Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

Herr Kollege Schmiedel, ich teile Ihre Ansicht voll und ganz, was die Frage der Schwierigkeit der Einbindung von Ausländern in das Wahlgeschehen anbelangt. Nur war das nicht meine Frage. Ich hatte Sie ganz einfach gefragt, ob Ihnen im Landkreis Ludwigsburg ein Kreisrat bekannt ist – das kann man mit Ja oder Nein beantworten –,

(Abg. Capezzuto SPD: Das hat er doch beantwor- tet!)

der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Diese konkrete Frage hätte ich gern ganz konkret beantwortet.

Diese Frage kann ich Ihnen konkret nicht beantworten, weil ich nicht im Kreistag bin.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gut!)

Aber ich hätte gern eine Antwort von Ihnen, warum Sie diskriminieren wollen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Will ich nicht!)

Sie machen es aber.

Jetzt kommt der zweite Punkt. Er betrifft die Region Stuttgart. Da wird es besonders kleinlich. Sie tun alles, um der Region Stuttgart keinen Hauch von mehr Bedeutung zu geben. So ordne ich das ein. Herr Hofer hat gesagt, das sei ein Experiment,

(Zuruf von der SPD: Zehn Jahre alt!)

man müsse noch herumexperimentieren. Er hat gesagt: „Na gut, wenn es einmal sehr viele andere gäbe, dann könnte man ja darüber reden.“

(Abg. Hofer FDP/DVP: Drei mehr!)

Er schiebt es auf die lange Bank. Im Inneren seines Herzens ist er eigentlich dafür. Wir kennen beide Herrn Dr. Fritz. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen. Er ist ein exzellenter Verfassungsjurist, der uns allen nahe legt, für das Wahlrecht der EU-Bürger zu sein. Er hat uns als Parlament aufgefordert, hierfür einen Beitrag zu leisten.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ein guter Mann ist das!)

Jetzt noch einmal zu dem Experiment. Man kann sagen, 1994 war es ein Experiment. Zu ihrem Beginn im Jahr 1994 war die Region Stuttgart in der Bundesrepublik vorne. In der Zwischenzeit gibt es andere, beispielsweise die Region Hannover. Im Gesetz über die Region Hannover – 2001 beschlossen – steht:

§ 37 Recht zur Wahl der Mitglieder der Regionsversammlung

(1) Zur Wahl der Regionsabgeordneten und der Regionspräsidentin oder des Regionspräsidenten ist berechtigt, wer Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt... So einfach ist es, wenn man will. Deshalb fordern wir Sie auf zu wollen. (Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Vorgeschlagen wird, den Gesetzentwurf Drucksache 13/3860 zur Vorberatung an den Wirtschaftsausschuss und zur federführenden Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Dann kommen wir zum Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 13/3863. Hier wird Abstimmung begehrt. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? –

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist aber knapp! – Ge- genruf des Abg. Hofer FDP/DVP: Knapp reicht auch! Das ist eindeutig mehr!)

Das Zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

(Abg. Schmiedel SPD: Glück gehabt!)

Punkt 4 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Kommunalabgabengesetz – Drucksache 13/3966

Hier wurde vereinbart, dass der Gesetzentwurf ohne Aussprache an den Innenausschuss überwiesen wird. –

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Dann kann der Innenmi- nister Feierabend machen!)

Sie stimmen diesem Verfahren zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit – Drucksache 13/3965

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erhält Herr Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf wurde notwendig infolge der Regelung des europäischen Rechts und von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Wir stehen vor der Notwendigkeit, das Gebührenanteilsrecht der Notare im Landesdienst an die Vorgaben der so genannten Gesellschaftsteuerrichtlinie und eben an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anzupassen.

Darin erschöpft sich der Gesetzentwurf aber nicht. Der zweite Anspruch des Entwurfs ist, zur Vereinfachung, zur Vereinheitlichung und grundlegenden Modernisierung des Gebührenanteilsrechts beizutragen. Das ist ein Aspekt, der in der Diskussion in der Vergangenheit vielleicht ein bisschen zu kurz gekommen ist.

Zu dieser Vereinfachung gehört auch, dass, nachdem das Land schon länger existiert als 50 Jahre, wir dazu kommen, das Recht zwischen dem badischen Teil und dem württembergischen Teil ein kräftiges Stück weit einander anzugleichen.

Der Entwurf trägt übrigens auch dem modernen Selbstverständnis des Notariats und der Notare Rechnung. Die Notare im Landesdienst sind ja einerseits Beamte, andererseits konkurrieren sie bekanntlich mit Freiberuflern. Wir sind auch daran interessiert, dass sie unternehmerisch denken. Deswegen betont der Entwurf eben auch das eine oder andere Element, das in Richtung freiberuflicher Tätigkeit zeigt. Das kommt in einer weitgehenden Einführung der Gebührengläubigerschaft der Notare zum Ausdruck. Die Notare sollen also jetzt selbst in weitem Umfang Gebührengläubiger werden, wie es ja im württembergischen Landesteil auch schon der Fall ist. Das ist besonders in Baden etwas Neues. Die Notare werden künftig auch stärker die Verantwortung für den Büroaufwand tragen, wo es sozusagen zu einer Lastenteilung zwischen dem Land und den Notaren kommen wird.

Was die Letzteren angeht, wurde im Verfahren – wir haben ja gründlich über diesen Entwurf diskutiert – immer wieder einmal über das Stichwort Leistungsanreize debattiert. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir den Notaren aufgrund dieses Gesetzes nicht weniger Gebührenanteile geben werden, sondern nach unserer Rechnung sogar mehr, abgesehen davon, dass sich diese Diskussion doch auf einem recht hohen Niveau bewegt. Ich habe vorhin angesprochen, dass die Notare zwar im eigenen Interesse unternehmerisch denken sollen und das Land dies natürlich begrüßt, dass sie auf der anderen Seite aber Beamte sind und insofern natürlich auch in die Beamtenschaft des Landes integriert sind. Da muss man schon einmal sagen, dass sich die Diskussion über Leistungsanreize, die wir gegenwärtig führen, schon jenseits eines Bereichs bewegt, den ich einmal so addiere: ein normales Grundgehalt plus 30 000 € Gebührenanteile. Erst ab da diskutieren wir über die Kappungen, die zur Diskussion über die Leistungsanreize geführt haben. Umgekehrt geben wir ja künftig auch die kompletten Gebühren aus vielen gesellschaftsrechtlichen Geschäften an die Notare weiter. Ich glaube, das Thema Leistungsanreize ist damit befriedigend gelöst.

Meine Damen und Herren, ich habe schon am Anfang das Stichwort Europa genannt. Sie wissen, dass es da mittlerweile auch schon neuere Entscheidungen gibt, die so ausgelegt werden können, dass die EU und der Europäische Gerichtshof künftig die Schraube in Richtung einer Abschaffung des Amtsnotariats noch stärker anziehen werden. Sie wissen, dass es mittlerweile nur noch in Baden-Württemberg ein Amtsnotariat nach unserer Prägung gibt, nachdem uns auch die tapferen Portugiesen, die bisher noch unser einziger Genosse waren, beim Thema Amtsnotariat nicht mehr unterstützen.

Ich weiß nicht recht, was die EU treibt, diese Sache so sehr ins Visier zu nehmen, aber manchmal hat man den Eindruck, dass es geradezu ein Lieblingsthema ist. Insofern glaube ich nicht, dass wir bei diesem Thema Ruhe bekommen werden, sodass wir im Grunde genommen ein Gesetz für eine Übergangszeit zu beschließen haben.

(Minister Dr. Goll)

Ich halte fest, dass dieses Gesetz nach momentanem Stand der Erkenntnisse – das muss man deutlich sagen: nach momentanem Stand der Erkenntnisse – aus unserer Sicht europarechtskonform ist. Allerdings ist das Europarecht bei diesem Thema nahezu täglich in Bewegung.

Eine Alternative wäre – das ist klar – eine umfassende Strukturreform des Notariats und ein Übergang zum freien Notariat. Der wurde von der Regierungskoalition im November 2003 einstweilen zurückgestellt. Mittlerweile stellt sich – wie die Diskussion sich entwickelt, übrigens auch die Diskussion mit den betroffenen Verbänden – doch die Frage, ob nicht in absehbarer Zeit eine Richtungsentscheidung

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sinnvoll wäre!)

getroffen werden sollte,

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

damit auch die Betroffenen wissen, woran sie in Zukunft sind.

Gegenüber Europa sind wir jedenfalls wegen der Gesellschaftsteuerrichtlinie in der Pflicht, jetzt etwas zu tun. Schon deswegen müssen wir einen solchen Gesetzentwurf vorlegen.

Wir müssen das auch deswegen tun, weil wir Einnahmeverluste in der satten Höhe von rund 400 000 € im Monat haben, die wir angesichts der Lage des Landeshaushalts natürlich im Moment auch nicht verkraften.

Das sind die beiden Gründe, warum wir jetzt jedenfalls nach Kräften und nach bestem Wissen und Gewissen einen Gesetzentwurf vorlegen müssen, auch wenn wir, wie ich es angedeutet habe, nicht wissen, ob aufgrund der Umstände – insbesondere der auf europäischer Ebene – demnächst nicht schon wieder Handlungsbedarf besteht.