Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Meine Damen und Herren, zur Freiheit gehört, dass man die entsprechenden Kennzeichnungen hat. Alles, was gentechnisch verändert ist, muss – da bin ich völlig einer Meinung mit Ihnen – gekennzeichnet werden. Wir haben deshalb im Land bereits frühzeitig, nämlich 1995, ein Labor in Freiburg zur Untersuchung von Lebensmitteln auf gentechnische Veränderungen eingerichtet. Seitdem werden auch regelmäßig in enger Abstimmung mit den Einrichtungen des Bundes einheimische Produkte ebenso wie Importwaren untersucht.

Ebenfalls frühzeitig wurde eine zweite Untersuchungsstelle an der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt eingerichtet, um Saatgut und Futtermittel überprüfen zu können. Das ist – dazu komme ich noch – ein wenig der Schwachpunkt, der noch zu klären ist. Der Richtlinie der Europäischen Union zufolge müssen alle Lebensund Futtermittel gekennzeichnet werden, die einen GVOAnteil von über 0,9 % der einzelnen Zutaten des Lebensoder Futtermittels aufweisen. Sind die Anteile nicht zufällig oder sind sie technisch vermeidbar, tritt eine Kennzeichnungspflicht auch bereits bei geringerem Anteil als 0,9 % ein. Diese Ausweitung der Deklarationspflichten stellt neue Anforderungen an die amtlichen Kontrollen und erfordert einen deutlich erhöhten finanziellen – das muss man dazusagen – und personellen Aufwand bei der Überwachung. Die entsprechenden Untersuchungskapazitäten haben wir geschaffen.

Im Jahr 2004 wurden in Freiburg 382 Lebensmittelproben untersucht. Bei 80 Proben – das entspricht 21 % – waren Bestandteile aus gentechnisch veränderten Pflanzen nachweisbar. Bei den schwerpunktmäßig untersuchten Proben mit Mais und Soja waren 25 % positiv, wobei es sich allerdings ausschließlich um Spurenverunreinigungen von unter 0,1 % handelte.

Dem Saatgut – und hierum geht es eigentlich – als möglichem Pfad für unerwünschte Einträge von gentechnisch veränderten Bestandteilen kommt eine Schlüsselrolle zu. Jährlich werden im Rahmen eines GVO-Saatgut-Monitorings 30 bis 40 Saatgutpartien untersucht. Leider hat die EU-Kommission die Kennzeichnungsschwellenwerte für Saatgut noch nicht festgelegt; verhandelt werden im Augenblick 0,3 %. Einen Schwellenwert von 0,2 %, 0,1 % oder gar noch niedriger festzulegen macht gar keinen Sinn, weil entsprechende Proben statistisch gar nicht mehr abzusichern wären.

Ich stelle daher fest: Mit den Kontrollen von Lebensmitteln, Futtermitteln und Saatgut leistet das Land einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der korrekten Kennzeichnung und damit zur Wahlfreiheit der Verbraucher und der Landwirte.

Nun zum nächsten Thema, Herr Kollege Walter und Frau Kollegin Kipfer, nämlich zum Thema „Gentechnik in HQZProdukten“. Was das Qualitätszeichen Baden-Württemberg angeht, gilt eindeutig eines:

Von der Zeichennutzung sind solche Produkte ausgeschlossen, die nach der Verordnung der Europäischen

Union … sowie anderen Kennzeichnungsvorschriften der Europäischen Union … in Bezug auf die Gentechnik zu kennzeichnen sind.

So steht es in der Kennzeichnungsvorschrift. Die EU-Verordnungen – und jetzt muss man genau hinhören – decken nur die Lebensmittel und Futtermittel ab, die aus einem GVO, nicht jedoch solche, die mit einem GVO hergestellt sind.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Eben!)

Damit schließt die Verwendung von GVO-haltigen Futtermitteln eine Kennzeichnung von tierischen Erzeugnissen mit dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg auch nicht aus.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, das ist ja aber auch logisch, weil man im Fleisch vom Rind nicht nachweisen kann,

(Abg. Walter GRÜNE: Trotzdem könnte man gen- technisch manipulierte Futtermittel ausschließen!)

ob das Rind pflanzliche Nahrung aufgenommen hat, die unter Umständen gentechnisch verändert war. Das ist schlichtweg nicht nachweisbar.

Nun könnte man natürlich – aber auf dem Weg sind Sie ja schon – zu einem totalen Überwachungsstaat kommen.

(Oh-Rufe von der SPD – Widerspruch des Abg. Walter GRÜNE)

Ja, natürlich. Das wäre die Alternative, indem wir ständig unangemeldete Kontrollen auf den Höfen durchführen müssten, um herauszufinden, ob irgendwo Futtermittel gelagert werden, die gentechnisch „verunreinigt“ – oder wie man auch immer das bezeichnen will – sind und verfüttert werden. Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Freiheit und nicht weniger Freiheit, und deshalb wende ich mich grundsätzlich dagegen, dass wir zusätzliche Kontrollen durchführen. Herr Kollege Walter, Sie sind ja mit den Feldspionen schon auf gutem Weg; das muss man ja einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Walter GRÜNE: Es wird immer peinlicher, was Sie sa- gen!)

Das ist einer der Punkte, die sofort abgeschafft gehören, wenn die Bundesregierung im Herbst wechseln sollte. Wir wollen mehr und nicht weniger Freiheit, und wir wollen Kontrollen da, wo sie sinnvoll sind. Deshalb macht das, mit Verlaub, dort keinen Sinn. Und wenn jemand das doch haben will, Frau Kollegin Kipfer, dann habe ich überhaupt nichts dagegen, sofern der Markt es erfordert,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Dann probieren Sie es doch mal!)

dass man sich über freiwillige Zusammenschlüsse –

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

(Minister Hauk)

nehmen wir einmal Ökobauern, Biobauern etc. – selber dazu verpflichtet und Selbstverpflichtungen eingeht. Das ist doch vollkommen in Ordnung. Es herrscht der Markt; und wenn der Markt es verlangt, werden Sie auch die Produkte bekommen, von denen Sie jetzt klagen, dass sie nicht zu erhalten seien.

Meine Damen und Herren, zum Thema Koexistenz: Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikgesetz des Bundes soll die Möglichkeit gewährleisten, dass Produkte konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Das ist die Koexistenz.

Hier wird das rot-grüne Gentechnikgesetz aber seinem eigenen Anspruch und dem Anspruch der EU nicht gerecht. Sie, Herr Kollege Walter, sprachen vorhin sogar von einer Lebenslüge.

(Abg. Walter GRÜNE: Jawohl! Gut verstanden!)

Die Lebenslüge müssen Sie sich gemeinsam mit Frau Künast schon selber ansehen. Mitwirkung in Brüssel, Umsetzung in Berlin: Dort steht Koexistenz, und Sie sprechen davon, das sei schlichtweg nicht machbar.

(Abg. Walter GRÜNE: Genau!)

Meine Damen und Herren, einer der wesentlichen Ausschlusspunkte, weshalb nicht einmal größere Versuche laufen, ist die Haftungsregelung. Diese verhindert regelrecht die Koexistenz.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist auch der Sinn der Sache!)

Die Übertragung von gentechnisch veränderten Bestandteilen auf ein Nachbargrundstück stellt nach diesem Gesetz eine wesentliche Beeinträchtigung dar,

(Abg. Walter GRÜNE: Sehr gut!)

wenn der konventionell oder ökologisch wirtschaftende Nachbar deswegen seine Erzeugnisse nicht oder nur gekennzeichnet in den Verkehr bringen kann.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Walter GRÜNE: Hervorragender Gesetzestext!)

Der GVO-Anbauer haftet auch dann, wenn kein Verschulden vorliegt. Kommen mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht, so gilt gesamtschuldnerische Haftung. Das haben Sie in Berlin angerichtet.

(Abg. Walter GRÜNE: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Ich frage Sie: Welcher Landwirt kann denn von der von uns gewollten und der von Ihnen zumindest propagierten Wahlfreiheit überhaupt noch Gebrauch machen, wenn alle Haftungsrisiken bei ihm liegen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Drautz FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen: Kehren Sie zurück in die Monarchie. Das BGB war eine der

besten Errungenschaften der deutschen Monarchie, des deutschen Kaiserreichs. Die Schadenersatzregeln, die dort festgelegt sind, wären auch die richtigen, die hier Anwendung finden müssten, aber keine Regelrechte und keine Umkehrung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Drautz FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hat doch nichts mit dem Kaiserreich zu tun! Wollen Sie wieder einen Kaiser? – Glocke des Präsiden- ten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Gerne, Frau Kollegin Kipfer.

Bitte schön, Frau Abg. Kipfer.

Herr Minister, damit gestehen Sie aber ein, dass eine Vermischungsmöglichkeit zwischen nebeneinander liegenden Feldern immer gegeben ist – immer!

Frau Kollegin Kipfer, wer in der Welt will denn überhaupt bei irgendeinem Thema irgendetwas ausschließen? Natürlich schließe ich zunächst einmal gar nicht aus.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Also gibt es keine Wahl zwischen öko und konventionell?)

Das Unheil ist doch Folgendes: Sie wollen ja nicht einmal Prüfungsversuche der staatlichen Anstalten zulassen, damit wir überhaupt prüfen können, wie sich entsprechende Anbauten auswirken. Das ist doch das Fatale.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das stimmt überhaupt nicht! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das stimmt doch gar nicht! Das ist kalter Kaffee, Herr Minister! – Abg. Walter GRÜNE: Das ist doch Kappes!)