Protokoll der Sitzung vom 17.02.2005

Eine grundlegende Reform des Notariatswesens ist bisher ja bekanntlich an fiskalpolitischen Überlegungen gescheitert. Man glaubte, dass man auf die Gebühren im Landeshaushalt nicht verzichten könne.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Kann man!)

Nun könnte diesen Überlegungen ein europäischer Richterspruch einen Strich durch die Rechnung machen. Um Missverständnisse von vornherein zu vermeiden, meine Damen und Herren, weise ich darauf hin: Ich rede dies nicht herbei. Aus der Praxis meiner Arbeit als Oberbürgermeister weiß ich die Leistungsfähigkeit des württembergischen Amtsnotariats sehr wohl zu schätzen. Allerdings sollten wir, sollte es zu einem solchen europäischen Richterspruch kommen, dieser Situation nicht unvorbereitet gegenüberstehen.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion, meine Damen und Herren, bekennt sich zu einer bürgernahen Justiz. In einer Auflösung kleinerer Amtsgerichte, wie sie hier von einigen Abgeordneten und einigen Fraktionen immer wieder gefordert wird, können wir keinen Sinn erkennen, vor allem nicht haushaltspolitisch. Wenn man bedenkt, dass in Ländern, die eine zentrale Struktur haben, mehr Richterstellen erforderlich sind und die Verfahren länger dauern als in BadenWürttemberg, muss man sagen, dass dies kein Argument zur Abschaffung kleinerer Amtsgerichte sein kann. Eine dezentrale Struktur trägt im Gegenteil offensichtlich dazu bei, dass der Rechtsfrieden höher ist und dass hier effizienter, wirtschaftlicher gearbeitet wird. Deshalb wird die FDP/DVPLandtagsfraktion an dieser Struktur festhalten.

Meine Damen und Herren, ein unkalkulierbares Risiko für die Justiz und damit auch für den Haushalt in Baden-Württemberg – Herr Kollege Dr. Schüle hat es bereits angesprochen – stellt das Antidiskriminierungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung dar. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion ist,

wie wahrscheinlich alle Fraktionen in diesem Hause, gegen Diskriminierung. Es gilt das Grundgesetz, nach dem niemand wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Rasse oder seiner Religion benachteiligt werden darf.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Und wie ist es in der Praxis?)

Die Regelungen des geplanten Antidiskriminierungsgesetzes aber gehen nicht nur zu weit, sie gehen auch an der Sache vorbei. Sie gefährden die für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft zwingend erforderliche Privatautonomie. Sie führen zu einem Wust an Bürokratie; insbesondere gilt dies für die Umkehr der Beweislast. Sie werden genau das Gegenteil dessen bewirken, was der Gesetzgeber angeblich damit bezweckt.

Ich sage voraus: Kommt dieses Gesetz, werden viele Unternehmen Stellen und viele Vermieter Wohnungen nicht mehr ausschreiben. Die Lage der Menschen, die mit diesem Antidiskriminierungsgesetz angeblich geschützt werden, wird dadurch eher verschlimmert. Nehmen wir einmal das Beispiel eines Unternehmens wie der Fraport. Dort gehen im Jahr 16 000 Bewerbungen ein. Man muss sich vorstellen, welch bürokratischen Aufwand es bedeutet, wenn von 16 000 Bewerbungen Dokumentationen gemacht werden, damit der Arbeitgeber hinterher beweisen kann, warum er eine Person eingestellt, aber eine andere nicht eingestellt hat. Daran kann man ermessen, welcher bürokratische Wust durch dieses Gesetz ausgelöst wird. Die negative psychologische Signalwirkung auf Arbeitgeber und Investoren ist verheerend.

Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass jemand, der mit seinem hart und sauer verdienten Geld eine Wohnung gebaut hat, auch selbst entscheiden dürfen soll, an wen er sie vermietet.

Der Präsident des Landesarbeitsgerichts, Professor Francken, rechnet mit einer regelrechten Prozesslawine. Dies hat dann Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung der Richter unserer Gerichte und auf den Personalbedarf der badenwürttembergischen Justiz und somit – zumindest mittelbar – auch auf den Haushalt.

Hier, meine Damen und Herren von der Opposition, sind Sie auch nicht glaubwürdig. Rot-Grün begründet das Antidiskriminierungsgesetz mit massenhafter Diskriminierung. Wenn es diese tatsächlich gäbe, käme es auf jeden Fall zu einer Mehrbeschäftigung der Justiz. Gibt es diese Diskriminierung tatsächlich aber nicht, bräuchte man das Gesetz auch nicht.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es!)

Die Regierungsfraktionen der FDP/DVP und CDU haben in den Haushaltsplanberatungen eigene Schwerpunkte gesetzt. Hierzu zählt im Bereich des Justizhaushalts die Sicherheit der Gefängnisse. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf werden elf zusätzliche Stellen ausgebracht, um in den Justizvollzugsanstalten die Sicherheit weiter zu verbessern. Dies gilt es nicht zu kritisieren, sondern zu loben;

(Beifall der Abg. Dr. Noll FDP/DVP sowie Rü- ckert und Zimmermann CDU)

denn es ist richtig und hervorragend, wenn unsere Gefängnisse noch sicherer gemacht werden.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es die FDP/ DVP-Landtagsfraktion dem Justizministerium hoch anrechnet, dass dieses selbst vorgeschlagen hat, mit dieser Aufgabe private Sicherheitsdienste zu beauftragen.

Herr Kollege Stickelberger, der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten funktioniert bereits heute auch im Land Baden-Württemberg bei der Abschiebehaft; dort funktioniert das tadellos. Daran sieht man, dass man auch unter Einsatz privater Dienstleister eine sichere Verwahrung herstellen kann.

Wir sind der Meinung, dass in Zukunft dieser Weg auch und gerade im Hinblick auf die Vermeidung von Pensionsleistungen verstärkt gegangen werden muss. Wir respektieren aber, dass der Koalitionspartner diesen Weg derzeit nicht gehen wollte. Wir freuen uns, dass es nun im Sinne der Sache gelungen ist, das gemeinsame Ziel sicherer Gefängnisse durch diese Ausbringung der elf Stellen umzusetzen.

Abschließend möchte ich noch auf einen kleinen Punkt im Haushalt hinweisen. Wir haben in den Koalitionsfraktionen dafür gesorgt, dass der Zuschuss für den Bewährungshilfeverein für das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ etwas erhöht werden kann. Es sind zwar nur 80 000 €, also im Gesamthaushalt ein kleiner Betrag, aber es ist hier, finde ich, der Erwähnung wert. Dass dieses Projekt so gut läuft, liegt auch daran, dass die FDP/DVP-Fraktion immer voll hinter diesem Projekt gestanden ist und auch der Koalitionspartner CDU das Projekt unterstützt und dass die erforderlichen Mittel im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden können. Man kann hier mit dem physikalischen Gesetz des Hebels argumentieren: Kleiner Einsatz, große Wirkung.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

„Weiter so!“ an das Ministerium.

Ich möchte diese Haushaltsrede nicht schließen, ohne einen ausdrücklichen Dank an Sie, Herr Minister, und an alle Beschäftigten in der Justiz zu richten. Denn in den Justizvollzugsanstalten und auch bei unseren Gerichten wird Hervorragendes geleistet. Mit sehr wenig Personal wird hier einer zunehmenden Belastung im Rechtsmittelstaat begegnet, meine Damen und Herren. Sie wissen, dass diese zusätzliche Belastung unserer Justiz vor allem durch europäische und durch bundesrechtliche Regelungen verursacht ist, dass es aber entscheidend wichtig ist für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, dass sie nicht nur Recht haben, sondern auch Recht bekommen können. Hier leisten die Beschäftigten der baden-württembergischen Justiz einen großen Beitrag für die Wirksamkeit unseres Rechtsstaats. Dafür danke ich ihnen im Namen der FDP/DVP ganz herzlich.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

(Auf der Redezeitanzeige wird „2:09“ angezeigt.)

Aber nicht nur zwei Minuten und neun Sekunden, Frau Präsidentin.

(Abg. Döpper CDU: Nicht streiten! Fang erst mal an! – Abg. Sakellariou SPD: Du hast dich doch auf 20 Minuten vorbereitet!)

Freie Redezeit, also gut.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde den Justizetat zu beraten ist natürlich keine einfache Aufgabe.

(Abg. Kiefl CDU: Beschaulich!)

Aber nichtsdestotrotz müssen wir noch einmal die Konzentration aufbringen, um auch diesen Bereich der Landespolitik auf den Prüfstand zu stellen. Es ist nun auch zutiefst die Aufgabe der Opposition, denke ich, zu überprüfen, ob die Entwicklung im Justizbereich mit den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und mit den Ressourcen, die wir im Land zur Verfügung haben, in Übereinstimmung zu bringen ist.

Deswegen will ich mit den Justizstrukturen in unserem Land beginnen. Denn hier in diesem Hause haben wir ja auch schon gehört und durften von Ihrer Vorgängerin erfahren, Frau Ministerin – –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Herr Minister. Sie sehen, das ist gar nicht so einfach. Das wechselt zum Teil so schnell,

(Abg. Stickelberger SPD: Das kann morgen schon anders sein!)

dass man gedanklich schon Probleme hat, das immer wieder auf die Reihe zu bekommen.

(Abg. Blenke CDU: Aber man sieht es schon! – Zuruf des Abg. Kiefl CDU)

Mit Ihrer Vorgängerin haben wir hier – das sage ich nun ganz ernsthaft – die Debatte über eine so genannte große Justizreform geführt, die die Justiz im Land von Aufgaben entlasten sollte, für die sie Ihrer Auffassung nach oder nach der Auffassung Ihrer Vorgängerin im Kernbereich nicht zuständig war. Wenn ich nun diese so genannte große Justizreform heute, nach ein bisschen mehr als einem Jahr, auf den Prüfstand stelle, muss ich sagen: Es ist eigentlich so gut wie nichts dabei herausgekommen. Das Einzige, was Sie erreicht haben – Herr Kollege Stickelberger hat das Thema schon angesprochen –, ist die Privatisierung der Bewährungshilfe.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Und die Arbeitsgerich- te!)

Ja, ja. Ich komme darauf noch zu sprechen, Kollege Theurer.

Bei der Privatisierung der Bewährungshilfe haben Sie sogar den Verfahrensweg gewählt, dass die Menschen, die sich in diesem Land seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagieren – und die wenigen, die sich hauptamtlich in diesem Bereich

engagieren –, nicht einmal eine wirkliche Chance hatten, in diesem Bereich die von Ihnen eingefahrene Privatisierungsoffensive mit zu begleiten oder auch mit umzusetzen. Das finde ich einfach ein starkes Stück der Justizpolitik im Land und quasi auch einen Schlag ins Gesicht der Menschen, die über Jahrzehnte hinweg ehrenamtlich in diesem Bereich tätig waren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Stickelberger SPD und Boris Palmer GRÜ- NE)

Stattdessen haben Sie outgesourct. Das ist auch so ein neues Modell im Justizministerium. Das Grundbuch wird in Rumänien gemacht. Die Bewährungshilfe kommt aus Österreich. In Zukunft wird die Privatisierungsoffensive dann vielleicht auf die Justizvollzugsanstalten übertragen. Herr Minister, diese Justizpolitik tragen wir nicht mit.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Wir sehen darin Kernaufgaben des Staates und auch des Landes Baden-Württemberg. Deswegen werden Sie zu solchen Privatisierungsoffensiven nie und nimmer unsere Zustimmung bekommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Theurer hat, glaube ich, kritisiert, die Opposition habe bei den Haushaltsberatungen keinen einzigen Antrag zum Einzelplan 05 gestellt.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Nein! Ich habe die SPD angesprochen!)

Ach so. Ich bedanke mich für diese Konkretisierung.