Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das stimmt überhaupt nicht! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das stimmt doch gar nicht! Das ist kalter Kaffee, Herr Minister! – Abg. Walter GRÜNE: Das ist doch Kappes!)

Natürlich, so ist es doch. Sie verhindern mit dem bürokratischen Aufwand, der dort betrieben werden muss, die Prüfung, welche Auswirkungen gentechnisch veränderte Organismen haben könnten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Ist ja gar nicht wahr!)

Zur Frage der Wahrscheinlichkeit hat Herr Kollege Kiefl vorhin zu Recht das eine oder andere gesagt. Kartoffeln können Sie nebeneinander anbauen; da passiert gar nichts. Beim Raps – das ist die problematischste Kulturart in diesem Bereich – ist es in der Tat schwierig; das sage ich ganz offen.

(Abg. Walter GRÜNE: Aha!)

Mein Gott, gegen die Gesetze der Biologie kann niemand an, meine Damen und Herren.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Gott sei Dank könnt ihr das nicht! – Abg. Walter GRÜNE: Ihr versucht es ja!)

Herr Kollege Kretschmann, es fragt sich nur, welche Folgen daraus entstehen. Darüber will ich mich jetzt nicht nä

(Minister Hauk)

her verbreiten, aber es ist wie bei der Züchtung auch: Bestimmte Zuchtmerkmale sind eben rezessiv veranlagt, und das bedeutet, dass sie auch wieder herausgezüchtet werden, wenn sie im Prinzip verwildern. Die Urform kehrt, wann auch immer, wieder zurück.

(Abg. Kiefl CDU: Sehr gut! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist aber eine sehr eigenwillige Evolu- tionstheorie, die Sie hier vertreten!)

Meine Damen und Herren, ich plädiere eindringlich dafür, dass der Bund einen Ausgleichsfonds einrichtet. Wenn man schon diese Regelung der Haftungsumkehr hat, dann sollte ein Ausgleichsfonds die Schäden abdecken, die Landwirten entstehen, die ohne Verwendung von GVOs wirtschaften.

(Abg. Walter GRÜNE: Und wer zahlt dann diese Haftung? Der Steuerzahler?)

Genau. Wenn der Gesetzgeber solche unsinnigen Regelungen in sein Gesetz hineinschreibt, dann bin ich allerdings auch der Meinung, dass der Gesetzgeber dafür verantwortlich ist

(Abg. Walter GRÜNE: Das ist ja Unsinn!)

und im Zweifelsfall mit öffentlichem Geld für die Folgen seiner Regelungen zu haften hat.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Beifall des Abg. Seimetz CDU – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Verstaatlichung des Haftungsrechts!)

Es gibt eine andere Möglichkeit: Ändern Sie die Haftungsregelung. Wenn Sie es nicht tun, werden wir es ab Herbst tun. Dann haben wir das Thema gänzlich vom Tisch und brauchen auch keinen Fonds.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, je kleinstrukturierter ein Gebiet ist, desto schwieriger möglich ist die Koexistenz. Sie ist außerdem abhängig von den Kulturarten. In einem abgeschlossenen kleinstrukturierten Gebiet können freiwillige gentechnikfreie Zonen eine Möglichkeit sein, Beeinträchtigung der Nachbarfelder durch GVO-haltige Felder zu vermeiden.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Im Schrebergarten!)

Herr Kollege Walter, wir unterstützen es, wenn entsprechende Anträge kommen. Derzeit gibt es außer in Nürtingen gar keine Bereiche, wo ein Praxisanbau mit gentechnisch veränderten Organismen stattfindet. Wenn Sie so wollen: Außer den Versuchen an der Fachhochschule Nürtingen ist Baden-Württemberg gentechnikfrei. Das ist der Sachverhalt.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Darum geht es nicht! Es geht um die Zukunftschancen!)

Deshalb verstehe ich Ihre Aufregung gar nicht und weiß nicht, warum Sie da einen solchen Popanz aufbauen.

Meine Damen und Herren, die Wissenschaft beklagt – ich habe es vorhin kurz erwähnt –, dass die unangemessene Risikoeinschätzung zu mehr Bürokratie führt und den Trans

fer von Ergebnissen der Grundlagenforschung zur konkreten Anwendbarkeit in der Wirtschaft erschwert. Das ist auch Teil Ihrer Strategie, Herr Kollege Kretschmann. Sie wollen erschweren und damit von vornherein verunmöglichen nach dem Motto „Es könnte ja sein, dass irgendetwas ist“.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: So ist es halt!)

Aber wenn man dann prüfen will, ob tatsächlich etwas vorkommen kann, dann erschweren Sie schon allein die Prüfung. Ihr Ansatz ist bei der Atomenergie genau der gleiche. Sie haben es in Gorleben genauso getrieben, indem Sie von vornherein verunmöglichen, dass überhaupt entsprechende Lösungen gefunden werden.

(Abg. Walter GRÜNE: Obrigheim bleibt trotzdem stillgelegt!)

Solange die Haftungsregelung des Gentechnikgesetzes gilt, insbesondere für zufällige und technisch nicht zu vermeidende Auskreuzungen, so lange wird Forschung an gentechnisch veränderten Organismen in Deutschland kaum noch möglich sein. Die Konsequenz heißt: Die Forschung wandert ab. Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit in Berlin mit zu verantworten.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Das Land überwacht die europäischen Kennzeichnungsvorschriften und stellt damit die von Brüssel und von uns ausdrücklich mit eingeforderte Wahlfreiheit sicher.

Zweitens: Das Gentechnikgesetz muss insbesondere durch eine ausgewogene Haftungsregelung so verändert werden, dass eine echte Koexistenz zwischen gentechnikfreier Landwirtschaft und dem Anbau gentechnisch veränderter Organismen möglich ist. Das richtet sich dann in der Tat auch nach der Kulturart. Da muss man sicherlich differenzieren.

Und zum Dritten: Die Rahmenbedingungen für die Forschung sind so zu gestalten, dass die Biotechnologie, auch die grüne Biotechnologie, in Deutschland eine Zukunft hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauk, Ihre Einstiegsrede als Landwirtschaftsminister hat mich doch ziemlich enttäuscht. Es war die Rede eines Technokraten und nicht die eines Visionärs. Was ich erwartet hätte, war, dass Sie sich zumindest einmal die Fragen stellen: Wohin soll die Reise mit unserer Landwirtschaft gehen? Welche Zukunft hat sie? Wie wollen wir die Strukturen, die wir nun einmal haben und die auch Sie nicht beseitigen können, nach Möglichkeit nutzen?

Ich habe vorhin ein paar Beispiele genannt. Man kann natürlich in einer so kurzen Rede nicht alles skizzieren. Aber ich möchte nochmals wiederholen: Wir müssen uns aufgrund unserer Strukturen von der anonymen Massenware unterscheiden. Wenn der Eindruck entsteht, dass in Baden

Württemberg Gentechnik so benutzt wird wie in Kanada oder sonst irgendwo, dann unterschieden wir uns nicht mehr. Der Kollege Kiefl hat zu Recht darauf hingewiesen: Man muss dann auch mehr Geld dafür bekommen. Aber wenn ich als Verbraucher denke, im Supermarkt ist die Ware aus Baden-Württemberg genauso verunreinigt wie die aus Kanada, aus Brasilien oder sonst woher, warum soll ich dann für baden-württembergische Waren mehr bezahlen?

Ich kann nur nochmals an Sie appellieren: Gehen Sie endlich von diesem Weg ab, der offensichtlich auch vom Staatsministerium über viele Jahre eingeschlagen wurde, von Ihrem Abteilungsleiter oder von sonst wem. Sie und der neue Ministerpräsident haben die Chance, jetzt endlich das zu tun, was die Bevölkerung und die Landwirte mehrheitlich wollen, nämlich ein gentechnikfreies Baden-Württemberg.

(Beifall des Abg. Kretschmann GRÜNE und bei der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir tun das, was wir für richtig halten!)

Sie sprechen von der Entscheidungsfreiheit. Vor kurzem kam in der Zeitschrift „Öko-Test“ ein Test von Waren aus Kanada. Dort haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Freiheit mehr, weil die gesamte Produktpalette verunreinigt ist.

(Abg. Kiefl CDU: Weil die in Kanada ein falsches Gesetz haben!)

Wenn das der Weg ist, den Sie gehen wollen, dann sagen Sie das ehrlich. Wir wollen einen anderen Weg gehen. Die Freiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und auch der Landwirte heißt: Es muss noch möglich sein, konventionellen und ökologischen Landbau in diesem Land zu betreiben.

Die Abstände, die Sie, Herr Kollege Kiefl, genannt haben, sind doch völlig absurd. 80 Meter! Sie wissen doch genau, was bei der Auskreuzung beispielsweise beim Raps passiert. Sie wissen genau, welche weiten Wege Bienen zum Teil zurücklegen. Es ist doch völlig absurd, hier von 80 oder sonst ein paar Metern zu reden. Dieser Weg ist ein Irrweg. Sie kommen nicht daran vorbei, dies endlich einmal einzuräumen.

Jetzt sagt Herr Kollege Hauk, die Grünen verhinderten die Biotechnologie.

(Abg. Seimetz CDU: Jawohl!)

Es waren doch unter anderem Sie, die im Bundesrat Gesetze verhindert haben, mit denen beispielsweise die weiße Gentechnologie massiv vorangetrieben worden wäre. Die weiße Gentechnologie – das ist der große Unterschied zur Agro-Gentechnologie; ich will das nicht grüne Gentechnologie nennen, weil wir mit diesen Dingen nichts zu tun haben – unterscheidet sich beispielsweise von der Agro-Gentechnologie dadurch, dass die weiße Gentechnologie im Labor stattfindet. Dort gibt es nicht die Möglichkeit einer Auskreuzung oder sonst irgendetwas Derartiges. Die Gefährlichkeit dieser Risikotechnologie sieht man auch daran: Selbst Verstrahlung nimmt irgendwann einmal ab; aber wenn Sie eine Auskreuzung haben, dann gilt: Je mehr dieser

gentechnisch veränderten Organismen Sie in der Landschaft haben, umso mehr werden sie sich vermehren.

(Minister Hauk: Aber in der Regel sind sie rezes- siv!)

Das werden Sie nicht zu verhindern wissen.