Ich stehe auch zu meinen Kindern, unabhängig davon, ob ich jetzt davon ausgehen müsste, eines davon könnte vielleicht ein „Kuckuckskind“ sein,
wie der Kollege Theurer die Kinder bezeichnet. Jedes Kind als solches verkörpert die Zukunft unserer Gesellschaft, Kollege Theurer. Das hat mit „Kuckuck“ überhaupt nichts zu tun.
Kommen wir nun wieder zur Sache zurück. Der Vater, der Gewissheit haben will, ob es nun sein Kind ist oder nicht, hat ja legale Möglichkeiten, dies prüfen zu lassen. Der Kollege Stickelberger hat ausgeführt, dass die Regularien des BGB für die Vaterschaftsfeststellungsverfahren kompliziert sind. Die Verfahren sind langwierig und verlangen die Einhaltung vieler schwieriger Voraussetzungen. Deswegen müssen sie vereinfacht werden. Ich glaube, das ist Konsens. Das kann auch in diesem Hause Konsens sein.
Es geht aber meines Erachtens nicht – das ist einfach wider unsere Rechtsordnung –, dass heimliche Vaterschaftstests die Grundlage für die Anerkennung oder Nichtanerkennung des Vaterseins darstellen. Ich glaube, die Heimlichkeit ist rechtsstaatswidrig. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht allein. Das sagt auch der Bundesgerichtshof in zwei neueren Entscheidungen. Ich denke, diese sind ausführlich und präzise genug begründet. Es gibt keinen Grund, daran Richterschelte zu üben. Das sagen aber auch andere. Das sagt die Justizministerin des Landes Bayern, Frau Dr. Merk. Sie sagt: Heimliche Vaterschaftstests können nicht legal werden. Das sagt auch der Vorsitzende des Ethikrats. Diesen Auffassungen würde ich mich gern anschließen.
Ich sage aber auch noch eines dazu: Wir sind gegen die Kriminalisierung. Wir sind der Auffassung, dass das Strafrecht hier nicht das adäquate Mittel darstellt, um das Vorgehen der Väter zu sanktionieren. Wir sind aber sehr wohl der Auffassung, dass man durch das Ahnden heimlicher Vaterschaftstests durch Bußgeld- oder ähnliche Verfahren Hemmschwellen dagegen aufbauen muss, dass heimliche Vaterschaftstests durchgeführt werden. Der Eingriff über Genanalysen ist das Intimste, was einen Menschen betrifft, meine Damen und Herren. Derartige Eingriffe – der Minister will ja sogar Ladendiebe in Gendateien erfassen – sollten wir nicht zulassen. Ich glaube, damit wäre im Rechtsstaat der Rubikon überschritten.
Deswegen lehnen wir heimliche Vaterschaftstests als Grundlage für die Anerkennung der Vaterschaft ab, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Tatsache, die diese Diskussion, die wir heute führen, sinnvoll und notwendig macht, wurde einmal wie folgt veranschaulicht: Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Fernglas, auf dem jedoch ein Zettel mit der Aufschrift klebt: „Durchschauen verboten“. Das ist die Situation, in der wir sind. Wir haben eine technische Neuerung, die es uns heute ermöglicht, im Gegensatz zu früher eindeutig zu sagen, wer der Vater ist.
Auf diese technische Entwicklung, meine Damen und Herren, muss das Recht natürlich reagieren; denn es kann sich kein Mensch vernünftig vorstellen, dass die Rechtsprechung des BGH bestehen bleibt, eine Rechtsprechung, in der dem Vater – der nicht der Vater ist – sehenden Auges gesagt wird: „Du bleibst der Vater.“
Das geht nicht. Man kann nicht an der Wahrheit vorbei Recht sprechen, und deswegen kann es so nicht bleiben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜ- NE: Haben Sie noch nie etwas von Beweisverwer- tungsverboten gehört, Herr Minister?)
Jetzt kann man natürlich in der falschen Weise noch eins draufsetzen und um diese Rechtsprechung einen Mantel der Strafbewehrung bauen. Sie haben zu meinem Erstaunen gesagt, das hätte der Bund nicht vor. Aber Frau Zypries scheint ihren eigenen Gesetzentwurf anders zu verstehen. Sie hat in der Öffentlichkeit eindeutig klar gemacht, dass sie an eine Strafbarkeit für so genannte „heimliche“ – ich komme gleich zu diesem Begriff – Tests denkt. Wenn wir das mit dem Instrument des Strafrechts so machen würden – ich halte das für den falschen Weg und werde dies auch weiter begründen –, dann bliebe den Betroffenen in der Tat nur die formelle Anfechtungsmöglichkeit vor dem Gericht. Das ist nicht nur ein dorniger Weg – da liegt die Latte bekanntlich sehr hoch –, sondern es ist etwas, was nun wirklich in der Regel die Familie zerstört. Das hält der Familienverband in der Regel nicht aus. Wenn man bedenkt, dass sich in sehr vielen Zweifelsfällen – bei den Tests beträgt der Anteil drei Viertel – hinterher herausstellt, dass die Zweifel unbegründet waren, dann heißt das, dass man in drei Vierteln dieser Fälle die Familie kaputtmacht, ohne dass es eigentlich nötig gewesen wäre.
In der Situation testen natürlich viele ganz einfach privat, und ich verstehe das auch. Hierfür hat sich die Bezeichnung „heimlicher Test“ eingeschlichen. Aber zu dem Thema Heimlichkeit möchte ich doch einiges sagen. Durch den Begriff „heimlich“ bekommt das Thema schon einen negativen Drall, und ich frage mich, ob man hinreichend überlegt hat, dass in vielen Fällen eigentlich schon eine Heimlichkeit vorangegangen ist. In all den Fällen, in denen sich der Zweifel
als berechtigt herausstellt, ist in dieser Familie schon eine Heimlichkeit vorangegangen. Aber die zweite Heimlichkeit ist angeblich die eigentlich schlimme. Merkwürdigerweise schützt man aber diese erste Heimlichkeit absolut; so kommt es einem vor. Sie sagen, Herr Oelmayer, die Mutter solle über alles Bescheid wissen. Soll der Vater nicht über alles Bescheid wissen?
Die zweite Überlegung ist, dass die Leute, um die es geht, ja in vielen Fällen wirklich selbst sehr gute Rechte haben. Der Vater oder auch die Mutter – häufig wird das Testmaterial ja von Müttern eingeschickt – haben immerhin ja das Sorgerecht je zur Hälfte selbst. Der Test kann also, wenn überhaupt, nur halb heimlich sein.
(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist eine Rechtsfrage! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Das ist keine Rechtsfrage! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Was haben Sie denn für ein Verhältnis zu Ihren Kin- dern?)
Sicher geht es um einen Eingriff in Rechte des Kindes. Aber diese Eingriffe in die Rechte des Kindes finden ja täglich und wöchentlich seitens der Eltern statt, und in vielen Fällen wird selbstverständlich auch von einem Elternteil allein entschieden, zum Beispiel wenn der Vater oder die Mutter mit dem Kind zum Arzt geht. Da finden doch vergleichbare Eingriffe statt, und da sagt entweder die Mutter oder der Vater Ja. Darum wehre ich mich dagegen, das so darzustellen, als hätten diejenigen, die diese Tests machen lassen, selbst überhaupt kein Recht und würden es oft wirklich nur hinter dem Rücken der Berechtigten machen. Sie sind zur Hälfte, jedenfalls in sehr vielen Fällen, selbst berechtigt. Das kommt in der Diskussion manchmal ein bisschen zu kurz.
gerade auch durch die Verwendung des Begriffs „heimlich“! Es gibt einen sehr lesenswerten Kommentar von Stefan Geiger in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 13. Januar 2005, der bezeichnenderweise mit den Worten beginnt: „Man sollte die Menschen so nehmen, wie sie sind.“
Was wir anstreben sollten, ist, die technische Entwicklung in den Griff zu bekommen und auf diese Entwicklung zu
antworten, und zwar so, dass wir den Betroffenen am besten helfen. Jetzt haben wir die Situation, dass vielleicht jahrelang Zweifel bestehen, die die Beziehung zum Kind und zur Frau vergiften können. Da muss es einen vernünftigen Ausweg geben.
Unser Vorschlag, mein Vorschlag hat insofern zwei Teile. Erstens: Lassen wir das Strafrecht weg, weil es das falsche Mittel ist, jedenfalls, wenn es um Familienangehörige geht!
Wenn es darum geht, dass irgendwelche Personen irgendwelche Tests durchführen lassen, dann kann man von mir aus nicht nur über ein Verbot, sondern sogar auch noch über die nächste Stufe, die Strafbarkeit, reden. Darüber würde ich mich nicht aufregen. Aber jedenfalls darf es keine Strafbarkeit geben, wenn es um Familienangehörige geht.
In einem zweiten Schritt würde ich auch ganz deutlich sagen: Davon ist die Frage zu unterscheiden: Sollen solche Tests verboten sein oder nicht? Denn wie wir wissen, ist nicht alles, was verboten ist, auch strafbar. Da würde ich eindeutig sagen: Ich würde die Tests nicht verbieten, wenn es sich um Personen handelt, die anfechtungsberechtigt sind, die auch einen Anfechtungsprozess führen könnten. Da würde ich im Gendiagnostikgesetz klarstellen: Diese Personen können Tests verlangen, und zwar aus eigenem Recht. Das halte ich für den vernünftigsten Weg. In der Folge erreichen Sie, dass das Verwertungsverbot des BGH sozusagen in sich zusammenbricht. Dann könnte der Test verwertet werden. Das ist bei weitem, Herr Oelmayer, der einfachste Weg.