Protokoll der Sitzung vom 30.06.2005

Meine Damen und Herren, als bedeutende Wirtschaftsregion und als Drehscheibe des internationalen Transitverkehrs muss Baden-Württemberg in den Ausbau der nationalen und der transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsnetze eingebunden werden. Die wichtigsten Bauvorhaben sind teilweise genannt worden. Im Zentrum unserer Bemühungen stehen natürlich die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm und in diesem Zusammenhang der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs vom Kopfbahnhof zum Durchgangsbahnhof, die Anbindung der Landesmesse und des Landesflughafens.

Im Blickfeld steht für uns die Neubaustrecke Frankfurt– Mannheim, aber auch – das ist das Thema, das Sie gerade angesprochen haben – der Ausbau der Neubaustrecke zwischen Karlsruhe und Basel.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber alles auf einmal kann man nicht zahlen!)

Dazu kommen wir einmal ganz langsam, nacheinander.

Zu Stuttgart 21, meine Damen und Herren, bin ich außerordentlich dankbar, dass wir nach wie vor einen großen Konsens haben,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo denn?)

dass der Bund mit im Boot ist, die Bahn mit im Boot ist sowie die Stadt und das Land,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Hälfte der Bür- ger sind dagegen! Was ist das für ein Konsens? – Gegenruf des Abg. Seimetz CDU)

und dass das für uns eine Jahrhundertchance ist. Man kann die Jahrhundertchance entweder erreichen, indem man zusammenhält, oder man kann eine Jahrhundertchance verspielen. Aber ganz sicher ist in Bezug auf die Entscheidung, die jetzt ansteht, bei der in nächster Zeit, in absehbarer Zeit Klarheit herrschen muss: Wenn wir diese Chance verspielen, wird man uns dies 100 Jahre lang und länger vorhalten. Das ist ein ganz entscheidendes Thema für den Anschluss nicht nur von Stuttgart. Das ist nicht nur ein Thema der Stadt Stuttgart. Deshalb wäre es mir lieber, das Projekt würde „Baden-Württemberg 21“ heißen und nicht „Stuttgart 21“.

Ganz wichtig ist uns die Magistrale Paris–Stuttgart–München–Wien–Budapest.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Karlsruhe und Ulm nicht zu vergessen, die auch auf der Strecke liegen!)

In dem Abschnitt liegt natürlich auch die Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm.

Wichtig ist auch die Rheintalstrecke Karlsruhe–Basel. Hier brauchen wir die notwendigen Kapazitäten, um nach der

(Staatssekretär Köberle)

Fertigstellung des Gotthard- und des Lötschberg-Basistunnels in der Schweiz mehr Güter zwischen Italien und seinen nördlichen Wirtschaftspartnern auf die Schiene zu verlagern und um die Fahrzeit zwischen Italien und Deutschland im Personenverkehr und im Güterverkehr deutlich verkürzen zu können. Die Strecke dient ja auch dem Anschluss des französischen TGV-Systems und unserem Zugang in Richtung Südfrankreich und in den Raum von Lyon.

Wir erwarten von der Bundesregierung bei diesem Thema, dass sie die mit der Schweiz getroffene Vereinbarung von Lugano einhält und den Ausbau der Rheintalstrecke schrittweise mit der Realisierung der neuen Alpentransversalen in der Schweiz gewährleistet.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Das bedeutet, dass die Ausbaustrecke spätestens 2015/2016 in Betrieb gehen muss.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Zur Entlastung der Rheintalstrecke und um auch andere Landesteile an den transversalen Alpenverkehr anzubinden, müssen wir auch die Gäubahn Stuttgart–Singen–Zürich

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dringend!)

und die Weiterführung der Südbahn Ulm–Ravensburg– Friedrichshafen–Lindau in die Schweiz und nach Österreich im Auge behalten.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Wunschkatalog und Bauch- landung!)

Nun will ich doch noch etwas sagen. Herr Kollege, vielleicht ist das dann die Antwort auf Ihre Frage. Wie sieht es denn jetzt aus mit der Finanzausstattung des Bundes für die genannten Projekte, für die wenigen und ganz wichtigen Projekte Baden-Württembergs? Die zeitgerechte Realisierung aller vorrangigen neuen Ausbaumaßnahmen erfordert laut Bundesverkehrswegeplan 2003 bundesweit die Bereitstellung von jährlich 1,7 Milliarden €. Dieser Betrag ist in keinster Weise gewährleistet, ganz im Gegenteil. Es sieht auf der Schiene noch wesentlich schlechter aus als auf der Straße.

Die mittelfristige Finanzplanung des Bundes für den Zeitraum 2004 bis 2008 weist für Neu- und Ausbaumaßnahmen gerade einmal 0,6 Milliarden € pro Jahr anstatt der erforderlichen 1,7 Milliarden € aus. Dabei befinden sich elf Projekte bundesweit – davon zwei in Baden-Württemberg – als internationale Projekte in Kontakt mit dem jeweiligen Nachbarland noch in einer näheren Untersuchung. Für diese elf Projekte sind nur 10 % des Baubedarfs ausgewiesen. Herr Zeller, ich denke, unser gemeinsames Interesse – die Südbahn – steht hier auch auf dem Prüfstand, ob das als internationales Projekt akzeptiert wird. Wir würden uns gemeinsam freuen, wenn es so wäre. Dann kommen wir zur großen Problematik der Finanzierung, nachdem nur 10 % hierfür ausgewiesen sind.

(Abg. Zeller SPD: Aber Ihre Vorgänger haben im- mer schon angekündigt, dass sie den Ausbau vor- nehmen! – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Haas?

Herr Kollege Haas, bitte.

Bitte schön, Herr Haas.

(Abg. Schebesta CDU: Das ist ja schon eine Frage- stunde! – Abg. Mappus CDU: Die Fragestunde ist heute Mittag!)

Herr Staatssekretär, ich möchte ganz konkret wissen: Wie bewerten Sie die Anspruchshaltung der Landräte in den Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach – der CDU-Landräte – und der Bürgermeister, die dort eine Alternativtrasse anregen? Blockieren diese Alternativplanungen die Bemühungen der Bundesregierung, die Trasse zügig zu bauen, ja oder nein? Das hätte ich gern von Ihnen gewusst.

(Abg. Mappus CDU: Das ist keine Kreistagssit- zung, Herr Kollege, sondern das ist ein Landtag! Falsche Baustelle! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Lieber Herr Kollege, das habe ich Ihnen vorhin schon gesagt: Wenn in einem Planungsprozess Alternativen vorgeschlagen werden, wird über diese Alternativen gesprochen und wird geprüft, was realisierbar ist. Dann muss entschieden werden, was machbar ist.

(Abg. Stickelberger SPD: Das geht doch Jahre!)

Angesichts der vielen, vielen Abschnitte, die wir auf der Rheintalstrecke haben und bei denen es vielfach Alternativvorschläge und auch Widerstand gibt, will ich hier vom Rednerpult des Landtags aus jetzt nicht entscheiden, ob nun die eine oder die andere Alternative die bessere ist.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es geht ja nur darum, ob sie schneller oder langsamer ist!)

Die Alternativen müssen auf technische Machbarkeit und auf Finanzierbarkeit hin geprüft werden,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

und dann muss man zu einem Konsens kommen. Ich bin sicher, dass das Interesse des südbadischen Raumes – –

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Nicht, dass es noch länger dauert!)

Ich bin gerade dabei, Ihnen die Zahlen darzustellen. Wenn Sie mich hätten zum Ende kommen lassen, dann hätten Sie feststellen können, dass man bei dem jetzigen Mittelzulauf, den wir vom Bund haben, 100 Jahre brauchen würde, bis allein das Rheintalprojekt verwirklicht wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb machen Sie hier eine Diskussion auf, die in eine völlig falsche Richtung geht.

(Abg. Drexler SPD: Ja, doch, weil diese Initiativen noch einmal 100 Jahre brauchen! Das ist der Punkt! Hier eine schöne Rede halten, aber unten einen Aufstand organisieren! – Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Das sind doch Kinderspiele! – Unruhe)

(Staatssekretär Köberle)

Ich komme jetzt zu der Frage: Wie sieht es bei der Ausstattung der Bundesschienenwege konkret in Baden-Württemberg aus? Meine Damen und Herren, für ganz Baden-Württemberg sind in der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2004 bis 2008 lediglich 229 Millionen € für Schienenprojekte vorgesehen. Dazu kommt natürlich auch hier – bleiben wir ganz ehrlich und sauber bei den Zahlen –, das, was wir über das 2-Milliarden-€-Programm des Bundes bekommen. 750 Millionen € davon gehen ja auf die Schiene.

Zugesagt sind uns von den 750 Millionen € jedoch nur sage und schreibe 33 Millionen €. Das ist zwar besser als nichts, aber natürlich – egal, ob wir jetzt eine Quote oder was auch immer zugrunde legen – angesichts der Dringlichkeit der Projekte viel zu wenig.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Man muss halt den Knoten Berlin fertig stellen! Was soll man ma- chen?)

Nur 10 Millionen € sind für das dritte und vierte Gleis auf der Rheintalstrecke vorgesehen, und 23 Millionen € fließen in die Ausbaustrecke Kehl–Appenweier.

Im Zeitraum 2004 bis 2008 stehen für Schienenprojekte in Baden-Württemberg damit insgesamt einschließlich dieses Sonderprogramms 262 Millionen € zur Verfügung. Im Jahresdurchschnitt sind das indiskutable 54 Millionen €. Für das Projekt Rheintalbahn sind rund 4 Milliarden € notwendig; es kommen jedoch nur 54 Millionen €. Daran können wir erkennen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit hier auseinander liegen.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)