Protokoll der Sitzung vom 30.06.2005

Jetzt rennen Sie überall im Land herum und sagen,

(Abg. Fleischer CDU: Das Geld fehlt doch gera- de!)

wir würden benachteiligt, weil weniger neue Straßen gebaut werden könnten.

Die Gründe dafür, dass weniger neue Straßen gebaut werden können, sind aber andere: Insgesamt gibt es zwar mehr Geld, aber wir brauchen mehr Geld für den Erhalt, wir brauchen mehr Geld für die alten Schulden. Da gibt es keine Benachteiligung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Scheuermann CDU: Ich habe gar nicht von Be- nachteiligung gesprochen! – Zuruf von der SPD: Das sind die Fakten!)

Herr Kollege Scheuermann, ich habe mir erlaubt, mich auf den Titel der von Ihnen beantragten Aktuellen Debatte zu beziehen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Dort heißt es „Benachteiligung des Landes Baden-Württemberg“.

(Abg. Drexler SPD: Wo? Wo?)

Sie haben natürlich gut daran getan, diesen Titel nicht mehr zu erwähnen, weil er peinlich ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Drex- ler SPD: Peinlich! – Zuruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Es gibt auch noch eine zweite Runde. Lassen Sie uns jetzt noch über die anderen Verkehrsträger reden.

Bei der Schiene gibt es nun einmal keine Länderquote, weil es da große Projekte gibt wie die Strecke Köln–Frankfurt. Ein Großteil der Mittel des Bundes – fast die Hälfte – fließen deshalb ein paar Jahre lang in ein solches Projekt. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass die anderen Länder benachteiligt würden.

Würden Sie es endlich einmal schaffen, sich auf die wichtigsten Projekte zu konzentrieren und zu sagen: „Für uns ist es das Wichtigste, die Strecke Mannheim–Frankfurt zu bauen, weil dort ein Kapazitätsengpass besteht, weil der ganze Verkehr aus Baden-Württemberg über diese Achse in den Rest der Republik läuft“, statt immer alles zu fordern, dann würden wir dort vielleicht einmal zu einem Baubeginn kommen.

(Abg. Fleischer CDU: Sie in Berlin haben doch die Rheintalbahn gestoppt, wo jahrelang überhaupt nichts passiert ist!)

Stattdessen rennen Sie überall herum und erzählen: „Wir wollen alles.“ Ohne Priorisierung bekommen wir für solche Projekte keinen Baubeginn. Darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Wir bekommen dann keinen Baubeginn. Und wenn kein großes Projekt begonnen wird, bekommt man natürlich nicht diese Mengen. Eine Benachteiligung gibt es dabei nicht.

Im Bundesverkehrswegeplan – dazu komme ich dann in der zweiten Runde – gibt es einen deutlich höheren Anteil Ba

den-Württembergs für Schienenprojekte als die 11 % beim Straßenbau. Wenn man anschaut, was dort im Vordringlichen Bedarf steht: Da sind wir bei 16, 17 %.

(Abg. Fleischer CDU: Das haben Sie doch ge- stoppt! Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Mappus CDU: Vordringlicher Bedarf sagt doch nichts über Investitionen aus!)

Also auch da ist Baden-Württemberg gut berücksichtigt.

Noch etwas, meine Damen und Herren – der Rest in der zweiten Runde –: Sie übersehen, dass diese Bundesregierung die Anzahl der Langsamfahrstellen in Baden-Württemberg – Erhalt des Schienennetzes – gegenüber dem Zeitpunkt der Endphase der Regierung Kohl um 80 % zurückgenommen hat.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Herr Fleischer, was Sie sa- gen, stimmt doch gar nicht! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU)

Der Schienenverkehr im Land ist deswegen wieder pünktlicher geworden.

(Abg. Seimetz CDU: Wer ist pünktlicher? Das ist ein Märchen!)

Strich darunter: Es gibt diese Benachteiligung nicht. Es gibt natürlich weiterhin Bedarf, über die Infrastruktur zu reden und sie zu verbessern. Aber hören Sie auf mit diesen Schaugefechten und Rot-Grün-Diffamierungen!

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Köberle.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir sind hier bei einer Aktuellen Debatte. Was ist denn momentan in Deutschland und in Baden-Württemberg das aktuellste Thema?

(Abg. Haller SPD: Neuwahlen! – Heiterkeit)

Bei Ihnen vielleicht! – Das Thema, das die Bevölkerung am meisten interessiert und das die Hauptaufgabe der Politik ist und jeden Tag sein muss, ist die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Was kann die Politik tun, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt? Sie muss einer guten Bildung und Ausbildung Priorität einräumen. Das tun wir in Baden-Württemberg, wie dies sonst nirgends in der ganzen Bundesrepublik geschieht.

Aber dann kommen schon die Themen, bei denen der Bund in der Hauptverantwortung steht: die Senkung der Lohnnebenkosten, ein einfaches und als gerecht empfundenes Steuersystem,

(Abg. Drexler SPD: Merz!)

die Eindämmung der Bürokratie und vor allem auch Investitionen in unser Verkehrssystem,

(Staatssekretär Köberle)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Wissen Sie, wie viel Geld der Merz-Vor- schlag kostet?)

in ein leistungsstarkes und umweltfreundliches Verkehrssystem. Wir wissen alle: Wer keine Verbindungen hat, keine Anschlüsse hat, der wird abgehängt, der wird auf das Nebengleis geraten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Bei welchem Tages- ordnungspunkt sind Sie? – Abg. Dr. Caroli SPD: Wir sind beim Tagesordnungspunkt 2, Herr Staats- sekretär!)

Deshalb ist es gut, dass wir heute über das Thema Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und vor allem in BadenWürttemberg diskutieren.

Man kann Zahlen drehen, wenden, interpretieren, wie man will: Man wird in der Regel immer zum gleichen Ergebnis kommen: Der Bund investiert zu wenig in die Infrastruktur,

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und das Land zu viel?)

und Baden-Württemberg wird vernachlässigt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Aber immer noch mehr als bis 98! Das ist völlig irre! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wenn das stimmt, wird Baden-Württemberg seit 20 Jahren vernach- lässigt! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Nicht bloß 20!)

Ich komme noch auf die Zahlen. Ich schlage vor – nur das bringt uns weiter nach vorne –, dass wir in aller Sachlichkeit über die Zahlen diskutieren.

(Abg. Teßmer SPD: So viel beten kann der gar nicht, dass das besser wird! – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: Er müsste den ganzen Tag in den Beichtstuhl!)

Ich selber habe überhaupt kein Problem, Entscheidungen der Bundesregierung, auch einer rot-grünen Bundesregierung, zu loben, die gut sind für unser Land.

(Abg. Drexler SPD: Das ist aber ein neuer Stil in der Landesregierung!)

Ich glaube, wir alle tun gut daran, wenn wir über Fraktionsgrenzen hinweg Interessen des Landes Baden-Württemberg gegenüber dem Bund vertreten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Teßmer: Das gilt aber für beide Seiten!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Verkehrsentwicklung in Baden-Württemberg stößt immer mehr an infrastrukturelle Kapazitätsgrenzen. Dies gilt nicht nur für den Straßenverkehr, sondern auch, wenn auch mit weniger deutlichen Zuwachszahlen, für die Hauptstrecken der Eisenbahn. Betroffen sind insbesondere die Verkehrsverbindungen zu den nationalen und den europäischen Wirtschaftszentren. Hier gibt es inzwischen in allen Bereichen einen ganz erheblichen Ausbaubedarf.

Wenn wir die Verkehrsprognosen nehmen, die der Bund selber für den Bundesverkehrswegeplan zugrunde gelegt hat,