Peter Hauk
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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abg. Teßmer wie folgt:
Sehr geehrter Herr Kollege Teßmer, es ist nicht zutreffend, dass ich beim Besuch des Forschungszentrums Karlsruhe in Eggenstein-Leopoldshafen behauptet habe, dass 10 000 Biogasanlagen ein einziges Kernkraftwerk ersetzen könnten. Der Bericht des „Haller Tagblatts“ vom 26. Januar 2006 erfolgte – so vermute ich – auf der Grundlage einer dpa/lsw-Pressemeldung. In dieser Pressemeldung wird im Zusammenhang mit dem möglichen Biogaspotenzial in Deutschland die Fachagentur „Nachwachsende Rohstoffe“, eine Fachagentur, die dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz untersteht, zitiert, die in den nächsten 10 bis 20 Jahren etwa 10 000 Biogasanlagen in Deutschland für realisierbar hält. Ich zitiere wörtlich aus der dpa-Meldung:
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe hält etwa 10 000 Biogasanlagen in Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren für realistisch. Allerdings würden diese zusammen nur etwa die Leistung eines Kernkraftwerks erreichen.
Ich verweise zusätzlich auf die Pressemitteilung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum vom 24. Januar 2006 zu dem gemeinsamen Besuch von mir und meinem bayerischen Amtskollegen Josef Miller im Forschungszentrum Karlsruhe mit der Überschrift „Biokraftstoff aus Stroh bietet neue Perspektiven für Biomasse“. Auch dort werden Sie eine diesbezügliche Aussage von mir in dem von Ihnen angesprochenen Kontext nicht finden.
Zu Frage b: Die von Ihnen getroffene Annahme zur Abschätzung des zukünftigen Stromerzeugungspotenzials einer neuen Biogasanlage mit einer Leistung von ca. 300 Kilowatt wird von mir geteilt. Eine solche Berechnung und Annahme setzt aber voraus, dass die Blockheizkraftwerke der Biogasanlagen die gleiche Zahl an Betriebsstunden pro Jahr erbringen wie die zu ersetzenden Kernkraftwerke. Würde man die durchschnittliche Größe aller derzeit in BadenWürttemberg in Betrieb befindlichen Biogasanlagen in Höhe von derzeit durchschnittlich 136 Kilowatt elektrischer Leistung heranziehen – Stand Dezember 2005 –, so könnten etwa 10 000 Biogasanlagen dieser Größe das GKN II in Neckarwestheim mit einer Leistung von 1 365 Megawatt er
setzen. Im Bundesdurchschnitt sind die Biogasanlagen größer.
Herr Kollege Teßmer, wenn Sie die betreffende Pressemitteilung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum lesen, werden Sie in diesem Zusammenhang keinen Verweis feststellen.
Die Politik der Landesregierung ist eindeutig – um das noch einmal klar zu formulieren –: Wir treten für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ein, weil die Kernkraftwerke, die derzeit bei uns in Baden-Württemberg laufen, solange sie sicher sind, auch betriebsfähig gehalten werden können und wir damit notwendige und wertvolle Grundlast produzieren.
Wir treten ein für eine drastische Verringerung des Einsatzes der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas.
Das ist der Knackpunkt, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wollen wir ein höheres Maß an Unabhängigkeit von Krisenregionen der Welt erreichen.
Zu den Krisenregionen zähle ich den Nahen Osten genauso wie, potenziell zumindest, auch Russland.
Herr Kollege Winkler, im Uranbereich sind die USA und Kanada wesentliche Lieferanten – um das noch einmal deutlich zu machen.
Im fossilen Bereich haben wir ein hohes Maß an Abhängigkeit, in Sonderheit bei Erdgas, von Russland – nahezu 80 % –; der Fall Ukraine ist jedem noch im Gedächtnis. Im Bereich des Erdöls wird die Abhängigkeit in der Zukunft sogar noch zunehmen, da die Erdölvorkommen in der Nordsee begrenzt sind.
Deshalb ist unsere Linie klar: Wir wollen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern drastisch verringern.
Der zweite Punkt: Das liegt auch im Interesse des Klimaschutzes. Ich halte es für völlig falsch, wenn die nachwachsenden Rohstoffe gegen die Kernenergie ausgespielt werden.
Unser Ansatz ist und wird auch in Zukunft sein, dass wir nachwachsende Rohstoffe als Alternative zu fossilen Energieträgern stärker fördern müssen,
weil wir dort auch ein regionales Wertschöpfungspotenzial vom Produzenten über den Verarbeiter bis hin zum Lieferanten haben und weil die Land- und Forstwirtschaft im Bereich der Biomasse das Potenzial hat, zusätzliche Wertschöpfung zu erzielen. Deshalb ist es notwendig – ich sage es noch einmal –, nachwachsende Rohstoffe und regenerative Energieträger verstärkt zulasten fossiler Energieträger einzusetzen.
Es gibt in diesem Bereich zwei große Baustellen. Die eine Baustelle betrifft die Frage, wo wir die Marktanreize aktiv erhöhen. Wir haben, wie jede andere Körperschaft auch, nur begrenzte finanzielle Ressourcen. Daher müssen wir genau darauf achten, diese begrenzten Ressourcen auch sinnvoll und zielorientiert einzusetzen. Mit dem Energieeinspeisegesetz haben wir ein solches Instrument.
An dessen Novellierung waren die Länder beteiligt. Herr Kollege Teßmer, Sie wissen doch so gut wie wir, dass wir auch auf massiven Druck von Baden-Württemberg hin bei der Novellierung zwei ganz zentrale Elemente neu einge
bracht haben. Das eine zentrale Element war die Förderung der Großen Wasserkraft, die bisher nicht enthalten war.
Das zweite Element war der Nawaro-Bonus, der die Einspeisevergütung in Sonderheit für Biomasse und regenerative Energieträger verbessert hat. Das hat zu einem Aufschwung gerade auch im Bereich der Biomasse geführt.
Bei Haushaltsressourcen, die begrenzt sind, müssen wir uns überlegen, wo Felder existieren, die derzeit nicht besetzt sind. Ein solches Feld ist das Thema Wärmeenergie. Der Bund hat jetzt angekündigt, dass er es zum Gegenstand der Novelle des EEG machen wird,
was ich ausdrücklich begrüße. Im Wärmebereich haben wir für die Holzenergie ein entsprechendes Förderprogramm, und wir haben zum Zweiten mit dem Programm „Klimaschutz-Plus“ für all diejenigen ein Förderinstrument, die zum Umstieg bereit sind – ein Programm, das nicht nur, aber auch für innovative Produkte im öffentlichen Bereich zur Verfügung steht.
Wir werden auch in der kommenden Legislaturperiode – sofern der Wähler dies will – genau an dieser Baustelle der Förderung der regenerativen Energien, insbesondere der Energieträger aus Biomasse, fortfahren.
Die zweite Baustelle heißt Forschung und Entwicklung. Genau dort sind wir mit Millionenbeträgen aktiv. Eines der Forschungsvorhaben, nämlich das Forschungsvorhaben beim Forschungszentrum Karlsruhe – Herr Kollege Teßmer, hierauf bezieht sich ja Ihre Mündliche Anfrage – zum Thema „Biokraftstoff aus Stroh“ – und ich sage dazu: neben Stroh ist dabei auch das Energieholz gefragt, das nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren behandelt wird –, bietet neue Perspektiven für die Land- und Forstwirtschaft.
Das Land Baden-Württemberg hat dieses Projekt über die Zukunftsoffensive III gefördert. Es kam zu einem vorläufigen Abschluss. Nun wird es fortgesetzt. Dabei wird – der Spatenstich erfolgt noch in diesem Frühjahr – eine Demonstrationsanlage in Karlsruhe gebaut, um dieses Projekt zur – wenn man es so nennen will – Serienreife heranzuführen. Dabei geht es um das Thema Kraftstoffe, um Biokraftstoffe, die nach dem genannten Fischer-Tropsch-Verfahren – auch BTL-, Biomass-to-Liquid-Verfahren, genannt – gewonnen werden. Damit werden wir sicherlich neue Felder erschließen können.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in das Artikelgesetz auch eine Änderung des Landesjagdgesetzes eingebracht. Das ist eigentlich eine ganz unstrittige Sache. Im wesentlichen Kern geht es darum, dass wir im Rahmen der Entbürokratisierungsinitiative der Landesregierung eine Rechtsgrundlage für die Privatisierung der Jägerprüfung schaffen, die bisher ausschließlich in staatlichen Händen lag. Man muss zu Recht sagen: Der Staat hat zwar die Rahmenbedingungen zu setzen und Inhalte etc. vorzugeben, aber ausführen können dies Private, nämlich Dritte, die der Sache kundig sind, genauso.
Wir haben im Vorfeld bereits den Dialog mit den maßgeblichen Verbänden gesucht und ihn auch gefunden. Es gab von vielen Seiten Rückmeldungen. Der Gesetzentwurf wurde noch einmal kritisch geprüft. In der Summe kann man sagen, dass wir damit einerseits einen weiteren Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Entlastung der Staatstätigkeit leisten und andererseits eine Übertragung von Verantwortung auf Private und Verbände vornehmen werden.
Herr Kollege Noll, ich freue mich über den großen Beifall seitens der FDP/DVP-Fraktion.
Daran merken Sie: Wir sind ein treuer Koalitionspartner
und greifen die Dinge quasi in vorauseilendem Gehorsam auf
und setzen sie auch entsprechend um.
Die Standards bleiben trotzdem hoch. Das gehört sich für Baden-Württemberg.
Die Dienstleistungen für die Prüflinge werden in der Summe verstärkt, sodass wir in der Summe einen effizienteren und schlankeren Verwaltungsvollzug haben – ein Ziel, das wir alle erreichen wollen.
Ich darf Sie deshalb schon heute um Ihre Zustimmung hierzu bitten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe nahezu allseitig Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf der Landesregierung. Wir haben schnell gehandelt. Der Bundestag hat, nachdem er sich aufgerafft hatte, überhaupt einen Gesetzentwurf auf die Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg hin einzubringen, acht Monate gebraucht. Bei uns waren es jetzt vier Monate. Wir haben also die Schnelligkeit und die Zügigkeit verdoppelt.
Aber, meine Damen und Herren, ein bisschen Historie muss bei diesem Gesetzeswerk dann doch noch sein. Ein Blick darauf muss am heutigen Tag gestattet sein.
Zur Historie, Herr Kollege Winkler, muss man als Erstes festhalten: Dass Ihre südbadischen Bundestagsabgeordneten auf der Matte gestanden und das Anliegen immer unterstützt haben, ist wahr. Nur, eines ist auch wahr: Dass die deutsche Bundesregierung Anfang dieses Jahrtausends gar nicht bereit war, diese Sache überhaupt zum Gegenstand von offiziellen Gesprächen mit der Schweizer Bundesregierung zu machen, steht auch fest.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, Herr Kollege Winkler, wie wir gemeinsam im Landwirtschaftsausschuss des Landtags über diese Frage beraten haben.
Wir hatten damals sogar einen gemeinsamen Brief des Ausschusses an den Bundesaußenminister im Hinblick auf die Gespräche, die der Bundeskanzler mit dem damaligen
Schweizer Bundesratspräsidenten Deiss in Berlin führte, übermittelt. Tatsache war – „Neue Zürcher Zeitung“ vom 24. April 2004 –:
Die Frage in der Pressekonferenz,
es ging um die Pressekonferenz Deiss und Schröder –
ob man über die Landkäufe von Schweizer Bauern in Südbaden gesprochen habe, wischte er
Schröder –
mit der Bemerkung beiseite, er kenne den Sachverhalt gar nicht.
Meine Damen und Herren, so groß war damals Ihr Einfluss in der Bundesregierung und Ihre Bereitschaft, die Thematik auch zur Chefsache zu machen.
Herr Kollege Walter, das entspricht genau dem, was Sie vorhin in der Diktion gesagt haben nach dem Motto: Wir haben dringendere Probleme zu lösen. Das ist wahr.
Es gibt vielleicht auch dringendere Probleme zu lösen.
Nur: Es gibt auch die grundsätzliche Problematik, dass wir als Landesregierung und die Bundesregierung gleichermaßen in diesem demokratischen Rechtsstaat für alle Bürger gleichermaßen zuständig sind. Es gibt keine Bürger zweiter Klasse.
Es kann auch, Herr Kollege Walter, keine Bürger zweiter Klasse geben
natürlich ist es so –, nur weil im Zollgrenzbezirk unfaire, ungleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen, für die auch der Bund verantwortlich ist, weil er sie in bilateralen Kontakten mit der Schweiz lösen muss.
Meine Damen und Herren, es ist einfach so. Ich kann die Erregung gar nicht verstehen.
Herr Kollege Walter, ich würde Ihnen raten, sich etwas zu mäßigen.
Vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Analyse dessen, was wir im Gesetzentwurf jetzt auf den Weg gebracht haben, sind wir uns einig.
Ich kann es nur nicht leiden, Herr Kollege Walter,
wenn man im Nachhinein Geschichtsklitterung betreibt.
Wir sollten aber nun auch nach vorne blicken.
Der Erfolg hat, meine Damen und Herren, bekanntlich viele Väter. Ich habe selten erlebt, dass sich so viele Väter und Mütter geradezu um die Vaterschaft für ein Gesetz gerissen haben wie bei diesem Gesetz.
Für die rot-grüne Bundesregierung war das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Anliegen zunächst einmal ein ungeliebtes Kind. Es wurde regelrecht ignoriert. Wir haben mehrere Bundesratsinitiativen gestartet, bevor wir überhaupt einmal Aufmerksamkeit hierfür erzeugt haben. Herr Kollege Schüle hat es bereits aufgezeigt.
Herr Kollege Winkler, Sie haben in der Ausschussberatung darauf hingewiesen, wir hätten zu lange gezögert. Ich habe vorhin gesagt: Acht Monate hat der Bund gebraucht, vier Monate das Land. Wir sind also doppelt so schnell. Damit ist das Thema, meine ich, auch argumentativ erledigt.
Wir haben immer gesagt: Wir bringen das Gesetz schnell ein. Am 8. Juli 2005 hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Keine 14 Tage später, am 21. Juli, hat die Landesregierung bereits den Gesetzentwurf zur Anhörung frei
gegeben. Das müssen Sie in anderen Bereichen erst einmal nachmachen. Schneller kann man es letztendlich nicht betreiben.
Tatsache ist, Herr Kollege Walter, auch eines: Es stimmt eben nicht, dass verfassungsrechtliche Bedenken diesen Weg in die Länge gezogen hätten.
Ja eben, so ist es nämlich. Genau so ist es nämlich.
Genau das ist ja der Punkt. Sie wissen ja selber, dass es nicht stimmt. Denn weil diese verfassungsrechtlichen Bedenken im Vorfeld erhoben wurden, haben wir ein Rechtsgutachten bei Ferdinand Kirchhof einholen lassen,
das dann die Verfassungskonformität des Gesetzentwurfs in jeder Hinsicht bestätigte.
Meine Damen und Herren, dann gibt es noch ein Weiteres: Der damalige Bundesaußenminister Fischer hat immer wieder behauptet, es drohe ein außenpolitischer Flurschaden, wenn man solche „regionalen Probleme“ – wie das dann immer vom Bund bezeichnet wurde – zum Gegenstand der Bundesaußenpolitik erhebt. Meine Damen und Herren, diese Befürchtung war schlichtweg eine Schimäre. Ich selber war im Sommer beim Bundesrat Deiss in Bern. Spätestens da war klar: Herr Fischer hat sich geirrt.
In der Schweiz wird sehr wohl eingesehen, dass wir diese Situation nicht unbegrenzt hinnehmen können und auch nicht unbegrenzt hinnehmen wollen.
Natürlich wird in der deutschen Grenzregion regelrecht erwartet,
dass wir dort entsprechende Begrenzungen vornehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den Blick nach vorne richten. Wir sollten keinen Zweifel zulassen: Das Instrument ist kein Keil, den wir in das gutnachbarliche Verhältnis zur Schweiz hineintreiben wollen. Im Gegenteil, mit diesem Instrument versuchen wir, eine Unebenheit in den bilateralen Beziehungen zu glätten.
Ob es den gewünschten nachhaltigen Erfolg verspricht – da mögen Sie, Herr Kollege Walter, auf der Zeitachse Recht haben –,
langsam! – hängt einerseits von der Rechtskonformität der Bürgerinnen und Bürger beiderseits der Grenze ab, um das einmal so verklausuliert zu formulieren. Andererseits hängt es natürlich von der Frage ab: Was macht die Schweiz im eigenen Land in der Fortentwicklung ihrer Agrarreform, die sie ebenso eingeleitet hat. Zum Dritten gibt es auch noch ein paar Baustellen im Bereich der Europäischen Union. Nur: Die Baustellen, die wir national und im Land Baden-Württemberg regeln können, haben wir geregelt, und diese Lücken sind auch entsprechend geschlossen.
Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal auf die von den Grünen beantragte Debatte zum Thema „grüne Gentechnik“ eingehen.
Aber, sehr geehrte Frau Kollegin Kipfer, wenn Sie die Themen „gesunde Lebensmittel“ oder „grüne Gentechnik“ in einem weiteren Sinne interpretieren, habe ich auch damit
keine Probleme. Ich werde zu Ihren Einlassungen nachher auch noch ein paar Takte sagen.
Zunächst einmal: Beim Thema „grüne Gentechnik“ geht es, glaube ich, selten um Interessenkonflikte auf der sachlichen Ebene. Es geht mehr, Herr Kollege Walter, um Überzeugungskonflikte auf emotionaler Ebene. Nach dem Ausstieg aus der Atomenergie ist das Thema „grüne Gentechnik“ eigentlich das Einzige, das Ihnen noch geblieben ist. Dieses Thema fahren Sie regelrecht als Kampfthema der Grünen, weil Ihnen sonst keine Themen mehr geblieben sind. Sie haben sich eigentlich überlebt; das ist der Knackpunkt.
Herr Kollege Walter, Sie haben sich eigentlich überlebt. Dort, wo die Emotionen die Erkenntnisse der Wissenschaft überlagern, sind Kompromisse eben nur sehr eingeschränkt möglich. Ich glaube, wir müssen diese Debatte endlich von ideologischem Ballast befreien
und sie an den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten orientieren.
Was heißt das im Klartext? Die Biotechnologie ist weltweit eine Zukunftsbranche.
Weltweit wurden im letzten Jahr auf 81 Millionen Hektar – das ist etwa hundertmal so viel wie die gesamte Ackerfläche in Baden-Württemberg – gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Kernaussage des im April erschienenen Reports von britischen Wissenschaftlern in einer unabhängigen Studie ist, dass Landwirte in den Jahren zwischen 1996 und 2004 durch den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen weltweit einen zusätzlichen Gewinn von rund 27 Milliarden US-Dollar erzielen konnten.
Die zweitwichtigste Aussage der Studie ist: Die Einsparung an Pflanzenschutzmitteln, beim Einsatz von Bt-Baumwolle beispielsweise – also einer Baumwolle, die mit dem Bacillus thuringiensis gentechnisch verändert wurde –,
betrug je nach untersuchtem Land zwischen 33 % in Südafrika und 77 % in Mexiko.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir unterhalten uns gerade über die Lebensmittelsicherheit. In einer globalisierten Welt, in der tagtäglich Waren aus aller Welt in jeden Supermarkt kommen und auch vom Verbraucher verzehrt werden, spielt es natürlich schon eine Rolle, wie hoch die Pflanzenschutzmittelbelastung ist und wie die Rückstandsbelastungen ausfallen.
Das prangern Sie und Greenpeace bei jedem Minimalrückstand, der noch untersuchungsfähig ist, jederzeit an. Sie ignorieren aber die Anbaumethoden gerade in den Entwicklungsländern, die im Augenblick auf Pflanzenschutzmittel angewiesen sind.
Nein, Herr Kollege Walter. Ein paar Fakten müssen Sie halt auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Das Fazit der deutschen Forscher: Eine Ausbeutung der Bauern durch die grüne Gentechnik ist nach heutigem Kenntnisstand schlichtweg nicht zu belegen.
Deshalb, meine Damen und Herren, rate ich in dieser Frage zur Abrüstung und dazu,
das Thema auf ein vernünftiges, sachliches Maß zu begrenzen.
Im neuen Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot ist zu lesen, die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher müsse gewährleistet bleiben.
Meine Damen und Herren, darum geht es.
In Zeiten, in denen wir im Bereich der Europäischen Union in den nächsten sieben Jahren die Landwirte voll in den globalisierten Wind stellen, in denen wir ihnen weltweit volle Wettbewerbsfähigkeit abverlangen – es gibt in Zukunft keine garantierten Produktpreise mehr –, müssen wir ihnen auch alle unternehmerischen Freiheiten einräumen, und dazu zählt gleichermaßen die unternehmerische Zielsetzung. Wenn sich ein Landwirt dafür entscheidet, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, weil er dafür einen Absatzmarkt hat, dann soll er das tun können.
Wenn morgen der Nächste sagt, er wolle keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen, dann hat der Staat dies genauso zu schützen
und genauso zu gewährleisten. Das verstehe ich unter Ideologiefreiheit und unternehmerischer Freiheit.
Herr Kollege Walter, das ist es nämlich. Damit kommen Sie nicht zurecht,
weil Sie eine Ideologie betreiben. Mir ist es egal, solange er gesunde Lebensmittel produziert. So lange ist mir das zunächst einmal egal. Das hat der Verbraucher zu entscheiden, und der Anbauer, der Landwirt hat zu entscheiden, wie er letztendlich seine Märkte findet.
Der Staat hat die Rahmenbedingungen zu geben, damit Koexistenz auch funktioniert.
Ich komme jetzt gleich dazu.
Herr Kollege Winkler, Sie haben anscheinend die Problemstellung der Zeit gar nicht verstanden.
Oder Sie haben eine totale Unkenntnis über das, was in den WTO-Verhandlungen international und auf europäischer Ebene derzeit abgeht.
Die EU-Beschlüsse sind seit drei Jahren gefasst. Wo leben Sie denn? Seit drei Jahren ist klar: Es gibt keine Preisinterventionen mehr bei Nahrungsprodukten.
Das heißt, die Bauern müssen mit ihrem Produkt im Wettbewerb bestehen können.
Und wir haben als Staat die verdammte Pflicht, sie auf den Wettbewerb vorzubereiten und sie in den Wettbewerb hinein zu begleiten, damit sie auch wettbewerbsfähig sind.
Denn wir haben natürlich ein Interesse daran, dass Wertschöpfung und Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Bereich und im nachlandwirtschaftlichen Bereich in BadenWürttemberg bleiben. Das ist doch ganz klar.
Aber klar, Herr Kollege Kretschmann.
Zunächst einmal, Herr Kollege Kretschmann: Wir propagieren nicht den globalisierten Wettbewerb. Das ist bereits beschlossen.
Und nachdem das feststeht und wir in Baden-Württemberg nichts daran ändern können und im Übrigen auch nichts mehr daran ändern wollen – wir können das nicht, aber wir wollen es auch nicht –, müssen wir einfach die Rahmenbedingungen sehen und unsere Landwirte auf diesen Wettbewerb vorbereiten. Das ist unsere Aufgabe.
Dafür sind wir vereidigt, und dafür sind wir im Land entsprechend bestellt.
Warum das Thema Versicherungsrisiken? Jeder Versicherungsmathematiker wird Ihnen das ganz einfach sagen können. Das liegt natürlich darin begründet – jetzt kommen wir zum Thema Wahlfreiheit –,
dass Baden-Württemberg derzeit faktisch gentechnikfrei ist.
Es gibt keine Landwirte – und wenn, dann nur wenige –, die überhaupt gentechnisch veränderte Organismen anbauen.
Damit wird es auch nur wenige geben, die überhaupt einen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen wollen. Das reicht eben versicherungsmathematisch nicht aus, weil wir keine Zwangsversicherung wollen.
Ich empfehle Ihnen, sich etwas näher mit dem Thema Versicherungen zu beschäftigen.
Die USA machen das. Sie praktizieren dieses Thema bis in extenso.
Dazu komme ich gleich noch. Ich komme noch zu den Themen Verursacherprinzip und Haftungsfonds.
An dieser Stelle sei übrigens auch noch einmal angemerkt, Herr Kollege Walter: Der Verbraucher hat die Freiheit der Wahl
natürlich hat er sie –, da Ökoprodukte generell ohne Verwendung von Gentechnik erzeugt werden. Um das noch einmal klar zu sagen: Diese Wahlfreiheit der Verbraucher, aber auch die Wahlfreiheit von Unternehmensführungen in der Landwirtschaft wollen wir auch in der Zukunft erhalten. Es ist unsere Pflicht, beides sicherzustellen. Derjenige, der gentechnisch veränderte Pflanzen produzieren will, soll dies tun können, und derjenige, der dies nicht will, soll dies genauso können. Das verstehe ich unter Koexistenz.
Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt. Die Koexistenz, Herr Kollege Walter, ist der eigentliche Schutz des ökologischen Landbaus.
Das ist der eigentliche Schutz des ökologischen Landbaus. – Jetzt stellten Sie sich vorhin hin und sagten: „Feldversuche und staatliche Forschung lehnen wir rundherum ab, bevor wir überhaupt etwas wissen.“
Entschuldigung! Die Voraussetzung, um staatlicherseits überhaupt neutrale Empfehlungen geben zu können, ist doch eine unabhängige staatliche Forschung.
Sie lehnen die staatliche Forschung ab.
Deshalb gebe ich Ihnen ganz klar eine Empfehlung. Wir wollen weder die Landwirte noch uns in irgendwelche Abenteuer hineinstürzen.
Entschuldigung! – Deshalb, Herr Kollege Walter, ist eines klar: Wir wollen die Stärkung einer staatlich geförderten, unabhängigen Forschung. Wir wollen eine Forschung, die nicht nur Unternehmen betreiben, die alle einen unternehmerischen Zweck verfolgen,
sondern wir wollen, dass der Staat unabhängige Forschungseinrichtungen auch im Bereich der grünen Gentechnik stärker fördert.
Dazu sind auch Feldversuche notwendig. Wer diese mutwillig zerstört, trägt dazu bei, unter Umständen auch Entwicklungsperspektiven der Landwirtschaft in Baden-Württemberg zu zerstören. Auch das muss man hier einmal sagen.
Das Thema „gentechnikfreie Anbauzonen“ wird ja immer wieder aufgegriffen. Sie kennen die Klage,
die in Österreich geführt wurde. Die Österreicher sind genau aus dem Grund dabei unterlegen, weil die Koexistenz sichergestellt werden muss. Ich sage das ausdrücklich gerade auch im Interesse des ökologischen Landbaus. Herr Kollege Walter, wir machen das ideologiefrei.
Ich habe ein genauso großes Interesse, dass derjenige, der im Ökobereich produziert, unternehmerisch reüssiert und unternehmerischen Erfolg hat. Diesen Erfolg will ich ihm genauso gewährleisten wie dem, der sagt, er produziere konventionell oder integriert oder wie auch immer. Das ist unsere Aufgabe, und dieser Aufgabe, denke ich, müssen wir uns stellen; das gilt für Baden-Württemberg als einem kleiner strukturierten Land sicherlich eher als in anderen Ländern.
Herr Kollege Kretschmann, wir treten schon seit Jahr und Tag – auch mein Vorgänger, Willi Stächele – mit Vehemenz für einen Ausgleichsfonds, für einen Haftungsfonds ein. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung darauf hinwirken, dass sich die beteiligten Wirtschaftszweige auf einen Ausgleichsfonds verständigen. Langfristig ist aus den von mir vorhin genannten Gründen eine Versicherungslösung anzustreben.
Nach den bisherigen Gesprächen, die auch bei uns im Haus geführt wurden – die CDU-Landtagsfraktion hat im Frühjahr eine entsprechende Anhörung durchgeführt, und zwar sowohl mit Vertretern der Versicherungswirtschaft als auch mit Vertretern der Pflanzenzüchtung –, ist zurzeit leider nicht abzusehen, ob es zu einer solchen Verständigung kommt.
Offen ist auch die Frage, aus welcher Quelle der Fonds die nötigen finanziellen Mittel zur Deckung eventueller Schäden bezieht. Allein die Beiträge der Landwirte reichen bei einem angedachten Betrag von 10 bis 20 € pro Hektar nicht aus. Deshalb fordern wir auch vom Bund, dass er sich angemessen an einer Anschubfinanzierung beteiligt.
Dänemark, Herr Kollege Walter, macht es vor, wie es auch in Deutschland gehen könnte. Die Europäische Kommission hat Dänemark gestattet, Ausgleichszahlungen an Landwirte zu leisten, die im konventionellen und im ökologischen Landbau Verluste erleiden, weil in ihren Kulturen gentechnisch verändertes Material gefunden wurde. Das ist das erste Mal, dass die Kommission eine solche staatliche Beihilfe genehmigt hat.
Ich will versuchen, den Teil der grünen Gentechnik zusammenzufassen:
Erstens: Die globale Verbreitung und Weiterentwicklung der grünen Gentechnik bleibt weiterhin ungebrochen. Das ist weltweit eine Tatsache, in den USA oder anderswo weit entfernt – sodass man meint, man sei davor geschützt –, aber auch rundherum in allen EU-Mitgliedsstaaten. Das können wir nicht einfach ignorieren. Wir können doch nicht einfach so tun, als wären wir die grüne Insel. Das sind wir schon längst nicht mehr.
Zum Zweiten: Die Kennzeichnungsvorschriften der EU und die Überwachung durch die Länder stellen die Wahlfreiheit sicher. Die noch fehlenden Kennzeichnungsschwellen beim Saatgut – wir haben hierzu einen Antrag im Bundesrat gestellt – sind umgehend von der EU-Kommission festzulegen.
Drittens: Die europäischen und die nationalen Gesetze sollen die Koexistenz gewährleisten; damit müssen auch die Mindestabstände für den Anbau festgelegt werden. Diese können wir aber erst dann festlegen,
wenn wir verlässliche staatliche Forschungsergebnisse hierzu haben. Dazu brauchen wir die Feldversuche.
Und viertens: Die Einrichtung dieses Ausgleichsfonds kann verhindern, dass ökologisch oder konventionell wirtschaf
tende Betriebe und GVO-Anbau für nicht schuldhaft verursachte Schäden in die Pflicht genommen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollegin Kipfer hat das Thema dieses Tagesordnungspunktes – allerdings nur den ersten Teil, nämlich „gesunde Lebensmittel“ – beleuchtet. Ich habe mit Interesse Ihren Bericht in der „Leonberger Kreiszeitung“ von heute gelesen. Ich will erst einmal mit ein paar Halbwahrheiten und Unwahrheiten aufräumen, die darin stehen.
Da steht zunächst einmal, dass die Zahl der Lebensmittelkontrollen in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar halbiert worden sei. Meine Damen und Herren, das ist blanker Unsinn.
Wir haben die letzte Statistik vom dritten Quartal 2005. – Ich habe das jetzt nicht von Ihnen behauptet; ich habe nur auf den Zeitungsartikel Bezug genommen.
Ich will nur klarstellen, dass wir im dritten Quartal 2005 in der Quantität dieselbe Zahl von Lebensmittelkontrollen hatten wie vor der Verwaltungsreform im Jahr 2004.
Was wir an Erkenntnissen vorliegen haben, bezieht sich nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität. Warum? Sehr geehrte Frau Kollegin Kipfer, eines, von dem Sie jetzt meinen, durch Aktionismus erreichen zu müssen, dass andere es machen, wird bei uns schon praktiziert. Wir haben den Landratsämtern Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben, wie Betriebe kontrolliert werden sollen, nämlich risikoorientiert. Da finden manche Kontrollen täglich statt, und andere Kontrollen – ich nehme einmal den Getränkehändler um die Ecke – nur alle drei Jahre. Das ist der Rahmen; das ist bundesweit in einer Rahmenvorschrift vorgegeben. Wir haben das sozusagen als Handreichung für die Landratsämter formuliert.
Langsam. – Dabei unterliegen die Schlachtbetriebe, die Zerlegebetriebe einer täglichen Kontrolle und die Handelsbetriebe, soweit sie in Baden-Württemberg Fleisch haben – – Nehmen wir einmal den Fall von Tiernahrungsmitteln in Horben, der jetzt durch die Presse geistert: Meine Damen und Herren, in diesem Fall lagert in Baden-Württemberg gar kein Fleisch. Das ist ein Händler, der in seinem Wohnhaus einen Rechner hat. Von dort aus steuert er seine Fleischhandelsbeziehungen. Das Fleisch, um das es geht, lagert in Nordrhein-Westfalen bzw. in Niedersachsen – um das nur einmal als Beispiel zu nennen.
Gerne.
Herr Kollege Teßmer, ich halte es für eine gnadenlose Unverschämtheit gegenüber den mehr als 200 Mitarbeitern in den Landratsämtern, die im Wesentlichen Beamte sind, die auf den Staat vereidigt sind,
wenn Sie denen jetzt unterstellen, dass sie nicht kontrollieren wollten.
Ich sage es ganz klar: Einen solchen Vorwurf weise ich für meine Mitarbeiter im Ministerium genauso zurück wie für die Männer und Frauen, die in den Ämtern vor Ort ihren Dienst tun.
Ich finde es eine bodenlose Unverschämtheit, was Sie hier unterstellen, Herr Kollege.
Da wäre meines Erachtens eine Entschuldigung fällig. Das sage ich ganz offen.
Zum einen: risikoorientierte Kontrollen. Das haben wir den Landratsämtern vorgegeben, und es wird auch so praktiziert. Wir haben das auch in einer Dienstbesprechung vor wenigen Wochen – noch bevor an einen Fleischskandal in Baden-Württemberg überhaupt zu denken war – erneut kommuniziert. Die Landratsämter wissen von Anfang an Bescheid, und sie wissen auch, dass die Fachaufsicht durch die Regierungspräsidien und auch durch das Ministerium in diesem Bereich entsprechend sorgfältig ist.
Der nächste Punkt, meine Damen und Herren.
Ich wollte eigentlich nicht so lange reden.
Frau Kollegin Kipfer, bitte.
Das habe ich noch gar nicht gesagt.
Entschuldigung, Frau Kollegin Kipfer, auf Ihre Interpretation meiner Worte bin ich nicht angewiesen. Das mache ich schon selber.
Das ist richtig. Das gibt es auch.
Frau Kollegin Kipfer, überall dort, wo wir Handelsbetriebe und Kühlhäuser haben, unterscheiden wir zwei Kategorien. Denn wir können Lebensmittelbetriebe nicht dort kontrollieren, wo kein Fleisch lagert, sondern nur dort, wo Fleisch lagert. Das will ich zu dem Fall aus Horben nur noch einmal klarstellen.
Dort, wo Fleisch lagert, wird kontrolliert, und da gibt es zwei Kategorien: Es gibt erstens so genannte EU-zertifizierte Kühlhäuser. Das sind Kühlhäuser mit einem, sage ich einmal, mindestens überregionalen bis internationalen Warenverkehr. Und es gibt zweitens nicht von der EU zertifizierte Kühlhäuser, die im Prinzip für den regionalen Warenverkehr gedacht sind. Die EU-zertifizierten Kühlhäuser unterliegen einer häufigeren Kontrolle als die für den regionalen Bereich. Das ist, glaube ich, auch logisch; denn in der
risikoorientierten Kontrolle gibt es zum Teil entsprechende Abschichtungen.
Wir haben, nachdem der Fall in Bayern bekannt wurde – Sie erinnern sich an den ersten Fall mit K-3-Schlachtabfällen, also so genanntem Schlachtabfallmaterial, die in Bayern in die Lebensmittelkette gelangt sind –, unsere Taskforce eingeschaltet, nämlich die Stabsstelle Ernährungssicherheit, die wir beim Regierungspräsidium Tübingen unterhalten. Diese Taskforce hat die bestehenden 15 Betriebe kontrolliert. Bei 12 Betrieben ist die Kontrolle insoweit gänzlich abgeschlossen, als man mit Sicherheit sagen kann: Es gibt dort keine Schlachtabfälle aus badenwürttembergischen Betrieben, wohlgemerkt, die in der Vergangenheit in die Nahrungskette gelangt sind.
Langsam, Frau Kollegin Kipfer.
Ein Weiteres kommt hinzu: Wir machen ja nicht nur Kontrollen am Ursprung, sondern machen sie auch am „Flaschenhals“, also dort, wo die Waren in den Lebensmitteleinzelhandel gelangen. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt.
Denn – machen wir uns doch nichts vor – auch bei noch so vielen Kontrolleuren würde es den Staat überfordern, wenn man hinter jeden Schlachter, hinter jeden Metzger und hinter jeden Zerleger einen staatlichen Kontrolleur stellen wollte. Einen solchen George-Orwell-Staat können wir uns schlechterdings nicht leisten.
Wir müssen vielmehr die Eigenkontrolle der Unternehmen weiter stärken.
Das kommt immer so implizit durch, nach dem Motto: Die Lebensmittelkontrolle – – Sie fordern jetzt den WKD wieder zurück.
Da klingt doch unterschwellig durch, die Lebensmittelkontrolle hätte versagt.
Meine Damen und Herren, mit Ausnahme des Falls in Göppingen, der aufgrund einer anonymen Anzeige bekannt wurde, wurden die Fälle in Baden-Württemberg durch die Lebensmittelkontrolle aufgedeckt. Das ist doch die Wahrheit.
Das ist doch gar nicht wahr, Herr Kollege Walter. Entschuldigung! Es gibt laufend Kontrollen. Der gestern in
Heilbronn aufgedeckte Fall kam zustande, weil die Staatsanwaltschaft in Niedersachsen
langsam! – aufgrund des niedersächsischen Falls weitere Lieferlisten entdeckt hat und wir solchen Lieferlisten natürlich nachgehen, und zwar heute wie in der Vergangenheit. So wird es auch in Zukunft sein. Da gibt es überhaupt keine Unterschiede.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, ist das Thema Sanktionen. Frau Kollegin Kipfer, Sie sagen, statt Bußgeldern sollten künftig Strafen wegen Betrugs verhängt werden. Ich sage Ihnen dazu nur: Ein Blick ins Gesetzbuch schafft Klarheit.
Im Gesetzbuch steht heute drin: Bei Fahrlässigkeit gibt es Bußgelder, und bei Vorsatz – und wir haben es bisher in praktisch allen Fällen, wobei wir es beim Göppinger Fall noch nicht wissen, mit Vorsatz zu tun gehabt – werden Geldstrafen verhängt und können Freiheitsstrafen verhängt werden.
Ich verhänge die Strafen aber nicht – um das klar zu sagen. Das ist Sache der Justiz und dort insbesondere der Staatsanwaltschaften. Das ist im strafrechtlichen Bereich überall so. Ich habe von Anfang an gesagt: Ich appelliere an die Justiz – sowohl an die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde als auch an die Richter –, das Strafmaß, das vorgegeben wird, auch auszuschöpfen.
Das ist die eine Seite.
Darüber hinaus sind noch weiter gehende Regelungen notwendig und interessant, die wir in der Vergangenheit forciert haben und jetzt noch einmal aufgreifen. Das eine ist das Thema Namensnennungen.
Warum? Wenn der wirtschaftliche Erfolg eines Betriebs davon abhängt, ob er Schandtaten begeht oder nicht, überlegt sich mancher das noch einmal verstärkt.
Also wollten wir schon früher im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – das ist nämlich der richtige Ort – festlegen, dass die Behörde, nämlich der Staat, nicht nur dann, wenn Gesundheitsgefährdungen vorliegen, den Übeltäter
benennen kann, sondern auch, wenn vorsätzlich gehandelt wird.
Das hat aber keine Mehrheit im Bundesrat gefunden, und das muss ich einfach akzeptieren. Jetzt machen wir einen erneuten Vorstoß in diese Richtung, um zu erreichen, dass die Übeltäter bei vorsätzlichem Handeln sofort genannt werden können. Das würde ich unter einer konsequenten Strafe verstehen.
Das Zweite, Frau Kollegin Kipfer, ist das Thema „Meldepflichten in der Lieferkette“. Wenn ein Gastronom verdorbenes Fleisch zurückschickt, dann soll er das in Zukunft melden müssen. Alle, die mit dem Thema befasst sind, die in der Lieferkette drin sind, sollen ein Stück weit Verantwortung für das Thema „Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkontrolle“ in Baden-Württemberg mit übernehmen.
Dann kommt ein Weiteres hinzu: Sehr geehrte Frau Kollegin Kipfer, Sie sprechen von einer Taskforce. Dazu kann ich jetzt wirklich nur eines sagen: Das sind mir die richtigen Föderalisten, das sind mir die richtigen Landtagsabgeordneten, die meinen, Zentralismus pur werde alles regeln. Meine Damen und Herren, am besten regeln wir die Dinge subsidiär. Davon bin ich nach wie vor überzeugt.
Wenn der Bund überhaupt eines machen kann, dann kann er vielleicht die Meldesituation zwischen den Ländern koordinieren und verstetigen. Wir haben uns jetzt mit Herrn Seehofer darauf verständigt, dass wir eine Dokumentationsplattform einrichten.
Aber, meine Damen und Herren, wer glaubt, ein bundesweites Amt könnte die Lebensmittelsicherheit in Deutschland gewährleisten, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall.
Wenn überhaupt, können es die Länder und dann subsidiär die Landratsämter oder die Stellen vor Ort gewährleisten. Genau das haben Sie gefordert.
Genau diese Stabsstelle, diese Taskforce, sehr geehrte Frau Kollegin Kipfer, unterhalten wir seit dem Bekanntwerden
von BSE und dem Missbrauch von Tierarzneimitteln. Sie wird von Fall zu Fall für genau solche Vorfälle eingesetzt
die Stabsstelle für Ernährungssicherheit beim Regierungspräsidium in Tübingen –,
wenn es klemmt und wenn wir Schwerpunktkontrollen machen müssen. Die Beamten waren in der Vergangenheit im Einsatz; sie waren jetzt im Einsatz, und sie werden auch in Zukunft bei solchen Vorgängen im Einsatz sein. Also sind wir, denke ich, auf alle Eventualitäten vorbereitet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Die Lebensmittelkontrolle in Baden-Württemberg hat bisher nicht versagt. Das wäre ja auch ein Aberwitz. Dieselben Beamten, die vorher bei der Polizei waren, sind jetzt zu den Landratsämtern übergewechselt.
Es sind dieselben Beamten mit demselben Ausweis. Sie sind nach wie vor Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, weil die Landratsämter die Lebensmittelkontrolleure noch gar nicht ausgebildet haben.
Es sind nach wie vor dieselben Menschen, die kontrollieren.
Glauben Sie doch nicht, dass von der Silvesternacht auf den Neujahrstag deshalb die Qualität der Kontrolle schlechter geworden wäre, wenn dieselben Menschen mit denselben Befugnissen nach wie vor die Lebensmittelkontrolle ausüben.
Deshalb, liebe Kollegin Kipfer, liegen Sie mit Ihren Vorschlägen weit, weit daneben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf zwei Dinge noch einmal kurz eingehen. Das eine ist die alte Mär vom Verbraucherinformationsgesetz. Liebe Frau Kollegin Kipfer, ein Verbraucherinformationsgesetz hätte in diesem Fall überhaupt nichts geholfen.
Wenn es um Namensnennungen geht, müssen wir dort ansetzen, wo Lebensmittelsicherheit gefährdet ist. Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch des Bundes sieht in § 40 derzeit vor, dass wir, wenn eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung vorliegt, Namen nennen können.