Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Um die Folgen ihrer verfehlten Energiepolitik einzudämmen, fordert die Landes-SPD nun, den Energieversorgern im Land per Dekret keine Strompreiserhöhungen mehr zu genehmigen.

Dabei ist durchaus zuzugeben, dass es in Baden-Württemberg eine verhältnismäßig große Preisspanne gibt. Der teuerste Anbieter liegt sehr deutlich über dem günstigsten. Wir sind uns alle einig, dass der Wettbewerb im Strom- und vermehrt noch im Gasmarkt nicht optimal funktioniert. Die Lösung kann aber nicht mehr Planwirtschaft bedeuten, sondern muss zum einen mehr Wettbewerb und zum anderen eine bessere Missbrauchskontrolle zur Folge haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es würde uns wesentlich weiterbringen, wenn wir bei der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Energiever

sorger den Sofortvollzug von Verfügungen der Kartellbehörden hätten. Es darf nicht sein, dass der Vollzug ihrer Bescheide jahrelang durch Gerichtsverfahren verschleppt wird. Nicht staatlicher Dirigismus führt zu sinkenden Preisen, sondern einzig und allein erstens funktionierender Wettbewerb und zweitens verbessertes Kartellrecht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Am Beispiel dessen, was Frau Kollegin Brenner vorhin zitiert hat, nämlich unserer gemeinsamen Position zu den Emissionszertifikaten, haben wir deutlich gemacht, dass wir dazu in der Lage sind – und zwar fraktionsübergreifend –, im Wirtschaftsausschuss des Landtags ein Stück voranzukommen. Ich bin sehr optimistisch, dass es uns, wenn wir jetzt diese Anträge in den Wirtschaftsausschuss überweisen, auch in Zukunft gelingen wird, zu einer gemeinsamen Linie zur Erreichung des gemeinsamen Zieles, nämlich niedrigeren Strompreisen in Baden-Württemberg, zu kommen. Ich betone noch einmal, auf welcher Basis dies erfolgen wird: erstens ein verbessertes Kartellrecht und zweitens mehr Wettbewerb – und eben nicht staatlicher Dirigismus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Minister Pfister.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe genau zugehört und bin zunächst einmal dankbar, dass ich heraushören konnte – zumindest in Zwischentönen –, dass langsam, aber sicher eine deutliche Mehrheit der Auffassung ist, dass das Instrument der Preiskontrolle für uns alle ein Auslaufmodell ist. Es hat sich nämlich gezeigt, dass wir zwar Instrumente brauchen, um einen besseren Markt und einen besseren Wettbewerb zu haben, dass aber das Instrument der Preiskontrolle ganz eindeutig das falsche Instrument ist.

Wie kann es denn sein, dass z. B. die Deutsche Bahn in den letzten drei Jahren viermal die Preise erhöht hat? Wie kann es sein, dass in Deutschland – ich komme gleich auf BadenWürttemberg zu sprechen – die Strompreise in den letzten Jahren drei- bis viermal so hoch waren wie im europäischen Ausland? In beiden Fällen – bei der Bahn und auf dem Energiesektor – gilt, dass offensichtlich ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Netzen nicht vorhanden ist. Die Konsequenz daraus ist: Wir brauchen bei der Bahn – das ist jedenfalls meine Überzeugung – im Interesse von mehr Wettbewerb eine Trennung von Netz und Betrieb.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Jawohl! – Abg. Michael Theu- rer FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir brauchen in der Energiepolitik, bei den Energiepreisen einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen für diejenigen, die sich auch in der Zukunft auf diesem Markt tummeln wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Genau so ist es!)

(Minister Ernst Pfister)

Das heißt, ich teile die Meinung aller Redner: Das Grundproblem, das Krebsübel der Energiepolitik in Deutschland seit vielen Jahren, seit Beginn der Liberalisierung, besteht darin, dass wir zu wenig Wettbewerb haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Ja, richtig!)

Wir müssen uns einmal klarmachen – Sie haben es getan, Frau Kollegin Brenner –, wie sich die Stromkosten zusammensetzen. Ich will nicht auf den Anteil von 40 % für Steuern und Abgaben eingehen; dafür sind wir selbst verantwortlich. Tatsache ist, dass in den letzten Jahren der Anteil für Steuern und Abgaben, die wir, die Politik, gemacht haben,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir nicht!)

um 15 % gestiegen ist. Das ist auch eine Verantwortung von Rot-Grün, meine Damen und Herren; das muss man bei dieser Gelegenheit auch noch einmal sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Tho- mas Knapp SPD)

Zu diesen 40 % kommen 35 % dazu, die die Netzzugangskosten ausmachen.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Weil dies so ist, hat die rot-grüne Bundesregierung absolut richtig gehandelt, als sie im Jahr 2003 gesagt hat: Wir brauchen ein neues Energiewirtschaftsgesetz, um insbesondere diesen Bereich der Netzzugangskosten in den Griff zu bekommen. Sie hat das für das Jahr 2003 verkündet. Ich habe Wolfgang Clement noch ganz genau im Ohr: „Wir brauchen kein stumpfes Schwert, wir brauchen ein scharfes Schwert, um diese Netzzugangskosten bekämpfen zu können.“ Ich habe das noch ganz genau im Ohr. Das wurde damals, im Jahr 2003, von Rot-Grün – übrigens mit Zustimmung Baden-Württembergs im Bundesrat – angekündigt.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Dann hat es noch einige Zeit gedauert, und am 1. Juli 2005 ist das Gesetz dann endlich verabschiedet worden.

Was ist der Inhalt des Gesetzes? Der wichtigste Inhalt des Gesetzes ist die Abschaffung der Preiskontrolle,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

aber nicht ersatzlos, sondern stattdessen die Entwicklung eines neuen Instruments, um gerade die Netzzugangskosten in den Griff zu bekommen.

Natürlich stimmt es, dass die Strompreise insgesamt zu hoch sind. Das will ich doch gar nicht bestreiten.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Ich möchte aber darauf hinweisen, Herr Kollege Schmiedel, dass ich auch einen Packen von Tabellen vor mir liegen habe, die wir uns jetzt reihenweise um die Ohren schlagen könnten. Ich erlaube mir, jetzt eine unverdächtige Quelle zu zitieren, nämlich das Statistische Bundesamt. Da werden Sie feststellen, dass das genau in der Richtung liegt, die Sie

angedeutet haben. Es ist wahr, dass wir bei den Pflichttarifen in Baden-Württemberg relativ hoch liegen. Das ist wahr. Aber Sie haben natürlich vergessen zu sagen, dass wir bei den Sondertarifen – und diese sind heute wichtig – den günstigsten Platz in der Bundesrepublik Deutschland einnehmen, meine Damen und Herren. Es gibt kein anderes Bundesland mit so günstigen Sondertarifen wie BadenWürttemberg.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das hat Herr Schmiedel übersehen!)

Wenn Sie eine Mischkalkulation machen und einen Durchschnittstarif berechnen, dann sind wir in Baden-Württemberg nicht etwa am Ende, sondern auf Platz 3, also relativ günstig. Die Mär, dass wir in Baden-Württemberg die teuersten Strompreise hätten, gilt zwar für den Pflichttarif. Aber wenn es um den Durchschnittstarif geht, gilt dies nicht. Das weise ich entschieden zurück, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Schmiedel, ich habe mir auch einmal bei Verivox angeschaut, was z. B. zu den Strompreisen im Landkreis Ludwigsburg zu sagen ist. Da stelle ich fest: Im Landkreis Ludwigsburg – ich glaube, Sie kommen von dort – gibt es sage und schreibe 71 verschiedene Tarife,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Bei wie vielen An- bietern?)

unter denen der Stromkunde wählen kann. Der günstigste Tarif beträgt 660 € – Süwag Ludwigsburg –, der ungünstigste Tarif liegt bei 824 €. Das bedeutet eine Differenz von weit über 100 €.

Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist doch der: Niemand ist in Baden-Württemberg gezwungen, einen solchen Pflichttarif tatsächlich zu wählen. Jeder hat die Möglichkeit, auszuweichen, auf andere Tarife überzugehen.

Im Internetportal von Verivox steht Folgendes zu lesen – ich zitiere –:

Einsparungen von bis zu 100 € sind in Baden-Württemberg möglich. Zu verdanken ist dies der Wettbewerbspolitik des Landes. Diese ist dem Rest der Republik weit voraus.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich könnte diese Liste jetzt fortsetzen.

Ich habe mir jetzt einmal überlegt: Ich bin ein Stromkunde, der aus Rheinland-Pfalz oder aus Nordrhein-Westfalen – woher auch immer – nach Baden-Württemberg zieht. Ich habe mir einmal die Städte Stuttgart und München bei Verivox ausgesucht und mir die Frage gestellt: Ziehst du nach Stuttgart, oder ziehst du nach München? Wie sind die Stromtarife? Da habe ich Folgendes festgestellt: Die Stromtarife liegen in München beim billigsten Anbieter bei etwa 570 € und beim zweitgünstigsten Anbieter bei 668 €, in Stuttgart ebenso bei 668 €. Sie behaupten aber, man bekomme in ganz Baden-Württemberg einen Pflichtstromtarif nur für 750 oder 760 €. Das stimmt einfach nicht.

(Minister Ernst Pfister)

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Schlecht recherchiert!)

Der entscheidende Punkt ist, Sie müssen diese Pflichttarife tatsächlich nicht nehmen. Sie haben in Stuttgart 44 verschiedene Tarife, in Ludwigsburg 71. Das Einzige, was mich manchmal wundert, ist, dass bundesweit gerade einmal 4 % der Stromkunden die Möglichkeit nutzen, sich einen günstigen Tarif zu nehmen.

Ich sage – jetzt komme ich zu dem politischen Aspekt –: Wer Wettbewerb will, der muss die politischen Rahmenbedingungen selbstverständlich neu und günstig gestalten. Aber ich finde auch, der Kunde sollte seine Marktmacht nicht unterschätzen. Wenn er so viele Möglichkeiten hat, dann lohnt es sich, im Internet oder in der Zeitschrift oder beim Verbraucherverband oder wo auch immer schon einmal hinzuschauen, ob es nicht möglich ist, einen günstigeren Stromtarif zu wählen als den, den er heute bezahlt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Selten war ich so einig mit Ihnen!)