellen Gutachten der Universität Tübingen, das vom Sozialministerium Baden

Württemberg in Auftrag gegeben worden ist, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.

Schulsozialarbeit ist häufig eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler überhaupt einen Schulabschluss erreichen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Deswegen haben wir es ja!)

Die Absicht der Landesregierung, die Förderung komplett einzustellen, ist nur ein erneutes Beispiel für die Politik dieser Landesregierung, Lasten immer wieder auf die Kommunen abzuwälzen. Sie stehlen sich damit auch aus Ihrer bildungspolitischen Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE – Abg. Capezzuto SPD: Unglaublich!)

Ein weiteres wichtiges Thema: Angesichts der anhaltenden Arbeitsmarktprobleme trägt auch das Land – Kollege Haas, Sie zeigen ja immer begeistert mit dem Finger auf Berlin – arbeitsmarktpolitische Verantwortung. Bereits seit längerem liegt der prozentuale Zuwachs der Langzeitarbeitslosigkeit im Land deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Und was tun Sie, statt dieses Problem offensiv anzugehen?

(Zurufe von der SPD: Nichts! – Abg. Alfred Haas CDU: Wir machen es, wenn Sie uns endlich sagen, wo wir das Geld herbekommen!)

Seit 1996 werden die Haushaltsmittel für arbeitsmarktpolitische Förderprogramme in diesem Land ständig gekürzt.

(Abg. Fleischer CDU: Dann dürft ihr keine so schlechte Politik in Berlin machen! Dann nehmen wir mehr ein!)

Ich will Ihnen eine Zahl nennen: Standen 1996 noch Haushaltsmittel in Höhe von 19,6 Millionen € zur Verfügung, ist im Haushalt 2005/06 davon gerade mal ein kümmerlicher Rest von 800 000 € übrig geblieben.

(Abg. Alfred Haas CDU: Aber damit ist ja das Pro- gramm nicht zu Ende!)

Ein weiteres Beispiel Ihrer Konzeptionslosigkeit sind die Kürzungen im Vorfeld und Umfeld der Pflege. Standen 1996 dafür im Landeshaushalt noch 10,5 Millionen € zur Verfügung, so sind es jetzt im Haushalt 2005 gerade noch 2,17 Millionen €, eine Kürzung um fast 80 %,

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

und das vor dem Hintergrund dieser ungeheuren demografischen Herausforderung, die wir in diesem Land haben. Das ist kurzsichtig und konzeptionslos, Kollege Haas.

(Beifall bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Nur noch zwei Sätze, Frau Präsidentin.

Eine der wichtigsten sozialpolitischen Infrastrukturaufgaben des Landes ist die Förderung des Krankenhausbaus.

Nachdem die Landesregierung im Haushaltsplanentwurf Kürzungen in der Größenordnung von rund 20 Millionen € vorgenommen hat, haben die Regierungsfraktionen noch schnell 10 Millionen € draufgesattelt.

(Zuruf des Abg. Döpper CDU – Glocke der Präsi- dentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hoffmann?

Nein. Ich habe keine Zeit mehr. Herr Kollege, ich möchte zum Ende kommen.