Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle kennen unser Land Baden-Württemberg. Wir kennen die Autobahnen, die Bundesstraßen, und wir kennen die Ortsdurchfahrten. Wir brauchen da überhaupt keine Verkehrsgutachten oder Verkehrsprognosen: Wir alle sehen und wissen, dass die Straße die Hauptlast beim Güterverkehr trägt. Diese Tatsache müssen wir zunächst einmal zur Kenntnis nehmen. Gerade auch in Sachen Gütertransport muss Verkehrspolitik bei den schlichten Fakten beginnen.
Daraus ergeben sich zwei Stoßrichtungen für die Verkehrspolitik im Sektor Gütertransport. Zum einen: Die Straße ist und bleibt das Rückgrat des Gütertransports. Wer glaubt, er könne mit der Kraft des Herkules die Schiene zum Hauptverkehrsträger des Gütertransports machen, wird scheitern. Deshalb dürfen wir die Infrastruktur der Straße nicht verkommen lassen. Sonst sägen wir den Ast ab, auf dem wir sitzen, auf dem unsere Wirtschaft sitzt.
Das Zweite gilt für eine realistische Verkehrspolitik. Genauso klar ist, dass wir alles daransetzen müssen, um den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und den umweltfreundlichen Verkehrsträger Wasserweg, wo es nur geht, zu fördern und zu unterstützen. Denn wir leiden ganz erheblich unter den endlosen Staus durch den Gütertransport auf unseren Autobahnen und den übrigen Straßennetzen, in unseren Städten und Gemeinden. Und mit den Menschen leidet unsere Umwelt.
Meine Damen und Herren, wir verfallen nicht der Täuschung, wir könnten die Welt des Güterverkehrs grundlegend verändern. Aber die Landesregierung will ihren Teil zu den möglichen und zu den machbaren Veränderungen beitragen. Ich fand es bei dieser Debatte ganz angenehm, dass schon ein Stück weit erkannt worden ist, dass wir uns kräftig Mühe geben, aber politisch nicht für alles zuständig sind. Letztendlich entscheidet die Wirtschaft, wie sie ihre Güter transportiert. Ihr ein Diktat aufzudrängen ist außerordentlich schwierig. Wir müssen Anreize schaffen – da sind wir uns sicher einig – und sollten uns über die richtigen Wege streiten.
Meine Damen und Herren, wir haben dies im Generalverkehrswegeplan dargelegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Konzept nach wie vor die richtige und die tragfähige Grundlage für Güterverkehrspolitik ist. Wir müssen und wir wollen die integrative Verflechtung von Straße, Schiene und Binnenschifffahrt und damit intermodale Transportketten unterstützen. Jeder Verkehrsträger – Straße, Schiene und Wasser – muss und kann dabei seine spezifischen Leistungsvorteile einbringen, und wir unterstützen diesen Prozess.
Wir unterstützen im Rahmen eines Programms zur Förderung des Schienengüterverkehrs und der Binnenschifffahrt den Bau von Gleisanlagen, von Umschlaganlagen, wie zum Beispiel in Stuttgart und in Weil am Rhein. Volker Schebesta hat ja eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgezählt, in die investiert worden ist. Wir wollen die Einrichtung von Verladeanlagen für den Containerverkehr. Gefördert werden auch Güterverkehrsfahrzeuge nicht bundeseigener Eisenbahnen. Damit können nicht bundeseigene Eisenbahnen Güterverkehrsleistungen im Einzelwagenverkehr von der DB AG übernehmen und den Rückzug der Schiene aus der Fläche stoppen. Wir wollen diese Landesförderung auch fortsetzen.
Frau Kollegin Schmidt-Kühner, von Ihnen ist das Problem Pfullendorf angesprochen worden. Natürlich würden wir es genauso gern sehen, wenn die Firmen in und um Pfullendorf weiterhin die Schiene nutzen würden. Aber Frau Berroth hat es ja gesagt, es liegt sicher nicht am Engagement des Landes. Ich weiß sehr wohl – das ist mit die Region, aus der ich komme –, wie sich das Land in den vergangenen Jahren engagiert hat, dass Güter auf die Schiene kommen. Das liegt an der DB AG und letztlich vielleicht nicht einmal ausschließlich an ihr, sondern an betrieblichen Entscheidungen. Wir wissen, in Pfullendorf gibt es diesen und jenen großen Betrieb, und wenn die sich gegen die Schiene entscheiden, wird es für die Bahn außerordentlich schwierig, ein Angebot aufrechtzuerhalten.
Es muss klar sein, meine Damen und Herren: Die Fördermaßnahmen des Landes sind nur dann erfolgreich, wenn auch der Bund seinen Verpflichtungen zum Ausbau der Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern nachkommt. Die Landesförderung kann trotz aller Anstrengungen nur ergänzenden Charakter haben. Wir können – ich sage es noch einmal – die verladende Wirtschaft nicht zur Nutzung bestimmter Verkehrsträger oder zu bestimmten Transportabläufen zwingen.
Wir können aber neben der finanziellen Förderung die umweltfreundlichen Verkehrsträger stärker ins Bewusstsein
der Güterverkehrswirtschaft bringen. Der Kongress, den wir im Sommer dieses Jahres in Mannheim veranstaltet haben, der großen Zuspruch genossen hat, wo eine rege Debatte stattgefunden hat, war, glaube ich, ein wichtiger Meilenstein in dieser Bewusstseinsmachung bei der baden-württembergischen Wirtschaft.
Wir werden aber auch den Bund nicht aus seiner vorrangigen Verantwortung entlassen. Der Bund muss den Zugang zur Förderung von Gleisanschlüssen und Umschlaganlagen erleichtern. Kein Eisenbahnunternehmen gibt eine zehnjährige Garantie für die Verkehrsbedienung.
Die vom Bund geforderten Mindestmengen, die der Antragsteller transportieren muss, sind zu hoch. Darüber hinaus sollten auch kommunale Unternehmen förderbar sein, beispielsweise die Stadtwerke beim Müllumschlag.
Der Bund muss ebenso – unabhängig von den notwendigen Eigenanstrengungen der Verkehrswirtschaft – die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Schiene, Schifffahrt und kombinierten Verkehr verbessern. Die Schiene trägt in Deutschland bei Infrastrukturkosten, Mineralölsteuer und Umsatzsteuer nach wie vor weitaus höhere Lasten als in unseren europäischen Nachbarstaaten.
Notwendig sind ferner ein diskriminierungsfreier Zugang zum DB-Streckennetz und die transparente Gestaltung der Trassenpreise. Hier ist es inzwischen im Rahmen des Dritten Eisenbahnrechtsänderungsgesetzes gelungen – nicht zuletzt dank der Initiative von Baden-Württemberg, von Stefan Mappus und Ulrich Müller –, ganz wesentliche Fortschritte zu erreichen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Integration der Verkehrsträger ist gut. Aber was nützt sie, wenn die Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsträger schwerwiegende Rückstände aufweist? Bei der Schiene weist die mittelfristige Finanzplanung des Bundes für den Zeitraum 2004 bis 2008 für Neu- und Ausbaumaßnahmen bundesweit nur 600 Millionen € pro Jahr statt der erforderlichen 1,7 Milliarden € aus. Wenn aus dem 2-Milliarden-€-Investitionsprogramm der Bundesregierung, das sie ja vor wenigen Monaten auf den Weg gebracht hat, weitere 750 Millionen € für die Schiene im Zeitraum 2005 bis 2008 hinzukommen, fehlen jährlich immer noch über 900 Millionen €, um die als vordringlich angesehenen Projekte zu finanzieren.
Im Zeitraum bis 2008 stehen für Schienenprojekte in Baden-Württemberg insgesamt nur etwa 262 Millionen € zur Verfügung. Das sind im Jahresdurchschnitt gerade einmal 54 Millionen €. So kann man Verkehrsträger, so kann man die Schiene nicht nach vorn bringen.
Die Misere bei den Mitteln für Neu- und Ausbaumaßnahmen im Bundesfernstraßennetz ist so oft beschrieben und beklagt worden, dass es sich erübrigt, hier alles zu wiederholen. Ich nenne nur eine Zahl: Wir brauchen im Jahr 300 Millionen bis 330 Millionen € für Bedarfsplanmaßnahmen, um die Projekte des vordringlichen Bedarfs des Bundesverkehrswegeplans in seiner Gültigkeit bis zum Jahr 2015 einigermaßen zeitgerecht finanzieren zu können.
Zu den Wasserstraßen: Ich finde es sehr erfreulich, dass auch im Landtag wieder einmal und verstärkt die Wasser
straßen in das Blickfeld genommen werden. Sie können einen ganz wesentlichen Beitrag zur Bewältigung des wachsenden Güterverkehrs leisten. Die Binnenwasserstraßen sind die umweltfreundlichsten Verkehrsträger, und sie haben die größten Kapazitätsreserven.
Die Chancen der häufig unterschätzten Binnenschifffahrt liegen zum Beispiel im Marktsegment Containerverkehr. Es freut mich, dass unter anderem die Firma Daimler-Chrysler die Binnenschifffahrt verstärkt als interessanten Verkehrsweg nutzt. Der Containerverkehr auf dem Neckar hat durch Transporte für Daimler-Chrysler ganz erheblich zugenommen. Auch beim Kohleverkehr – übrigens eine Folge Ihrer nach meiner Einschätzung verfehlten Politik – sind durch den Atomkompromiss ja neue Perspektiven gegeben.
Voraussetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist allerdings ein entsprechender Ausbaustandard der Wasserstraßen, der den Einsatz moderner Schiffe mit entsprechenden Größen erlaubt. Wir fordern vom Bund nach wie vor die Verlängerung der über 70 Jahre alten Neckarschleusen. Wir wissen, dass auf dem Rhein die Standardlänge von Schiffen in Deutschland und in Europa heute nicht mehr 105 Meter, sondern 135 Meter beträgt. Deshalb brauchen wir 140 Meter lange Schleusen. Andernfalls hängen wir den Neckar vom Schifffahrtsnetz des Rheins und damit von der Zufahrt zur Nordsee ab.
Jetzt ist Bundesverkehrsminister Stolpe gelobt worden. Er hätte ja vielleicht noch ein paar Tage Zeit, um auch seine Liebe zur Binnenschifffahrt auf dem Neckar und nicht nur irgendwo anders im Bundesgebiet deutlich zu machen.
Wir haben durch unser Drängen in Baden-Württemberg erreichen können, meine Damen und Herren, dass die ursprüngliche Ablehnung der Aufnahme in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans revisioniert wird, dass momentan eine weitere Wirtschaftlichkeitsüberprüfung läuft. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit besseren Zahlen herauskommen, wenn das Ergebnis Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres auf den Tisch gelegt werden wird.
Erst in der vergangenen Woche hat das „Forum Binnenschifffahrt“ im Stuttgarter Hafen der Öffentlichkeit eine Resolution vorgestellt. Hinter die Resolution haben sich über 90 Unternehmen und Organisationen unseres Landes gestellt. Ich glaube, das ist ein beeindruckendes Bekenntnis der Wirtschaft Baden-Württembergs zur Wasserstraße am Neckar und über den Neckar hinaus.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, jammern, lamentieren könnte man tagelang, wenn man über die Verkehrsinfrastruktur Baden-Württembergs nachdenkt. Das hilft leider nicht weiter. Die Finanzierung des Bundesfernstraßennetzes über den Haushalt ist an die Wand gefahren. Alle sehen es, aber noch nicht alle geben es zu. Wir müssen neue Wege suchen. Wir haben uns in Baden-Württemberg auf den Weg gemacht. Wir brauchen einen grundlegenden Neubeginn, den wir in der Umstellung der Finanzierung des Bundesfernstraßenbaus von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung
Die Verkehrsministerkonferenz hat im April 2005 auf Vorschlag Baden-Württembergs hin beschlossen, die Möglichkeiten einer nutzerbezogenen Infrastrukturfinanzierung ergebnisoffen zu prüfen. Eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz Baden-Württembergs prüft zurzeit unter anderem folgende Punkte: die Erweiterung der Lkw-Maut auf weitere Nutzergruppen, auf leichte Lkw und Pkw, wobei klar ist, dass die Verkehrssteuern in diesem Fall gleichzeitig abgesenkt werden müssten. Wir prüfen die Entwicklung neuer Organisationsmodelle für die Verkehrsinfrastruktur.
In wenigen Tagen wird die Verkehrsministerkonferenz über die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe beraten und dann voraussichtlich weitere Untersuchungsaufträge stellen. Damit haben wir auf Bundesebene den Anstoß dafür gegeben, dass die Sache endlich einmal breit diskutiert wird und neue Lösungen bei der Verkehrswegefinanzierung gesucht werden.
Wir werden unseren Beitrag einbringen und alles daransetzen, dass Verkehrspolitik und Verkehrswegefinanzierung auch in Zeiten knapper Kassen wieder eine Zukunft haben. Damit wollen und werden wir einen Beitrag nicht nur zur Verbesserung des Gütertransports, sondern zu einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung insgesamt leisten.
Zum Schlusswort. Herr Staatssekretär Köberle hat es deutlich gesagt: Die Landesregierung hat wirklich viel getan. Die neuere Entwicklung ist auch zu ersehen aus der Stellungnahme zu meinem Antrag Drucksache 13/4498 – Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Trägern des Güterverkehrs –, den wir in der nächsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses behandeln werden.
Als Problem sehe ich durchaus die Frage der Umsetzung der Luftreinhaltepläne in Baden-Württemberg. Aus meiner Sicht wird mit den geplanten Durchfahrtsverboten für Lkw verkehrt herum vorgegangen. Der richtige Weg wäre, zunächst Fahrverbote für die alten Lkw zu erlassen. Ich warne noch einmal: Nicht überall, wo Umweltschutz draufsteht, ist auch wirklich Umweltschutz drin.
Man muss sich Maßnahmen und Auswirkungen sehr genau überlegen. Da, wo Maßnahmen wirklich einen Nutzen für die Umwelt bringen, bin ich gerne dabei. Da, wo sie nur ein Schaden für die Wirtschaft sind, müssen wir dagegenhalten.
Im Übrigen, wenn wir beim Umweltschutz sind: Die Position der Grünen zu unserem Thema wird dadurch deutlich, dass Herr Kollege Palmer es für wichtiger gehalten hat, auf einem Podium der Gewerkschaft Transnet zu brillieren, statt hier seiner Aufgabe als Abgeordneter nachzukommen. Ich glaube, das ist deutlich genug.
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ich weiß nicht, ob er heute hier etwas Neues von Ihnen erfahren hätte, Frau Kollegin!)
Das Problem des Luftreinhalteplans möchte ich noch einmal am Beispiel Pleidelsheim erwähnen. In der gleichen Zeitung, aus der ich vorhin zitiert habe, steht heute auch:
Meine Damen und Herren, wenn dieser Baggerbiss früher stattgefunden hätte, wenn es diese Straße schon gäbe, dann hätten wir in Pleidelsheim in der Stadtmitte nie ein Feinstaubproblem gehabt.