Herr Kollege Bayer, Sie haben von Sollvorschriften gesprochen. Im Gesetzentwurf steht aber „muss“. Es geht um eine Gemeindeordnung, die die kommunale Selbstverwaltung regelt. Ich glaube nicht, dass wir hier in Stuttgart festlegen sollten, wie in über 1 000 Städten und Gemeinden die Jugendbeteiligung im Einzelnen auszugestalten ist. Dies zeigt auch die Öffnung – ich komme noch darauf – von Jugendgemeinderäten auf andere Beteiligungsformen.
Es war in der Gründungszeit der Jugendgemeinderäte ein Push für Jugendgemeinderäte, aber es gibt daneben auch viele andere Formen, die sich etabliert haben. Es war die Initiative unserer Fraktion bei der Vorbereitung der Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften für mehr Bürgerbeteiligung, dem Rechnung zu tragen und § 41 a der Gemeindeordnung auch für andere Beteiligungsformen zu öffnen. Herr Kollege Bayer, ich habe das vor über einem halben Jahr beim Landesjugendring bekannt gegeben. Sie waren dabei. Dieser Gesetzentwurf ist durch die Anhörung gegangen. Gestern ist im Kabinett die Einbringung in den Landtag beschlossen worden. Wir bleiben aber dabei, dass es eine Kannvorschrift sein soll, keine Sollvorschrift, und dass auch nicht, so wie in Ihrem Gesetzentwurf, ein Muss für die Einrichtung einer Jugendbeteiligungsform, ob Jugendgemeinderat oder etwas anderes, formuliert wird. Wir entscheiden nicht hier in Stuttgart über das Wohl und Wehe von Jugendbeteiligung in allen über 1 000 Städten und Gemeinden unseres Landes.
Ich komme zum Wahlalter. Richtig ist, dass wir das Interesse an Politik bei Jugendlichen mehr als bisher wecken müssen. Dass Jugendliche vielfach nichts mit Politik am Hut haben, muss uns allen – Abgeordneten und Parteien – zu denken geben und die Frage aufwerfen, in welcher Art und Weise wir Politik machen und wie wir auch auf Jugendliche zugehen.
Die Jugendenquete hat in der letzten Legislaturperiode auch diesen Punkt beraten. Diese Beratung wird sicher auch Gegenstand in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ sein. Deshalb hat gerade auch der Landesjugendring Sie von der SPD dafür kritisiert, dass Sie jetzt diesen Gesetzentwurf einbringen, und Sie aufgefordert, ihn zurückzustellen.
Für uns in der CDU-Landtagsfraktion ist jedenfalls das Wahlrecht kein Instrument, mit dem wir Marketing für Politik machen wollen. Es ist kein Instrument, das uns so wenig wertvoll wäre, solche Dinge damit zu betreiben. Es ist für mich auch nicht ohne weiteres logisch, wegen der landläufigen Meinung, dass sich Jugendliche nicht für Politik interessierten und mit einem zu geringen Anteil wählten, festzulegen, sie sollten früher wählen dürfen. Warum allein deshalb tatsächlich mehr wählen gehen sollen, diese Logik erschließt sich mir nicht ohne weiteres.
Sie können dann im Innenausschuss auch darüber beraten, ob es logisch ist, den Jugendlichen zu sagen, sie sollten sich zwar mit aktivem Wahlrecht beteiligen können, aber das passive Wahlrecht sollten sie nicht erhalten.
Als das Wahlalter von 21 Jahren auf 18 Jahre gesenkt worden ist, hat man sehr bewusst eine Parallelität zwischen Volljährigkeit und Wahlalter hergestellt, und Volljährigkeit heißt halt Geschäftsfähigkeit nach dem BGB, heißt nach dem Strafgesetzbuch Strafbarkeit mit Einschränkungen. Da hängen Rechte und Pflichten miteinander zusammen. Daran wollen wir festhalten.
Ich weiß auch nicht, ob man dem Kommunalwahlrecht und dem Landtagswahlrecht einen Gefallen damit täte, wenn man einen Unterschied zum Bundestagswahlrecht machen und damit einen qualitativen Unterschied zwischen den Wahlrechten zu unterschiedlichen Gremien herstellen würde.
Für die CDU-Landtagsfraktion kann ich sagen: Wir sehen kein Argument für diesen Gesetzentwurf. Das gilt auch schon in der Ersten Beratung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte gerne mit § 41 a der Gemeindeordnung beginnen. In der Tat steht dort eine Kannvorschrift und keine Soll- und keine Mussvorschrift. Wir haben das, als wir in der letzten Legislaturperiode die Gemeindeordnung geändert haben, ausführlich diskutiert. Wir waren uns hier im Grunde darüber einig, dass es nichts bringt, wenn zum Beispiel ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin und der Gemeinderat grundsätzlich gegen Jugendgemeinderäte sind, ihnen diesen trotzdem aufs Auge zu drücken und zu sagen: Ihr habt das einfach hinzunehmen. Dann käme nämlich letztlich nichts dabei heraus, weil eine ständige Konfrontation bestünde.
Wir begrüßen Jugendgemeinderäte; es war unsere Forderung, das auch in die Gemeindeordnung aufzunehmen, aber eben mit einer Kannbestimmung und nicht mit einer Solloder gar Mussbestimmung. Wir wissen, dass es wichtig ist – das hat ja auch Herr Fries, der Vorsitzende des Landesjugendrings, in seinem Rundschreiben geschrieben, in dem er die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre fordert –, Jugendliche ernst zu nehmen. In der Tat: Da hat er Recht. Jugendliche nehmen wir aber nicht dadurch ernst, dass wir für sie das Wahlalter auf 14 Jahre senken.
Jugendliche ernst zu nehmen ist wichtig. Aber man nimmt sie nicht dadurch ernst, indem man, wie gesagt, das Wahlalter auf 14 Jahre senkt, sondern dadurch, indem man sie zum Beispiel über unser politisches System, über unser wirtschaftliches System und unser gesellschaftliches System informiert. Zum Beispiel beginnt ja der Unterricht in Gemeinschaftskunde und Geschichte erst ab Klasse 7. Da sind die Schüler 13 bzw. 14 Jahre alt. Da fangen wir ja erst einmal mit der Information an. Würde das Wahlalter abgesenkt, müsste man die Bildungspläne für die Schulen ändern. Denn bevor sie ein Wahlrecht bekommen, müssen sie wissen, worüber sie abstimmen.
Herr Kleinmann, wenn Sie darauf abheben, dass Sie den Gemeinden nichts vorschreiben wollen, keine Vorschriften machen wollen und deshalb die Kannvorschrift für die Jugendgemeinderäte wollen, warum haben Sie sich dann geweigert, die anderen Partizipationsformen mit aufzunehmen?
Also geweigert habe ich mich gar nicht, Herr Braun. Weder haben wir uns geweigert, noch haben wir es verneint, Herr Braun, sondern wir sitzen in einer Koalition. Das wissen Sie ganz genau. Wir haben damals ausdrücklich gesagt – ich selber habe die Rede hier gehalten –, dass zum Beispiel Jugendforen – das haben wir ja auch in der Jugendenquete angesprochen – für uns durchaus eine Möglichkeit sind, die wir uns vorstellen können. Die Partizipation von Jugendlichen muss sich nicht auf Jugendgemeinderäte beschränken.
(Abg. Braun SPD: Aber Sie haben sich geweigert, diese Form aufzunehmen! – Unruhe – Abg. Pauli CDU: Keine Diskussion! Herr Präsident! Wo sind wir denn?)
Der nächste Punkt: Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Es ist richtig, was vom Kollegen Bayer vorhin angesprochen wurde: Die Religionsmündigkeit beginnt mit 14, Herr Bayer. Sie beginnt deswegen mit 14, weil der Konfirmandenunterricht mit 14 abgeschlossen ist. Die Jugendlichen sind in allen Dingen, die die Kirche betreffen, unterwiesen – einschließlich Patenamt und einschließlich dessen, was Kirche an sich und in sich bedeutet. Deshalb gibt es die Religionsmündigkeit mit 14. Man denkt in der Tat darüber nach, ob man das Wahlalter zum Kirchengemeinderat und zur Landessynode von 16 auf 14 reduzieren sollte. Aber wie ich gerade ausgeführt habe, beginnt der Gemeinschaftskundeunterricht an den Schulen erst dann, wenn die Schüler 13 bzw. 14 Jahre alt sind, und deshalb passt das einfach nicht mit der Senkung des Wahlalters zusammen.
Ich bin der Meinung, dass es eine sophistische Streiterei ist, sich darüber auseinander zu setzen, ob ab 16 oder ab 18 gewählt werden darf. Wenn die Volljährigkeit – dieses Argument ist auch von Ihnen, Herr Bayer, selbst gekommen – mit 18 beginnt, beginnt für mich auch das passive und das aktive Wahlrecht mit 18. Es gibt Argumente dafür, es gibt Argumente für eine andere Regelung, entscheidend ist für mich, dass Jugendliche nicht dadurch ernst genommen werden, dass man das Wahlalter senkt, sondern dadurch, indem man ihnen verschiedene Formen der Beteiligung am gesellschaftlichen und am politischen Leben ermöglicht
Ich erinnere zum Thema „Teilhabe und Partizipation von Jugendlichen“ zum Beispiel auch an die Jugendorganisatio
nen unserer Parteien. Ich erinnere daran: Es gibt den Landesjugendring, den Kreisjugendring, es gibt die Jugendringe auf der Ebene der Gemeinden und Städte. Ich habe dort selber mitgewirkt und habe einst einen Jugendklub mit gegründet, der als Mitglied im Kreisjugendring – und indirekt auch im Landesjugendring – entsprechende Gelder und damit politische Unterstützung bekommen hat. Das war ein sehr interessantes und mich hoch motivierendes Engagement. Da müssen wir, meine ich, ansetzen und den Jugendlichen als Vor-Ort-Gemeinderäte, Ortschaftsräte und Kreisräte beistehen und Unterstützung leisten. Lediglich das Wahlalter zu senken halte ich für wenig geeignet, das politische und das gesellschaftliche Engagement von Jugendlichen zu fördern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir von der Grünen-Fraktion unterstützen den Gesetzentwurf der SPD und sprechen uns für die Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Jugendlichen aus. Denjenigen, die eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten gehen, die als ehrenamtliche Jugendleiter bei Zeltlagern Verantwortung übernehmen oder beim freiwilligen sozialen Jahr für alte Menschen in der Pflege da sind, das Wahlrecht zu verweigern, das ist völlig absurd.