Ein weiterer Punkt, Herr Kollege Zimmermann, bei dem ich schon gedacht hatte, Sie würden sich vielleicht doch noch bewegen: Auf Bundesebene war eine Befristung dieser Regelungen vorgesehen, und zwar einfach aus dem Grund, weil es um massive Grundrechtseingriffe und um Persönlichkeitsrechte geht, deren Wahrung das höchste Gut ist, das ein Rechtsstaat zur Verfügung hat.
Wir sollten nicht das Geschäft derjenigen betreiben, die gerade diesen Rechtsstaat mit seinen freiheitlichen Rechten durch terroristische Anschläge angreifen wollen. Der Terror, der im Hintergrund steht, und die damit verbundene Ideologie wollen ja gerade erreichen, dass wir unsere Freiheiten wieder einschränken. Deswegen haben wir uns dafür ausgesprochen, diese Regelungen zu befristen.
Es ist kein schlüssiges Argument, Kollege Blenke, weder vom Innenminister noch von den Fraktionen, genannt worden, das dagegen spricht, dieses Gesetz nach fünf Jahren zu evaluieren und zu überprüfen.
(Abg. Zimmermann CDU: Die Schläfer schlafen nicht nur eine Nacht! – Gegenruf des Abg. Braun SPD: Das kennt er aus seiner Fraktion!)
Ein letzter Punkt, meine Kollegen: Wenn denn die Landesregierung angeblich schon auf die rechtsstaatlichen Vorgaben achtet, dann stellt sich für mich die Frage, warum sie bei der akustischen und optischen Wohnraumüberwachung, zu der im Landesverfassungsschutzgesetz nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Regelungen enthalten sind, die mit diesen Vorgaben nicht mehr vereinbar sind, im Rahmen dieses Gesetzentwurfs keine Neuregelungen vorsieht. Die Argumentation, die Frau Cremer für das Innenministerium in der „bwWoche“ vorgetragen hat und im Zuge derer sie sagte: „Wir schreiben nicht vom Bund ab“, überzeugt nicht. Das ist schon richtig; das tut die Landesregierung nie. Wenn es um restriktivere Regelungen geht, dann ist das Innenministerium sehr wohl in der Lage, eigene Regelungen in Gesetzentwürfe zu fassen. Wenn es jedoch darum geht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und die Verringerung von Grundrechtseingriffen in Gesetzesform zu fassen und entsprechende Gesetzentwürfe einzubringen, ist die Landesregierung offensichtlich über längere Zeit hinweg im Verzug. Denn in dieser Wahlperiode werden wir diesen gesetzmäßigen Zustand so nicht mehr herstellen können. Ich sehe darin ein glattes Versäumnis aufseiten der Landesregierung, und es ist einfach bedauerlich, dass die Regelung auch im Zuge dieses Gesetzentwurfs keine verfassungsgemäße Anpassung findet.
Meine Damen und Herren, wir halten den Gesetzentwurf insofern für mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der ein hohes verfassungsrechtliches Gut darstellt, nicht vereinbar und lehnen ihn deshalb ab.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen hier zum zweiten Mal, nämlich in zweiter Lesung und nach der entsprechenden Beratung im Innenausschuss, eine Debatte über ein sehr, sehr ernstes Thema. Ich bin dankbar dafür; lassen Sie mich das sagen. Dabei schließe ich alle Fraktionen ein, auch die Wortmeldung des Kollegen Oelmayer, auch die in der ersten Lesung. Da habe ich ihn gelobt; das will ich heute nicht mehr tun, denn zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.
Ich bin Ihnen schon ernsthaft dankbar für die Art und Weise und für den Tiefgang, mit dem dieses sensible Thema behandelt wird. Denn eines ist klar, und das haben vorhin Herr Kollege Braun und Herr Kollege Theurer mit Zitaten sehr deutlich gemacht. Jefferson äußerte, der Preis der Freiheit sei die permanente Wachsamkeit, und auch das Zitat von Benjamin Franklin trifft die Geschichte genau.
So empfinde ich auch, und deswegen gehe ich an das Thema möglichst ideologiefrei heran. Wenn man die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt, wird man am Ende beides verlieren. Das ist der Grat, und die Balance müssen wir schaffen und finden. Ich habe dafür Verständnis, wenn die grüne Fraktion meint, an der einen oder anderen Stelle sei die Grenze überschritten – weil es eben ein schmaler Grat ist. Ich will damit nur deutlich machen: Vor Ihnen steht jemand, der sich um diese Balance sehr ernsthaft bemüht. Ich sehe wohl, dass wir hier auf einem schmalen Grat wandeln.
Auf der anderen Seite dürfen wir rechtliche Möglichkeiten, die wir bei diesen ernsthaften Themen Terrorismus, Rechtsextremismus und auch Linksextremismus haben oder die ich jedenfalls sehe, nicht ungenutzt lassen.
Wir können es unseren Bürgern gegenüber schlichtweg nicht verantworten, Handlungsräume, die wir haben, nicht auch tatsächlich konsequent zu nutzen.
Im Juli haben wir zum ersten Mal über diese Novellierung des Landesverfassungsschutzgesetzes und auch anderer Sicherheitsgesetze beraten. Wir wollen damit – das ist richtig; es wurde gesagt – die Vorschriften des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes in Landesrecht umsetzen. Aber dabei wollen wir nicht stehen bleiben,
sondern wir wollen zudem dem Landesamt für Verfassungsschutz zusätzliche Mittel und Instrumente an die Hand geben,
Bedingt durch die Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes stehen die Änderungen natürlich unter dem Vorzeichen der Bekämpfung von islamistischem Terrorismus und Extremismus. Ich erinnere nur an die
schrecklichen Bilder, die wir nach den Bombenanschlägen in London und Madrid und jüngst auf Bali alle noch vor Augen haben, gar nicht zu reden von den Anschlägen auf das World Trade Center.
Nein, ich komme noch darauf. – Wir dürfen darüber hinaus nicht vergessen, Herr Kollege Oelmayer, dass unsere Demokratie nach wie vor durch Links- oder Rechtsextremismus gefährdet ist, auch wenn das zugegebenermaßen nicht im Fokus dieser Novellierung steht. Wir dürfen diese Bereiche aber nicht unberücksichtigt lassen. Wir müssen die Sicherheitsarchitektur in unserem Land den Entwicklungen anpassen. Dies gilt für jeden Bereich. Nur so haben wir überhaupt die Chance, den drohenden Gefahren entgegenzuwirken.
Jetzt zu den Eckpunkten. Ich habe sie in der ersten Lesung skizziert und darf sie noch einmal ganz kurz wiederholen. Wir wollen eine Gesetzeslücke schließen, die bei ausländerextremistischen Bestrebungen unseres Erachtens vorhanden ist – bei Bestrebungen, die sich gegen politische Gegner im Ausland richten. Hierzu ist vorgesehen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz künftig auch Personen oder Organisationen beobachten darf, deren Verhalten sich gegen Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes, nämlich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker, richtet.
Es ist, meine Damen und Herren, nicht hinnehmbar, dass wir – wie es derzeit der Fall ist – gegen solche Aktivitäten nur dann vorgehen dürfen, wenn eindeutig nachgewiesen werden kann, dass mit diesen Bestrebungen Gewaltanwendungen oder entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland verbunden sind. Entsprechende Verhaltensweisen bedeuten immer eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit, weil sie einen Nährboden für die Entstehung extremistischer Auffassungen bilden und weil sie dazu führen oder führen können, dass vor terroristischer Gewaltanwendung aus Hass dann letztlich nicht zurückgeschreckt wird.
Wir benötigen außerdem Informationen über Geldströme und Kontobewegungen von Organisationen und Personen, die extremistischer Bestrebungen verdächtigt werden. Diese Informationen können dazu führen, dass Täter und/oder Hintermänner festgestellt werden.
Deswegen ist es erforderlich, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnis erhält, entsprechende Informationen einzuholen.
Aus dem gleichen Grund ist vorgesehen, dem Landesamt zu ermöglichen, bestimmte Informationen bei Postdienstleistern, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikations- und Teledienstleistern zu erheben.
Wenn Sie die persönlichen Daten ansprechen, die von nichtöffentlichen Stellen abgefragt werden, Herr Kollege Oelmayer: Es gibt mittlerweile in unserer offenen Demokratie und deren Verletzlichkeit an vielen Stellen im öffentlichen Leben so viele Bereiche von ungeheurer Sicherheits
relevanz, dass da eine Datenabfrage, ein Datenaustausch oder auch eine Warnung möglich sein muss. Nehmen wir einmal den Kollegen Jägel, der mit seiner Firma am Flughafen in Stuttgart oder sonst wo arbeitet: Er und wir sind darauf angewiesen, zu wissen, wer dort arbeitet, und auch Abfragen zu tätigen und Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen, die dann – Kollege Kurz weiß, wovon ich rede – ein größtmögliches Maß an Sicherheit gewährleisten.
Da muss ein Austausch auch mit nichtstaatlichen Stellen möglich sein; denn nur so können wir diese sicherheitsrelevanten Bereiche tatsächlich umfassend schützen. Dies ist unsere Auffassung. Sie sind anderer Auffassung. Ich nehme dies zur Kenntnis und respektiere dies auch. Punkt.
Vor dem Hintergrund – und damit komme ich zu einem weiteren Argument; Sie sprechen von einer Speicherung von Daten 14-Jähriger –, dass sowohl im Bereich des Rechtsextremismus als auch im Bereich des Linksextremismus sowie bei militanten Islamisten eine fortschreitende Verjüngung einfach zur Kenntnis genommen werden muss – Herr Kollege Braun hat dies angesprochen, und dem ist so –, müssen wir das Mindestalter für die Speicherung von Daten von Jugendlichen in Dateien von 16 auf 14 Jahre absenken.
Ich darf beispielsweise, wie es auch Kollege Braun schon getan hat, darauf hinweisen, dass im Jahr 2004 von 483 rechtsextremistischen Tatverdächtigen in Baden-Württemberg 90 – das sind knapp 19 % – zwischen 14 und 17 Jahre alt waren. Diese Karrieren müssen wir auch im Blick behalten können, und das können wir halt nur, wenn wir die Daten für eine gewisse Zeit speichern.
Nein, nein, Herr Kollege Oelmayer, die Voraussetzungen für die Speicherungen, die wir vorgesehen haben, sind sehr hoch. Die Regelung zielt eben nicht darauf ab, kinder- und jugendtypische Taten zu erfassen – darum geht es doch hier überhaupt nicht –, sondern es geht darum, ausschließlich Daten strafmündiger Jugendlicher zu speichern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie schwere Straftaten planen, begehen oder schon begangen haben.
Schlussendlich streben wir an, den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Landes zu verbessern und zu intensivieren, also besonders den Austausch zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei auf der einen Seite und Verfassungsschutz auf der anderen Seite. Dies wollen wir verbessern.
In Anlehnung an die Rechtslage im Bund soll das Landessicherheitsüberprüfungsgesetz um den vorbeugenden personellen Sabotageschutz erweitert werden. Dies ermöglicht eine Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen oder in lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen besonders gefährdeter Natur beschäftigt sind. In diesem Zusammenhang habe ich vorhin das Beispiel auch von selbstständigen Unternehmern in sicherheitsrelevanten Bereichen erwähnt.
Es geht also letztlich um die Sicherung der Funktionsfähigkeit von Einrichtungen, und es geht um den Schutz vor so genannten Innentätern, die es ja schon gegeben hat und die es auch immer wieder geben kann.
Der Gesetzentwurf wurde im Innenausschuss – das will ich noch einmal konstatieren – und anschließend auch im Ständigen Ausschuss intensiv behandelt, und es wurde klar, dass alle Fraktionen – ich sage: alle Fraktionen – das Ziel haben, alles gesetzgeberisch Notwendige zu veranlassen, damit unsere Demokratie der Bedrohungslage hier gerecht wird.
Natürlich gibt es keinen absoluten Schutz vor Terror – das wissen wir alle –, wir sind es aber unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, diesen Herausforderungen so weit wie irgend möglich zu begegnen. Das heißt eben auch, dass wir unseren Sicherheitsbehörden die Instrumente an die Hand geben müssen, die sie brauchen, um ihren Aufgaben tatsächlich gerecht werden zu können. Wir stellen an unsere Sicherheitsbehörden auch zunehmend höhere Anforderungen.
Meine Damen und Herren, ich will mich bei allen Fraktionen für die sachliche Auseinandersetzung, die nicht in jedem Fall zur völligen Übereinstimmung geführt hat, in den Ausschüssen bedanken. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf – ich glaube, das kann man ruhig sagen – setzen wir einen Meilenstein in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Mir wäre es in der Tat – Herr Kollege Oelmayer, das will ich jetzt auch noch sagen – recht, wenn wir damit jetzt einen Schlussstrich ziehen könnten.
(Abg. Zimmermann CDU: Mir auch! – Abg. Blen- ke CDU: Uns auch! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Al- lein mir fehlt der Glaube! Der fehlt mir sowieso, aber hier besonders! – Gegenruf des Abg. Blenke CDU: Der war schon immer kleingläubig, aber aus anderem Grund!)
Aber ich befürchte – Herr Kollege Oelmayer, das hat mit Glauben überhaupt nichts zu tun –, dass wir uns auch in den nächsten Jahren immer wieder mit diesem Thema beschäftigen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil die technische Entwicklung auch denjenigen zugute kommt, die mithilfe dieser Technik ihre Anschläge planen.