Meine Damen und Herren, wir brauchen weiterhin ein menschliches Gesicht für das Land Baden-Württemberg. Wir brauchen Leistung und Wettbewerb für diejenigen, die sich auf Leistung und Wettbewerb einlassen können. Wir brauchen Unterstützung für all diejenigen, die bei Leistung und Wettbewerb aus Gründen, die sie nicht zu verschulden haben, nicht bestehen können. Mehr Unterstützung denn je brauchen wir auch, was die immer stärker divergierende de
Meine Damen und Herren, die Christlich-Demokratische Union in Baden-Württemberg steht für eine moderne, aber vor allem auch menschliche Politik. Sie steht für Kontinuität und Verlässlichkeit. Wir versprechen nicht mehr, als wir halten können. Aber das, was wir versprechen, werden wir auch in Zukunft einhalten.
(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Abg. Drexler SPD: Sie haben doch gar nichts verspro- chen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir versprechen nichts und halten deswegen auch nichts“ – so kann man Ihre Rede zusammenfassen.
Herr Mappus, mit Ihnen setze ich mich nachher noch auseinander. Jetzt will ich mich mit der Regierungserklärung auseinander setzen.
Ich finde es schön, dass die CDU-Fraktion von ihren Rechten im Parlament einmal eines abgeben und uns zum Beispiel einmal zuerst reden lassen wollte; das ist nämlich nicht üblich. Wir haben uns deshalb gefragt, weshalb wir das machen sollten. Ihre Rede hat gezeigt, dass es richtig war, dass wir nicht als Erste geredet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Erstes möchte ich dem neuen Ministerpräsidenten, meinem ehemaligen Kollegen im Amt des Fraktionsvorsitzenden, Herrn Oettinger, recht herzlich zu seinem neuen Amt gratulieren. Ich wünsche Ihnen, Herr Oettinger, eine robuste und anhaltende Gesundheit und auch die Gelassenheit, die notwendig ist, um den hohen Anforderungen des neuen Amtes gewachsen zu sein. Ich wünsche Ihnen auch die notwendige Zeit für die Gemeinsamkeit, auf die Ihre Familie auch in Zukunft noch ein Anrecht hat.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie stets über Weisheit, Weitsicht und das Geschick verfügen, das Beste für unser Land und für seine Menschen zu erreichen. Die Zeiten sind schwierig, und die Erwartungen sind groß und berechtigt. Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben es verdient, dass ihre Gegenwart und ihre Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen gestaltet werden.
Unsere bisherige Zusammenarbeit im Parlament war logischerweise gar nicht frei von Konkurrenz, sehr geehrter
Herr Ministerpräsident. Sie war aber trotzdem von Vertrauen und Respekt geprägt. Wo es notwendig und im Interesse des Parlaments geboten war, haben wir auch erfolgreich kooperiert. Ich möchte diese Arbeitsweise fortsetzen und formuliere dies auch ausdrücklich als Angebot an Sie. Was Baden-Württemberg voranbringt, werden wir als Sozialdemokraten in diesem Hause auch unterstützen.
Mit Ihrer Regierungserklärung verbinden wir allerdings eine Absichtserklärung für uns, die Leitlinie für die Politik des Landes sein soll, auch wenn diese Politik gerade einmal ein Jahr dauert. Zwar steht es nicht in dieser Form in der Regierungserklärung, weil Günther Oettinger im Schatten von Erwin Teufel so tun muss, als stünden wir heute an der Wiege einer neuen Ära, aber tatsächlich geht es um ein paar Monate. Diese Regierungserklärung ist in Wahrheit das Sprungbrett, von dem Günther Oettinger in den Landtagswahlkampf starten wird.
Um es kurz und knapp zu machen: Sie haben mit dieser Regierungserklärung versucht, eine Balance zwischen dem Wunsch, Ihren Amtsantritt mit eigenem Profil zu konturieren, und der Kontinuität, die Ihnen von der Partei, der Fraktion und ihrem neuen Vorsitzenden gegeben wurde, zu erreichen. Ich meine, diese Balance ist Ihnen nicht gelungen. Ich erkenne keinen einzigen Ansatz, der in diesem Land nicht längst von A bis Z durchbuchstabiert worden wäre. Ich sehe keine neuen, mit einer konkreten Verwirklichungsperspektive versehenen Initiativen in Ihrer Regierungserklärung.
Mit ein paar freundlichen Sätzen die Wirklichkeitsverweigerung von Erwin Teufel rhetorisch aufzuweichen ist alles andere als eine kraftvolle, gestaltende Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich erkenne in dieser Regierungserklärung allerdings ein paar Elemente, für die uns Herr Oettinger außerordentlich dankbar sein muss. Denn wer den Text genauer liest, der erkennt, dass sozialdemokratische Forderungen und Programmatik immer dann durchscheinen, wenn der neue Ministerpräsident den alten rhetorisch ein wenig hinter sich lassen will, nämlich bei den Themen Vorschule, Ganztagsbetreuung und Familie. Umso schlimmer, dass es bei diesen Themen dann nur bei Ankündigungen bleibt.
Ich komme gleich auf die Presseerklärung zu sprechen, die er gestern herausgegeben hat. – Mit der Regierungserklärung liegt uns eine ganz merkwürdige, unverbindliche Mischung aus wirtschaftskonservativen Textbausteinen nach dem Motto „Schutzvorschriften kosten jeden Tag tausend Arbeitsplätze“ vor, bei denen Sie vor zwei Tagen mes
serscharf analysiert haben, dass die Menschen bei uns zu spät aufstünden und nicht kalt genug duschten.
Ja, das stand in der Zeitung. – Sie besteht aus einer im Zeitgeist lebenden unverbindlichen Ankündigungspolitik – „Wir geben Garantien mit Solidarpakten und Verträgen“ –, aus der Darstellung von Versäumtem – Sie sagen, man müsse eine Aufgabenkritik machen; wir haben bei der Verwaltungsreform eine solche Aufgabenkritik gefordert, die Sie als Fraktionsvorsitzender aber abgelehnt haben –, aus Verschweigen – ich nenne die Studiengebühren und die Streichung von BAföG; Herr Mappus, Sie haben diese Auseinandersetzung angefangen – und aus Unpräzisem. Was verstehen Sie zum Beispiel unter einer großen Steuerreform, einem Steuerkonzept aus einem Guss, wie Sie es nennen, zum Abbau von Steuervergünstigungen, der Sie die Zustimmung geben würden?
Herr Oettinger hat die Auszeit, die ihm Herr Teufel mit seinen Schlussverkaufsattacken am Ende verordnet hatte, für zahlreiche Gespräche genutzt. Er verfügt mittlerweile über einen eigenen Erfahrungsschatz. Er hat an seine Partei geschrieben, man möge ihm bitte Beiträge für seine Konzeption erarbeiten. Dann gibt es noch einen geistigen Mentor im Hintergrund, nämlich den Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft, die meint, mit der Entfesselung der Märkte solle dafür gesorgt werden, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht.
Angesichts dieses Aufwands, lieber Herr Oettinger, hätte das Konzept wahrhaft besser und substanzieller ausfallen müssen: mehr eigene Handschrift, konkreter, verbindlicher und widerspruchsfreier. Das hätten wir uns von Ihrer Regierungserklärung gewünscht.
Friedrich Schiller hat uns über die Zukunft und zu der Frage, wie wir uns der Zukunft stellen sollen, gesagt: „Blicke nicht zurück. Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwärts!“
Ich dachte, Sie verstehen das Wort „Landmann“ besser als „Landsmann“, Herr Kollege. – Ich würde das, was Schiller gesagt hat, auch gerne machen. Das würde aber voraussetzen, dass der neue Ministerpräsident im Status der Jungfräulichkeit ins Amt gekommen wäre und insofern von allem suspendiert werden könnte, was aus der Vergangenheit ins Heute und in die Zukunft ragt.
Günther Oettinger ist aber nicht im Stande der Unschuld. Als Fraktionsvorsitzender hat er zum Beispiel Mehrheiten dafür organisiert, dass sich die Schuldenlast in diesem Lande von 20 Milliarden € auf 44 Milliarden € mehr als verdoppelt hat. Er hat die Geldvernichtungsmaschine NSI – Neue Steuerungsinstrumente – durchgewunken, die uns nach Aussage des Landesrechnungshofs bis zu 500 Millionen € kosten wird. Das Gleiche gilt für die Verwaltungsreform, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Oettinger, wir können auch nicht akzeptieren, dass Sie sich in den letzten Wochen nicht zu der Entscheidungs- und Ausgabenwut von Erwin Teufel in seinem letzten Aufbäumen geäußert haben. Denn wir sind schon der Auffassung, dass er mit dem „putzigen“ Argument, er müsse für sein Geld bis zum letzten Tag arbeiten, noch alles Mögliche gemacht hat, was Ihren Spielraum erheblich einschränkt. Seit Monaten stehen Sie als Kandidat für das Amt fest. Sie hätten darauf achten müssen, dass Ihnen die notwendige Gestaltungsmöglichkeit erhalten bleibt.
Ich kann Ihnen heute auch nicht den Vorwurf ersparen, dass Sie nach der Entscheidung der CDU zu Ihren Gunsten die Befindlichkeit Ihrer Partei über die Interessen des Landes gestellt haben. Sie haben gesehen, dass mit dem Anti-Schavan-Votum Ihrer Partei und seinen Umständen bei Erwin Teufel genügend Heu runter war, sodass Sie ihn nicht weiter dadurch provozieren wollten, dass Sie ihm die wöchentliche Bescherungsstunde vor der Landespressekonferenz untersagten. Stattdessen haben Sie alle möglichen Gesprächspartner eingeladen, mit denen Sie ohnehin seit 20 Jahren sprechen, und einen Brief an die CDU geschrieben, man möge Ihnen einiges aufschreiben und Ihnen Anregungen geben. Sie haben Geschäftigkeit demonstriert, und Erwin Teufel hat die Geschäfte gemacht, lieber Herr Kollege Oettinger.
Das war ein schlechter Einstieg. Erstens haben Sie die notwendigen Handlungsmöglichkeiten nicht mehr. Zweitens sind Sie als Zögerer und Zauderer aufgetreten, obwohl Sie ein überzeugendes Mitgliedervotum im Rücken hatten.
Ich möchte mich zunächst den Themen Wirtschaftsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen zuwenden. BadenWürttemberg verliert nach Auskunft der IG Metall seit 1994 pro Jahr 10 000 niedrig qualifizierte Arbeitsplätze im Elektro- und im Metallbereich. Auf der anderen Seite haben wir natürlich Vorteile dadurch, dass von 1996 bis 2003 die kleinen Unternehmen bis 49 Beschäftigte bei der Beschäftigungsentwicklung ein Plus von 3,3 % und die mittleren Betriebe bis 500 Beschäftigte ein Plus von 1,5 % haben. Aber die großen haben in diesen Jahren die Belegschaft um jeweils 1,6 % abgebaut. Daraus folgt: Wir brauchen eine gute, sinnvolle Mittelstandspolitik. Da sind wir mit der Regierung einig.
Aber was haben Sie denn in der Vergangenheit gemacht, Herr Oettinger, mit Ihrer Fraktion hier? Sie haben drei Bereiche erheblich abgebaut. Die Betriebe brauchen erstens Forschungsergebnisse, die Betriebe brauchen zweitens Kredite, und die Betriebe brauchen drittens Hilfe bei der überbetrieblichen Ausbildung. Der Beitrag des Landes bei der
Förderung mittelständischer Investitionen über die L-Bank wurde seit 1996 um 80 % reduziert, Herr Oettinger, von über 6 Millionen € auf jetzt gerade einmal 1,1 Millionen €.
Die Mittel für die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung – ein Vorteil für Baden-Württemberg – in Betrieben, die sich keine eigene Forschungsabteilung leisten können – eine Forschung, die sinnvoll ist und die auch unser Wachstum ausmacht –, haben Sie seit 1996 um 29 % auf jetzt 36 Millionen € reduziert. Das erste Institut in BadenWürttemberg, das Zentrum Fertigungstechnik Stuttgart, hat am 31. Dezember 2004 zugemacht, weil das Land noch nicht einmal 500 000 € als Grundförderung sicherstellen konnte, obwohl dieses Institut 75 % Drittmittel eingeworben hat. Das darf sich nicht fortsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine falsche Politik, die Sie hier gemacht haben.