Ich darf Sie bitten, den Gesetzentwurf, der jetzt in das Beratungsverfahren geht, zu unterstützen. Ich bin für sinnvolle Verbesserungsvorschläge bis zum Ende der zweiten Lesung offen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Novellierung des Landesjustizkostengesetzes ist notwendig geworden, weil der Europäische Gerichtshof nach Vorlage eines deutschen Gerichts im Jahr 2002 die Europatauglichkeit des geltenden Gesetzes in bestimmten Bereichen infrage gestellt hatte. Es geht – das ist erwähnt worden – um die Richtlinie des Rates der EWG vom 17. Juli 1969 in der Fassung vom 10. Juni 1985.
Der Europäische Gerichtshof hat im Kern festgestellt, dass bei Notargebühren in der bisher konkret erhobenen Form im Bereich des Gesellschaftsrechts ein Verstoß gegen die Richtlinie besteht, weil diese Gebühr als Steuer eingestuft wird. Deshalb wurde das Justizministerium beauftragt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit dem Europarecht und insbesondere mit der Richtlinie vereinbar ist.
Der jetzt vorgelegte Entwurf verzichtet daher im Kern auf Notargebühren direkt an den Staat im Bereich des Gesellschaftsrechts in der bisherigen Form und beschränkt sich auf eine Aufwandspauschale in Höhe von 15 %. Das ist nach vertiefter Prüfung des Justizministeriums – so dessen Aussage – mit der EU abgestimmt. Darüber hinaus sind im Rahmen des bisherigen Verfahrens verschiedene Fragen aufgeworfen worden, etwa die Frage nach der gerechten Verteilung der Gebühren im badischen und im württembergischen Bereich, Fragen der teilweisen Reduzierung der Höhe der Gebührenanteile außerhalb des Gesellschaftsteuerbereichs und damit einhergehenden Veränderungen der Anreize und Gebührenanteile, und – das ist der Kern – es wurde insgesamt die Frage aufgeworfen, ob das Gesetz allen europarechtlichen Vorgaben entspricht.
Es ist eine tragfähige Lösung angestrebt worden, schon allein deshalb, weil unsere Notare in unserem Land sehr gute Arbeit leisten.
In vielen Sitzungen haben wir uns mit dem Gesetzentwurf auseinander gesetzt. Abgeordnete meiner Fraktion haben auch durchaus Zweifelsfragen zu verschiedenen Bereichen des Gesetzentwurfs vorgetragen. Das Justizministerium hat nach dem Anhörungsverfahren, im Rahmen dessen insbesondere vonseiten einiger Notare, aber auch darüber hinaus Kritik vorgetragen wurde, nach vertieften Prüfungen und mehreren Sitzungen – wir haben uns teilweise in die Details vertiefen müssen – noch Änderungen vorgenommen und im Ergebnis eine Vereinbarkeit des vorliegenden Entwurfs mit dem Europarecht ausdrücklich bejaht.
Dass das Hinterfragen in diesem Bereich – Stichwort Europarecht – notwendig war und ist, wird schon daraus ersichtlich, dass sich, um nur ein Beispiel zu nennen, erst vor wenigen Wochen, als das Gesetz die Fraktionen schon passiert hatte, der europäische Generalanwalt zu Wort gemeldet und in einem Plädoyer auch Aussagen gemacht hat, die deutlich machen, wie wichtig die europarechtliche Konformität ist. Bei dieser Frage können wir sehen, dass wir in Zukunft und auch in den kommenden Wochen und Monaten darauf achten müssen, ob es Veränderungen auf der europäischen Ebene hierzu geben wird.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Gebührenfreiheit für die Kommunen in diesem Bereich beibehalten wurde. Dafür haben wir uns als CDU-Fraktion gemeinsam mit den Kollegen der FDP/DVP stark gemacht.
Das Gleiche – das ist mein letzter Punkt – gilt für die Kirchen. Es ist unser ausdrücklicher Wille, dass der Status quo, dass die Kirchen von den Gebühren freigehalten werden, im zukünftigen Gesetz auch hundertprozentig verankert wird, soweit es mit dem Europarecht vereinbar ist.
Nachdem die Kirchen dies im Rahmen der Anhörung vorgebracht haben, nachdem dies in dieser formal vorgesehenen Form nicht gemacht wurde, aber dann dieses Thema im Rahmen von Gesprächen noch einmal aufgeworfen wurde und im Übrigen auch die Auffassung vertreten wurde, dass nach dem jetzigen Entwurf eine Optimierung bei den Erbschaftsangelegenheiten notwendig ist, könnte es sein, dass sich hier im Lauf des weiteren Verfahrens noch eine Änderung ergeben wird.
In diesem Sinne vielen Dank. Die CDU-Fraktion wird das Gesetz auch weiterhin mit Aufmerksamkeit verfolgen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Justizminister hat es bereits eindeutig formuliert: Wir bewegen uns derzeit doch auf etwas unsicherem Gelände und fragen uns, wohin die europäische Reise geht. Die gewachsenen Strukturen im Notarwesen des badischen und des württembergischen Landesteils sind in ihrer Verflechtung und Ausprägung ohnehin kompliziert und sozusagen ein baden-württembergisches Unikum. Umso schwieriger ist die Situation natürlich dann, wenn zusätzlich europäische Vorgaben hinzukommen.
Die europäischen Vorgaben sind zu beachten – das ist gesagt worden –: die Gesellschaftsteuerrichtlinie und die Rechtsprechung hierzu, wonach man bestimmte Geschäfte jetzt besonders zu behandeln hat. Insofern ist das Land natürlich gezwungen, gesetzgeberisch tätig zu werden.
Auch der zweite Gesichtspunkt, den Sie genannt haben, trifft bei uns auf Verständnis, nämlich die Gebührenausfälle, die im Hinblick auf diese Rechtsunsicherheit entstanden sind und immer noch entstehen. Diese Lücke muss geschlossen werden.
Gleichwohl stellen wir uns natürlich schon die Frage, ob es sinnvoll ist, in dieser unsicheren Zeit, in der wir nicht wissen, was Europa noch von uns fordert – Sie haben im Finanzausschuss im Zuge der Beratung des Justizhaushalts ja gesagt, dass der Druck von dort möglicherweise immer stärker und die Sprache härter wird –, im Gebührenrecht einen generellen Strukturwandel einzuführen. Diese Frage stellt sich schon.
Sie haben darauf hingewiesen, dass man das Recht im badischen und im württembergischen Landesteil sozusagen ein Stück weit vereinheitlichen oder im Land für Rechtseinheit sorgen würde. Das ist sicher richtig, soweit man sich auf die Gläubigereigenschaft bezieht, die jetzt eindeutig geregelt ist.
In anderen Punkten haben wir doch noch Bedenken. Es gibt auch Bedenken der württembergischen Notarvereinigung, dass man hier über das Ziel hinausschießen und mehr tun würde, als Europa derzeit gebietet. Ebenso gibt es wiederum Bedenken von der badischen Seite, dass der Gesetzent
wurf in der Form, in der er jetzt vorliegt, einer verfassungsrechtlichen Prüfung unter Umständen nicht standhalten würde.
Die Prozentsätze – 15 % haben Sie genannt – und die Prozentsätze der Anteile bei den übrigen Geschäften – auch dazu haben Sie Ausführungen gemacht – basieren auf Erfahrungswerten der letzten Jahre und prognostizieren – Sie haben es in etwa gesagt –, dass die Gebührenanteile für die Notare zumindest nicht niedriger sein würden als bisher. Es stellt sich die Frage, ob man dadurch die Leistungsanreize, die man verfolgt, wirklich erreichen wird.
Ein anderer Gesichtspunkt wäre sicher zu berücksichtigen. Sie haben die Privatisierung des Notarwesens durch die 25 Notarstellen, die allerdings noch einer bundesgesetzlichen Umsetzung bedürfen, ja ein Stück weit initiiert. Wenn Sie diesen Schritt in die Privatisierung machen, stellt sich natürlich schon die Frage, inwieweit sich das ganze Gefüge dann wiederum verschiebt. Stimmen die Zahlen noch, die man hier zugrunde gelegt hat, wenn man in diese Privatisierung geht, die dann ja auch voranschreiten soll? „Beurkundungstourismus“ war ein Stichwort in diesem Zusammenhang. Wie wird sich das bei einer Teilprivatisierung der Notariate entwickeln?
Dies alles sind Fragen, die aus unserer Sicht noch offen sind. Es gibt zum Beispiel auch die Frage, ob eine unterschiedliche Behandlung von württembergischen und badischen Notaren im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gerechtfertigt ist. Dann wird natürlich argumentiert: Sie sind als Beamte unterschiedlich besoldet; sie sind unterschiedlich ausgestattet; sie haben andere Schwerpunkte in der geschäftlichen Tätigkeit. Das sind Gesichtspunkte, die die Unterschiede der beiden Notarformen kennzeichnen.
Wir haben noch Bedenken, ob dies einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, wenn man es in konkrete Gesetzesform gießt – unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten. Aber das wird man sehen. Ich gehe davon aus, dass wir das im Ausschuss noch ausführlich diskutieren können.
Der letzte Gesichtspunkt ist von Ihnen, Herr Dr. Schüle, angesprochen worden. Sie haben die Kommunen erwähnt. Uns ging es auch um die Kirchen. Auch wir sind natürlich angesprochen worden. Wir müssen sehen, dass wir im Ausschuss
Insofern sehen wir zwar die Notwendigkeit für dieses Gesetz, glauben aber, dass es derzeit mit den konkreten Ausprägungen noch ein Stück weit über das Ziel hinausschießt, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir nicht wissen, wohin die Europareise geht. Deshalb müssen wir das noch intensiv im Ausschuss beraten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wesentlichen Inhalte dieses Gesetzes sind bereits vom Minister dargestellt worden. Wenn man sich die Rechtslagen im Bereich des Notarwesens in Baden und in Württemberg anschaut, stellt man fest, dass sie sehr unterschiedlich sind. Deshalb kann auch bei diesem Gesetz keine einheitliche Regelung herauskommen in dem Sinne, dass man sagt: Das alles ist jetzt auf alle Zeit gut geregelt und wird sich nicht ändern. Vielmehr steht zu befürchten, dass wir uns durch die europäische Rechtsprechung dem Zustand annähern müssen, der von den Rechtspolitikern in diesem Hause seit vielen Jahren für richtig gehalten wird, nämlich der Überführung der Notare ins freiberufliche Notariat.
Uns wird immer wieder vorgehalten, das württembergische Amtsnotariat funktioniere ja gut. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich aus meiner Tätigkeit als Oberbürgermeister einer württembergischen Mittelstadt sehr genau weiß, wie gut unsere württembergischen Bezirksnotare arbeiten. Sicher kann man genauso mit Fug und Recht sagen, dass die Notare im badischen Landesteil gut arbeiten. Aber das ist ja nicht der Punkt. Es geht nicht darum, dass man in diesem hohen Hause etwas aufgeben möchte, was bisher gut funktioniert hat. Aber wir stellen fest, dass wir mit dieser Lösung, die historisch gewachsen ist, in Europa alleine sind. In den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in den europäischen Nachbarländern werden notarielle Beurkundungen und Notargeschäfte insgesamt durch Freiberufler erledigt. Deshalb stellt sich im Europäischen Binnenmarkt die Frage: Gibt es Wettbewerbsverzerrungen, ja oder nein?
Wenn man ins Detail geht, dann kann man hinter den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs durchaus das eine oder andere Fragezeichen anbringen. Denn dort wird ja nicht darüber geurteilt, inwiefern die Gebühren bei einem freiberuflichen Notar höher sind als bei einem württembergischen Amtsnotar. Es wird nur festgestellt, dass allein die Tatsache, dass ein Anteil dieses Gebührenaufkommens in den Landeshaushalt fließt, darauf schließen lässt, dass diese Gebühr eine Steuer sei. Man muss diese Rechtsauffassung nicht teilen. Aber sie ist eben einschlägig, sie ist gültig und würde dazu führen, dass dem württembergischen Amtsnotariat und dem badischen Notariat der Boden entzogen werden würde. Das sehen wir ein Stück weit mit Sorge, weil wir vonseiten der FDP/DVP-Fraktion immer wieder versucht haben, eine große Notariatsreform auf den Weg zu bringen. Wir sehen insbesondere im badischen Landesteil lange Wartezeiten. Menschen werden abgewiesen, weil die entsprechenden Leistungsanreize für Notare fehlen. Im Gesetzentwurf sind erste Schritte hin zu mehr Leistungsanreizen enthalten, um diejenigen Notare zu belohnen, die mehr leisten, die länger arbeiten, die nachfrageorientiert Beurkundungen vornehmen. Das soll sich dann auch im Geldbeutel der Notarin/des Notars positiv auszahlen. Damit möchte man dem Beurkundungstourismus entgegenwirken.
Fazit: Ich möchte für die FDP/DVP-Fraktion anmerken, dass wir uns im Landtag von Baden-Württemberg Gedanken machen müssen, wie wir das Notarwesen in BadenWürttemberg zukunftsfest machen. Wir sind der Überzeugung, dass am Ende dieses Diskussionsprozesses das freiberufliche Notariat stehen wird. Wir wollen, dass die württembergischen Amtsnotare dabei nicht benachteiligt werden, dass sie beim Übergang eine faire Chance bekommen, in die Freiberuflichkeit überzugehen. Ich bin der Meinung, dass wir unabhängig vom Landesjustizkostengesetz die Zeit nutzen sollten, um uns in den weiteren Beratungen zu überlegen, ob man nicht noch mutigere Schritte in diese Richtung gehen kann.
Mit der Übertragung der Gebührengläubigerschaft vom Land auf die Notare wird man den Anforderungen, die von europarechtlicher Ebene an uns gestellt werden, zunächst Genüge tun. Meine Fraktion will – das haben wir auch gemeinsam mit unserem Koalitionspartner abgestimmt – dabei dafür Sorge tragen, dass die bisher von Gebühren befreiten öffentlichen Körperschaften – hier sind insbesondere die Kirchen zu nennen – nicht schlechter gestellt werden als bisher. Auch das möchte ich an dieser Stelle noch ankündigen.
Das heißt, wir werden uns in den weiteren Beratungen auch im Ausschuss sehr genau mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung beschäftigen. Wir behalten uns selbstverständlich vor, im weiteren Verfahren weiter gehende Erkenntnisse in die Beratung und in die Beschlussfassung einzubringen.