Ich möchte jetzt etwas ironisch anmerken: Es ist schon wichtig, dass die Kommission einmal aus ihrem Palast in Brüssel herauskommt und die Realität wahrnimmt. Denn wenn die Kommission, wie vor wenigen Tagen geschehen, 250 hochkarätige Gäste hat und diese mit südafrikanischem Wein bewirtet, dann muss ich schon fragen, ob man dort begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat.
Ich freue mich, dass das von Ihnen allen so gesehen wird. Es hat tatsächlich mit Kultur zu tun. Das hat nichts mit Alkohol zu tun. Es muss uns immer wieder gelingen, den moderaten Weingenuss als Kultur, ja sogar als Beitrag zur Gesundheit zu erleben.
Außer der Verschiebung, dass zu viel Wein in Europa erzeugt wird und der Verbrauch zurückgeht, gibt es auch noch Druck durch den Haushalt der EU. Sie haben die Zahl ein paarmal genannt: 1,3 Milliarden € kostet diese Weinmarktorganisation. Wir können es uns bei den knappen Ressourcen in einem immer größer werdenden Europa nicht leisten, 40 % davon für die Destillation zu verwenden. Deswegen setzen wir uns mit dieser Neugestaltung auseinander.
Ich möchte einfach feststellen, dass die Wege nicht neu sind. Wir hatten schon bisher ein Verbot von Neuanpflanzungen, den sogenannten Anbaustopp, und wir haben versucht, den Markt einigermaßen zu begrenzen. Seit 1976 ist deshalb auch die Weinbaufläche innerhalb der EU von einst 4,5 Millionen ha auf 3,2 Millionen ha zurückgegangen.
Nun könnte man sagen: Warum haben wir dann das Problem? Es wurde schon angedeutet, besonders von Herrn Winkler, dass vor allem der Konsum nachgelassen hat, und zwar in den Ländern – das ist völlig richtig –, die mit Millionen von Hektar am Markt auftreten. Das ist Spanien, das ist Italien, das ist Frankreich. Sie sind gewissermaßen zu Krisengebieten geworden, und wir haben jährlich einen Rückgang des Weinverbrauchs von 0,7 %.
Die Krisengebiete des europäischen Weinbaus sind also die Regionen, die regelmäßig Destillationen auslösen.
Was fehlt, meine Damen und Herren, sind marktgerechte Weine und/oder ausreichende Maßnahmen zur Markterschließung. Ein Hauptziel der Reform ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Das haben die Praktiker vorhin auch rübergebracht. Da haben wir ganz andere Bedingungen als die Drittländer. Wir müssen da einfach unseren Weg selbst definieren.
Der Weg kann tatsächlich nur heißen: Qualität, Qualität und nochmals Qualität. Sie haben es vorhin angesprochen, Herr Pix. Ich darf feststellen: In den letzten drei Jahrzehnten hat sich unglaublich viel getan, was Qualität angeht, sowohl draußen im Anbau als auch kellertechnisch. Wir haben auch den Erfolg!
Wir müssen natürlich auch international unverwechselbar auftreten, jedes der europäischen Länder für sich. Ich sage es immer wieder: Jede Region, auch in Deutschland, hat
ihre Spezialitäten. Natürlich ist der Acolon, sosehr Sie ihn schätzen, Frau Chef, nicht Ausdruck dieser Typizität.
Typizität wäre dann schon eher das, was der Kollege hier angesprochen hat: der Lemberger aus Württemberg – oder noch besser der Trollinger – und die Burgundersorten von Baden.
Wir dürfen keine uniformen Weine haben. Schon wer sich rein sensorisch mit der Materie auseinandersetzt, kann feststellen, dass es einen internationalen Mainstream gibt, zum Beispiel was den Chardonnay angeht. Deswegen muss eigentlich das herauskommen, was Herr Pix gesagt hat – er hat ja zum Schluss noch eine kleine geologische Kunde gegeben –: dass das „Bodagfährtle“ auf Schwäbisch oder das Terroir auf Französisch unsere Weine kennzeichnet. Dann sind wir unverwechselbar, und dann haben europäische Weine auch eine Chance.
Es ist natürlich so, dass damit auch eine Kostenreduktion einhergehen muss. Deswegen muss die Politik die Mittel haben, die Wirtschaftlichkeit anzustoßen.
Was die Vermarktungsstrukturen angeht, kann es noch besser werden. Aber ich möchte ganz ausdrücklich sagen, dass Baden-Württemberg mit seinem hohen Bündelungsgrad bis jetzt schon vergleichsweise gut dasteht gegenüber den anderen deutschen Ländern.
Ferner gilt eines: Wir können nur einen subsidiären Ansatz verfolgen. Das heißt, dass wir eine Reduktion der bisherigen EU-Destillationsmaßnahmen zugunsten regionaler Qualitäts- und Strukturprogramme vornehmen, dass wir für uns definieren: Was braucht man in Baden-Württemberg, um Qualität herzustellen? Was braucht man im Anbau, was braucht man aber auch kellertechnologisch? Welche Möglichkeiten hat das Land?
Die von der Kommission favorisierte Option einer grundlegenden Reform der Weinmarktordnung wird von uns grundsätzlich als der richtige Schritt betrachtet, insbesondere natürlich die Rückführung der Destillation. Für uns ist maßgebend, dass wir ein nationales Budget haben – in der Kommissionssprache nennt man das „National Envelope“ –, mit dem wir für uns definieren können, was richtig ist, welche Maßnahmen wir brauchen.
Einige Dinge können wir allerdings nicht akzeptieren. Das ist vor allem das Vorhaben, dass generell 400 000 ha gerodet werden sollen. Wenn ein Land für sich die Rodung als richtiges Mittel betrachtet, dann sollte es das tun können. Aber überlegen Sie einmal – der Kollege hat es herausgearbeitet –: 100 000 ha in Deutschland und 27 000 ha davon in Baden-Württemberg in den begünstigten Lagen können wir doch nicht in den allgemeinen Topf geben und dann sagen, da würde womöglich proportional gerodet.
Wir brauchen aus qualitativen Gründen auch weiterhin die traditionellen Anreicherungsverfahren, auch Chaptalisationsverfahren genannt. Gott sei Dank gibt es darin eine nationale Einigkeit.
Die kurz- und mittelfristig vorgesehene Aufhebung des Anbaustopps lehnen wir ab, weil es sich bei uns bewährt hat, dass wir uns auf die Gunstlagen konzentrieren.
Die Weinbauregionen sollten auf der Basis der bereits erwähnten Weinbudgets versuchen, Rodungsmaßnahmen umzusetzen, wenn sie sie brauchen.
Die vorgeschlagenen bezeichnungsrechtlichen Änderungen müssen allerdings sehr sorgfältig geprüft werden, und zwar auch im Sinne des Verbraucherschutzes. Denn die traditionellen Herkunftsbezeichnungen haben ein hohes Maß an Transparenz für den Verbraucher gebracht.
Ich glaube, wir brauchen gar nicht über einen Verschnitt mit Drittlandsweinen zu reden; den lehnen wir von vornherein ab. Es kann uns überhaupt nicht in den Sinn kommen, so etwas zu erwägen.
Baden-Württemberg verfolgt im Rahmen der Diskussion um die Liberalisierung der önologischen Verfahren das Ziel, in den jeweiligen Regionen an bewährten traditionellen kellerwirtschaftlichen Verfahren festzuhalten. Wenn wir uns öffnen, dann nur im Sinne des Verbraucherinteresses und im Sinne der Qualität. Nur das kann die Marschrichtung sein.
Die fachspezifischen Argumente und Ziele der Reform bedeuten vor allem Wettbewerbsfähigkeit. Sie sprechen dafür, die Finanzmittel der gemeinsamen Weinmarktordnung in der ersten Säule zu belassen – der Kollege hat es ausgeführt –, und da gehören sie auch hin; denn wir brauchen dann auch keine Gegenfinanzierung aus den nationalen Haushalten – das wäre nicht einzusehen.
Insgesamt muss eine Reform mit Augenmaß erfolgen. Vor allem muss auch eine europäische Solidarität geschaffen werden. Diese hat es nicht immer gegeben. Herr Pix hat beschrieben, was sich da im Hinblick auf die Fraktionierung und die Öffnung für solche Weine im Dezember abgespielt hat.
Die Diskussion hier im Landtag hat, meine ich, einen Wert, weil nach außen dringt, dass es hier eine hohe Übereinstimmung mit unseren traditionellen Zielen gibt.
Wir sind auch glücklich darüber, dass wir uns national nicht auseinanderdividieren. Frau Merkel wird unser Anliegen genauso einbringen, wie es unser Minister bei den entsprechenden Stellen in Brüssel einbringen wird.
Ich darf zum Abschluss noch eine Einladung aussprechen, nachdem Sie alle so interessiert und kundig sind. Wir haben in unserer Nachbarschaft zwei aktuelle Ausstellungen: eine in der Württembergischen Landesbibliothek, die mit dem Satz von Hölderlin „Wenn über dem Weinberg es flammt“ überschrieben ist, mit wunderbaren alten Zeugnissen, z. B. aus dem 15. Jahrhundert, und vielem anderem mehr. Diese Ausstellung ist mit einer Rebzeile bis zum Haus der Geschichte verbunden, wo eine Ausstellung mit dem Namen „Reinen Wein einschenken“ stattfindet. Dort wird auf sehr anschauliche Weise das Grundanliegen des badischen und württembergischen Weines, nämlich das „Bodagfährtle“, rübergebracht.
Im Übrigen freue ich mich, dass wir uns mehr und mehr auf Regionalität besinnen, und darf am Wochenende eine Veranstaltung am Kaiserstuhl empfehlen, wo das PLENUMGebiet Allgäu und das PLENUM-Gebiet Kaiserstuhl den Wein und den Käse zusammengebracht haben.
Auch an Ihnen liegt es, ob unser Wein eine Chance hat. Denken Sie häufiger, wenn Sie sich etwas Gutes tun wollen, an deutschen Wein, an europäischen Wein! Seien Sie kritisch gegenüber solchen Definitionen, wie sie Herr Pix eben von dem Australier benannt hat.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Bei so viel Einigkeit darf ich davon ausgehen, dass dieser Antrag durch die Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen zu. Es ist so beschlossen.
a) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales – Ausbaustand und bisherige Förderung der Kleinkinderbetreuung – Drucksache 14/232
b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales – Ausbau und Neugestaltung der finanziellen Förderung der Kleinkindbetreuung – Drucksache 14/268
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Buchstaben a und b fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.