Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Der dritte Bereich: Die Zuschüsse für die berufliche Bildung an kleine Betriebe, die sich für das, was sie im Bereich der beruflichen Bildung nicht selbst machen können, zusammenschließen, wurden seit 1996 um über ein Drittel reduziert. Was heißt hier „erfolgreiche Mittelstandspolitik“? Wir haben sogar Anträge dazu gestellt. Wir haben um das C1-Programm gekämpft. Sie haben das alles abgelehnt. Vielleicht ändert sich das jetzt. Aber dann reden Sie nicht immer nur davon, dass Sie etwas für den Mittelstand tun, sondern dann machen Sie das auch.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Zweite ist: Was machen wir denn mit der Frage einer aktiven Industriepolitik? Da komme ich auf die Energiepolitik, die Herr Mappus so sehr angesprochen hat. Wir sind ein Industrieland; ein Drittel unserer wirtschaftlichen Leistung wird von der Industrie erwirtschaftet. Bundesweit liegt der Wert bei 22 %. Das zweitstärkste Land, Rheinland-Pfalz, ist mit 25 % weit hinter uns. Das heißt, wenn wir die Arbeitsplätze im Industriebereich und die, die im Dienstleistungsbereich davon abhängen, sichern und ausbauen wollen, müssen wir uns um den Industriebereich kümmern.

Ein ganz praktisches Beispiel, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch die misslungene Energiepolitik in diesem Land.

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

Zuerst hatten wir eine EnBW.

(Abg. Capezzuto SPD: Herr Mappus!)

Da gab es eine Mehrheit der OEW mit dem Land, mit Ministern, die von der CDU in dieses Aufsichtsgremium geschickt wurden. Dann hat man fast einen Mischkonzern aus dieser EnBW gemacht, bis die EnBW ein Sanierungsfall wurde. Man musste 1 Milliarde € abschreiben und vieles wieder „herausbrechen“. Ein Drittel davon hat die Belegschaft getragen. Das war Ihre Politik! Bis zu Baubeschlägen haben Sie alles unter das Dach der EnBW gebracht.

(Abg. Mappus CDU: Quatsch!)

Da war noch gar keine aktive Energiepolitik da.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deswegen haben wir immer wieder Angst, Herr Mappus, wenn Sie Ihre verdienten Politiker von der CDU in Betriebe schicken. Da denken wir immer an die EnBW und sagen: „Um Gottes willen! Schon wieder so was!“ Lassen Sie das bleiben, nehmen Sie Fachleute.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann verkauft Erwin Teufel 25,01 %, weil er sagt: Die EdF, der Atomkonzern, wird nie die Mehrheit übernehmen. Jetzt haben wir bemerkt: Die EdF will die Mehrheit offensichtlich übernehmen und kauft langsam zu. Dann hat man – das haben wir mitgetragen, weil wir gesagt haben, bei einer aktiven Energiepolitik braucht das Land Einfluss – 20 Millionen € genommen, um Zinszuschüsse zu zahlen, damit die OEW die gleiche Augenhöhe hält. Gut so! Die FDP/DVP war massiv dagegen und hat einen Aufstand provoziert. Dieser ist dann sehr schnell wieder zusammengebrochen, weil sie etwas anderes dafür bekommen hat.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Olle Kamellen! Schauen Sie mal nach vorn!)

So wird Industriepolitik in diesem Land gemacht.

Aber was bedeuten jetzt diese 20 Millionen €? Bisher merke ich in der Regierungserklärung nicht, dass eine aktive Energiepolitik gemacht wird. Wo denn? Wo ist denn eine Aussage in dieser Regierungserklärung darüber, was sich jetzt in diesem Bereich aus diesem Zuschuss des Landes in Höhe von 20 Millionen € ergibt?

Herr Oettinger, Sie haben für die Frage der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze den wahrscheinlich schlimmsten Fehler gemacht, indem Sie laufend das fatale Signal mit der Forderung nach längeren Laufzeiten von Kernkraftwerken aussenden. Ich sage Ihnen auch, weshalb. Die EnBW wird natürlich abwarten, bis die Bundestagswahl vorbei ist. Da wird nichts investiert. Warum sollten sie auch? Auf Nachfolgeinvestitionen können sie verzichten, wenn sie ihre Kernkraftwerke zehn Jahre oder länger weiterlaufen lassen können. Diese Aussage ist das größte Investitionshindernis auch für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Insofern brauchen wir eine andere Politik. Man muss sich eine Nachfolgenutzung überlegen. Wo ist die Nachfolgenutzung? Sie wird überhaupt nicht stattfinden. Herr Mappus hat vorhin dargelegt, was mit dem Atomausstieg alles kaputtgemacht werde. Wir produzieren aber doch in BadenWürttemberg nur noch 75 % unseres eigenen Energiebedarfs. 25 % sind doch schon weggegangen. Wer regiert denn in diesem Land und hat 25 % der Energieleistung weggehen lassen? 1 % Stromerzeugung bringt uns 150 qualifizierte Arbeitsplätze. Multiplizieren Sie diese Zahl mit 25; dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass in BadenWürttemberg allein aufgrund dieser Politik weit über 3 000 Arbeitsplätze weggefallen sind.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem gibt es Stadtwerke – wir hatten gestern die Debatte darüber –, die bauen wollen und keine Antwort bekommen. Jetzt gibt es – den Brief haben wir vorgelesen; er ist sogar von einem Parteifreund von Ihnen – endlich ein Angebot vom Minister, sich einmal zusammenzusetzen, um über die Investitionspläne zu reden.

Das Zweite hat Herr Mappus selber veranlasst. Sie haben doch im Ministerium seit 2001 ein Urteil über den Wasserpfennig aufgrund einer Klage des Großkraftwerks Mannheim liegen. Die Betreiber warten noch immer auf eine Reaktion. Es gibt sogar eine neue Festsetzung des Wasserpfennigs von der unteren Wasserbehörde, die nur 60 % verlangen will. Seit vier Jahren gibt es also ein rechtskräftiges Urteil, und die Landesregierung reagiert nicht darauf. Das ist eine Investitionsverhinderungspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Die baden-württembergischen Stadtwerke sind bei Ihnen gar nicht vorgekommen, Herr Ministerpräsident. Sie haben nur über die EnBW gesprochen. Die baden-württembergischen Stadtwerke investieren jetzt Hunderte von Millionen in Nordrhein-Westfalen. Dieses Geld hätten sie auch hier investieren können. Damit sind wir doch noch stärker von Energieimporten abhängig. Die Landespolitik ist also gefordert: Die geplanten Investitionen müssen in Baden-Württemberg möglich gemacht werden. Auch das gibt eine größere Versorgungssicherheit und mehr Arbeitsplätze.

(Beifall bei der SPD)

Herr Mappus, nebenbei bemerkt: Wenn man als Umweltund Verkehrsminister einen Bundesumweltminister als „durchgeknallten Altachtundsechziger“ bezeichnet, ist das kein Ausweis für eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem Bund – selbst wenn man unterschiedliche Auffassungen hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dass Sie das ausgewiesenermaßen mit Absicht gemacht haben – das war kein Ausrutscher –, damit Sie sich bei Ihrer innerfraktionellen Auseinandersetzung mit dem Kollegen Hauk in Position bringen können, ist noch viel schlimmer. Ein Staatsamt dafür zu missbrauchen, finde ich ganz besonders schlimm.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Zurück zum eigentlichen Thema: Wir wollen erreichen, dass die Energieerzeugung ein Wachstumsmarkt ist. Über Kernenergie können wir uns dann immer noch unterhalten. Aber wir brauchen Nachfolgenutzungen und auch Ersatz. Wir bekennen uns dazu, dass das nicht alles mit erneuerbaren Energien möglich ist. Deswegen fragen wir erstens: Wo sind Investitionen von der EnBW? Wir gehen von 1 Milliarde € aus. Herr Claassen hat sie jetzt angekündigt, sie werden irgendwann kommen. Wo sind sie?

Zweitens müssen im Großkraftwerk Mannheim 750 Millionen € investiert werden. Das hängt mit dem Wasserpfennig zusammen. Da brauchen wir nicht nur Gesprächsbereitschaft. Man muss erst einmal auf das Urteil reagieren, Herr Mappus – sofort!

Drittens muss man sich überlegen, wie man mit Neuinvestitionen umgeht. Das sagen wir schon seit Jahren. Wir haben gegen die Einführung des Wasserpfennigs gestimmt.

Zum Vierten müssen die Stadtwerke ihr Potenzial von 500 Millionen € hier investieren. Aber wie sieht das konkret aus? Zwei Stadtwerke investieren schon in andere Projekte, unter anderem in Nordrhein-Westfalen. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall und Ulm beteiligen sich an einer 450-Millionen-€-Investition im westfälischen Hamm.

Die EnBW plant – der Herr Ministerpräsident macht sich gerade sachkundig – ein Jointventure mit der STEAG in Duisburg. Die EnBW übernimmt vertraglich 20 Jahre Strom von der STEAG. Toll! Es wird nicht in Baden-Württemberg, sondern in Nordrhein-Westfalen gebaut.

Da gibt es doch eine Menge Aufgaben, aber dazu kam kein Wort in der Regierungserklärung und kein Wort von Ihnen, Herr Mappus. Das muss in Baden-Württemberg stattfinden, das gibt Arbeitsplätze, und wir werden nicht so abhängig von anderen Ländern.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das muss man machen, Herr Mappus. Das ist Sache der Regierung. Sie waren doch in der Regierung.

Jetzt komme ich zur Laufzeit.

Im Übrigen, Herr Mappus: Ich würde auch nicht herumlaufen und uns nach Kyoto als ganz tolles Energieeinspar- und CO2-Einsparland verkaufen. Sie wissen, dass wir nach Ihrem eigenen Plan jetzt nur noch 70 Millionen Tonnen CO2 jährlich emittieren dürften; wir emittieren aber 79 Millionen Tonnen, also 9 Millionen Tonnen zu viel. Genau das ist der Erfolg Ihrer Arbeit. Sie haben nicht alles möglich gemacht, was – von der Altbausanierung bis zum Verkehr – möglich gewesen wäre, um den Ausstoß von CO2 zu verringern, sondern Sie haben mehr CO2 produziert. Sie können sich hier in der Frage der erneuerbaren Energien und der Frage der Einsparung von CO2 überhaupt mit niemandem messen, weder bundesweit noch anderweitig.

(Abg. Mappus CDU: Das stimmt doch nicht!)

Sonst wären Sie bei 70 Millionen Tonnen, Herr Mappus.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hillebrand CDU: Wir sind bundesweit am besten dran!)

Jetzt kommen wir zur Kernenergie. Was sagen Sie eigentlich, wenn man Ihnen entgegenhält, dass wir nur noch 40 Jahre lang Uran haben?

(Abg. Mappus CDU: Dass das nicht stimmt!)

Das stimmt. Die Internationale Energieagentur sagt das. Es sind nur noch 40 Jahre. – Das heißt, Sie müssten in den Schnellen Brüter einsteigen. Ich habe noch nicht gehört, dass Sie das wollen. Derzeit gibt es auf der Welt überhaupt noch keinen funktionierenden Schnellen Brüter. Wollen Sie wieder hinein in die hochgefährliche Technik, für deren Abschaffung sich alle Parteien ausgesprochen haben? Erklären Sie das mal! 40 Jahre!

Wir haben möglicherweise nur noch 60 bis 70 Jahre lang billiges Öl. Also müssen wir doch etwas machen. Das eine ist kein Ausweg, unabhängig von der Gefährdung.

Im Übrigen gibt es einen sehr schönen Spruch von Ihrem sehr „geschätzten“ Kollegen, Herrn Trittin. Er hat gesagt: Wären die Neandertaler in die Atomtechnik eingestiegen, müssten wir uns noch heute mit ihrem Atommüll beschäftigen. Das muss sich jeder einmal überlegen. Den Vergleich zwischen den Neandertalern und den heutigen Menschen halte ich für einen sehr schönen Vergleich.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grü- nen)

Deswegen müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber nachdenken. Das A und O sind Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Die Sonne schickt in jedem Jahr das Fünfzehntausendfache der Energie auf die Erde, die die Menschheit pro Jahr verbraucht. Das müssen wir technisch nutzen und dürfen das nicht mit Blockaden beantworten, Herr Kollege Mappus.