Protokoll der Sitzung vom 01.06.2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen des Präsidiums,

(Zurufe: Oi! – Abg. Seimetz CDU: Das ist aber ei- ne charmante Begrüßung! – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Es gibt auch eine Schriftführerin! – Abg. Sti- ckelberger SPD: Das gibt zwei Minuten Redezeit!)

meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundlage für unsere heutige Debatte, Herr Kollege Caroli, ist ein Uraltantrag der SPD aus der zweiten Hälfte des Jahres 2003.

(Zurufe von der SPD)

Es ist meines Erachtens schon bezeichnend, dass Sie nach dieser Zeitspanne heute mit Altanträgen kommen.

(Abg. Fischer SPD: Sie haben doch auch einmal dem Präsidium angehört!)

Das zeigt erstens, dass die Landes-SPD auf Bundesebene keinen Einfluss in der Naturschutzpolitik besitzt und wahrgenommen hat, und zweitens, dass Sie das eigentlich immer nur hier im Landtag plakativ fordern und nirgendwo anders.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das ist doch Unsinn hoch drei! Das ist doch wirklich eine Frech- heit, was Sie da sagen! – Abg. Alfred Haas CDU: Drittens haben sie nichts auf der Pfanne!)

Meine Damen und Herren, die Zahlen, die die Landesregierung in der Stellungnahme mitgeteilt hat, zielen auf den Stichtag 31. Dezember 2002 ab. Seit dieser Zeit hat sich allerdings eine ganze Menge getan. Deshalb will ich nicht im Einzelnen auf diese Zahlen eingehen, sondern mich auf ein paar Schwerpunkte beschränken.

Die Kollegin Brenner hat vorhin zu Recht die Novelle des Naturschutzgesetzes angesprochen. Die Novelle ist vom Kabinett verabschiedet und befindet sich jetzt in der Anhörungsphase, die Verbandsanhörung läuft. Ziel der Novellierung ist ein Naturschutzgesetz, das effizient ist und auch Akzeptanz findet.

Lassen Sie mich an dem Stichwort Akzeptanz noch einmal erläutern, wie die Landesregierung Naturschutzpolitik verstehen will.

Akzeptanz heißt nicht unter allen Umständen Kompromiss – denn es kann sich auch um faule Kompromisse handeln –, sondern zunächst einmal eine Naturschutzpolitik, die auf Dialog und auf Konsens ausgerichtet ist.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Ein Konsens muss aber nicht um jeden Preis gefunden werden. Bei Abwägungsprozessen liegt es in der Natur der Sache, dass es den totalen Kompromiss und den totalen Konsens unter Umständen nicht geben kann.

(Abg. Kiefl CDU: Genau!)

Zumindest aber muss unter dem Strich ein möglichst hohes Maß an Ausräumung von Interessenkonflikten zwischen den Nutzern der Natur – den verschiedensten Kommunen, dem Naturschutz, der Land- und Forstwirtschaft und anderen – erreicht werden.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Akzeptanz, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist meines Erachtens auch das Schlüsselwort für eine gelungene Naturschutzpolitik, um Menschen auch für den Naturschutz zu begeistern und für die Ziele des Naturschutzes einzunehmen. Wenn wir diese Akzeptanz nicht herstellen und wenn Sie, Herr Kollege Dr. Caroli, und zum Teil auch Sie, Herr Kollege Walter, weiter in den Schützengräben verharren und alles, was nur den Hauch eines Angriffs auf eine bedrohte Tierart oder eine bedrohte Pflanzenart beinhaltet, zum Anlass nehmen, plakativ andere Nutzer der Natur regelrecht in den Boden zu rammen, wenn Sie nicht aus den Schützengräben herauskommen und das Gespräch suchen,

(Zurufe von der SPD)

werden Sie mit diesem Ansatz scheitern.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das ist ja unglaub- lich! – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Walter?

Sofort, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, lassen Sie mich nur noch einen Satz dazusagen: Das beste Beispiel des Scheiterns liefert doch die Bundesregierung. Die Bundesregierung versucht es – jetzt erneut durch die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes – mit einem Schutzgebietsmechanismus, mit einem reinen planbezogenen Ansatz, Herr Kollege Dr. Caroli. Sie kommen aus der Planwirtschaft. Sie kehren im wirtschaftspolitischen Bereich genauso wie in Ansätzen der Regionalplanung und der Nutzungsplanung doch gerade wieder dahin zurück.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Wovon reden Sie eigent- lich?)

Sie kommen aus der Planwirtschaft. Sie haben sich zu den Anfängen von Schröder und zur Endzeit von Schmidt in die Marktwirtschaft verirrt

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

und sind jetzt wieder bei der Planwirtschaft gelandet.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie sind ja noch im Luftschutzbunker! – Abg. Dr. Caroli SPD: Der redet sich um Kopf und Kragen!)

Ich zitiere eine Äußerung, die Sie, Herr Dr. Caroli, vorhin gemacht haben. Sie haben vorhin erneut die Verbindlichkeit der Pläne regelrecht gefordert. Meine sehr verehrten Damen

(Minister Hauk)

und Herren, damit schafft man keine Akzeptanz in der Naturschutzpolitik. Mein Ziel hingegen ist es, eine solche Akzeptanz zu schaffen.

Frau Präsidentin, jetzt bitte die Frage des Kollegen Walter.

Bitte sehr, Herr Abg. Walter.

Herr Kollege Hauk, sind Ihnen diverse Anträge der Grünen in den letzten Jahren – fast schon Jahrzehnte – entgangen, in denen wir explizit darauf hingewiesen haben, dass wir nicht wollen, dass im Naturschutz ein Reservatsdenken existiert, sondern der Auffassung sind, dass man Schutz durch Nutzen in den Vordergrund stellen sollte?

(Zurufe der Abg. Röhm CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Diese Haltung ist insbesondere in unserem Antrag zum Thema „Biosphärenreservat Münsingen“ noch einmal zum Tragen gekommen.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Ist Ihnen das entgangen? Falls nicht, wie kommen Sie dann dazu, solche Behauptungen wie die zu pflegen, wir würden weiter in Schützengräben verharren? Ich denke, man sollte zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren.

Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Herr Kollege Walter. Aber man muss zwischen Worten und Taten unterscheiden. Ich sage noch einmal: Der Ansatz des Bundesnaturschutzgesetzes war planerischer, statischer Art.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Ich will gar nicht verhehlen, dass sich in den letzten Jahren vor allem im Bereich der Naturschutzverbände und demzufolge auch bei den Grünen in der Betrachtungsweise des Naturschutzes mehr oder minder ein dynamischer Ansatz durchgesetzt hat. Ich begrüße dies außerordentlich. Denn es geht uns – mit Ausnahme von wenigen seltenen Arten, die eben nur standorttreu irgendwo zu behalten sind – doch in der Summe darum, dass wir in bestimmten Zeiträumen keine Verschlechterung in der Gesamtfläche erleben. Aber in der Einzelfläche darf es unter Umständen trotzdem Veränderungen geben. Ich bin ja froh, dass Sie allmählich in diese Erkenntnis hineingestoßen sind. Das begrüße ich außerordentlich. Ich sage nur, dass die Bundesregierung im Bereich des Bundesnaturschutzgesetzes einen anderen Ansatz hatte. Ich beklage in diesem Zusammenhang auch den statischen Ansatz der Europäischen Union zum Thema Natura 2000. Ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen.

Lassen Sie mich noch einmal das Thema Akzeptanz ansprechen. Ich habe es ja erläutert. Das Bundesnaturschutzgesetz wird mit unserem Entwurf in Landesrecht umgesetzt. Der Entwurf nutzt dabei auch alle Spielräume, die der Bundesgesetzgeber zulässt. Das beste Beispiel, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Flexibilisierung der Eingriffsregelungen durch ein handelbares Ökokonto.

Ich weiß auch, dass dieser Vorschlag in der Praxis draußen nicht unumstritten ist. Ich bin einmal gespannt, was in der

Anhörungsphase unter dem Strich an Stellungnahmen zurückkommt. Denn eines ist auch klar: Wenn wir ein Ökokonto auch im überörtlichen naturschutzrechtlichen Bereich eröffnen – im Baurecht gibt es ja bereits diese Möglichkeit –, dann schafft das einerseits mehr räumliche, aber andererseits auch mehr zeitliche Flexibilität für Ausgleichsmaßnahmen. Das ist letztendlich auch unter dem Ansatz einer gewissen flächenhaften oder dynamischen Nachhaltigkeit gedacht.

Das ist das eine. Das Ökokonto bietet also denen, die Eingriffsregelungen wollen oder Nutzungsänderungen vornehmen wollen – ich nenne es einmal ganz wertneutral –, gewisse Möglichkeiten zeitlicher und räumlicher Art, flexibler zu werden. Ich glaube, das ist in unser aller Sinne.

Wahr ist allerdings auch, dass ein gewisser bürokratischer Aufwand damit verbunden ist. Ich bin jedoch der Meinung, dass man sich vor diesem nicht drücken darf, wenn man zu einer Ökokontoregelung kommt. Denn wenn es um den Schutz der Naturgüter geht und wenn wir unter Umständen auch eine zeitliche Flexibilität in der Nachhaltigkeit erreichen wollen, dann brauchen wir eben auch eine saubere Bilanzierung in einer entsprechenden Ökokontoregelung. Man muss beides gegeneinander abwägen. Ein bürokratischer Aufwand ist zweifelsohne erforderlich, er mündet aber für den einzelnen Planungsträger unter Umständen in eine deutlich höhere zeitliche und räumliche Flexibilität, als wir sie derzeit haben.

Ich persönlich sage ganz offen meine Meinung: Ich bevorzuge die Regelung des Ökokontos, weil mir die Flexibilität auch im Interesse des Naturschutzes viel mehr wert ist als der rein statische Ansatz, den wir mit den heutigen Eingriffs- und Ausgleichsregelungen unter dem Strich haben.

(Abg. Rüeck CDU: Sehr gut! – Beifall bei Abge- ordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rüeck. – Meine Damen und Herren, der Entwurf sieht selbstverständlich auch vor, Nationalparks und Biosphärenreservate oder Biosphärengebiete – wie auch immer man es nennen will – in das Landesrecht zu übernehmen. Ich sage ganz offen: Ich will nicht von „Reservat“ sprechen. Die Kollegin Dr. Brenner hat das vorhin treffend erläutert. Wir leben eben nicht irgendwo unter einer Käseglocke,

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)