Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

und dann muss man schauen, wann man was mit welcher Priorität ausbauen kann.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Ja, darum geht es, Frau Berroth!)

Wenn wir den Blick auf Baden-Württemberg richten, stellen wir fest, dass wir, was die Bundeswasserstraßen anbelangt, mit Rhein und Neckar zwei bedeutende Bundeswasserstraßen haben. Das stellt doch gar niemand infrage. Drei der größten Binnenhäfen Deutschlands liegen in BadenWürttemberg: Karlsruhe, Mannheim, Heilbronn. Wir sind in diesem Haus auch wiederholt auf das Thema Binnenschifffahrt eingegangen, insbesondere auch auf dem Neckar.

Aber wenn wir jetzt feststellen, dass die rot-grüne Bundesregierung in den letzten Jahren 65 Millionen € in die Bundeswasserstraße Neckar investiert hat, dann dürfen wir doch nicht so tun, als ob gar nichts geschehen wäre.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber nicht zukunftsorientiert!)

Allerdings ist es richtig, dass keine weiteren Ausbaumaßnahmen für den Neckar in den aktuellen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen sind. Der Grund ist klar. Der Grund liegt darin, dass die ermittelte Nutzen-Kosten-Relation bei 0,44 liegt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Richtig!)

Das zeigt, dass die Kosten den Nutzen erheblich übersteigen. Für jede Finanzierung im Bundesverkehrswegeplan

wäre ein Wert von mindestens 1 nötig. Wir wissen doch, dass viele Maßnahmen im Bereich der Wasserstraßen bei deutlich höherem Nutzen liegen, sodass es außerordentlich schwierig ist, überhaupt eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zu erreichen.

Nach dem derzeitigen Bewertungsverfahren ist der Neckarausbau nicht darstellbar. Das müssen wir konstatieren. Wir begrüßen es als SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich, dass das Bewertungsverfahren für die Bundeswasserstraßen einer kritischen Überprüfung unterzogen wird

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dringend!)

und dass dort tatsächlich auch die notwendigen Verbesserungen vorgenommen werden. Denn es ist natürlich etwas anderes, ob man eine Wasserstraße ausbaut, wo die Systeme sehr viel enger aneinander hängen, oder ob man eine Straße ausbaut, wo man sich einmal einen kleinen Abschnitt vornehmen kann. Das ist doch eine völlig logische Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD)

Wir erhoffen uns von einem verbesserten und veränderten Verfahren auch eine Verbesserung für den Neckar. Das ist auch klar. Das sagen wir auch an dieser Stelle. Da aber das Gutachten noch nicht vorliegt und abzuwarten ist,

(Abg. Dr. Caroli SPD: Eben!)

wie es tatsächlich aussieht, können wir eine abschließende Bewertung an dieser Stelle noch nicht vornehmen und werden es dann halt vom Ergebnis des Gutachtens abhängig machen, wie wir diese Sache sehen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth, nachdem Herr Abg. Boris Palmer seine Rede für die Fraktion GRÜNE zu Protokoll gegeben hat (siehe Erklärung zu Protokoll am Schluss des Tages- ordnungspunktes).

(Heiterkeit – Zurufe, u. a. Abg. Mappus CDU: Wo ist er denn?)

Bitte sehr, Frau Berroth.

In der Regel hätte ich sowieso vor dem Kollegen Palmer gesprochen. Das möchte ich doch deutlich sagen.

Frau Kollegin Schmidt-Kühner, ich darf dort anfangen, wo Sie aufgehört haben: Bundeswasserstraßen, Neckar. Das große Problem ist, dass der Neckar zu keinem deutschen Seehafen führt. Im Bundesverkehrswegeplan steht nämlich, dass die zu Seehäfen führenden Wasserstraßen bevorzugt werden und dass die Förderung der Schiffbarmachung vor allem den deutschen Seehäfen dienen soll. Leider führt der Rhein, in den der Neckar mündet, halt nach Rotterdam und nicht nach Rostock oder Bremerhaven.

(Abg. Fischer SPD: Wir können ihn ja umleiten!)

Das ist der Grund, weshalb er so schlecht bewertet worden ist. Ich warte mit großer Spannung auf die neue Bewertung.

Wie die alte zustande gekommen ist, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wir dürfen aus dem Neckar kein Museum werden lassen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Genau!)

Wir haben ja erst den neuen Containerumschlagplatz im Stuttgarter Hafen eröffnet. Da zeigt sich ja, dass ein großes Potenzial da ist. Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, dass sich auf dieser Ebene endlich etwas bewegt.

Eines ist aus der Debatte auch deutlich geworden: Wir haben beim Güterverkehr überhaupt kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Das Umsetzungsdefizit – das hat man auch gemerkt – geht vor allem darauf zurück, dass – dem Föderalismus sei Undank – das Ganze gewaltig vernetzt und keiner mehr allein zuständig ist, sondern ein Zusammenwirken notwendig ist. Jeder schiebt die Schuld auf den anderen, und es passiert nichts.

Es ist doch so: Sie haben gesagt, wir hätten zugeschaut, wie eine Einrichtung des kombinierten Verkehrs in Pfullingen geschlossen worden sei.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Pfullendorf!)

Pfullendorf, Entschuldigung. Es ist nicht weit voneinander,

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Es ist schon etwas anderes!)

aber es ist ein deutlicher Unterschied.

Wer hat denn die Einrichtung in Pfullendorf geschlossen? Doch nicht die Landesregierung, auch nicht die Bundesregierung, sondern die Deutsche Bahn, und da ist die SPD sehr wohl im Obligo, weil ein Kanzler Schröder durchgesetzt hat, dass nicht, wie ursprünglich im Konzept vorgesehen, Betrieb und Netz bei der Bahn voneinander getrennt werden. Deswegen ist hier nach wie vor kein Wettbewerb im Gang. Dafür haben Sie sehr wohl Mitverantwortung zu tragen.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Es gibt eine ganze Reihe von Defiziten. Man muss leider sagen: Die Ziele und Strategien des Generalverkehrsplans 1995 von Baden-Württemberg sind nach wie vor aktuell. Das ist kein Problem der Landespolitik, sondern ein Problem des Zusammenspiels, weil das allermeiste im Güterverkehr halt die Hauptverkehrsachsen betrifft. Das sind in der Regel Bundesverkehrswege.

Es gibt beim Wechsel zwischen den Verkehrsträgern – das wurde schon angesprochen – erhebliche Defizite, obwohl gerade im kombinierten Verkehr das große Verlagerungspotenzial liegt. Jetzt haben Sie zu Recht aus der Antwort der Landesregierung zitiert, dass man einen Wechsel nur vornehmen kann, wenn auch Nachfrage da ist. Bloß, wenn Sie einen großen Fluss von den Bächen abschneiden, wird auch der große Fluss zum Schluss kein Wasser mehr haben. Das heißt, mit allem, was Sie da abschneiden, wird es weniger Nachfrage geben, und Sie werden dem von Ihnen noch viel stärker postulierten Ziel der Verlagerung auf die Schiene und auf die Wasserstraße immer weniger gerecht werden, zumal es bei der Bahn immer noch große logistische

und Kapazitätsengpässe gibt. Diese führen dazu, dass der Lkw für Verlader und Speditionen immer noch deutlich attraktiver ist als die Schiene, und das von der DB AG selbst gesetzte Ziel, den Schienenverkehrsanteil zu verdoppeln, wird verfehlt. Das ist nicht erreichbar. Hauptursache ist, dass der Bund auch in diesem Jahr die Investitionsmittel für Schienenaus- und -neubau gesenkt hat, statt sie zu erhöhen, wie es notwendig wäre.

(Abg. Haller SPD: Weiter Schulden machen!)

Wir haben auch viel zu wenig Wettbewerb auf der Schiene. Wobei ich ganz klar sage: Das kann keine einseitige Sache sein. Nicht nur die Bahn muss Netze freigeben für andere, sondern auch das von der Deutschen Bahn kürzlich geäußerte Ansinnen, dass sie zum Beispiel auch auf dem Netz der Hohenzollerischen Landesbahn fahren können müsse, muss natürlich erfüllt werden. Das darf keine Einbahnstraße sein. Aber auch da gilt: „Do ut des“. Nur wenn der eine seine Wege freigibt, kann der andere seine auch freigeben.

Das letzte Problem, das ich ansprechen möchte, sind die Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Bereich. Das soll man nicht unterschätzen. Natürlich unterliegen die Lkws am wenigsten Wettbewerbsverzerrungen und die anderen Verkehrsträger viel stärkeren Wettbewerbsverzerrungen. Die Wettbewerbsverzerrungen gehen aber auch beim Lkw zulasten des deutschen Verkehrsgewerbes. Straße und Schiene müssen dringend ausgebaut werden; das ist keine Frage.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: So ist es!)

Aber die Forderung, die aus dem Umweltbundesamt kommt, man müsse die Lkw-Transporte teurer machen, ist nicht angebracht. Andersherum wird ein Schuh daraus: Die Bahntransporte müssen preisgünstiger werden durch effizientere Abwicklung, eventuell auch durch steuerliche Entlastung; das muss man prüfen. Aber auf keinen Fall darf es eine Verdopplung der Lkw-Maut geben. Dann wären die deutschen Transporteure noch mehr diejenigen, die den Schaden haben, und das würde dem deutschen Bruttosozialprodukt nicht gut tun.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Das ist wohl wahr!)

Welcher Handlungsbedarf besteht? Der Bund muss die Investitionsquote insgesamt möglichst rasch erhöhen. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut müssen nach Abzug der Erfassungskosten zu nahezu hundert Prozent dem Straßenbau zufließen. Die Deutsche Bahn AG muss ihr kombiniertes Ladungsverkehrssystem aus den Neunzigerjahren dringend ausbauen und modernisieren. Die in Baden-Württemberg schon bestehenden Güterverkehrszentren müssen modernisiert, gegebenenfalls erweitert werden. Ich nenne bloß Kornwestheim. Da wäre viel möglich, aber da wird auch nichts getan.

Darüber hinaus müssen wir eruieren, welche stillgelegten Gleisanschlüsse und Güterverkehrsstrecken wir reaktivieren können. Als positives Beispiel nenne ich die Strecke vom hessischen Viernheim bis Weinheim, bei der das Land Hessen übrigens massiv mitgewirkt hat. Solche Chancen müssen wir auch in Baden-Württemberg wieder ausgraben.

Das Land muss auch beim Einsatz von NE-Bahnen – also denjenigen Bahnen, die nicht der damaligen Bundesbahn gehörten – im Güterverkehr, und zwar bei Nah- und regionalen Zügen, dort, wo sich die DB AG gänzlich zurückgezogen hat, verstärkte Unterstützung leisten.

Vor allem müssen wir darauf hinwirken, dass endlich auch bei der Schiene der grenzüberschreitende Verkehr solide stattfinden kann. Das technische Hauptproblem der Interoperabilität bei den Zugsteuerungs- und Zugsicherungssystemen ist immer noch nicht gelöst. Wir schaffen es locker, Leute in den Weltraum zu bringen und wieder zurück, aber wir schaffen es nicht, dass Züge ohne Probleme von Deutschland nach Frankreich fahren; das ist immer noch eine große technische Herausforderung. Deswegen muss die EU dringend das zweite und dritte Eisenbahnpaket umsetzen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Hier müssen Bund und Bahn viel, viel aktiver werden und sich zum Beispiel auch gegenüber Frankreich durchsetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Schef- fold CDU)