a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage in Baden-Württemberg – Drucksache 13/4418
b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Möglichkeit der Verbandsklage für Tierschutzorganisationen – Drucksache 13/3440
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Buchstaben a und b des Tagesordnungspunkts je fünf Minuten, für die Aussprache über den gesamten Tagesordnungspunkt fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch Staatszielbestimmung ist der ethische Tierschutz in Deutschland zum Rechtsgut mit Verfassungsrang ins Grundgesetz aufgenommen worden. Sie erinnern sich, dass wir bereits in der letzten Legislaturperiode den Tierschutz in unsere Landesverfassung aufgenommen haben mit dem Satz:
Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geachtet und geschützt.
Dieses neue Staatsziel im Grundgesetz und in der Landesverfassung hat aber nicht nur Appellcharakter, sondern es ist eine Verpflichtung für den Gesetzgeber, auch ein effektives gesetzliches Instrument zum Schutz der Tiere einzurichten. Vor allem aber soll durch ein effektives Instrument die Schutzbestimmung des Tierschutzgesetzes wirkungsvoll abgesichert werden.
Ein solches Instrument ist die tierschutzrechtliche Verbandsklage. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage erfinden wir Grünen nichts Neues. Die Verbandsklage ist bereits im Naturschutzrecht für die Naturschutzverbände, im Wettbewerbsrecht und im Verbraucherschutz verankert. Was beim Naturschutzrecht lange der Fall war, ist beim Tierschutz noch immer der Fall: Gegen ein Zuviel an Tierschutz kann geklagt werden, aber nicht gegen zu wenig Tierschutz. Das heißt, ein Tiernutzer kann gegen Anordnungen, gegen Genehmigungen, gegen Auflagen oder gegen ein Verbot von Genehmigungen durch alle Instanzen klagen. Er kann auch bis zur Entschädigung klagen. Aber niemand kann die rechtliche Vertretung der Tiere übernehmen, die ja naturgemäß selbst nicht klagen können.
Wozu dieses Ungleichgewicht führt, möchte ich am Beispiel der tierquälerischen Batteriekäfighaltung von Legehennen kurz aufzeigen. Unser Tierschutzgesetz in Deutschland, das ja ein sehr gutes ist, aus dem Jahr 1972 schreibt vor, dass jeder, der ein Tier hält, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen muss. Dabei darf die Möglichkeit des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so eingeschränkt werden, dass ihm Leiden, Schäden oder Qualen zugefügt werden.
Meine Damen und Herren, von einer artgemäßen Unterbringung und von einer Nichteinschränkung der Bewegung eines Huhns kann nun wirklich nicht gesprochen werden, wenn es in einen Käfig gesperrt wird mit einer Grundfläche von weniger als einer DIN-A-4-Seite. Dass hier eine artgemäße Unterbringung nicht möglich ist und die spezifischen Bedürfnisse nicht entfaltet werden können, ist ganz klar. Aber, meine Damen und Herren, obwohl diese Haltung gegen das Tierschutzgesetz verstößt, hat es 27 Jahre gedauert, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass diese Käfighaltung von Legehennen verfassungswidrig ist, weil sie gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes verstößt. Meine Damen und Herren, nur weil Nordrhein-Westfalen mit einer mutigen Ministerin Höhn ein Normenkontrollverfahren in die Wege geleitet und das Bundesverfassungsgericht angerufen hat, wurde die Käfighaltung für verfassungswidrig erklärt und konnte es zu diesem Beschluss kommen.
Hätte es aber in den Jahren vorher bereits eine Verbandsklage für Tierschutzverbände gegeben, dann hätte dieser Fehlentwicklung schon frühzeitig ein Ende bereitet werden können; denn die Tierschutzverbände hätten ja diese Haltung rechtlich überprüfen lassen können.
So kam es zu dieser Fehlentwicklung der Ausweitung der industriellen Batteriekäfighaltung mit einer extremen Konzentration in Deutschland auf wenige Großbetriebe mit dem Ergebnis, dass gerade die mittelständische bäuerliche Landwirtschaft geschädigt wurde, gerade in Baden-Württemberg, wo eine ganz andere Struktur als in anderen Bundesländern vorhanden ist. Mittelständische Betriebe bekommen jetzt dank Renate Künast und der neuen Verordnung eine Chance, mit Freilandhaltung und mit Biohaltung wieder in die Eiererzeugung einzusteigen. Deshalb, meine Damen und Herren, finde ich es aus Tierschutzgründen, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht absolut kontraproduktiv, dass die Landesregierung nichts unversucht lässt, um das Verbot der Käfighaltung im Bundesrat jetzt wieder rückgängig zu machen.
Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf orientiert sich am Gesetz zur Verbandsklage für Naturschutzverbände. Wir verfolgen damit zwei Ziele:
Erstens wollen wir ein Mitwirkungsrecht für Tierschutzverbände. Anerkannten Vereinen muss vor dem Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet des Tierschutzes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Wir wollen also ein Anhörungsrecht.
Das bezieht sich zum Beispiel auf Verordnungen und Genehmigungen für das Züchten, für das Halten und für das Zurschaustellen von Tieren sowie den Handel mit Tieren.
Zweitens wollen wir ein Klagerecht verankern. Denn ein Mitwirkungsrecht allein genügt natürlich nicht, weil es möglich sein muss, dass Behördenentscheidungen auch gerichtlich überprüft werden können. Denkbar ist eine solche Klage zum Beispiel bei Genehmigungen von größeren Anlagen zum Halten von Tieren und bei nachweisbaren Vollzugsdefiziten wie zum Beispiel bei Intensivhaltungen, bei Tiertransporten oder bei Tierversuchen.
Meine Damen und Herren, natürlich ist klar, dass nur wenige Tierschutzverbände in Baden-Württemberg eine solche Anerkennung erhalten – zum Beispiel der Deutsche Tierschutzbund –, denn es werden natürlich hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und die überregionale Bedeutung dieser Tierschutzverbände gestellt werden. Das ist hier natürlich nicht anders als im Naturschutzrecht.
Meine Damen und Herren, die bisher geäußerte Kritik an der Verbandsklage, wie sie von der Landesregierung kommt, geht völlig ins Leere. Denn die Erfahrungen von 13 Bundesländern, die die Verbandsklage für Naturschutzverbände schon seit Jahren haben, zeigen, dass es nicht zu einer Klageflut gekommen ist. Die Verbandsklage hat dort im Gegenteil bewiesen, dass diese Möglichkeit zu mehr Rechtssicherheit geführt hat. Die Kritik, dass es durch die Verbandsklage zu Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren käme, ist natürlich auch nicht richtig; denn die Gerichte und Behörden können jeweils einen Sofortvollzug anordnen, wenn keine Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass eine solche Klage Erfolg haben wird.
Schließlich: Der ehemalige Landwirtschaftsminister Stächele hat immer auf den Tierschutzbeirat in Baden-Württem
berg verwiesen. Aber erstens tritt der nur dreimal im Jahr zusammen, und zweitens ist er nur ein rein beratendes Gremium. Also auch da ist das, was wir mit dem Verbandsklagerecht erreichen können, nicht erfüllt.
Deshalb sagen wir Grünen: Wer den Tierschutz wirklich ernst nimmt, muss jetzt auch dafür sorgen, dass ein wirkungsvolles Instrument für die Tierschutzvereine ähnlich dem für die Naturschutzverbände eingerichtet wird.
Die Landesregierung, die immer den hohen Stellenwert des Tierschutzes betont, und Sie, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, können jetzt unter Beweis stellen, dass Sie Ihr in der Landesverfassung verankertes neues Staatsziel auch wirklich ernst nehmen, indem Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung der so genannten Verbandsklage begehrt für den Tierschutz einen weiteren Schritt, einen weiteren Schritt nach der Verankerung des Tierschutzes in der Landesverfassung im Jahr 2000 und einen weiteren Schritt nach der Einbeziehung des Tierschutzes in das Grundgesetz, entsprechend auch dem Vorbild der Einführung der Verbandsklagen im Umweltbereich in unserer Landesverfassung. Insofern ist die Verbandsklage im Tierschutz ebenfalls eine konsequente Folge zur Verbesserung desselben, im Übrigen zweifellos gesellschaftlich anerkannt.
Das Verbandsklagerecht im Tierschutz bedeutet ja als Instrument ein Klagerecht in Vertretung, ermöglicht also die Vertretung der Tiere als Mitgeschöpfe durch den Menschen. Das Ziel ist, die Gesetze zum Tierschutz zur Rechtswirksamkeit zu bringen und diese Rechtswirksamkeit auch durchzusetzen, wenn sie ungenügend oder gar nicht durchgesetzt werden. Dabei sollen durch die Mitwirkung der anerkannten Vereine diese Rechts- und Verwaltungsverfahren des Landes und seiner Behörden und Bediensteten mit überwacht werden: ganz bestimmte anerkannte, ausgewählte Tierschutzvereine also als Treuhänder der Interessen, der Rechte der Tiere.
Das ist auch nötig, denn schließlich sind Tiere rechtlich gesehen immer noch Sachen. Genau bezeichnet sind Tiere bewegliche Sachen, jedenfalls solange sie noch leben.
(Heiterkeit – Abg. Teßmer SPD: Wenn sie nicht beißen! – Abg. Fleischer CDU: Oder getragen wer- den! – Zuruf von der CDU: Und dann kommen sie in den Tierhimmel!)
Sie werden als Sache zunehmend aber auch in großem Umfang „verbraucht“. Genau dieser Ausdruck wird so eingesetzt und verwandt: In der industriellen Nahrungsmittelproduktion werden Tiere verbraucht. Ebenso redet man von einer „verbrauchenden“, „tierverbrauchenden“ Forschung.
Verfassungsgemäß ist es die Pflicht des Staates und seiner Stellen, den Schutz der Tiere durchzusetzen. Dieser verfassungsgemäßen Pflicht des Staates zur wirksamen Kontrolle des Schutzauftrags zu verhelfen, soll das Ziel der Verbandsklage dienen. Bisher gilt: Wenn der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ durchgesetzt wird, bedeutet das in diesem Fall „Im Zweifel gegen die Tiere“. Die Verbandsklage ist Mittel des Schutzauftrags: Treuhänderisch, fürsprechend durch den Menschen, für die nicht artikulierfähigen Tiere – Papageien vielleicht ausgenommen – zu wirken.
Die einzigen wesentlichen Einwände, die es dagegen gibt, lauten: Es gibt einen hohen Aufwand durch zusätzliche Rechtsverfahren.
Meine Damen und Herren, der Beweis dafür konnte eigentlich nicht erbracht werden, jedenfalls nicht durch die Verbandsklageerfahrung im Umweltschutz. Keineswegs wurde hier ein besonders hoher oder erweiterter Aufwand in Rechtsverfahren festgestellt.
Die SPD-Fraktion hat im Juli letzten Jahres mit der Drucksache 13/3440 beantragt, die Landesregierung solle eine Initiative des Landes Schleswig-Holstein mit dem Ziel, über den Bundesrat das Verbandsklagerecht einzubringen, unterstützen. Sie haben das leider nicht getan.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE und mit unserem Antrag bestehen zwei Möglichkeiten: Sie können entweder das Verbandsklagerecht im Bereich des Tierschutzes in die Landesgesetzgebung einführen – im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung –, oder die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene dafür ein, analog zum Bundesnaturschutzgesetz die Verbandsklage im Tierschutzbereich zu verankern.
Zum Schluss, meine Damen und Herren, ein Vergleich – zugegeben, er hinkt –: Mit der Einführung des Code civil hat Napoleon vor rund 200 Jahren in den süddeutschen Ländern einen gewaltigen Fortschritt erzielt. Zum ersten Mal hatten damals Bürger, Menschen, Rechte gegenüber dem Staat. Dies gab es vorher für einfache Bürger nicht. Die Bürger bekamen gegenüber der Hoheit des Staates, gegenüber der Obrigkeitswillkür eigene Rechte.
Würden wir diesen Napoleon in die heutige Zeit beamen, müsste er feststellen, dass die Einführung eines Verbands
klagerechts nichts anderes als die logische Weiterentwicklung der Bürgerrechte für Menschen, ausgeweitet auf die Tiere, bedeuten würde.