Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Das hat nichts mit Zwang oder einer Zwangsverpflichtung zu tun, sondern es ist eine ganz normale Schule. Ich glaube, Sie haben den Gesetzentwurf doch nicht ganz richtig gelesen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Nichts kapiert, aber große Klappe!)

Meine Damen und Herren, fast alle haben unserem Gesetzentwurf zugestimmt, und dies ist der Beleg für die Richtigkeit der Initiative. Nur Sie, Herr Röhm – das behaupte ich ganz deutlich –, sind in dieser Frage von vorgestern und haben die bildungspolitischen Herausforderungen nicht erkannt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Ideo- logisch verbohrt!)

Ich kann jetzt aus Zeitgründen nicht sämtliche Aussagen aus unserer Anhörung zitieren, aber ich will Ihnen nur einmal ein Zitat des Baden-Württembergischen Handwerkstags vortragen. Dort heißt es bei Frau Kouli:

Das baden-württembergische Handwerk hat sich bereits im Jahr 2002 für die Einrichtung eines flächendeckenden Angebots von Ganztagsschulen für alle Schularten ausgesprochen. Dadurch soll vor allem die Effizienz des Lernprozesses gesteigert, die schulische Leistung verbessert und die Berufstätigkeit von Frauen unterstützt werden. Unter „flächendeckend“ verstehen wir ein Schulangebot, das jeder Familie eine Wahlmöglichkeit bietet.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Ganztagsschulen bieten bessere Bedingungen für individuelle Förderung, denn sie tragen sowohl zur Vermeidung von sozialen Benachteiligungen als auch zur Förderung von Begabungen bei.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Gleichzeitig fördern sie die soziale Integration und das Lernen in der Gruppe. Dies setzt allerdings eine neue zeitliche Organisation des Lernprozesses und ein entsprechendes pädagogisches Konzept voraus.

(Abg. Wintruff SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Caroli SPD: Das ist weitblickend!)

Ich könnte Ihnen noch weitere Beispiele vortragen; ich habe noch viele dabei. Aber ich will Ihnen nur noch eines vortragen. Die Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V. hat durch Herrn Mutscheler erklärt:

Nur ein gebundenes Ganztagsschulmodell ermöglicht es, neue Wege des fächerverbindenden und fächerübergreifenden Unterrichts sowie der vertieften Diagnose von Eignung und Förderung von Begabten zu erproben bzw. ein verzahntes Unterrichts- und Förderspektrum umzusetzen.

Auch hierbei wollen Sie doch nicht etwa sagen, dass dies nicht zutreffe.

Sie haben nach wie vor ein Konzept, das heißt: „Wir wollen die Hauptschulen, die so genannten Brennpunktschulen“ –

von denen Sie sich jetzt offensichtlich distanzieren – „als Ganztagsschulen fördern.“ Das steht auch jeweils in den Briefen mit den Ablehnungsbescheiden des Ministeriums. Die Sonderschulen – vor allem die Schulen für Körperbehinderte und für Geistigbehinderte – zählen dazu, ebenso wie auch Privatschulen. Das ist im Grunde genommen Ihr Ganztagsschulkonzept.

Ich sage Ihnen, Herr Röhm und meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP/DVP und Frau Ministerin: Sie haben sich mit Ihrer Abneigung gegenüber den Ganztagsschulen im Grunde genommen so festgebissen, dass Sie sogar das Verbot ausgesprochen haben, dass gute, gelungene Ganztagsschulen aus Baden-Württemberg an dem Bundeskongress der Ganztagsschulen teilnehmen dürfen.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist ja unglaublich! – Abg. Dr. Caroli SPD: Richtiggehend kleinkariert!)

Das ist etwas, was ich unglaublich finde. Ich empfehle Ihnen, einfach einmal genau zu lesen, was der Landeselternbeirat in seiner gestrigen Pressemitteilung hierzu sagt. Dort wird ein großes Unverständnis gegenüber der Haltung der Landesregierung und der Ministerin ausgesprochen und im Detail begründet. Meine Damen und Herren, das hat im Übrigen auch nichts mit der hoch gepriesenen Eigenständigkeit der Schulen zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist ein Maulkorb und eine Gängelung der Schulen, auch wenn Sie das sonst immer anders darstellen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Pure Ideologie!)

Sie haben sich im Bereich der Ganztagsschulen vergaloppiert. Da nützt es auch nichts, wenn der Ministerpräsident sagt: „Wir setzen jetzt Jugendbegleiter ein.“ Ich sage Ihnen: Das ist ein hilfloser Versuch, sich mit Ganztagsschulen ein bisschen modern zu gestalten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist keine Ganz- tagsschule!)

Der entscheidende Schritt ist aber auch – und darauf kommt es uns im zweiten Teil des Gesetzentwurfs an –, dass das Land Mittel für pädagogisches Personal zur Verfügung stellt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sehr richtig!)

Wir wollen nicht, dass wir wie bisher eine Halbtagsschule mit einer Suppenküche und ein bisschen Betreuung haben. Das kann keine Ganztagsschule sein, und das kann nicht die Herausforderung sein, vor der wir stehen.

Deswegen sage ich Ihnen eindeutig: Wir brauchen für unsere Ganztagsschulen zusätzliches pädagogisches Personal, und Sie sollten sich endlich dazu durchringen, dass von Landesseite tatsächlich auch Mittel für jene Schulen zur Verfügung gestellt werden, die beim IZBB bisher zu kurz gekommen sind. Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen wirklich, in sich zu gehen und unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt kommt noch ein Geg- ner der Ganztagsschule! – Abg. Wintruff SPD zu Abg. Kleinmann FDP/DVP: Aber überleg dir ge- nau, was du sagst!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist hier im hohen Hause wiederholt diskutiert worden, auch im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport.

Meine Damen und Herren, die Geschichte der Ganztagsschule ist nicht ganz neu. Es gab bis 1992 – das erzähle ich immer wieder – schon 70 Ganztagsschulen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Dabei spielt die FDP eine traurige Rolle!)

Die traurige Rolle spielte die SPD, weil sie von 1992 bis 1996 gar keine hinbekommen hat,

(Zurufe der Abg. Dr. Caroli und Wintruff SPD)

und danach, bevor das IZBB-Programm aufgelegt wurde, waren wir schon bei 140.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Aber wir wollen jetzt nicht über solche Dinge streiten, sondern um die eigentlichen, pädagogischen Themen ringen. Es ist doch eindeutig klar, dass wir heute gesellschaftliche Veränderungen haben. Es gibt leider sehr viele allein erziehende Mütter, teilweise auch allein erziehende Väter.

(Abg. Zeller SPD: Aber die Ganztagsschule ist doch nicht nur für Alleinerziehende da!)

Es gibt Männer und Frauen, die gemeinsam verdienen müssen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Oder wollen!)

Wir müssen diese Herausforderungen annehmen. Deshalb ist das pädagogische Programm der Ganztagsschule auch eines, das auch wir von der FDP/DVP wollen. Ich sage überall draußen im Lande: Der Zug steht auf der Schiene.

(Abg. Wintruff SPD: Genau! Er steht! Das ist ja das Problem! Wenn er doch fahren würde! – Hei- terkeit bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Dann macht mal Dampf! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

Wenn man Sie hört, meint man manchmal, man sei im Kindergarten. Der Zug steht auf der Schiene, und der Zug fährt auch.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: In welche Rich- tung? – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Es ist allerdings richtig: Er fährt in einem ganz langsamen Tempo. Ich habe bereits in der Plenarsitzung am 17. März 2005 ausgeführt, dass Ganztagsschulangebote flächendeckend vorhanden sein sollen. Das heißt nicht, dass jede Schule eine Ganztagsschule werden soll, sondern dass

Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben müssen, dieses Angebot anzunehmen. Man könnte also auch sagen, es müssen flächendeckende Angebote geschaffen werden, und dies schulartübergreifend.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kleinmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Caroli?