70 Biomassekraftwerke dagegen würden nicht nur das stillgelegte AKW Obrigheim von der Leistung her ersetzen, sondern doppelt so viele Arbeitsplätze schaffen. Darum geht es, Herr Mappus: nicht um nur ein Biomassekraftwerk in Obrigheim, sondern um 70 im ganzen Land.
Zweitens: Wo, Herr Oettinger, bleibt Ihre Erklärung, dass die bürokratische Behinderung der Windkraft endlich aufhört?
Drittens: Wir setzen auf die Innovationskraft unserer Forscher und Betriebe. Eine neue Entwicklung steht vor der Haustür: Kleinkraftwerke werden künftig die klassische Heizung ablösen und zugleich Strom erzeugen. Dazu wird gerade in Sindelfingen ein Sterling-Motor gebaut und angeboten. Wenn in den nächsten zehn Jahren von den 3 Millionen Haushalten in Baden-Württemberg 250 000 derartige kleine Blockheizkraftwerke mit einer mittleren Leistung von fünf Kilowatt und, Herr Mappus, einem Wirkungsgrad von 92 bis 94 % installiert werden, bedeutet dies eine Leistung von insgesamt 1 250 Megawatt. Das entspräche der Leistung des Atomkraftwerks Neckarwestheim 2. Solche Ideen, Herr Oettinger, machen Zukunft. Wo bleibt Ihr Mut für das Neue?
Fehler wie der, dass führende Automobilhersteller des Landes bei den Dieselrußfiltern versagt haben, obwohl zwei der größten Rußpartikelfilterhersteller sich im Land befinden, dürfen nie wieder vorkommen. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir die Autos mit den höchsten ökologischen Standards bauen. Deswegen ist der Ressortneuzuschnitt, bei dem der Bereich Verkehr aus dem Umweltministerium in das Innenministerium überführt wurde, ein völlig unbegreiflicher Rückschritt.
Eine Ressortierung des Verkehrsbereichs im Innenministerium stammt doch aus Zeiten, in denen Ökologie noch gar kein politisches Thema war und sichergestellt werden muss
In Zeiten wie heute – das hat die Feinstaubproblematik gezeigt – gehören die Bereiche Umwelt und Verkehr zusammen. Ich finde, wer das nicht begriffen hat, ist nicht auf der Höhe der Zeit.
Aber nicht nur der Ressortzuschnitt ist von gestern, sondern auch inhaltlich, finde ich, haben Sie alte Hüte präsentiert. Sie plädieren für eine Verkehrspolitik, zu der Ihnen nichts anderes einfällt als zusätzlicher Straßenbau, zu der Sie in eleganter Weise immer nur Geld vom Bund einfordern. Sie, Herr Mappus, haben das jetzt überraschenderweise einmal modifiziert.
Es ist schön, dass es auch noch Überraschungen gibt. – Jedenfalls beträgt die Differenz zwischen dem, was wir an Mitteln vom Bund bekommen, und dem, was Sie, Herr Ministerpräsident, für die planfestgestellten Straßen bekommen wollen, 156 Millionen €. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Woher sollen diese Gelder denn kommen? Es ist doch inzwischen einfach nur ein Aberglaube, dass dann, wenn man nur immer mehr Straßen baut, auch die Wirtschaft boomt. Sie sehen im Osten, dass das nicht stimmt. Aber Sie sehen auch bei uns, dass wir nicht wenige Gewerbegebiete, die leer stehen, direkt an Autobahnen haben. Verabschieden wir uns also von dieser Denkweise. Natürlich müssen wir noch Straßen bauen. Aber vor allem müssen wir die Straßen, die wir haben, erhalten. Schon dafür ist doch überhaupt nicht genug Geld vorhanden. Das heißt, wir brauchen umweltfreundliche Mobilitätslösungen, um Spitzentechnologie zu fördern, und müssen einfach runter von der reinen Asphaltmentalität.
Sie sprechen sich für eine Pkw-Maut aus, die es zu Ihren Bedingungen bundesweit natürlich gar nicht geben kann. Wenn Sie sie aber einführen wollen, dann müssen Sie dem Autofahrer klipp und klar sagen – wenn Sie die Erhebungskosten noch abziehen
und Sie das jetzige System von den Lkws auf die Pkws übertragen, würden sich ja für den Pkw-Fahrer ganz gigantische Summen ergeben, allein schon durch den Einbau der erforderlichen Geräte –,
so tun, als würde das dann durch den Wegfall der Kfz-Steuer und durch das Herunterfahren der Mineralölsteuer kompensiert. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Wir hätten es begrüßt, wenn Sie das sehr klar gesagt hätten.
Wir hätten es aber auch begrüßt, Herr Oettinger, wenn Sie gesagt hätten: In Zukunft wird mit dem Schattenhaushalt im Landesstraßenbau bei der L-Bank Schluss gemacht, das kommt wieder in den Haushalt zurück. Aufhören zu müssen mit den Schattenschulden im Straßenverkehr wäre die erste bittere Medizin für Sie, damit Ihre Politik wieder auf die Realitäten des Möglichen zurückgeführt wird.
Der ländliche Raum in Baden-Württemberg hat unserer Ansicht nach Zukunft, wenn er vom Verbraucher her gedacht wird. Der Schlüsselbegriff lautet auch hier Qualität. Es ist völlig ausgeschlossen, Herr Oettinger, dass unsere schwäbischen und badischen Bauern bei den naturräumlichen und strukturellen Bedingungen, die wir hier in Baden-Württemberg haben, mit ihren Produkten mit den Massenprodukten aus den USA, aus Kanada, Neuseeland, Australien oder Osteuropa konkurrieren können. Wer das einleiten will, führt unsere Bauern zur Schlachtbank.
Wir müssen Baden-Württemberg zum Feinkostladen Deutschlands machen. Unsere Strategie heißt: Nur das Beste ist für uns gut genug. Unsere Verbraucher wollen gesunde, umweltfreundliche und artgerecht erzeugte Lebensmittel, und sie wollen kein Genfood.
Bekennen Sie sich endlich zu einer Strategie einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Das ist genau das richtige Signal für eine Strategie in Baden-Württemberg für regionale Wirtschaftskreisläufe,
Denn wir alle wissen: Unsere Kinder bei den sich dramatisch verändernden Essgewohnheiten und der Fast-FoodWelle gesund zu ernähren ist eine ebenso große Herausforderung wie die, sie gut zu bilden.
Also: offensive Vermarktung von regionalen und biologischen Produkten in unseren Ganztagseinrichtungen, in den Heimen, in den Kantinen und in der Gastronomie; neue Standbeine für die Landwirte als Energiewirte. Die Bundesregierung ermöglicht den Bauern schwarze Dächer durch Photovoltaik. Otto Bauer hat mir letztens gesagt: Das Schönste ist, dass man dafür Geld bekommt und nichts schaffen muss.
Wir tun also etwas für Bauern mit schwarzen Dächern. Was tun die Schwarzen hier im Land, um den Bauern zu einem neuen Standbein zu verhelfen?
Ich komme zum Naturschutz. Herr Mappus, Sie haben den Flächenverbrauch angesprochen. Das ist genau das, was wir kritisieren. Sie sind seit fast 50 Jahren an der Regierung, und jetzt kommen Sie mit einem Appell gegen den Flächenverbrauch. Wo sind die mit den Kommunen abgestimmten, umsetzbaren Konzepte, um den Flächenverbrauch einzudämmen? Fehlanzeige!
Herr Oettinger, für Naturschutz benötigt man ein Wertegerüst. Das Ihre ist falsch. Sie sagen, Natur- und Umweltschutz seien kein Selbstzweck. Ich aber sage: Wir haben die Natur nicht gemacht, wir finden sie vor. Für Juden, Christen und Muslime ist sie Gottes Schöpfung. Wir können keine Art schaffen, wir können sie vielleicht ausrotten. Der Reichtum der Arten, die Vielfalt der Ökosysteme und Biotope, das wunderbare ökologische Wirkungsgefüge, das alles ist eben nicht nur Lebensgrundlage, sondern auch der Grund, warum fast 100 % der Menschen Natur schön finden. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Wahrung der Schöpfung zunächst einmal auch eine Pflicht für die Christliche Union ist.
Aber sie ist auch Kür. Weil Menschen die Natur schön finden, ist sie die Grundlage des Tourismus. Die Einrichtung eines Biosphärenreservats Mittlere Schwäbische Alb ist deswegen ein echter Lichtblick in Ihrer Regierungserklärung, Herr Oettinger. Wir betrachten es als Erfolg unserer zähen Arbeit in der Naturschutzpolitik, dass der neue Ministerpräsident offenbar einen Kurswechsel einleitet. Herzlichen Glückwunsch! Mehr davon, denn eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
Denken Sie daran: Der Tourismus ist eine Dienstleistungsbranche. Hier können wir mehr Arbeitsplätze schaffen als bisher.
Ich komme nun zum wichtigen Bereich der Bildung. Als Gründe für Bildung nennen Sie, Herr Oettinger, nur: Bildung ist Voraussetzung für Arbeit, Innovation, Qualität, Forschung und Zukunftsinvestitionen. Auch das ist eine Reduzierung der Bildung auf ökonomische Kategorien. Wir brauchen aber Bildung um der Kinder willen.
Es geht darum, ihnen zu ermöglichen, sich zu Persönlichkeiten zu entwickeln, mündige Menschen zu werden, die ihr Leben selbst gestalten können, Verantwortung für sich, für ihre Angehörigen, für die Gesellschaft und die Umwelt zu übernehmen. Dazu gehören soziale Fähigkeiten, Neugier auf Neues, Kreativität, Urteilskraft, ein Wertegerüst und Toleranz. Ich bin überzeugt: Wenn wir Menschen diese Bildung um ihrer selbst willen zukommen lassen, dann ist das auch das Beste für die Wirtschaft, denn auch die Wirtschaft braucht kluge, sozial orientierte, kreative, wertbewusste und tolerante Menschen. Wertevermittlung muss deshalb im gesamten Unterricht stattfinden, denn im Kindergarten und in
der Schule sind alle zusammen. Schule ist deswegen der Ort, wo der Kitt für den Zusammenhalt einer pluralistischen Gesellschaft gebildet wird.
Der Religionsunterricht in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften ist der richtige Weg. Nur jemand, der den Glauben, um den es geht, selbst glaubt, kann in den Kindern – um Habermas zu zitieren – „religiöse Musikalität“ entwickeln. Das hat nichts mit Konfessionalismus zu tun. Ich freue mich deswegen über erste Ansätze eines ökumenischen Religionsunterrichts durch die Kirchen.