Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Wäre dieser Mais im normalen Anbau statt im Forschungsanbau vorhanden gewesen und wäre er als Grundnahrungsmittel in unserer Region angebaut worden, dann, meine Damen und Herren der Regierung, gute Nacht für die Landwirtschaft als Erzeuger eines Maises, der nicht zugelassen war und gesundheitsschädlich verbreitet worden wäre. Dann hätten wir den x-ten Lebensmittelskandal samt seinen Auswirkungen.

Meine Damen und Herren, viele gesellschaftliche Gruppierungen schließen Aktionsbündnisse gegen den GVO-Anbau. Ich beginne bei der Jungen Union in Südbaden. Die Kirchen haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Der Beauftragte der Evangelischen Landeskirche hat gesagt, die grüne Gentechnik passe nicht in die kleingliedrige Landwirtschaft Baden-Württembergs. Verbraucherorganisationen, Landfrauen- und Landjugendverbände haben sich ebenfalls mit diesem Thema befasst. Die CDU selber hat dazu – intern, nicht öffentlich – einen Fachkongress durchgeführt

(Abg. Dr. Birk CDU: Öffentlich! Der war öffent- lich! Sie hätten sich anmelden können!)

und ist in sich völlig gespalten.

(Abg. Walter GRÜNE: Der war öffentlich, aber ge- spalten waren sie auch! – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Sie hätten sich anmelden können!)

Es gibt innerhalb der CDU keine offene Diskussion. Landauf, landab werden von Bürgern und von Bürgermeistern Aktionsbündnisse gegen Gentechnik gebildet.

(Abg. Fleischer CDU: Das Thema ist so differen- ziert behandelt worden, wie es sich gehört!)

Bei uns in der Region wurden mit Schweizer Bürgermeistern grenzüberschreitend Aktionsbündnisse geschlossen.

Am 17. Mai gab es in Brüssel eine Konferenz mit 162 europäischen Regionen zum Thema Gentechnik. Sie gaben folgende Erklärung heraus: Sie wollen Qualitätsprodukte statt gentechnisch veränderte Lebensmittel herstellen. Sie ver

langen gemäß dem Verursacherprinzip europäische Haftungsregeln gegen Umweltschäden, Erlösausfälle und Rückrufkosten. Sie fordern das Recht, über ihre landwirtschaftliche Entwicklungsstrategie selbst zu entscheiden, und sie wollen die regionalen genetischen Ressourcen schützen. Das machen 162 Regionen in Europa – und Baden-Württemberg ist nicht dabei.

(Zuruf von den Grünen)

Meine Damen und Herren, der Slogan „Schmeck den Süden“ könnte eine neue Note bekommen. „Schmeck den Süden“ könnte sich in „Schmeck den Süd-Gen“ ändern.

(Abg. Mappus CDU: Was ist das für ein Deutsch? Das Gen, nicht der Gen!)

Das Gen. – Wenn Baden-Württemberg zum GentechnikLand wird, können wir das HQZ – in Baden-Württemberg mit riesigem Aufwand als Label eingeführt – höchstens noch für Katzenfutter verwenden.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Dann haben Sie gentechnisch veränderte Katzen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wenigstens meine Katze kriegt gen- technikfreie Nahrung! – Heiterkeit – Abg. Seimetz CDU: Was haben Sie gegen Katzen?)

Sie dürfen sich wieder beruhigen.

Welche wirtschaftlichen Risiken liegen in der Verarbeitung von durch Gentechnik veränderten Lebensmitteln? Die deutsche Margarineindustrie weigert sich, für Margarine Soja zu verwenden, wie sie es bisher tat, weil sie nicht garantieren kann, dass sie GVO-freies Soja auf dem Markt erhält. Dieses Risiko will sie nicht eingehen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Gut! – Abg. Walter GRÜNE: Wer isst schon Margarine?)

Der hier gebrauchte Begriff der Koexistenz ist eine grandiose Volksverdummung. Ich denke, dass das bei Soja überhaupt nicht stimmt, weil auf den Äckern die Vermischung nicht aufgehalten werden kann – von wegen Koexistenz. Der Begriff Panaschieren wird in der Zukunft nicht mehr dem Kommunalrecht vorbehalten bleiben, sondern eine neue Dimension bekommen. Kein noch so abgebrannter Zocker würde trotz Gewinnmargen von 7 bis 8 % in der Gentechnik ein solches Risiko eingehen. Doch wir in Baden-Württemberg wären dazu bereit und schubsen die Landwirte sogar offiziell in dieses Problem.

Die Fortschrittsmedaille hat drei Seiten: Die erste, die Kopfseite sind die Gefahren: Toxizität, Kanzerogenität, allergene Risiken; die zweite Seite sind die wirtschaftlichen Vorteile, die nicht bei den Landwirten, sondern bei den Konzernen liegen; ganz am Rand der Medaille steht, klein geschrieben, die Inschrift: Risiken und Nebenwirkungen spüren Sie erst in einigen Jahren.

Meine Damen und Herren, wir machen uns Sorgen um die Landwirte, um ihre Familien, um die Natur und um die Verbraucher. Wir machen uns keine Sorgen um die drei, vier oder fünf Agrokonzerne; die wissen sich zu helfen.

Die Forschung ist nicht gefährdet. Wir wollen den Krieg auf den Äckern – wie etwa in Kanada – verhindern. Die Messlatte für grüne Gentechnik ist hoch, die Haftung ebenso, und das ist richtig so.

Wir fordern Sie, meine Damen und Herren von der CDU, auf, sich diese unsere Sorgen zu Eigen zu machen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge.

(Abg. Walter GRÜNE: Ausschussüberweisung!)

Abschnitt I des Antrags Drucksache 13/3328 ist ein Berichtsantrag. Er ist durch die Diskussion wohl erledigt. Wollen Sie Abstimmung über Abschnitt II?

(Abg. Walter GRÜNE: Nein, alle Anträge bitte an den Ausschuss überweisen! – Gegenruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP: Was?)

Es ist beantragt, alle Anträge an den Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu. Damit sind die Anträge zur weiteren Beratung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft überwiesen.

Tagesordnungspunkt 2 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Justizministeriums – Stellenabbauprogramm im Justizbereich – Drucksache 13/2603

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Kosten im Rahmen der Verwaltungsreform – Drucksache 13/3164

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Veränderung der Aufgaben der Landratsämter nach Umsetzung des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes – Drucksache 13/3267

d) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Ablehnung der Übernahme von Beschäftigten der Vermessungsverwaltung durch verschiedene Landkreise im Rahmen der Verwaltungsreform – Drucksache 13/4206

e) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – Veränderung der Revier- und Postenstruktur bei der Polizei in Baden-Württemberg – Drucksache 13/2938

f) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Situation der Lebensmittelkontrolle im Land nach Umsetzung der Verwaltungsreform – Drucksache 13/4233

g) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Änderungsbedarf im Rahmen der Verwaltungsreform bei der Flurneuordnung – Drucksache 13/4129

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung sämtlicher Anträge der Fraktion der SPD insgesamt zehn Minuten, für die Begründung des Antrags der Fraktion GRÜNE fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gall.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anträge, die wir heute zusammengefasst unter Tagesordnungspunkt 3 zu behandeln haben, sind, auch wenn der eine oder andere noch aus dem Jahr 2004 stammt,

(Abg. Heinz CDU: 2003!)

aktueller denn je. Das öffentliche Interesse – nicht nur das der Beschäftigten – an den Auswirkungen und vor allem auch an den Unzulänglichkeiten Ihrer Verwaltungsreform nimmt zu.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Scheuermann CDU)

Deshalb wollen wir es Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, nicht ersparen, daran erinnert zu werden,

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

dass Sie Ihre Hand erhoben und damit Ihre Zustimmung zu einer Verwaltungsreform gegeben haben,

(Unruhe)

die die allermeisten von Ihnen in Wirklichkeit selbst nicht gewollt hatten, sich aber dem Druck des damaligen Ministerpräsidenten gebeugt haben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Fischer SPD: Mit der Faust in der Tasche! – Abg. Blenke CDU: Sie brau- chen uns nicht daran zu erinnern! Das wissen wir selbst noch! Wann wurde Ihnen diese Rede ge- schrieben?)