Im Namen der Fraktion GRÜNE möchte ich mich der Erklärung von Frau Wonnay anschließen. Auch wir haben bei diesem Antrag eben mit Nein stimmen müssen, weil wir unsere Auffassung zum Ausdruck bringen wollten, dass man heute die Grundlage für eine gesetzliche Regelung hätte schaffen müssen.
Wir wollten deswegen dem Antrag der SPD zustimmen. Sie haben uns durch das Verfahren, das Sie gewählt haben, daran gehindert, so abzustimmen. Deswegen mussten wir mit Nein stimmen.
Meine Damen und Herren, wir haben nun noch über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/2899, zu befinden. Abschnitt I, ein Berichtsantrag, ist auch hier erledigt.
a) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Reform der Grundschule vor dem Hintergrund der Länderauswertung der Internationalen GrundschulLeseuntersuchung (IGLU und IGLU-E) – Drucksache 13/2835 (geänderte Fassung)
b) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Bildungsplanreform 2004: Einführung der neuen Bildungspläne im Schuljahr 2004/05 – Drucksache 13/3073
c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Bildungsstandards in Baden-Württemberg – alter Wein in neuen Schläuchen? – Drucksache 13/3133
d) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Schulübergang auf neuen Wegen – Drucksache 13/3552
e) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Erziehungspartnerschaft statt verpflichtender „Grundschulempfehlung“ – Drucksache 13/4300
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b fünf Minuten, für die Begründung zu c bis e je fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anträge der CDU-Fraktion zur IGLU-Studie und zur großen Bildungsplanreform vom Januar bzw. März des letzten Jahres sind noch heute hochaktuell. Ich darf einige wesentliche Kernthesen vortragen, die die IGLU-Studie speziell für Baden-Württemberg zum Ausdruck gebracht hat.
Erste Bemerkung: Die Viertklässler in Baden-Württemberg haben bei der Lesekompetenz im bundesweiten Vergleich am besten abgeschnitten und belegen bei diesem Test international den fünften Platz. Das heißt, unsere Schülerinnen und Schüler gehören zur internationalen Spitzengruppe.
Zweite Bemerkung: Auch im naturwissenschaftlichen und mathematischen Bereich belegen unsere Schülerinnen und Schüler in der Grundschule, die Viertklässler, jeweils Rang 1 und im internationalen Bereich Platz 2.
Dritte Feststellung: Die Leistungsunterschiede zwischen den starken und schwachen Schülern sind nirgendwo so gering wie in Baden-Württemberg. Hier lassen sich die Ergebnisse international hervorragend darstellen. Auch hier gehören wir zur Spitzengruppe.
Meine Damen und Herren, um das in diesem Zusammenhang deutlich zu sagen: Dies ist ein besonderes Verdienst unserer Pädagogen an den Grundschulen. Wir haben gute Pädagogen, und unsere guten Pädagogen sind gute Diagnostiker, die ein gutes Einschätzungsvermögen besitzen, vor allem wenn es darum geht, im Rahmen der Grundschulempfehlung eine entsprechende Empfehlung im Einvernehmen mit den Eltern abzugeben.
(Abg. Wieser CDU: Das sind aber meist Frauen, Herr Kollege! Sie sollten einmal den Frauen dan- ken! – Gegenruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Hoi!)
Es ist ein besonderes Verdienst der Eltern, denn sie bringen sich gerade in unsere Grundschulen aktiv ein. Sie begleiten aufmerksam den Bildungsprozess an unseren Grundschulen. Dies ist auch ein Grund, weshalb es zwischen den Lehrkräften an unseren Grundschulen und den Eltern ein hohes Einvernehmen gibt, vor allem wenn es um die Formulierung
Es ist auch ein Verdienst der Politik, denn wichtige Reformmaßnahmen greifen in unserem Land. Das Reformkonzept „Schulanfang auf neuen Wegen“ ist mittlerweile längst Konsens, auch hier im Haus, und wir haben auch bei unserem Besuch in Thüringen erst vor wenigen Wochen erleben dürfen, dass neben vielen anderen Bundesländern auch Thüringen das Beispiel Baden-Württembergs erfolgreich nachahmt.
Viele Maßnahmen haben zu diesem Erfolg der Grundschule beigetragen. Als Stichworte nenne ich zunächst die frühere Einschulung. Hier verfolgen wir den richtigen Trend. Die neue Stichtagsregelung, die zu einer Flexibilisierung beiträgt, befördert diesen wichtigen Prozess. Die Kooperation mit den Kindergärten ist verpflichtend – damit sind wir auch hier im Ländervergleich wegweisend –, und die flächendeckende Einführung unserer Grundschulfremdsprache ist ein weiteres wichtiges Element der Qualitätsverbesserung an unseren Grundschulen.
Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn wir Bildungsdebatten führen, auch die Stärken in unserem System hervorheben. Wir dürfen nicht nörgeln und kritisieren, sondern müssen da Leistung anerkennen, wo diese auch zutage tritt.
Der zweite Teil betrifft die große Bildungsplanreform. Damit komme ich kurz auf unseren zweiten Antrag zu sprechen. Die Bildungsplanreform wurde für alle Schularten mit dem Schuljahr 2004/05 flächendeckend eingeführt. Ich glaube, ich brauche die Elemente der Bildungsplanreform hier nicht noch einmal zu erläutern. Diese sind allen bekannt.
Die PISA-Studie zeigt, dass wir uns hier auf dem richtigen Weg befinden, weil wir auf bessere Unterrichtsqualität setzen, und diese Bildungsplanreform konzentriert sich auf die qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts. Als das Kultusministerium bereits im Jahr 2000 damit begonnen hat, erste Entwürfe zu erarbeiten und Experten einzubeziehen, war das ein Prozess, der bereits vor PISA in die Wege geleitet wurde. Die Tatsache, dass 600 Erprobungsschulen, verteilt auf alle Schularten, im Vorfeld die Bildungspläne erprobt und getestet haben, zeigt, dass es sich hier um keinen Schnellschuss handelte, sondern um ein ausgereiftes Bildungskonzept für die Zukunft, das jetzt für alle Schularten zum Tragen kommt.
Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche und geben den Schulen damit mehr Freiraum. Das sind die Kernelemente unseres Bildungskonzepts und damit auch der Einführung der neuen Bildungspläne.
Wir haben über den Fahrplan diskutiert. Es stand durchaus zur Debatte, ob man die neuen Bildungspläne generell einführt, zeitgleich für alle Jahrgangsstufen, oder ob wir moderat jeweils mit Klasse 1 und 2 bzw. ab Klasse 5 beginnen. Wir haben uns für den behutsameren Weg entschieden. Dennoch haben sich fast 200 Grund- und Hauptschulen in Baden-Württemberg dafür ausgesprochen, für alle Jahr
gangsstufen die Bildungspläne einzuführen. Das spricht auch in diesem Bereich für ein besonderes Engagement aller am Schulleben Beteiligten, insbesondere der Lehrkräfte. Auch hier ist ein besonderer Dank an die Lehrerkollegien angemessen. Ohne ihr großes Engagement wäre dieser bildungspolitische Kraftakt in Baden-Württemberg nicht denkbar gewesen.
Meine Damen und Herren, es ließe sich noch vieles zu diesem Thema sagen. Aber es sei mir erlaubt, in aller Kürze auch auf die Anträge einzugehen, die die anderen Fraktionen hier stellen. Es wird immer wieder die Frage der Grundschulempfehlung vorgebracht. Kollegin Rastätter fordert hier eine stärkere Rolle der Eltern ein. Aber gerade der erfolgreiche Bildungsverlauf der Grundschüler belegt, dass es hier eine maximale Einbindung der Eltern bereits gibt. Dass lediglich 7 % der Eltern die Grundschulempfehlung nicht nutzen und dass es eine hohe Trefferquote gibt, die deutlich über 90 % liegt, dass es nur einen geringen Anteil von Schülern gibt, die während der weiteren schulischen Laufbahn einen Schullaufbahnwechsel vornehmen, zeigt, dass wir auf dieses Element der Dreigliedrigkeit auch in Zukunft setzen müssen unter der Maßgabe, dass Durchlässigkeit das ganz Entscheidende ist.
Die Grundschulempfehlung ist kein Widerspruch zur Durchlässigkeit, sondern sie befördert diese, weil diese in hohem Maße in unserem Land akzeptiert wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und meine Herren! Es ist schade, dass Frau Kultusministerin Schavan nicht mehr da ist, denn ich möchte den Schluss der vorigen Debatte über das Thema Hauptschule hier nicht unkommentiert stehen lassen. Es wird einfach nicht besser, wenn man Falschheiten an dieser Stelle wiederholt.
Ich habe gerade eben einfach noch einmal ein paar Zahlen zusammengestellt. 9 % der Kinder, deren Eltern den Hauptschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss haben, haben in Baden-Württemberg die Chance, eine Universität zu erreichen. Kinder aus Elternhäusern, in denen das Abitur der höchste Bildungsabschluss ist, gehen zu 60 % auf Universitäten, und Eltern, die selber einen Hochschulabschluss haben, schaffen es zu 85 %, ihre Kinder auf eine Universität zu schicken und sie dort zum Studienabschluss zu bringen.
Das ist die soziale Selektion, die unser Schulsystem leistet, und daran ändern irgendwelche falsche Behauptungen hier nichts. Das sind die Zahlen von PISA.
(Beifall bei der SPD – Abg. Herrmann CDU: Aber Handwerker ist auch ein anständiger Beruf, und den diskreditieren Sie damit! – Abg. Carla Bregen- zer SPD: Das ist in keinem Land der Welt so!)
Die Grundschule ist die Schule, in der für die Bildungserfolge, die ich gerade genannt habe, die Weichen gestellt werden. Deswegen muss unser Augenmerk sehr stark und in erster Linie auf die individuelle Förderung an Grundschulen gerichtet werden, weil das „Grundschulabitur“, nämlich die Schulempfehlung, beileibe nicht eine besonders hohe Trefferquote hat. Da müssen Sie sich entscheiden, Herr Wacker, ob Sie Recht haben oder Frau Schavan. Denn wenn Sie sagen, es gebe eine hohe Trefferquote und die Schüler seien nachher auf der richtigen Schule im dreigliedrigen Schulsystem, während Frau Schavan an der gleichen Stelle hier sagt, unser Schulsystem sei sehr durchlässig und sei besonders toll, dann ist das ein Widerspruch, der sich nicht auflösen lässt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wacker CDU: Nein, Sie müssen sich nur die Zahlen an- schauen! Wie viel Prozent der Realschüler besu- chen denn die beruflichen Gymnasien? Wie viel Prozent der Hauptschüler absolvieren die Werk- realschule? Das ist Durchlässigkeit! – Abg. Herr- mann CDU: Der Mensch fängt nicht erst beim Hochschulabschluss an!)
Sie geben mir das richtige Stichwort, Herr Wacker. Die größte Lüge, die Sie aufbauen, ist ja, dass zwei Drittel unserer Jugendlichen in Baden-Württemberg berufliche Schulen in irgendeiner Form besuchen. Da haben Sie eigentlich die Gesamtschule, nur am Ende des Bildungsgangs. Wenn wir uns hier dauernd über Ressourcen und deren Verteilung unterhalten, dann müssen Sie sich überlegen, ob Sie die Ressourcen am Ende eines Bildungssystems hineinstecken und dort das reparieren, was zuvor im dreigliedrigen Schulsystem nicht funktioniert hat,
oder ob Sie dieses Geld in den Beginn der Bildung stecken, nämlich in den Kindergarten und in die Grundschule, dorthin, wo nämlich die Weichen für die Bildungserfolge der Zukunft wirklich gestellt werden.
Was müsste dazu an der Grundschule selber besser laufen? Es ist unbestritten, dass es in Baden-Württemberg hervorragende Grundschulen gibt. Das sind die, die wir alle besuchen. Ich habe zwei oder drei davon auch in meinem Wahlkreis; ich gehe dort immer sehr gern hin.