Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich verstehe nicht, warum Sie das mitgemacht haben. Ich habe ja auch gehört, dass es bei der Vorbereitung dieser ganzen Sache ein arges Gegrummel in der CDU gegeben hat. Ich hätte das nicht mitgemacht. Wer anderen immer vorwirft, sie könnten mit Geld nicht umgehen, darf das nicht tun. Das fällt auf Sie zurück.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Scheffold CDU: Schauen Sie mal, was in der Bun- desrepublik seit Jahren gemacht wird!)

Spätestens jetzt, meine verehrten Damen und Herren, haben Sie Ihre finanzpolitische Unschuld verloren – vorausgesetzt, dass Sie je eine hatten.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Ich weiß natürlich, dass die Themen Staatsfinanzen und Staatsschulden keine leckeren Themen für Beglückungskampagnen sind. Denn leider sagt niemand, wenn er Schulden macht, der Bevölkerung das Unangenehme, dass nämlich Schulden zurückzuzahlen sind.

Ich weiß natürlich auch, dass wir alle für eine größere Finanzierungslücke in den Staatshaushalten verantwortlich sind. Alle Parteien traten für Steuersenkungen ein. Alle Parteien!

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Der Bund hat riesige Steuersenkungen zugunsten der Bevölkerung und des Mittelstands beschlossen, aber es wurde vergessen, dass Steuersenkungen auch zu Ausgabensenkungen führen müssen – das geht gar nicht anders –, oder wir greifen zum süßen Gift der Schulden, und da sind wir zurzeit dabei.

(Abg. Hauk CDU: Wie wäre es mit Wachstum in der Wirtschaft?)

Wenn Sie über Wachstum reden, dann lesen Sie das, was die Deutsche Bundesbank diesen Monat in ihren Bundesbankbericht geschrieben hat: Es gibt keinen Anlass für Pessimismus.

(Abg. Wacker CDU: Ja! – Weitere Zurufe von der CDU)

Entschuldigung, die Deutsche Bundesbank ist ja nicht die Parteizentrale der CDU, sondern die haben ein bisschen mehr Verstand im Hirn als Sie.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grü- nen – Abg. Dr. Scheffold CDU: Wenn man die richtige Politik machen würde, wäre das schon richtig! – Zuruf des Abg. Wacker CDU)

Ich will jetzt auch einmal sagen, dass die Finanzausschusssitzungen wiederum sehr kollegial verlaufen sind. Für diese Zusammenarbeit möchte ich mich auch noch einmal recht herzlich bedanken.

In den Finanzausschusssitzungen haben mich einige Gedanken bewegt, weil es ja Signale gegeben hat, dass wir aufeinander zugehen wollen. Das fand ich hochinteressant; das hat es in den letzten Jahren überhaupt nicht gegeben. Mich – und andere hier im Saal offensichtlich auch – bewegt die Frage, ob wir es nicht schaffen, ausgeglichene Staatsfinanzen und geringere Schulden dadurch zu erreichen, dass wir erstens gemeinsam eine Formel finden, die wir in die Landesverfassung schreiben – eine Formel, die es uns verbietet, im Normalfall über eine bestimmte Grenze der Neuverschuldung zu gehen, und die uns dann auch zwingt, entsprechend zu handeln –, und dass wir zweitens in der Landesverfassung verankern, dass Ausnahmen nur mit einer verfassungsändernden Mehrheit, sprich einer Zweidrittelmehrheit, überhaupt möglich sind. Das heißt, dass wir gemein

sam die Finanzverantwortung übernehmen, ohne dass eine Regierung stürzt, ohne dass der Wählerwille verfälscht wird, und dass wir ein Staatsziel formulieren, das wir nur dann durchbrechen können, wenn wir gemeinsam feststellen, dass dies notwendig ist.

(Abg. Rückert CDU: Herr Moser, was sind die Maastricht-Kriterien anderes?)

Ja, die Maastricht-Kriterien sind so etwas.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Haltet sie ein!)

Aber, Entschuldigung, wir haben den Staatshaushaltsplan von Baden-Württemberg und nicht den der Bundesrepublik Deutschland und auch nicht den der EU zu regeln.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD zur CDU: Gehen Sie doch in den Bundestag, wenn Sie Bun- despolitik machen wollen!)

Wissen Sie, ein bestimmtes Land in Europa – ich meine die Schweiz – ist eines der volkswirtschaftlich und finanzpolitisch stabilsten Länder der Welt. Selbst wenn man mit dem System nicht einig ist, haben sie eine Geschichte richtig gemacht, nämlich dass in weiten Bereichen alle gewählten demokratischen Kräfte an ganz bestimmten Zielen mitarbeiten müssen. Die müssen eine Lösung finden, und da kann nicht der eine auf den anderen zeigen und sagen: „Du bist ein Idiot“, während der andere sagt: „Du bist auch ein Idiot“, und die Bevölkerung staunt, was sich hier eigentlich abspielt. Das wollen die Leute nicht. Die Leute wollen, dass wir das endlich in Angriff nehmen und nicht ständig nur jammern, dass wir die Schulden nicht wegkriegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich sage noch etwas dazu. Wenn die Regierung einen solchen Vorschlag bringen würde, könnte sich dem hier in diesem Landtag kein Mensch entziehen. Ich verstehe nicht, warum Sie es nicht machen. Das ist doch eigentlich der Kern Ihrer Philosophie.

(Abg. Alfred Haas CDU: Weil Sie dagegen- schreien!)

Lieber Herr Haas, wir würden dem zustimmen, wenn es vernünftig gemacht wird.

(Abg. Alfred Haas CDU: Gegen jede Kürzung ha- ben Sie geschrien!)

Jetzt passen Sie einmal auf. Betrachten Sie doch einfach auch einmal, weil wir das machen müssen, die Bruttosteuereinnahmen der letzten 10 oder 15 Jahre. Sie werden dann feststellen, dass in jedem Jahr eine Steigerung der durchschnittlichen Einnahmen um 2,3 % stattgefunden hat. Das heißt, wir haben jedes Jahr mehr Geld eingenommen,

(Abg. Drexler SPD: Brutto!)

und wir haben vieles einfach nur fortgeschrieben. Das ist nämlich das Problem.

Sie haben inzwischen wieder mit der globalen Minderausgabe hantiert. Die globale Minderausgabe müsste eigentlich umbenannt werden in GMAdM: Globale Minderausgabe

der Mutlosen. Man hat nämlich keinen Mut, zu sagen, wo man die Schwerpunkte setzt.

(Beifall bei der SPD)

Jeder Minister wehrt sich. Sie räumen die Töpfchen ab. Sie können dann mit keinem Topf mehr richtig Politik machen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Unglaublich!)

Ich muss sagen: Der Kollege Kretschmann hat Recht gehabt. Er hat kürzlich von den Kernaufgaben geredet, ich übrigens auch schon oft. Dann muss man halt politisch den Mut haben, zu sagen: Das eine wird gehen, und das andere wird nicht mehr gehen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Scheffold CDU: Dann machen Sie es doch!)

Sie werden in Zukunft nicht mehr darum herumkommen, dieses zu tun.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das haben wir doch ge- macht!)

Sie haben doch in den letzten Jahren das Ding verpennt, weil Sie immer fortgeschrieben haben, und Sie haben nicht den Mut gehabt, richtig hineinzugreifen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist doch nicht wahr!)

Eines der wichtigsten Probleme ist der Personalhaushalt.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: So ist es! Gucken Sie mal in Ihre Presseerklärung hinein!)

Ich sage das immer wieder. Das ist nach draußen auch kein leckeres Thema. Personalausgaben an und für sich sind gut, sage ich Ihnen. Sie sichern Einkommen von Beamten und Angestellten.

(Abg. Alfred Haas CDU: Und Arbeitern!)

Sie stellen sicher, dass wir unsere Staatsaufgaben erfüllen können, und sie sind ein wichtiger Teil des Wirtschaftskreislaufs. Sie sind gut, solange wir sie bezahlen können. Langsam kommen wir aber an einen Punkt, der den bisherigen Geldfluss nicht mehr zulassen wird. Kein Staat und kein Unternehmen kann auf Dauer ständig steigende Löhne, Gehälter, Renten und Versorgungsbezüge bezahlen, wenn die Einnahmeseite einbricht und dabei mittelfristig keine spürbaren Einnahmeverbesserungen auftreten. Das heißt, für die kommenden Jahre – und zwar nicht nur aus der finanzpolitischen Sicht, sondern übrigens auch aus der demografischen Sicht; das ist ein Thema, das überhaupt nicht oder noch nicht in den Köpfen der Leute drin ist – werden wir weniger Stellen haben. Die SPD hat gesagt: mindestens 10 000, und zwar hier im Staatshaushalt. Ich weiß nicht, ob es reicht. Ich sage auch, dass diese Lage – auch das muss deutlich gesagt werden – den Tarifpartnern eine große Bürde auferlegt.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Die Oberforsträte werden als Erstes eingespart, vor allem wenn sie nebenher noch Ab- geordnete sind!)

Niemand ist offensichtlich bereit, die rechnerische Möglichkeit geringerer Verdienste gegen weniger Stellenstreichungen in Betracht zu ziehen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD – Gegenruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

Somit wird jeder überhöhte Tarifaufbau zu einem Stellenabbau beim Staat insgesamt führen. Das läuft in den Kommunen doch schon, und es wird auch bei uns weitergehen. Das heißt, auch dort brauchen wir eine neue Philosophie.